„Enfant terrible“ oder Retter?
Pierre Mendes-France vor der Bewährung / Auf alle Fälle sauber und kompromißlos
Von unserem Pariser Korrespondenten G. Ferner
Vietminh brechen aus
SAIGON. Fünfhundert kommunistische Gefangene sind mit Hilfe kommunistischer Partisanenverbände aus einem französischen Kriegsgefangenenlager 45 Kilometer südöstlich von Saigon ausgebrochen, teilten gutunterrichtete Kreise in Saigon am Montag mit. Nur hundert Gefangene konnten wieder eingebracht, getötet oder verwundet werden, der Rest erlangte die Freiheit.
Der rechte Weg
hf. BONN. „Eine expansive Wirtschaftspolitik, die den deutschen Verbrauch steigert, den Lebensstandard der Bevölkerung erhöht und über diese verstärkte Nachfrage hinaus dann fortwirkt auf einen stärkeren Importsog vom Ausland her und “damit zur Heilung des Problems der aktiven Zahlungsbilanz führt“, bezeichnete Wirtschaftsminister Erhard als den richtigen Weg zur Lösung der deutschen Wirtschaftsfragen
Forschung — ein Freiobjekt?
ht. BONN. Die Tatsache, daß die Besatzungsmächte unter Berufung auf das Kontrollratsgesetz Nr- 23 wiederholt Forschungsberichte westdeutscher Industrieunternehmen angefordert haben, hat zu einer Kleinen Anfrage des Bremerhavener Abgeordneten Schneider und der DP-Fraktion geführt. Die Deutsche Partei will auch wissen, ob von britischer Seite aufgestellte Behauptungen zutreffen, nach denen die Bundesregierung bisher noch nicht um eine Aufhebung oder Änderung der entsprechenden Bestimmung des Kontrollratgesetzes nachgesucht habe.
v. U. ROM. Das Experiment M e n - dis-France wird in Römer Kreisen eifrig diskutiert und verfolgt. Noch immer strahlen besondere politische Ereignisse einwirkend und beeinflus - send von Paris herüber. Und vorläufig wird der neue Stern am französischen Regierungshimmel als ein Ereignis von erstklassiger Bedeutung für die internationale Weiterentwicklung empfunden.
Italien steht sozusagen, mit Frankreich zusammen, auf einer schwarzen Liste Washingtons. Beide sind mit der Ratifizierung des EVG-Vertrages über Gebühr in Verzug. Wohl erhielt Italien in den letzten Tagen einen willkommenen Dollar-Industrie-Kredit. Gleichzeitig sieht sich Rom aber hinsichtlich der Fortdauer der US-Finanzhilfe für den Ausbau der Verteidigung bedroht.
Hierzulande würden viele Leute mit Vergnügen einen Eventual-Vorschlag Ihrer Regierung sehen, um die EVG durch etwas Gleichwertiges zu ersetzen. Das italienische militärische Traditionsbewußtsein ist viel stärker, als die Umwelt gemeinhin annimmt. Auch Regierungsanhänger (und Regierungsmitglieder) würden sich lieber auf eine andere Form als eben die ,Comunitä Europea Difesa' verpflichten. Aber man schweigt sich vorsichtshalber aus und läßt das heiße Eisen weiter glühen. Solange Frankreich sein unfruchtbares Spiel treibt — meint man hier—, könne Italien eine getarnte (oder „von der Opposition aufgezwungene“) Verschleppungspolitik kaum zum ernsten Nachteil gereichen.
Diese These hat nun wohl ihre Gültigkeit verloren. Einmal, weil in Frank-
PARIS. Für die Mehrzahl seiner radikalsozialistischen — und das heißt in Wirklichkeit liberalen — Parteifreunde ist der 47jährige Pariser Abgeordnete und Bürgermeister eines reizenden Städtchens in der Normandie, Pierre Mendes- France, ein „enfant terrible“, für einen großen Teil und besonders für die linke Hälfte der französischen Öffentlichkeit und — wie sich nun erwiesen hat — auch für eine Mehrheit von Parlamentariern ist er Frankreichs große Hoffnung. Wer hat nun recht?
Seine jüdische Abstammung hat ihm während der deutschen Besatzung den Weg zur Resistance zweifellos erleichtert, aber die Motive seines politischen Handelns waren — das bestreitet auch keiner seiner zahlreichen Gegner — reiner und selbstloser Patriotismus. Was ihn in seiner eigenen Partei zum Außenseiter machte, das war immer seine unparlamentarische Kompromißlosigkeit. Er ist freiwillig von seinem Ministerposten in der ersten Nach- kriegsregierung de Gaulles zurückgetreten, weil er mit seinen strengen Forderungen in bezug auf die Lebensmittelrationierungen, auf die Unterdrückung des Schwarzhandels, auf Senkung der Staatsausgaben und Besteuerung der Inflationsgewinne nicht durchdrang. Dadurch bekam er die politische Farbe eines Sozialisten, der in der radikalsozialistischen Partei nur geduldet wurde, weil diese eben nicht nur in ih
rer politischen und ökonomischen Doktrin liberal ist, sondern auch in ihrer inneren Parteipolitik jeden Dogmatismus verabscheut. Viele radikalsozialistische Abgeordnete, die ihm nun ihre Stimme gegeben und ihn damit zum Ministerpräsidenten gemacht haben, stehen in scharfer Opposition zu seinen politischen Meinungen.
Desto größer ist sein Einfluß auf die sozialistische Fraktion der Nationalversammlung und auf die ehemaligen Gaullisten, die immer noch nicht genau wissen, ob sie nun eigentlich zum rechten oder linken Flügel des Parlaments gehören, neuerdings aber das soziale Moment immer stärker betonen und sich dementsprechend wieder einmal umgetauft haben. Sie nennen sich jetzt Sozialistische Republikaner. Sie wollen vor allem einen unparteiischen Staat, eine einwandfreie politische Autorität und einen starken Mann, das also, was ihnen der General de Gaulle seit langem versprach, aber nicht lieferte. Wird nun Pierre Mendes-France der kommende Mann auch der Gaullisten werden?
Ohne die Cliquen
Wichtig ist aber, daß über alle parteipolitischen Grenzen hinweg vor allem in der jüngeren Generation Frankreichs der Name des neuen Ministerpräsidenten als der Inbegriff der Unbestechlichkeit, des sozial fortschrittlichen Denkens und der Unabhängigkeit gegenüber allen Parteien und ihren Cliquenbestrebungen gilt. Häufig sieht man in ihm geradezu den Vertreter der jungen Generation, der eher noch als die anderen starken Männer, die im Hintergrund der politischen Bühne stehen, eher noch als der General de Gaulle oder der Marschall Juin, berufen ist, die Vierte Republik von Grund auf zu reformieren und zu erneuern.
In diesen Hoffnungen ist viel Unklarheit und Mystizismus. Wie
Kleine Weltchronik
einem Schreiben wird erklärt, der Bund der sozialistischen Jugend verfolge politische Ziele, die sich gegen die saarländische Verfassung richten.
Immer wieder Volkspolizisten. Insgesamt 56 Volkspolizisten, von denen einer im Offiziersrang stand, haben in der vergangenen Woche in Westberlin um Asyl gebeten.
Der Säugling blieb unverletzt. Zehn Meter weit wurde ein Kinderwagen mit einem Säugling geschleudert, als er bei Bamberg von einem Motorradfahrer angefahren wurde. Die 78jäh- rige Urgroßmutter des Säuglings wurde bei dem Zusammenprall lebensgefährlich, der Motorradfahrer schwer verletzt. Der Säugling blieb unverletzt.
600 Millionen Menschen in China. Das Ergebnis der ersten genauen Volkszählung in China wurde am Montag von Radio Peking bekanntgegeben. Danach lebten am 30. Juni 1953 in
weit sie berechtigt sind, wird man erst an den praktischen Erfolgen des neuen Regierungschefs ablesen können. Er hat sich also zu bewähren.
Moskauer Akzente. ..
Und als erste Bewährungsprobe hat er sich selbst eine Aufgabe von höchstem Rang gestellt. Er will nach 7 Vü Jahren indochinesischen Bürgerkriegs innerhalb vier Wochen den Frieden wiederherstellen. Dies trotz der einwandfreien militärischen Überlegenheit des Gegners, trotz der durch die amerikanischen Rückzieher der letzten Wochen erschwerten diplomatischen Situation und gegen einen Verhandlungspartner, dessen Absichten zumindest undurchsichtig sind.
Nicht nur Frankreich, sondern Europa ist also mit Pierre Mendös- France vor viele neue Fragezeichen gestellt worden. Die Antworten darauf wird zwar der Quai d’Orsay im Laufe der nächsten vier Wochen geben müssen. Aber man sollte sich nicht wundem, wenn sie in Genf einige Moskauer Akzente erhalten würden-
PRÜSSESTIMMEN
Kurz vor dem Ableben
Die EVG-Krise tritt in der Londoner Presse immer stärker in den Vordergrund. Der „Daily Telegraph“ schreibt:
„Die Ernennung des Generals König eines überzeugten Gegners der EVG* zum Verteidigungsminister in dem jetzigen französischen Kabinett ist ein Zeichen der Zeit. Ohne einige dramatische Veränderungen der Ansichten in den nächsten Wochen ist ihr (der EVG) Ableben nicht länger hinauszuzögern.“
Der Kopf entscheidet
Zit der Zusammensetzung des neuen französischen Kabinetts bemerkt der sozialistische „Popu- laire“:
„Es gibt ziemlich wenige große Namen und einige vertraute Köpfe, dis kaum ein „psychologischen Schock“ her- vorrufen könnten. Andererseits findet man in ihr aber einige „Junge“, und an der Spitze der Regierung und der auswärtigen Politik steht jedenfalls Mendös-France, umrahmt von Edgar Faure im Finanz- und Mitterand im Innenministerium. Der Gedanke liegt nahe, daß dieses Triumvirat die Seele der Regierung sein und persönliche Reibungen ausschalten wird. Die Regierung wird das sein, was ihr Chef aus ihr macht.“
befragung war und nach seiner „Wahl“ in das Präsidium auch in die KPD eintrat, betonte vor Gericht, er habe erst als Mitglied der Partei gemerkt, daß der Hauptausschuß eine Tarnorganisa- tion war.-
Mit ihm seien der frühere Luftwaffengeneral H e n s c h , Kapitänleutnant von M u e c k e , die katholisch» Schriftstellerin Christa Thomas, Pastor Oberhofer und Frau Höret- Menge ins Präsidium gekommen.
Der Angeklagte Neumann sei vom Zentralkomitee der SED mit der Gründung des Hauptausschusses für Volksbefragung und Durchführung einer „Volksbewegung“ beauftragt worden mit dem Ziel, Unruhe und Unzufriedenheit in der Bevölkerung zu stiften.
f inheil vordringlich
WURZBURG. Der ehemalige Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Dr. Reinhold Maier, sagte am Wochenende in Würzburg vor der Hochschulgruppe deg liberalen Studentenbundes, Deutschland müsse um di» Einheit noch viel entschiedener kämpfen. Das Problem der Wiedervereinigung müsse eine ureigene Angelegenheit der Deutschen bleiben.
Bedenkliche Auswanderung
BREMEN. Als ein „bevölkerungspolitisch außerordentlich ernstes Problem* bezeichnete das Bremer Statistisch» Landesamt am Montag die Tatsacht daß rund ein Viertel der insgesamt 60 933 Auswanderer, die 1953 die Bundesrepublik verließen, Kinder unter 16 Jahren waren. Auch unter den 44 100 erwachsenen Auswanderern seien, wl» es in einem Bericht ülier die deutschen Auswandererprobleme heißt, wiederum die „produktiven Altersjahrgänge“ sowie qualifizierte Arbeitskräfte besonders stark vertreten.
Italien in Bedrängnis
Mendes-France gefährdet Roms Taktik der Verschleppung
reich tiefgreifende Überraschungen von einem auf den anderen Tag möglich erscheinen; zum anderen, weil die Geduld der USA offenbar zu Ende geht. Nur eine Minderheit von etwa 30 Prozent der italienischen Stimmen möchte aber in Kauf nehmen, sich von allen Bindungen an den mächtigen Freund jenseits des Ozeans zu lösen, um sieh dafür dem östlichen .Friedenslager' an- zusehließen...
Hennecke mußte wieder gehen. Adolf Hennecke, der Erfinder des „Übersolls“ in der Sowjetzone, ist bei den Ruhrbergleuten nicht erwünscht. Als er als Gast an einer Funktionärssitzung der Industriegewerkschaft Bergbau in Bottrop (Westfalen) teilnehmen wollte, sprachen sich die westdeutschen Bergleute in einer besonderen Abstimmung gegen seine Anwesenheit aus.
1664 000 Körperbehinderte. Im Bundesgebiet gibt es 1 664 000 Körperbehinderte mit amtlicher Anerkennung. Wie das Statistische Bundesamt ermittelt hat, sind davon etwa 1 472 000 Männer und 192 000 Frauen.
Wolkenkratzer in 14 Stunden verschalt. Das 22 Stockwerke hohe Stahlbetonskelett eines New Yorker Wolkenkratzers soll in 14 Stunden vollständig verschalt und aufgefacht werden. Für diese Arbeit benötigte man bisher acht bis zehn Wochen.
Sonnwendfeier — politisch gesehen. Eine von der sozialistischen Jugend des Saarlandes bei Neunkirchen im Saargebiet geplante Sonnenwendfeier ist von der Polizei verboten worden. In
„Bürgerliche nur Strohmänner“
Zeugenvernehmungen im Karlsruher Hochverratsprozeß
KARLSRUHE. Im Hochverratsprozeß gegen die KP-Funktionäre Oskar Neumann (München), Karl Dickel (Wuppertal) und Emil B e c h 11 e (Eßlingen) vor dem 6. Strafsenat des Bundesgerichtshofes in Karlsruhe sagte am Montag der Zeuge Dr. med. Dr. phil. Hilarius R a d y (Düsseldorf), aus, die bürgerlichen Mitglieder des Präsidiums des sogenannten „Hauptausschusses für Volksbefragung“ seien nur Strohmänner gewesen. Es habe sich um ein Scheinpräsidium gehandelt. In Wirklichkeit seien die Beschlüsse des Präsidiums durch die KP-Funktionäre Neumann, Dickel und H. A h r e n s (Düsseldorf) vorher konzipiert worden.
Dr. Rady, der selbst Vorsitzender des Landesausschusses Nordrhein-Westfalen des Hauptausschusses für Volks-
China einschließlich Formosa 601 912 371 Personen.
Hohe Ehrung für Präsident Menne. Dem Vorstandsmitglied der Farbwerke Höchst, AG, Alexander Menne, Präsident des Verbandes der chemischen Industrie, bekam zu seinem 50. Geburtstag den Stern zum Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik verliehen.
Sowjetkommandant verbietet Wettkampf. Der sowjetische Stadtkommandant von Krems hat einen Wettkampf mit Münchener Schwimmern in der niederösterreichischen Donaustadt verboten.
Beim Ballspiel vom Blitz erschlagen. Bei den schweren Gewittern, die in verschiedenen Teilen der Bundesrepublik niedergingen, wurden ein Mann vom Blitz erschlagen und ein 12jähri- ger Junge schwer verletzt.
Internationaler Pen-Kongreß in Amsterdam eröffnet. Der 26. internationale Pen- Kongreß wurde am Montag durch den britischen Schriftsteller Charles Morgan im Amsterdamer Tro- pen-Institut eröffnet.
ROMAN
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durch Verlag v. Graberg & Görg, Wiesbaden
(5. Fortsetzung)
„Wollen Sie das wirklich für mich tun?“ Professor Pastuier richtete sich auf: „Ich bedauere natürlich außerordentlich, — es ist mir furchtbar, stören zu müssen, — aber es ist mir eine solche Beruhigung, .meine Frau in den Händen von Dr. d’Andrade zu wissen.“
„Ich werde sofort telegraphieren“, sagte Karenski in dem- beruhigenden Ton, den er sonst nicht für seinen Professor, sondern für Kranke hatte.
Das scheint ernst zu sein, dachte er, als er wieder die Treppe hinunterlief, — sehr ernst! Und die kurzen Beine stolperten einwärts, mit unregelmäßigen Schritten, über den Gang in sein Zimmer. An der offenen Tür stutzte er einen Augenblick. Das hätte Laurence nicht tun dürfen. Ich habe ihm nicht gestattet, in meinem Manuskript zu lesen! Eine Taktlosigkeit! Mißbilligend sah er ihn an.
„Nun, was war los?“ fragte Laurence und schlug das Heft zu.
Aber Karenski hob schon das Telephon ab: „Hallo, ich möchte ein Telegramm nach Nizza aufgeben“, sprach er in die Muschel.
IV. Kapitel
Mit hochgezogenen Beinen, die Arme um die Knie geschlungen, hockte Charles de Be- aulieu mitten in dem bunten Gewimmel von Badeanzügen und halbnackten Menschen.
„Du bist aber doch die Allerschönste“ sagte er und beugte sich zu Suzanne herunter.
Die Arme unter dem Kopf verschränkt, blinzelte sie zu ihm auf. Zwischen seiner Brust sitzen ein paar blonde Härchen, — wenn sie naß sind, glänzen sie in der Sonne.
„Du bist das allerschönste Geschöpf“, wiederholte er: „Du bist es über Nacht geworden.“
Suzanne dehnte sich. Zögernd kam ihr Fuß näher und die Zehe berührte die seine.
Wie einen heißen Schlag empfand er den Kontakt: „Du bist das Glück, — mein Glück, mit dem ich über das Wasser geritten bin.“
Sie schloß die Augen; auch sie spürte den starken Strom durch ihre Zehe zu ihm hinüberlaufen.
„Mit dir über das Meer...“ wiederholte Charles, und Suzanne wußte, daß er die blitzschnelle Fahrt meinte, vorhin auf dem schwankenden Brett hinter dem Motorboot. Brausend zischten die Wellen über ihre Schenkel, — wie zu einem einzigen Menschen waren sie beide geworden ... Ein fliegendes Fabelwesen, hatte Suzanne im Stützen gedacht, während seine Arme sie nicht losließen und sie Körper an Körper in die Fluten sanken und dann wieder aufstiegen.
Schön war das vorhin! Wie aus einem beglückenden Traum erwachend, trafen sich ihre Blicke.
„Ich werde es nie vergessen. Du, Charles, wir sind aneinander festgebunden“, lächelte sie, während ihre Zehe die seine noch immer leicht berührte.
„Es ist schon spät“,-sagte Charles, und nun merkte auch Suzanne, daß die Sonne bereits unterging.
Er half ihr in den Bademantel, und Hand in Hand überquerten sie die Promenade des Anglais.
Drüben, auf der anderen Seite, liefen sie ins Hotel.
Charles hatte bereits den Fahrstuhl geöffnet. Er wandte sich nach ihr um, — was will sie denn vom Boy? — aber schon kam sie mit ihrem wiegenden Gang auf ihn zu. Oben, in ihrem Zimmer, trat sie hinaus auf den Balkon. Die Jazzband spielte auf der Hotelterrasse, Kellner liefen geschäftig zwischen den Tischen hin und her. Von hier aus sdh alles wie ein Puppenspiel aus. Suzanne blickte über die verstaubten Palmen hinüber
zum Meer. Sie war so voll von Glück, daß sie fast Angst bekam, es könne einmal anders werden.
Als sie kurz danach aus dem Badezimmer kam, stand Charles vor dem Toilettenspiegel und band sich die Krawatte: „Du bist wirklich die ideale Frau, zum Umkleiden brauchst du nicht länger als ich.“
„Nur deshalb?“ Sie stand vor ihm und hielt ihr weißes Fuchscapä in der Hand.
„Nein, nicht nur deshalb!“ Vorsorglich legte er ihr den Pelz um: „Wollen wir in Monte Carlo essen?“ Er schob seinen Arm unter den ihren.
Suzanne war noch ein wenig benommen, als sie neben ihm über den Korridor schritt.
Charles öffnete die Gittertür des Lifts: „Ich werde mich niemals an dich gewöhnen, du bist einfach zu sehr das, was man sich wünscht!"
„Wir könnten auch hierbleiben.“ Leise, als habe sie da soeben ein großes Geheimnis entdeckt, sagte sie es: „Wir könnten auf unserem Balkon essen.“ Ganz tief war ihre Stimme vor lauter Glücklichsein.
„Aber ich möchte mit dir nach Monte Carlo; Ich will, daß man mich mit dir sieht, du bist unglaublich schön!“
In der Halle blieb sie vor dem Pult stehen.
„Was willst du eigentlich?“ drängte Charles.
„Haben Sie jemand zur Post geschickt und ist etwas für mich angekommen?“ fragte sie.
„Soeben ist der Chasseur mit einem Telegramm für Madame ...“
Suzanne riß es auf. Sie wurde ein bißchen blaß: „Man ruft mich zurück“, sagte sie leise.
Nicht verstehend blickte Charles erst auf sie dann auf die Depesche.
„Ich soll zurück“. Noch immer sah Suzanne auf das Papier in ihrer Hand.
„Was ist denn geschehen?“
„Man ruft mich nach Paris.“ Ganz hilflos klang es.
Unwillig warf er die Zigarette in einen Palmenkübel: „Warum läßt man dich nicht in Ruhe? Reg' dich nicht auf. Liebes, —
natürlich wirst du nicht latiren!“ Charles hatte das Gefühl, sie trösten zu müssen, so arm und erschrocken sah sie aus: „Wenigtena jetzt könnte man auf sie Rücksicht nehmen, eigentlich auch auf mich! dachte er empört. „Liebling,'ärgere dich nicht..." — er schob seinen Arm unter den ihren: „denk 1 nicht weiter daran; auf eine solche Taktlosigkeit ist es am besten, überhaupt nicht zu .. “
„Das ist keine Taktlosigkeit...“ — ihre Stimme hatte etwas Bittendes: „Karenski telegraphiert nur dann, wenn er keinen anderen Ausweg weiß und...“
„Einfach lächerlich! Wir sind auf der Hochzeitsreise!“ 1
..und nur, wenn ein Mensch in Gefahr
ist.“ Suzanne hatte wie zu sich selbst gesprochen, so als müsse sie sich erst klarmachen, was das heißt, und was es für sie bedeute. |
„Ach was, es gibt noch andere Aerzte in Paris, du bist nicht der einzige!“
„Ja, es gibt sogar sehr viele, und doch. ..“ sie wollte sich an ihn schmiegen, aber sie
spürte eine Ablehnung.und doch muß
ich fort“, sagte sie leise.
„Was?“ Charles ließ ihren Arm los: „Ist das dein Emst?“ Ungläubig starrte er sie an: „Du willst weg? Jetzt, in diesem Augenblick willst du weg von mir und es ist dir möglich, du könntest es wirklich tun?“ Er riß sich zusammen: „Liebe Suzanne, du bist ein erwachsener Mensch, du mußt selber wissen, was du zu tun und zu lassen hast. Ich erwarte dich nebenan in der Bar, du wirst dich entscheiden und mir deinen Entschluß mitteilen.“ Seine Stimme war kühl. Er drehte sich um und ließ Suzanne einfach stehen.
Entscheiden ... ? Sie sah ihm nach. Erstellt mich vor eine Entscheidung zwischen sich und dem, was ich zu tun habe.
„Charles ...“ sagte sie leise und kam ihm nach: „Charles, ich liebe dich doch, — ich liebe dich.“
„Na also!“ Verzeihend legte er den Arm um ihre Schulter: „Denken wir nicht mehr daran!“ (Forts, folgt)