Seile 2 Nr. 182

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Freitag, 18. Juli LS87

Die Neuregelung der Kraftfahrzeugsteuer

Der Arbeitsausschuß des Reichswirtschaftsrats fasst in sei­nem Bericht über die Neuresselunss der Kraftsahrzeugsteuer:

1. Bis auf weiteres ist an der P a u s ch a lste u e r fest- Mihlckten solange, bis sich die Möglichkeit ergibt, die tatsäch- Tche Wegebenußung durch die besseren Sreuermaßsräbe (Rei­fen, Triebstoff, Meßinstrument) mit hinreichender Sicherheit und Einfachheit der Steuer zugrunde zu legen.

2. Bei Ausgestaltung der Pauschalstcuer halt der Ausschuß «Ne Neutralisierung des Steuermaß st abs für avt wendig.

3. Er empfiehlt deshalb als Steuermaßstab für Per­sonenkraftwagen eine Verbindung von Hubvolu­men und Gewicht, und .zwar je zur Hälfte.

4. Bei Lastkraftwagen, Omnibussen und Zugmaschinen K als Steuermaßstrch das Gewicht beizubehalten.

5. Wagen, die bestimmt sind, sowohl als Personen- als «uch als Lastkraftwagen zu dienen, sind nach dem höheren Tarif zu besteuern.

6. Krafträder sollen hinfichlkch -es Steuermaßstabs und des Tarifs den Personenkraftwagen gleichgestellt werden.

7. a) Der Tarif für Perfonerrkraftfahrzeuge soll in arith­metischer Progression gestaltet werden, b) Der Tarif für Lastwagen, Kraftomnibusse und Zugmaschinen wird aufge- daut auf der Grundlage der Nerwendnna von Luftreifen.

Werden Kissenreifen verwandt, dann soll ein besonderer Zuschlag zur Steuer im Gesetz verankert werden.

8. Für die Zahlungsweise sind Erleichterungen in zweier­lei Weife zu schaffen: ») dadurch, daß mehrere Zah­lungstermine eingeführt werden, b) dadurch, daß die Möglichkeit geschaffen wird, das Fahrzeug unter erleichterten Bedingungen vorübergehend abzumelden.

9. Die Verteilung des Steueraufkommens erfolgt durch das Reich über die Länder an die Wegeunterhaltungspflich­tigen nach dem Anteil am Ausbau eines deutschen Straßen­netzes für Automobilverkehr unter Berücksichtigung der Ver­kehrsdichte und unter Gütevorschriften für die Straßenart.

Grundsätzlich hält -er ^ oettsausfchuß es für notwendig daß ein einheitlicher Tarif -,uer Einschluß des jetzt geltende« 25prozentigen Zuschlags festgesetzt wird. Der Tarif soll also die Beiträge für auße.gewöhnliche Wegeabnutzung durch Fahrzeuge mit umfassen,- darum soll die besondere Erhebung dieser Beiträge unzulässig sein. Ein Antrag, der die Ein­führung einer Zugtier st euer als Wegeabgabe forderte, mit der Formulierung, Laß die Landwirtschaft dabei geschont, werden solle, indem man ihr eine Einheit und den gewerb­lichen Betrieben drei Einheiten berechnet, wird abgelehnt. Die beiden Hauptausschüsse stimmten dem Bericht des Ar­beitsausschusses mit 3-1 aenen ö Stimmen -m.

Vertagung des französische« Parlaments

Paris, 14. Juli. Poincare hat abermals einen glän­zenden Sieg über das Parlament davongetragen. Die Kammer hat dis Beamten besol düng schließlich doch nach der Regierungsvorlage mit 347 gegen 200 Stim­men angenommen. Die Sozialradikalen (Linksdemokraten), die mit der ganzen Linken eine Rückwirkung der Gehalts­erhöhung verlangt hatten, wagten bei dem rücksichtslosen Widerstand Poincares, und da sie selbst einen Regierungs­wechsel fürchteten, nicht, ihre Forderung aufrecht zu erhalten, und sie stimmten schließlich für die Regierungsvorlage. Die nun beschlossene Gehaltserhöhung läuft vom i. Oktober d. I. an und erfordert für das laufende Jahr eine Mehrausgabe von 898,8 Millionen Papierfranken (148 Millionen Mark), für dos nächste Jahr 2029,5 Millionen Franken (334,8 Will. Mark).

Die Kammer erteilte darauf dem Handelsminifter Bo- kanowski für die nächsten drei Monate die Ermäch­tigung, in den Verhandlungen über das vorläufige Han­delsabkommen mit Deutschland beim' Zolltarif Veränderungen vo-rzunehmen, soweit dies zum schnel­leren Abschluß erforderlich erscheint. Ausgeschlossen von die­ser Aenderung der Zollsätze sind jedoch die Nahrungs­mittel und alle Bekleidungsgegenstände (aus­genommen Strumpfwaren). Die neuen Tarife sind dem Parlament ehestens vorzulegen. Werden sie vom Parlament nicht genehmigt, so weiden sie 28 Tage nach dem ablehnen­den Beschluß wieder unwirksam. Ausgeschlossen von der Aenderung der bereits von der Kammer angenommenen Zollsätze bleiben Weizen, Roggen und Holz. Darauf vertagten sich Kammer und Senat bis Ende.Oktober.

Pangaios geflüchtet

Athen, 14. Juli. Der frühere Diktator von Griechenland, General Pangalos, der von der jetzigen Regierung aus Kreta gefangen gehalten wurde, ist von Anhängern aus dem Gefängnis befreit worden und ist auf einem kleinen Schiff von der Insel geflüchtet. Die Negierung hat Torpedo­boote zur Verfolgung ausgesandt. ,

Württemberg

Stuttgart, 14. Juli. Vom Staatsministerium. Durch Entschließung des Staatsministeriums ist Obsrlaudcs- gerichtsrat Dr. Schmid zum Ministerialrat beim Staats­ministerium ernannt worden.

Vom Venvaltungsgerichtshos. Das Staatsministerium hat den Oberverwaitungsgerichtsrat Dr. v. Haller zum Direk­tor bei dem Berwaltungsgerichtsbos befördert und den als Stellvertreter im Verwaltungsgerichtshof tätigen Oberreg.- Rat bei der Ministerialabteilung für Bezirks- und Körper- schaftsverwaltung Rupp ,zum Oberverwaltungcgerichisrat bei dem Perrvaltunosgerickttbos ernannt.

Stuttgart, 14. Juli. Ernennungen im Justiz- d i e n st. Der Staatsanzeiger veröffentlicht in seiner heutigen Nummer die auf Grund des vom Landtag genehmigten Nachkragsetat erfolgten Ernennungen im Justizdienst. Es rücken dadurch namentlich zahlreiche Gerichtsassessoren in Amtsrichter- und Staatsanwaltstellen vor. Ferner werden zahlreiche Notariatspraktikanten zu Obersekretären ernannt.

DertüuMruug einer Meldefrist. Die Mnisterialabteilung für die Fachschulen hat die Frist für die Einreichung der Gesuche um Zulassung zu dem von ihr geplanten Lehrgang zur Ausbildung von Gewerbelehrerinnen bis zum 23. Juli d. I. verlängert.

Ei« neuer Aussickstslurm. Der Verein für Fremdenver­kehr in Stuttgart hat mit der Studentenschaft der Technischen Hochschule eine Vereinbarung getroffen, wonach in Zukunft die Bismarcksäule vom Publikum gegen mäßiges Eintritts­geld betreten werden darf. Dadurch erhält Stuttgart einen neuen Aussichtsturm.

Das Unwetter in Palästina. Einem Telegramm zufolge, das der Stuttgarter Vertreter der schwäbischen Templer in Palästina erhielt, sind in der deutschen Siedlung keine Menschenleben und keine Verwundeten bei dem Erdbeben zu beklagen. Es sind zwar auch keine Häuser eingestürzt, da­gegen ist der Sachschaden, den auch die deutsch-schwäbischen Siedler erlitten haben, ziemlich bedeutend.

ep. Landeskirchenkoüekte. Tausenden unserer Schwaben- sohne, die im Krieg und Frieden ihre militärische Ausbildung auf dem Truppenübungsplatz Münsingen erhielten, ist wohl das uralte, schmucke, malerisch am Verghang gelegene Kirch­lein in Auingen OA. Münsingen, auch schon durch den Besuch des Gottesdienstes wohl bekannt. Dieses Kirchlein ist durch die bedeutende Zunahme -ex Seelen,zahl zu klein und mg und auch stark baufällig geworden und soll durch einen Neubau ersetzt werden. Die früher schon ersammelten und kr Kriegsanleihe angelegten namhaften Mittel sind der In­flation zum Opfer gefallen. Zugunsten des Kirchenbaus in Auingen findet am Sonntag, den 17. d. M., eine allgemeine Landeskirchenkollekte statt. Die evcmg. Landeskirchengenossen werden herzlich gebeten, mit vereinten Kräften durch reiche Leisteuer zum Gelingen des guten Werks beizutragen.

Die Rettungsmedaille wurde dem Oberreiter Karl Krebs beim M.-G.-Zug des 18. Reiter-Regiments in Cannstatt verliehen.

Vom Tage. Der Hausierhändler Peter Schanz, der un­ter dem NamenDer wahre Jakob von Amerika" stadtbe­kannt war, stürzte in der Rosenstraße eine Treppe herab, wobei er sich tödlich verletzte.

Anwetterschäden. Nach einer Meldung aus Horgen OA. Rottweil ging über dem Eschachtal ein schwerer Hagel- fchlag nieder, der großen Schaden anrichtete. Teilweise dürf­ten 90 Prozent des Getreides vernichtet sein. In U r a ch «ch es am Dienstag ein Gewitter mit starkem Wolkenbruch. Da die andrängenden Wassermassen in den Straßen Stö­

rungen vermuten ließen, wurde die Feuerwehr alarmiert die an einzelnen Stellen eingreifen mußte. In Zuffen' Hausen konnten bei dem Dienstaggewitter die Kanäle die Wassermassen nicht mehr fassen. Das Wasser drang in viele Kelle'- und Erdgeschosse ein, und man hatte Mühe und Not dos Wasser herauszupumpen oder herauszutragen.

Aus dem Lande

Hohenheim, 14. Juli. Fernbeben. Das Beben in Palästina ist hier nur als schwaches Fernbeben ausgezeich­net worden. Der erste Einsatz im Seismogramm war um 14 Uhr 9 Min. 40 Sek. Die Herdentfernung berechnete sich aus 3300 Kilometer. Die größte wahrnehmbare Bodenbewe­gung für das hiesige Gebiet betrug 7 Mikron (1 Mikron gleich 1005 Millimeter.

Eßlingen. 14. Juli. Hohes Alter. Der Senior der errang. Lehrerschaft Württembergs, Schullehrer a. D. Schmid, vollendete am 12. Juli in verhältnismäßig guter körperlicher und geistiger Frische sein 93. Lebensjahr. Der in Oberndorf bei Welzheim Geborene erhielt seine Ausbil­dung im Lehrerseminar Eßlingen. 1858 wurde er Lehrer in Möglingen bei Ludwigsburg, wo er bis 1908 ein halbes Jahrhundert lang in voller Gesundheit seines Amtes wal­tete. Er wohnt in Obereßlingen im neuerbauten Hause seiner Töchter, die auch dem Lehrerstand angehören.

^ ep. Hall, 14. Juli. Die Diakonissenanstalt Schwäb. Hall feierte am Sonntag unter starker Teil­nahme aus Stadt und Land ihr 41. Jahresfest. Reg.-Ral Loebich aus Stuttgart hielt in der Michaelskirche die Festpredigt. 12 Schwestern wurden vom Anstaltsleiter ein­gesegnet. Nach dem Jahresbericht, den Pfarrer Weisser oortrug, ist die Anstaltsgemeinde auf über 1100 Personen angewachsen. Die Haller Schwestern haben 45 000 Hilfs­bedürftigen aller Art im vergangenen Jahr gedient. Im Krankenhaus des Mutterhauses wurden in 30 090 Pflege­tagen mit 983 Nachtwachen 1204 Kranke verpflegt. Im Kinderkrankenhaus fanden meist skrofulöse Kinder zu vier- bis sechswöchigen Solbadkuren Aufnahme. Das Frauen­heim und Frauenasyl beherbergte 60 Insassen. Im Schrvach- sinnigenheim haben 621 Pfleglinge ihre Heimat gefunden, darunter 80 Kinder. Obwohl 156 Pfleglinge neu ausgenom­men wurden, konnten 50 Gesuche nicht berücksichtigt werden. Den Kranken des Schwachsinmgenheims wurde in 180 201 Pflegetagen mit 1128 Nachtwachen gedient. 189 Schwestern haben in 160 Gemeinden in allen Landesteilen 33 08S Kranke gepflegt, außerdem arbeiten 68 in 16 Krankenhäu­sern, 24 in verschiedenen Heimen. Infolge eines Zuwachses von 22 Schwestern zählt das Mutterhaus heute 425 Schwe­stern. Vom Eoang. Volksbund wurden dem Diakonissen­haus 6Hausschwestern" zur Ausbildung überwiesen. Eine größere Anzahl von Erweiterungsbauten mußte durch­geführt werden. Eine Aufnahme von Schulden war unum­gänglich trotz der tatkräftigen Hilfe vieler Freunde, auf die die Anstalt auch fernerhin in weitgehendem Maß ange­wiesen ist.

Biberach, 14. Juli. Die Notlage der Milchwirt­schaft. Der Württ. Milchwirtschaftliche Verein hielt ge­stern hier eine sehr gut besuchte öffentliche Versammlung ab,- in der Molkereiinspektor L i p p- Wangen über die Not der deutschen Milchwirtschaft sprach. In einer Entschließung wurden von dsn Vertretern der milchwirtschaftlichen Grup­pen Württembergs, Bayerns, Milcharbeiter und Händler die maßgebenden Stellen des Reichs und des Lands um rascheste Maßnahmen zur Rettung der Allgäuer Milchwirtschaft ersucht, die vor dem Zusammen­bruch steht. Es werden gefordert: Erhöhter Zollschutz für Milch und Milchprodukte, erhöhter Zollschutz für Viehzucht und Viehmast, insbesondere Beschränkung der Gefrierfleisch­einfuhr und Verbot der Weiterverarbeitung von Gefrier­fleisch und ausländischer Käse. Werbung aus öffentlichen Mitteln für vermehrten Verbrauch von Milch und deutschen Milchprodukten, öffentliche Unterstützung der Qualitätsför- derung der Milchprodukte, insbesondere bei Butter, staat­liche Versuche über bessere Massenmilchverwertung, Eilgut­beförderung von Weichkäse zum Frachtsatz (ohne Eilgut- Zuschlag), verbilligte, langfristige Kredite zur neuzeitlichen Gestaltung unseres Molkereiwesens, ausreichende Betriebs­kredite für genossenschaftliche und private Milchverarbei­tungsbetriebe zu möglichst billigen Zinssätzen, steuerliche Berücksichtigung der reinen Milchwirtschaftsbetriebe, ins­besondere rascher Abbau der Rentenbankschuld.

Das Schwert vo« Thule.

Roma» von Leontine von Wiuterseld-Pl aten. Copyright by Greiner L Comp^ Berlin W 30.

(Nachdruck verboten.)

13. Fortsetzung.

Es kommt alles so auf einmal über mich, Best. Das hat mich so gepackt. Das große Leid deiner Schwester, die krcmk vor Gram auf ihrem Bette liegt. Und dann die Nachricht, daß mein Ahne starb. So einsam starb da oben im hohen Norden/-

Und was sie so lange zurückgekämpft hatte mit trotziger Kraft, brach sich nun jäh und gewaltsam Bayn. Sie schlug die Hände vor das Gesicht und fing bitterlich an W weinen.

Veit stand erschüttert und in großer Ratlosigkeit vor ihr. Alles in ihm schrie danach ihr zu helfen, ihr ein liebes, tröstendes Wort zu sagen. Aber sie weinte so heftig, daß sie nichts verstehen konnte von seinem leisen Stammeln.

So kniete er nieder vor ihr und streichelte nur immer ihre Hände unablässig.

Und dann, als ihr Weinen leiser, ruhiger wurde, ver­sucht-' er weich, ihr die Hände vom Antlitz zu ziehen.

Sieh, Heilwig, du darfst nicht so weinen, o, es schneidet mir ins Herz. Denn du bist das schönste und Hehrste, das ich kenne. Froh möchte ich dich sehen, weiß Gott allweil nur froh und lachend. Denn sieh, Heil­wig. ich habe dich doch so unsäglich lieb! Lieber als alles in der Welt. Du bist in meinen Träumen und Gedanken Tag und Nacht."

Sie hatte jetzt die Hände vom Gesicht genommen und starrte chn an aus wett offenen, tränennassen Augen. Er sah nicht die Angst und das Entsetzen in ihrem Gesicht. Er war wie trunken von ihrer süßen Nähe. Aber noch ehe er beide Arme um sie schlingen konnte, war sie auf­gesprungen. Zurück war sie getaumelt und wäre fast gsssMe», wen» sie M nicht mit bmdem Händen an der

schweren Rückenlehne des Sessels geklammert hielt. In ihrer« Weißen Gesicht war eine große Not und Qual.

, ,Q, Veit was tust du? Was tust du? Muß ich'

nun auch meinen einzigen Freund hier verlieren im Hassel- bochhaus? Muß ich mir alle zu Feinden machen? Q Veit^. und ich habe dir so sehr vertraut! Gern gemocht habe ich dich wie einen Bruder. Aber nie mehr nie mehr! Ach, womit habe ich bas verdient um euch?

Er hatte sich von den Knien erhoben und stand jetzt vor ihr. Wie Feuer brannten die roten Flecken auf seinen Wangen, und seine Hände zitterten. Er rang nach Worten.

Und dann fiel eine jähe Blässe über sein Gesicht, und er trat schrittweise zurück.

Heilwig, bei Gott im Himmel! Du bist mir heilig, und ich habe dich nicht verletzen wollen. Wie ein Fieber ist es über mich gekommen. Vergib mir. Nun muß ich fort aus diesem Haus in die weite Welt, denn ich kann fürder nicht mehr leben mit dir unter einem Dach. Weil ich mich so vergaß. Und weil es geschehen könnte, Heilwig, daß ich mich noch einmal so vergäße, wenn du mir nahe bist. Denn ich liebe sich. Heilwig. Und so war ich nimmermehr Herr über mich selbst. Vergib mir."

Er sah sie noch einmal an. Mit einem langen, ver- zehrenoen Blick. Dann ging er aus der Stube. Draußen aus oer Treppe hörte sie seinen Schritt verhallen.

*

Um das Hasselbachhaus am Marktplatz zu Rostock geht der Nachtwind. Die engen Gassen kommt er heraus, gefegt, mit wiloem Geheul und rüttelte an Türen und Fensterläden, an den verschnörkelten Giebeln und rußigen Schornsteinen.

Im Hasselbachhause scheint alles zu schlafen. Nur oben in d«m kleinen Schlafgemach der beiden Mädchen brennt noch Licht. Heilwig hat es entzündet, well Elisabeth so trostlos stöhnte auf ihrem Lager. Nun fitzt sie im langen, weißen Nachtkleid mit den gelösten, blonden Haaren am Bett der anderen und lauscht ängstlich auf die kurzen, unregelmäßigen Atemzüge. Hin und her wirst sich die Kranke und nasse Tücher hat ihr Heilwig auf die heiße, brennende Stirn gelegt. Unruhig flackert der Kienspmz

im Eisenring und wirft ein zuckendes, gelbrotes Licht durch die kleine Stube. Heilwig hat beide Hände um die Knie geschlagen und starrt in die knisternde Flamme. Aus den Nordwind lauscht sie, der um den Giebel streicht.

Von der See kommt er ja her von der großen, ge­waltigen! Ob er ihr Grüße bringen will von da? Oder von dem loten Ahnen, der den Nordwind so sehr geliebt?

Regungslos sitzt Heilwig. Es ist etwas Starres in ihrem Gesicht. Sie weiß, daß nun etwas anders werden wird in ihrem Leben. Ganz, ganz anders! Denn sie kann nicht mehr im Hasselbachhause bleiben, seit Veit ihr seine Liebe gestanden. Denn er darf nicht fort in die weite Welt um ihretwillen. Was würden die alten Hasselbachs dazu sagen? Und sie selber würde sich immer Borwürfe machen. Ach, aber wo sollte sie hin? Wo nur? Sie stützte den Kopf in die Hände und sann und sann.

Wie das flackernde Licht des Kienspans auf ihrem blonden Haar lag, daß es glänzte wie mattes Gold! Das war in dem Dunkel der Kammer wie ein immerwährendes, stetes Leuchten.

Und Heilwig grübelte. Es war so viel über sie ge­kommen alt diese letzten Tage. Ach, was war es nur alles gewesen?

Erst dvs mit dem Fridolin Lämmerzahl. Und dann der Gram und die Krankheit von Elisabeth! Und der Tod des greisen Ahnen! Und nun am Ende die Liebe des armen Veit. Darunter litt sie sehr, denn sie hatte ihn gern. Aber an so etwas hatte sie nie gedacht. Ja, ja fort mußte sie nun ganz fort das war klar.

Sie schrak hoch.

Elisabeth hatte sich jäh aufgerichtet im Bett und sah sich mit großen, glänzenden Augen ringsum.

Was tust du hier, Heilwig? Warum schläfst du nichts

Die andere war aufgestanden und beugte sich über sie.

Du stöhntest so im Traum, Elisabeth, und warst so unruhig. Da wollte ich ein wenig Wachen bei dir."

Elisabeth hob mühsam die Hand und streichelte ihr die Wange.

Du bist so gut zu mir, Heilwig, so gut. Wie soll ich dir das dankend

(Fortsetzung