Seile 2 - Nr. 16S
NagolLer Taabtatt „Der Gesellschafter*'
Der „Lokalanzeiger* teilt mit, der Entwurf sehe die grundsätzliche Gleichstellung von Bekenntnis» schule, Gemeinschaftsschule und Weltlicher Schule vor. Entsprechend den Bestimmungen der Reichsverfassung sichere der Entwurf das Recht der Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten, über die Schule für ihre Kinder zu entscheiden und läßt als einzige Grenze des Elternwillens die Notwendigkeit der Nichtgefährdung des ordentlichen Schulbetriebs gelten.
Die Entschädigung der Liquidationsgeschädigten Berlin. 15. Juli. Das dem Reichsrat überwiesene Liquidationsschädengesetz sieht, wie mehrere Blätter Mitteilen, einen Betrag von einer Milliarde vor, statt wie im ursprünglichen Entwurf 800 Millionen.
Die neue Gemeindeordnung in Bayern München. 15. Juli. Der Landtag hat in sechsstündiger Sitzung die neue Gemeindeordrrung mit 90 gegen 26 Stimmen angenommen. Dagegen stimmten nur die Sozialdemokraten und die Kommunisten.
Regierungsbildung in Mecklenburg-Skrekitz Neustrelitz. 15. Juli. Nachdem die Versuche der sozialdemokratischen Fraktion, eine Regierung auf Grund des Wahlergebnisses zu bilden, infolge der ablehnenden Haltung der Fraktion für das Handwerk und Gewerbe zu keinem Ziel geführt hatten, wurde seitens der -eutschnationalsn Fraktion mit der Fraktion der Handwerker, der Volkspartei and der Demokraten verhandelt. Es soll nun ein« neue Regierung mit den beiden bisherigen Ministern Dr. Hu- staedt und Schwabe gebildet werden. Der neue Landtag wird auf den 26. Juli einberufen werden, um die Präsidentenwahlen und die Bestätigung der beiden Minister zu vollziehen.
5. Deutscher Tischlertag
Essen, 15. Juli. Zum 5. Deutschen Tischlertag in Essen waren 200 Vertreter der deutschen Tischlerinnungen in 13 Landesfachverbänden erschienen. Der Trschlertag führte in einer Entschließung Klage, -aß bei der Vergebung öffentlicher Arbeiten die Reichsverdingungsordnung von den Behörden oftmals nicht genau eingehalten werde: es sei zu fordern, daß jeweils berufsständische Sachverständige zugezogen und Arbeiten nur an solche Unternehmer vergeben werden, die ihren öffentlichen Verpflichtungen an Steuern und Soziallasten nachgekommen sind. Des weiteren wird gegen die fortgesetzte Steigerung der S o z i a l l a st e n, besonders gegen das zweite Ab- änderungsgesetz mm Uniallgesetz vom 14. Avril 1925 Einspruch erhoben. Dieses Gesetz dringe dem ^ischlrrhandwerk eine Steigerung der Beiträge um «nwa 36 o. H.
Württemberg
Stuttgart. 15. Juli. Vom Landtage. Der Finanzausschuß des Landtags besprach sich mit der Beteiligung des Staats an der 450jährigen Jubiläumsfeier der Universität Tübingen. Die Verhandlungen waren vertraulich. Ministerialrat Frey berichtete sodann über die wirtschaftliche Lage der württembergischen Bildstelle, an der außer dem Staat auch die Stadt Stuttgart und der Verein zur Förderung der Volksbildung beteiligt sind. Dem Unternehmen fehlt ein genügendes Betriebskapital. Dies soll durch Erhöhung des Grundkapitals (20 000 Mark vom Staat, 5000 Mark von der Stadt Stuttgart und 5000 Mark vom Verein zur Förderung der Volksbildung) beschafft werden. Auch soll ein freier Grundstock von etwa 10 000 Mark beschafft werden. Die Mittel bei Kapitel 70 Tit. 4 sollen um 20 000 Mark und für 1927 um 3000 Mark überschritten werden unter entsprechender Beteiligung der Stadt Stuttgart. Ein dahin gehender Antrag wurde einstimmig angenommen.
Dann ging der Ausschuß zu der Frage der Regelung der früheren Hofbediensteten über. Finanzminister Dr. Dehlinger hält einen Vergleich für möglich. Ein Rechtsstreit sei anhängig. Die Hofbediensteten stützten sich auf Verträge bezw. Anwartschaften. Der Staat habe dies in den Fällen, wo es durch Dekret festliege, anerkannt, sonst nicht. Ein weiterer Anspruch gehe auf die Einrechnung bezw. den Ersatz von früheren Nebeneinkommen, Garderobseinnahmen usw. Der Finanzminister lehnt einen Ersatz seitens des Staats ab. Für freie Dienstkleidung, Wohnung und Heizung gelte die Regelung, bei den Beamten durch das Wodnunasaeld. Der Minister schlägt einen Vergleich vor
in den Fallen, wo die frühere Hofdienstordnung höhere Beträge vorsehe- als die heutige staatliche Besoldungsordnung. Ministerialrat Seeger erklärte, daß sämtliche Beamte in die Gehaltsgruppe eingewiesen worden seien, die ihrer bisherigen Einstufung entspreche. Mehrere Redner sprechen sich für einen Vergleich aus. Der Finanzminister sagte eine artige Verhandlung mit den Einzelnen zu.
Stuttgart. 15. Juli. Kommunistischer Prozeß. In dem vom Reichsgericht in Stuttgart geführten Prozeß gegen eine Anzahl von Kommunisten wegen Vorbereitung zum Landesverrat u. a. V. beantragte der Verteidiger Rechtsanwalt Dr. von Bagnato die Ladung von 25 neuen Zeugen, die darüber Auskunft geben sollen, daß angeblich im Oktober 1923 die Bürgerpartei gemeinsam mit der nationalsozialistischen Arbeiterpartei einen Putsch beabsichtigt habe, um die damalige Regierung Hieber zu stürze» und Bazille zum Staatspräsidenten zu machen. Gleichzeitig hätten die Truppen des Kapitäns Er Hardt von München aus Vorgehen sollen. Der jetzige Staatspräsident Bazille habe in diesem Zusammenhang mit dem damaligen bayerischen Ministerpräsidenten von Kahr verhandelt. Das Vorgehen der Kommunisten hat den Zweck gehabt, diesen Putsch abzuwehren. Unter den von Bagnato genannten Zeugen befinden sich u. a.: Ministerpräsident a. D. Dr. von Kahr-München, Oberfinanzrat Bang- Berlin, Adolf Hitler -München, Landtagsabgeordneter Dr. Wider-Stuttgart, Alfred Roth-Stuttgart. Theodor Körner jung-Stuttgart und Fabrikant Vecker-Geis- lingen. lieber die Zulassung dieses Antrags wird das Gericht noch entscheiden.
Ein Polizei verbot. Das Polizeipräsiidium hat anläßlich der von der Kommunistischen Partei und ihren Hilfsorganisationen auf den 15. Juli 1927 einberufenen Protestversammlung im Saalbau Dinkelacker den geschlossenen An- und Abmarsch wegen unmittelbarer Gefahr für die öffentliche Sicherheit gemäß Art. 125 Abs. 2 der Reichsverfassung verboten.
Vom Arbeitsmarkl. Die bisherige stetige Besserung der Arbeitsmarktlage im Bezirk Sttuttgart ist in dieser Woche zum Stillstand gekommen. Die Zahl der Erwerbslosen ist von 1460 am 5. Juli auf 1449 am 12. Juli und die Zahl der Krisenfürsorgeempfänger von 898 am 5. Juli auf 881 am 12. Juli zurückgegangen.
Aukoverkehrsverband Stuttgart G. m. b. h. Am 13. April d. I. wurde von der Stadt Stuttgart zusammen mit den Amtskörperschaften Eßlingen, Waiblingen, Leonberg, Nürtingen und Amtsoberamt Stuttgart ein Verband unter dem Namen „Autoverkehrsverband Stuttgart G. m. b. H." gegründet und in das Handelsregister eingetragen. Am Ge- sellschastskapital mit 310 000 -R sind zur Hälfte die Stadt Stuttgart, zur anderen Hälfte die Amtskörperschaften beteiligt. Der Zweck des Unternehmens ist der Betrieb von Kraftwagenlinien in der Umgebung von Stuttgart. In Aussicht genommen sind vorläufig die Linien von Stuttgart nach Waiblingen, Leonberg, Unterboihingen, Nürtingen, sowie von Waiblingen nach Eßlingen. Das Konzessions- Verfahren ist im Gang. Mit der Eröffnung obiger Linien ist im Herbst d. I. zu rechnen.
Sknttgarker Fremdenverkehr. Nach den Feststellungen des Statistischen Amts der Skadt Stuttgart stiegen im Juni in Bei 43 001 (im Mai 40 665) Uebernachtungen betrug die Bei 43 001 (im Mai 40 565) Uebernachtungen betrug die Belegungsziffer 78,0 (im Mai 72,5) v. H. Außerdem übernachteten in Gastwirtschaften 3934 (3504) Personen (Bs- legnngstzifser 48,5 gegen 46,8 v. H. im Mai) und in Pensionen 502 Personen (Belegungsziffer 36,2 gegen 55,5 v. H, im Mai).
Aus dem Lande
Scharnhausen OA. Stuttgart, 15. Juli. Schlecht belohnte Ehrlichkeit. Ein hiesiger Bärgersfohn fand auf der Straße zwischen hier und Plieningen eine Mappe mit 6000 Mark. Das Geld lag auf der Straße zerstreut. Der Finder hob es auf und brachte es seinem Vater. Als dieser den Fund auf das Rathaus tragen wollte, begegnete ihm der Verlierer, ein Schweinehändler von Echterdingen, der seinen Verlust suchte. Er war hoch erfreut, wieder zu seinem Gelds zu kommen und gab dem ehrlichen Finder den fürstlichen Lohn von 5 Mark.
Der Gesellschafter ist
Zeitung!
_ Samstag, 18. Juli 1927
Wurzach. 15. Juli. Gefräßigkeit des Hechts In einem ausgestochxnen Riedteil, der nun durch das Drucks wasser des Rieds schon seit Jahren einen Keinen See bildet konnte mit der Legangel ein Hecht im Gewicht von 3,5 Pfd. gefangen werden. Als der an der Angel hängende 3,5pfün° dige aus dem Master geholt wurde, gewahrte man, daß diesen ein wohl bedeutend größerer Rassenbruder schon zum größten Teil verschluckt hatte. Beim Zuge der Angelschnur spie er aber sein mit den scharfen, spitzen Zähnen bereits getötetes Opfer wieder aus und verschwand mit einem wuchtigen Schlag in die Tiefe.
Bleßsietien OA. Balingen, 15. Juli. Zur großen Armee. Vergangenen Sonntag verschied im hohen Alter von 85 Jahren Jakob Roth. Mit dem Verstorbenen ist der letzte Veteran in unserem Dorf von 1866 und 1870 zur ewigen Ruhe gegangen.
Tuttlingen, 15. Juli. Starkes Anschwellen der Hegau-Aach. Infolge der niedergegangenen Gewitterregen im Schwarzwald hat sich die Produktion der Aachquelle, die normal 7000 Sekundenliter ergibt, bedeutend erhöht. Das Flußbett der Aach hat teilweise seine Grenze schon überschritten. Die Grundstückbesitzer erleiden fast alle Jahre durch das Hochwasser bedeutenden Schaden.
TübinMn, 15. Juli. Todesfall. Prof. Dr. Keßler, Prioatdozent für Geologie und Paläontologie an der hiesigen Universität, ist im Alter von 45 Jahren einer schweren Erkrankung erlegen, die ihn im Gefolge einer Grippe Ausgangs des Winters befallen hatte.
Beuron, 15. Juli. Priesterweihe. Am Sonntag, den 24. Juli, wird Erzbischof Dr. Karl Fritz aus Freibucg vier Fratres des Klosters Äeuron in der Kosterkirche die Priesterweihe erteilen. Weihekandidaten sind: Frater Korbinian Gindele aus Kißlegg, Wilfried Oppold aus Ravensburg, Richard Peron aus Stuttgart und Bernhard Happle aus Neustadt (Schwarzwald).
Unsaubere Vorkommnisse in der Gastwirtschaft zum „Schwanen* in Enzkofen haben schon seit langem Enzkvfen und die Göge unverdienterweise in weiten Kreisen in ein schiefes Licht gebracht. Endlich konnte so viel belastendes Material zusammengebracht werden, daß den Wirtsleuten Karl Krezdorn der Weiterbeirieb ihrer Wirtschaft bis aus weiteres vom Bszirksrat untersagt wurde. Sie werden sich wohl auch noch strafrechtlich zu verantworten haben.
Ravensburg. 15. Juli. Beihilfe zu einem Sprengst o f f a n s ch l a g. Wegen des am 24. Juni 1919 gegen dos Pfarrhaus in Laimnau erfolgten Sprengstoffanschlags war am 22. Juni 1926 der Zimmermann Johann Walser vom Schwurgericht zu 1 Jahr Zuchthaus verurteilt worden. Die Strafe wurde im Gnadenweg in eine Gefängnisstrafe umgewandelt. Johann Walser hat nun während der Abbüßung der Strafe zu einem Mitgefangenen über die Angelegenheit geplaudert. Dabei kam heraus, daß ihm sein Bruder Kaspar Beihilfe geleistet hat. Wegen dieser Beihilfe zu einem Verbrechen gegen das Sprengstoffgesetz wurde jetzt Kaspar Walser vom Schwurgericht zu 4 Monaten 15 Tagen Gefängnis verurtettt.
Aus Stadt und Land
Nagold, 16. Juli 1927.
Es gibt kaum ein besseres Erkennungszeichen für Menschen als ihr Verhalten zu Kindern.
Lhotzky.
-st
Dennoch
Dennoch ist ein schönes Work.
Dennoch heißt mein Glaube,
Dennoch sag ich fort und fort.
Ob ich lieg' im Staube,
Ob ich steh'
Auf der Höh'
In der Glückes Schimmer.
Dennoch sag' ich immer. Harms.
Im Dunkel doch die Sonne schauen, im tiefsten Leide Gott vertrauen, den Kleinmut glaubend niederringen, noch unter Tränen Psalmen singen und selber blutend Wunden lindern, das ist die Art von Gottes Kindern.
Th. Zöckler.
Das Schwert von Thule.
Roman von Leontine von Winterseld-Platea. Copyright by Greiner L Comp„ Berlin W 30.
(Nachdruck verboten.)
14. Fortsetzung.
Dann fiel sie wieder matt in die Kissen zurück und lauschte aus den Nachtwind, der zum Sturm geworden war. Und jetzt faltete sie die schmalen, weißen Hände auf der Bettdecke.
Wo er wohl zu dieser Stunde weilt, mein armer Lickster' Ob seine Seele auch so traurig und heimatlos irrt wie die meine? Er wollte fort von hier — weit, weit fort, in die kalte, riesengroße Welt. Weil sie ihm hier das Leben zur Qual gemacht haben mit alt ihrer bitteren Härte. O. daß ich mit ihm könnte! Bettelarm wollte ich ziehen mit ihm durch die Lande. Nur, daß er ein Herz hat, das für ihn schlägt — an dem er sich ausruhen kann, wenn er müde ist."
Sie schleuchzte aus.
,Fjor seinem Bruder Fridolin hat er in den Knien gelegen und ihn beschworen um sein Erbe. Weil es dies allein ist, was oie Eltern wollen. Aber der Bruder hat ihm den Rücken gewandt und die Achseln gezuckt und gesagt, er könne es nicht. Nun will ich den Schleier nehmen und beten für meines Liebsten arme, einsame Seele."
So sprach sie halblaut, in Tränen erstickt — mit müder, schwerer Stimme. Indes die Hände immer noch reglos gefaltet auf der weißen Decke lagen.
Und unablässig, die ganze Zeit, während die andere sprach schrie es in Heilwigs Seele:
Du kannst ihr helfen! Tn allein! Die Muhme hat es auch gesagt! O, sieh ihr großes Leid und ihren Jammer und hilf ihr! Oder willst du schuld daran sein, wenn sie stirbt an ihrem Weh? So wie du schon schuld daran worden bist, daß der Hasselbachsohn fort will ans seinem Vaterhaus? Willst du nun auch noch schuld sein, daß die Hasselbachtochter zugrunde gehl an ihrem Leid? Oder,
was hoffst du noch von deinem Leben? Ist nicht doch das Schönst,, von deinem Leben tot, seit du die Heimat lassen mußtest? Hat nicht der Ahne gesagt, daß die Nordlandskinder stolz und hart sein müssen gegen sich selbst? Und wenn es an ihr eigen Herzblut geht?
Mitten im Zimmer stand Heilwig und hatte den Kopf lauschend gehoben. Ihr Angesicht war weiß wie der Tod. Sie wußte nicht mehr, was das Rechte war. Nur eins wußte sie, daß sie Elisabeth nicht mehr so leiden sehen konnte. Wie im Fieber jagten ihre Gedanken und überstürzten sich. Alle-die fremden, seltsamen Dinge, der letzten Tage, die so jäh auf sie eingestürmt waren, rissen und zerrten wild an ihrer wunden Seele.
Und jetzt kniete sie neben dem Bett der Weinenden und umfing sie fest mit beiden Armen.
„Du darfst nicht mehr weinen, Elisabeth, hörst du? Denn es wird ja nun alles gut jetzt — alles, alles gut. Ich verspreche es dir mit einem Eid, daß du den heiraten wirst, den du so liebst. Und nun sei still — ganz still."
Elisabeth starrte sie an.
„Wie kannst du mir das versprechen, Heilwig? Bist du denn Gott?"
Heilwig sah an ihr vorüber in die stürmende Herbstnacht hinaus.
„Glaube mir, Elisabeth, es wird alles gut. Ich schwöre es dir. Morgen früh wird deine Mutter zu dir kommen und dir sagen, daß du ihn heiraten kannst."
Und es war etwas so Bestimmtes, Sieghaftes in ihren Worten, daß Elisabeth nichts mehr sagte, istur den Kopf lehnte sie todmüde in den Arm der anderen. Und ihre Lippen lächelten in seliger Verträumtheit. So schlief sie ein.
Und Heilwig sah regungslos wie ein Marmorbild, mü> wagte nicht, sich zu rühren.
Ueber ö-ie Dünen geht der Nordwind. Unter seinem kalten Kuh beugten sich die grauweißen Stranddisteln und das lange fahle Seegras. Er peitscht die Wellen der Ostsee, daß sie sich brüllend wie schäumende Tiere gegen den Strand ausbäumen in wildem Rasen.
Im Tosen des Sturmes steht einsam ein Mann am Strande.
Er steht steil und aufrecht, die Hände auf sein Schwert gestützt. Das Schwert ist blutig. Und neben ihm wölbt sich ein Hügel wie ein frisches Grab. Hat es der einsame Mann selbst gegraben mit seinen Händen oder mit einem Schwert? Um seinen zerbeulten Helm schießen kreischend die Möwen, die gegen den Nordwind kämpfen.
Und alles ist ein stilles, dunkles Grau ringsum, die Regenwolken, die schwer herniederhängen, das Meer und die Dünen.
Die Warnow stromab kommt ein Kahn. Ter darin sitzt, braucht weder Ruder noch Segel, denn die Flut treibt ihn ganz von selbst der See zu.
Der Mann am Strande hat mit scharfem Auge den Kahn erspäht, trotz der Dämmerung. Aber er bleibt regungslos stehen, immer noch auf sein blutiges Schwert gestützt. Er siebt, wie der Mensch im Kahn zur See hinaus steuern will. Aber die Wogen zu wild und gewaltig find, und ihn hindern. So daß er beidreht und den Kahn an einem der Uferpfähle festmacht vor der Mündung des Stromes Und dann steigt der Mensch selbst an den Strand, wo sich ihm der Wind entgegenwirft mit aller Macht.
Da sieht der Mann mit dem Schwert, daß das andere ein Weib ist. Sie hat es schwer, gegen den Sturm anzugehen, weil sich der Wind in ihren Kleidern fängt. Ein dunkles Tuch hat sie fest um die Schultern gezogen und hält es über der Brust mit den Händen zusammen. Das Helle, gelbe Haar fliegt ihr im Wind, ob es auch in feste, starke Zöpfe geflochten ist.
So kommt sie langsam den Strand entlang, Schritt für Schritt sich erkämpfend im Sturm.
Als sie an dem Manne vorüberkommt, sieht er, daß ihr Gesicht weiß wie Schnee ist und daß ihre Augen starr geradeaus sehen aus die weiten, grauen Wasser. Für den Zeitraum einer Sekunde streift ihr Blick seine steile, regungslose Gestalt und sein blutiges Schwert. Und auch das frische Grab zu seinen Füßen. Aber ihr Fuß stockt nicht. Ruhig und furchtlos schreitet sie weiter. Stumm und grußlos an ihm vorüber.
(Fortsetzung folgt.)