DONNERSTAG, 2 4. JUNI 1954

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Cogny greift an

HANOI. 50 km nordwestlich von Hanoi im Gebiet von Sontay toben seit 56 Stunden heftige Kämpfe zwischen Truppen der französischen Union und Einheiten des kommunistisch geführ­ten Vietminh. In Hanoi hört man Tag und Nacht Kanonendonner. Man nimmt an, daß der Oberbefehlshaber der französischen Truppen in Nord- Indochina, General Cogny, den Be­fehl zum Angriff gab, um Ansamm­lungen der Vietminh-Truppen in die­sem Gebiet zu zerschlagen.

Spaak srhr pessimistisch

BRÜSSEL. Der belgische Außen­minister Paul Henri Spaak sprach sich vor dem außenpolitischen Aus­schuß der belgischen Kammer pes­simistisch über die Aussichten für eine Verwirklichung der europäischen Einheit aus. Er erstattete den Aus­schußmitgliedern einen längeren Be­richt über die politische Lage, doch ba-t er darum, der Presse keine Ein­zelheiten über seine Darlegungen mitzuteilen.

In politischen Kreisen Brüssels glaubt man, daß der Pessimismus Spaaks zum Teil auf die neue fran­zösische Regierung unter Mendes- France zurückzuführen ist, von der man annimmt, daß sie einer EVG- Ratifizierung kaum wohlwollend ge­genübersteht.

Landtag will Flüchtlingslager räumen

Elektrifizierung der Bahn wird vorangetrieben / Die erwartete Schulreform-Debatte blieb aus

Von unserer Stut tgarter Redaktion

STUTTGART. Der Landtag von Baden-Württemberg hat am Mitt­woch die Landesregierung aufgefor­dert, sich bei der Bundesregierung dafür einzusetzen, daß unverzüglich weitere Mittel für den Wohnungsbau für Sowjetzonenflüchtlinge bereitge- stellt werden, damit die Lager in ab­sehbarer Zeit geräumt werden kön­nen. Ein weiterer Antrag, die Regie­rung möge den Landtag über die Maßnahmen unterrichten, die zu einer beschleunigten Unterbringung der Sowjetzonenflüchtlinge beabsichtigt sind, wurde zur weiteren Beratung an den Vertriebenenausschuß über-

Mit den Vorweggenehmigungen des Finanzausschusses zum Staatshaus­haltplan 1954 erklärte sich das Ple­num einverstanden, ebenso wurde der Nachtrag zum Staatshaushaltgesetz 1953 genehmigt, der u. a. die Regie­rung ermächtigt, der deutschen Bun­desbahn zur Fortsetzung der Elektri­fizierung der Strecke Stuttgart-Mann­heim in den folgenden drei Rech­nungsjahren Darlehen bis zum Ge­samtbetrag von 79,8 Millionen Mark zu gewähren.

Allsparerentschädigungs-Renten

Mit den Zahlungen kann sofort begonnen werden / Von unserer Bonner Redaktion

BONN. Nachdem sich im Lastenaus­gleichsausschuß des Bundestages alle Parteien für die Wiederzulassung der Altsparerentschädigungs-Renten ausge­sprochen haben, hat sich das Bundes­ausgleichsamt bereit erklärt, über Vor­schüsse mit den entsprechenden Zahlun­gen zu beginnen. Als Stichtag für die Entschädigungsrenten auf Grund von Altsparerguthaben soll der 1. Juni 1953 gelten, der von den Fraktionen des Bundestages übereinstimmend als

Graham in Frankfurt

FRANKFURT. Amerikas moderner Kreuzfahrer, der 35 jährige Massen­prediger Billy Graham, legte am Mittwoch in seinem ersten Gottesdienst auf deutschem Boden in Frankfurt vor einer großen amerikanischen Zuhörer­schaft ein glühendes Bekenntnis zu der Beteiligung Deutschlands an der Ver­teidigung der freien Welt ab. Obwohl Amerika zwei Kriege gegen Deutsch­land geführt habe, sagte er in seiner für 450 amerikanische Rundfunksta­tionen bestimmten Ansprache in der Frankfurter Christchapel, sollten die Amerikaner die Deutschen als die be­sten Gefährten betrachten.

Blank Leute beim Schießen

KUSEL. Der militärische Berater der Bundesregierung General a. D. Adolf Heusinger und Ministerialdirigent Gerhard L o o s c h von der Dienststelle Blank sowie Vertreter des Landes Rheinland-Pfalz nahmen an einem Übungsschießen in der Pfalz stationier­ter amerikanischer Atomkanonen teil. Aus den Kanonen wurden von der Ab­schußbasis bei Konken (Kreis Kusel) auf den Truppenübungsplatz Baumhol­der 12 Übungsgranaten abgefeuert. Da­bei wurde geprüft, inwieweit das Übungsschießen mit Atomgeschützen die Bevölkerung gefährdet.

Ausgangspunkt für die künftigen end­gültigen Beschlüsse anerkannt worden ist.

Das Bundesausgleichsamt hat sich zu - der Bevorschussung bereiterklärt, nach­dem der Lastenausgleichsausschuß des Bundestages die verbindliche Erklärung abgab, seine Beschlüsse in diesem Sin­ne endgültig zu erarbeiten.

Ebenso einstimmig beschloß der La­stenausgleichsausschuß, daß die Erhö­hung der Kriegsschadenrente und die Beseitigung einzelner Härten in der Hauptentschädigung mit Wirkung vom 1. Juli 1954 an in Kraft treten sollen, auch wenn die Gesetze erst zu einem späteren Zeitpunkt verabschiedet wer­den sollten.

Kein Einwand wurde gegen den Antrag des kulturpolitischen Aus­schusses geltend gemacht, die An­gleichung des Schulwesens, insbeson­dere der Höheren Schulen und die endgültige Festsetzung der Fremd­sprachenfolge bis auf weiteres zu verschieben. Auf eine Aussprache über diesen Punkt, von der man sich eine allgemeine Debatte über die Schulreform versprochen hatte, wurde verzichtet.

Der Abg. Eschenbach (BHE) begründete den Antrag seiner Frak­tion, den aktiven Teilnehmern am Aufstand des 17. Juni 1953 in der Sowjetzone anläßlich (jes Jahrestages eine einmalige Zuwendung von je 50 Mark zu gewähren. Da der Antrag politische und finanzielle Auswirkun­gen hat, wurde er an den Finanzaus­schuß und den Rechtsausschuß über­wiesen.

Die Tatsache, daß Druckschriften

aus der Sowjetzone und der Sowjet­union von den westdeutschen Zollbe­hörden auch dann beschlagnahmt werden, wenn es sich um wissen­schaftliches Material von Instituten handelt, wurde zum Gegenstand einer Anfrage an die Regierung gemacht. Kultusminister Simpfendörfer bestätigte in seiner Antwort, daß sich die Universität Heidelberg deswegen bei der Staatsanwaltschaft beschwert habe. Die Universität habe gebeten, das an sie gerichtete, beschlagnahmte Material selbst sichten zu dürfen. Die wissenschaftlichen Schriften sollten freigegeben werden. Auf das Propa­ganda-Material lege die Universität keinen Wert. Dieser Bitte sei ent­sprochen worden. Nach Mitteilung des Rektors habe sich das Verfahren bewährt. Der Minister sagte, der Kon­takt der Universitäten des Landes mit wissenschaftlichen Instituten der Sowjetzone werde keineswegs er­schwert.

Benelux-Alternative

DEN HAAG. Die Außenminister der drei Benelux-Staaten haben sich am Mittwoch in Luxemburg auf einen Alternativplan für ihre gemeinsame Verteidigung für den Fall geeinigt, daß die Europäische Verteidigungs­gemeinschaft nicht zustandekommt.

Welcher Art der Altemativplan der drei Staaten Holland, Belgien und Luxemburg ist, wurde nicht bekanntgegeben, doch erklärte Staf, die Beneluxstaaten würden ein di­rektes Militärbündnis mit Deutsch­land nicht als geeignete Lösung emp­finden.

SPD für Auflösung

hf. BONN. Die Auflösung des vom Bundeskanzler eingesetzten Koordi­nierungsausschusses für Verlautba­rungen der Bundesregierung hat die SPD-Fraktion in einem am Mittwoch im Bundestag eingebrachten Antrag gefordert. Der SPD-Abgeordnete Schüttle erklärte, die Verwirk­

lichung des Ausschusses würde einer Durchbrechung der verfassungsrecht­lichen Ordnung gleichkommen, weil die vorgesehene Zusammensetzung aus Regierungsbeamten und Parla­mentariern den Grundsatz der Ge­waltenteilung verletze.

PRESSEST IMMEN

Gegenseitige Inspektion?

DieTimes vertritt die An­sicht, daß die Washingtoner Be­sprechungender Verteidigung der freien Welt neuen Auftrieb geben können. Das Blatt schreibt:

Ein europäischer Vertrag, der lok- kerer ist als die EVG, könnte erörtert werden. Aber da wäre einzuwenden, daß die Begrenzungen für Deutsch­land entsprechend geringer wären und daß das deutsche Gewicht in jedem strikt europäischen Projekt entspre­chend schwerer wiegen würde. Deut­sche Mitgliedschaft in der NATO schiene als der sichere Kurs, falls die EVG unglücklicherweise beiseitege­legt wird; und falls Kontrollen benö­tigt werden, sollte es für alle Mitglie­der möglich sein, einer gemeinsamen Inspektion ihrer Waffen zuzustimmen.*

Nicht unsere Schuld...

Unter Hinweis auf Genf heißt es in der liberalen Londoner Zei­tungManchester Guard­ian:

Die Verhandlungen mögen am End« scheitern; aber für die Welt sollte ei dann so offenkundig wie möglich sein, daß es nicht unsere Schuld ist. Eden kann natürlich nicht hoffen, Dulles zur Wiederaufnahme seiner Rolle in den Verhandlungen zu bewegen. Er kann nur akzeptieren, daß Dulles Abwesen­heit von Genf ein Vorteil ist, nachdem dieser glaubt, man müsse beim Ver­handeln ein Gewehr mitführen."

Exportdrosselung-unverantwortlich

Arbeitgeber gegen die Forderung höherer Löhne /Kurzschlüsse

KÖLN. Vor einer Drosselung des deutschen Exportes zugunsten höherer Löhne für die Arbeitnehmer in der In­dustrie, auf die die jetzt erhobenen ge- werkschaftlichenLohnforderungenprak- tisch hinzielten, hat die Bundesvereini­gung der deutschen Arbeitgeberver­bände (BDA) in Köln eindringlich ge­warnt und betont, die gewerkschaft­liche Argumentation enthalte einige gefährliche Kurzschlüsse.

Vor allem die Theorie, die Kaufkraft der höheren Löhne würde an die Stelle der fallen gelassenen Exportaufträge treten und die westdeutsche Produktion auf die inländischen Märkte lenken, sei irrig. Das Ausland kaufe in vielen

Drei Wochen unter Wasser. Im Kanal tauchte ein britisches Unterseeboot auf, das eine dreiwöchige Unterwasserfahrt hinter sich hatte. Es legte die Strecke von den Bermuda-Inseln nach dem Ka­nal unter Wasser mit ausgefahrenem Schnorchel zurück.

Henß überreichte Grubenwehr-Ehren­zeichen. Bundespräsident Heuß über­reichte zehn Bergleuten aus den rhei­nisch-westfälischen Bergbaugebieten das Grubenwehr-Ehrenzeichen, das als be­sondere Anerkennung für wiederholte persönliche Verdienste im Grubenret­tungswesen verliehen wird.

Düsenjäger flogen 11000 km. Drei amerikanische B-47-Düsenflugzeuge, die Wasserstoffbomben mit sich führen können, landeten nach einem Nonstop­flug von fast 11 000 km auf dem japani­schen Flughafen Yokota.

Attentat auf Nehru aufgedeckt. Die indische Polizei bestätigte am Mittwoch, daß es gelungen ist, eine Verschwörung rechtsradikaler Hindu-Gruppen gegen Ministerpräsident Nehru aufzudecken. Es sei offensichtlich auch ein Attentat auf Nehru geplant gewesen.

Bootsunglück sieben Tote. Ein schreckliches Ende nahm die Vergnü-

Kleine Weltchronik

gungsfahrt einer nordirischen Gesell­schaft mit einem kleinen Motorboot auf dem Carlingford-See. Bei heftigem Wellengang kenterte das Boot plötzlich und riß sieben Insassen mit in die Tiefe.

Gegen Atom- und Wasserstoffbombe. Eine Schinto-Sekte hat zwei Millionen Unterschriften von Japanern gesam­melt, die sich gegen die Atom- und Wasserstoffbombe aussprechen.

Brandgänse auf dem Knechtsand in Gefahr. Rund 100 000 Brandgänse, die sieh in jedem Jahr im Juli und August zur Mauser auf dem Großen Knecht­sand einfinden, sind in Gefahr, den Bombenabwürfen der englischen Luft­waffe zum Opfer zu fallen. Die Brand­gänse sind während der Mauser nicht flugfähig.

Personaleinscfaränkung bei der Bun­desbahn. Dr. Horst Blüher vom Haupt­verwaltungsrat der Bundesbahn teilte vor der Bundesbetriebsrätekonferenz der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands in Kassel mit, daß die

Bundesbahn ihr Personal von 1953 bis 1955 um etwa 45 000 Beschäftigte ver­ringern wolle.

Keiner darf fehlen. Die sozialistische Fraktion in der belgischen Kammer hat ihre Abgeordneten angewiesen, keiner Sitzung -mehr unentschuldigt fernzubleiben oder vor Schluß der Sit­zung nach Hause zu gehen, da sonst die Koalition der Sozialisten und Li­beralen ständig in der Gefahr ist, durch eine iZufallsmehrheit der christ­lichen Opposition überstimmt zu wer­den.

Kirchentagsplaketten werden schon getragen. Eineinhalb Millionen Plaket­ten für den evangelischen Kirchentag in Leipzig werden zurzeit in der So­wjetzone umgesetzt. In vielen Orten werden die 5-Mark-Stück großen An­hänger mit dem bekannten Kirchen­tagskreuz schon getragen.

Das merkte auch die Börse. Die New Yorker Börse verzeichnete starke Kursverluste bei Tabakaktien, nach­dem ein Bericht der amerikanischen Krebsforschungsgesellschaft über den Zusammenhang zwischen Zigaretten­rauchen und Krebs veröffentlicht wor­den war.

Fällen andere Produkte als der inlän­dische Konsument. Eine Umstellung der Produktion auf diese Produkte aber benötige Zeit. Für die Exportindustri» würde diese Umstellung inzwischen Einbußen an Produktion und für einen großen Teil von Arbeitnehmern Ar­beitslosigkeit mit sich bringen.

Durch den zunächst nur vorüber­gehend gedachten Beschäftigungsrück­gang, so betont die Arbeitgebervereini­gung weiter, entstehe aber gleichzeitig ein Ausfall an Kaufkraft. Die arbeits­los Gewordenen würden damit nicht nur nichts von den Lohnerhöhungen haben, sie büßten vielmehr außerdem noch ihr bisheriges Einkommen weiter ein.

Urabstimmung bei Metall

STUTTGART. Für die Urabstimmung in der Metallindustrie, die am kom­menden Freitag in allen Betrieben die­ses Industriezweiges im Nordwürttem­berg und Nordbaden stattflnden wird, sind in den letzten Tagen von der In­dustriegewerkschaft Metall die Stimm­zettel ausgegeben worden. Sie haben folgenden Wortlaut:

Zur Abstimmung steht das Angebot der Arbeitgeber, das ab 1. Juni 1954 für den in Zeitlohn arbeitenden Fach­arbeiter über 21 Jahre in der Orts­klasse I eine Lohnerhöhung von sie­ben Pfennig pro Stunde und für den Akkordarbeiter der gleichen Tärif- gruppe, Orts- und Altersklasse ein* Lohnerhöhung von 5 Pfenig pro Stund* vorsieht. Die Lohnerhöhung der übri­gen Tarifgruppen, Ortsklassen und Al­tersstufen errechnet sich nach dem im Tarifvertrag aufgeführten Schlüssel. Bist du bereit, obiges Angebot der Ar­beitgeber anzunehmen? Wer mit Nein stimmt, entscheidet sich für Streik zur Durchsetzung der ursprünglich gefor­derten Erhöhung der Löhne um acht Prozent.

ROMAN EINER EHE VON ANNE 0AY

Copyright by Cosmopress, Genf,

durch Verlag v. Graberg & Görg, Wiesbaden

(7. Fortsetzung)

Ich habe mich zu wenig um sie gekümmert, Immer war ich beschäftigt! Eigentlich sollte ein schönes, temperamentvolles Mädchen niemals einen Arzt und schon gar nicht einen Chirurgen heiraten. Sie hat die Bühne für mich auf gegeben, sie hat nie mehr gesungen, und ich habe ihr keinen Ersatz für den Ver­zicht geboten, ich hatte nie Zeit, das ist nicht gut. Auch das wußte er schon längst.

Sie war schön gewesen, nur daß sie rasch verblühte, daß sie verbittert wurde, nein, das hatte er wirklich nie bemerkt.

Vielleicht war sie doch glücklich mit mir? fragte er sich, obwohl er es nicht recht glaubte. Aber ich, ich habe sie immer ge­liebt, unverändert wie am ersten Tag.

Und was wird jetzt geschehen? Er wußte es, doch er wollte es gar nicht wissen, er konnte nicht weiterdenken, denn er hatte Angst davor.

Fertig, sagte Frau Dr. Beaulieu nebenan im Saal.

Noch immer stand Professor Pasquier am gleichen Fleck, fremd in all der weißen Ge­schäftigkeit. Er stand da, ebenso verloren und in Angst wie jeder Andere, Vater, Gatte oder sonst ein liebender Mensch, der zitternd draußen warten muß, bis die Opera­tion vorüber ist.

Er sah auf das weiße Bett, das an ihm vorbeigerollt wurde, auf das weißerstarrte Gesicht. Sie ist in Narkose, sagte er sich trostend, so wie jeder andere Vater, Gatte oder sonst ein liebender Mensch. Seine Hände preßten sich zusammen, die Finger schmerz­ten in den Gelenken. Ich muß mit Dr. Beau­lieu sprechen, er wünschte es sich genau so verzweifelt wie jeder Laie, der sich an die

Worte des Operateurs wie an einen Stroh­halm klammert.

Drin, im Saal, hatte man Frau Dr. Beaulieu den Gummischurz abgenommen. Nun stand sie am Becken und wusch sich die Hände. Eine Nacht im Auto und dann gleich ope­rieren ein bißchen viel! Sie war müde und hatte das Bedürfnis, sich auszuruhen.

Ich danke Ihnen, sagte eine Stimme neben ihr.

Was soll ich ihm nur sagen? Daß man auf Gottes Hilfe hoffen müsse... ? Stimmt sogar, nur leider ist sie in meiner ganzen Praxis in einem derartigen Fall noch nie­mals eingetreten:

Ihre Frau hat eine starke Konstitution, ein ausgezeichnetes Herz... mit Gottes Hilfe, rutschte es Suzanne heraus.

Ja, nickte der Mann mit dem aschgrauen Gesicht und dem spitzen Bart: wenn ich nicht mehr helfen kann, tröste auch ich Immer mit .Gottes Hilfe. Das Herz ist gut, organisch ist sie sonst völlig gesund... sie ist ein kräftiger Mensch mit einem starken Lebenswillen, beschwindelte er sich selbst, und er wußte dabei genau, daß er es tat.

Frau Dr. Beaulieu schritt neben ihm über den Gang.Dr. Karenski ist bei Ihrer Gattin und wartet, bis sie aus der Narkose auf­wacht.

Der alte Herr blieb stehen:Würden Sie noch zu mir hereinkommen, bitte, sagte er leise, fast untertänig, so als sei es zu viel, was er da noch von ihr verlange.

Suzanne zögerte; ich sollte mich um Charles kümmern, aber schon wurde die Tür ge­öffnet.

Das sind meine Kinder und das ist Frau Dr. de Beaulieu, sie hat Mama operiert.

Suzanne reichte den beiden die Hand. Die brauchen die Wahrheit noch nicht zu wissen; je länger man sie ihnen verschweigt, desto besser. Sie lächelte den Kindern zu:Die Operation ist gut verlaufen, ich bin zufrieden, sehr zufrieden Sie merkte selber nicht, daß es sogar aufrichtig klang. Besorgt sah sie der Profesor an: sonderbar, er benahm sich so

wie alle anderen: immer wieder stand je­mand vor ihr, genau so wie dieser jetzt, und bemühte sich, gute Figur zu machen, obwohl sie alle, alle in Angst um den geliebten Menschen schreien möchten. Herrgott, einen Menschen zu verlieren, ist das Aergste! Ich sollte mich tim Charles kümmern, er ist noch immer gekränkt und beleidigt...

Lisette musterte die Aerztin. Sie wollte sie fragen, wie es Mama geht, aber sie getraute Sich nicht. Doch Suzanne bemerkte die Scheu des jungen Mädchens:Ihre Frau Mama schläft jetzt und wir werden alles tun, damit sie rasch gesund wird... Heute rede ich lauter Blödsinn, dachte sie und schielte un­sicher zum Professor hinüber.

Aber der nickte ihr erleichtert zu. Wie recht hatte sie doch, weshalb sollten es die Kinder jetzt schon wissen.

Mama wird wieder gesund. Für Lisette hatte sich auf einmal alles freundlich verän­dert, die Angst war weg, verflogen ...

Was ich für ein Glück habe, überlegte Antoine. Lisette hat natürlich wieder über­trieben. Mama schläft und alles ist in bester Ordnung. Nun fand er auch das Leben hübsch und äußerst günstig, besonders die Mathe­matische.

Armer Junge! Bedauernd sah Suzanne ihn an, wie er dastand mit seinem trotzigen Ge­sicht, dem blonden Schopf, den langen Beinen, die in Knickerbockerhosen steckten.

Also, sie hat nicht angerufen! Charles de Beaulieu saß in der Badewanne und seifte das Haar ein. Wütend massierte er im weißen Schaum. Sie hat also nicht angerufen, räson- nierte er und tauchte den Kopf ins Wasser. Aber gleich fuhr er wieder hoch: nein, Irr­tum, das Telephon nebenan hatte nicht geklingelt

Ich benehme mich einfach idiotisch! Wes­halb warte ich so gespannt ob Madame ge­ruhen wird, anzurufen? Er stieg aus der Wanne und machte ein paar Kniebeugen

Charles war beleidigt, er fand das Ver­halten seiner Frau direkt provozierend. Nein,

er war nicht gewillt, dies so ruhig hinzu­nehmen.

Er schlüpfte ins Hemd. Sie spekulierte natürlich auf meine Anständigkeit, sie wußte, daß ich sie nicht allein fahren lassen würde und wollte mir beweisen, daß sie in keiner Beziehung von mir abhinge. Oho, meine Liebe, so einfach geht das nicht, bei mir nicht!

Plötzlich horchte er auf. Ahal Mit fliegen­dem Hemd lief er ins Nebenzimmer und hob das klingelnde Telephon an.

Hallo..., sagte Suzannes Stimme im Apparat:Ich bin so froh, daß du noch zu­hause bist, Charles; ich wäre dir sehr dank­bar, wenn du mich von der Klinik abholen würdest.

Warum eigentlich? Charles war bockig: Weshalb soll ich dich abholen?

Weil ich ... Suzanne wollte sagen: weil ich Sehnsucht nach dir habe, aber sie blickte zu dem Mann mit dem grauen Spitz­bart neben sich, sie sah zu den beiden Kin­dern : .. . weil ich abgespannt bin und weil ich dich gern sehen möchte, sehr gern, sagte sie leise:Ich warte hier auf dich, du findest mich im 2. Stock im Zimmer von Professor Pasquier, fügte sie eilig hinzu, wie um ihm keine Zeit zum Widerspruch zu lassen, dann hängte sie ab.

Also sie hat doch angerufen, wenigstens das. Charles war befriedigt. Na, diesmal werde ich sie abholen, aber nur, weil wir erst seit fünf Tage verheiratet sind!

Er nahm Hut und Mantel, pfeifend lief er die Treppe hinunter, pfeifend stieg er in den Wagen, pfeifend fuhr er durch die Straßen. Auf einmal war Charles vergnügt. Er freute sich, er hatte direkt eine Art vergnügter Sehnsucht, eine eilige, ausgelassene Sehn­sucht nach seiner Frau.

Immer zwei Stufen auf einmal nehmend, lief er die Treppe der Klinik hinauf. Im 2. Stock sah er sich um richtig, da war die Tür mit der Visitenkarte: .Professor Dr E. Pasquier'. Charles klopfte an, aber seine Eile ließ ihn nicht warten, er riß die Tür auf ... Justine kam ihm entgegen. (Forts, folgt)

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