MITTWOCH, 2 6. MAI 1954
Bemerkungen zum l age
Ungünstiges Klima
hf. Audi in der Bundeshauptstadt sind die Wahlbenachrichtigungen für die am 27. Juni in Nordrhein-Westfalen stattfindenden Landtagswahlen bereits ausgegeben. Im September wird Schleswig-Holstein seinen neuen Landtag wählen und im November Hessen und Bayern, bevor im Dezember Berlin die diesjährigen Landtagswahlen abschließt. Wenn die CDU ihren diesjährigen Bundesparteitag am kommenden Wochenende in Köln abhält, so kommt darin zum Ausdruck welch große Bedeutung die CDU-Führung den kommenden Landtagswahlen gibt. Die Bonner Politik wird in zunehmendem Maße von diesen Wahlen bestimmt, bei denen, Berlin ausgenommen, weit mehr als die Hälfte aller Wahlberechtigten der Bundesrepublik erneut zu den Wahlurnen gerufen wird. Auch wenn von allen Parteien betont wird, daß es sich um Länderwahlen handelt, zeigt der angelaufene Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen, ln welchem Maße auch Fragen der Bundesrepublik in die Auseinandersetzung getragen werden
-Für die Bonner Gesetzgebung ist das dadurch entstandene Klima aber ebensowenig gut wie für die Außenpolitik. Populäre Entscheidungen sind, wie vor allen Wahlen, Trumpf und nicht nur der Bundesfinanzminister, sondern auch der Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten wird es schwer haben, in dieser Atmosphäre unpopuläre Kompromisse durchzusetzen, wie sie in der Steuerreform enthalten und in der Saarfrage zu befürchten sind
„Eine gewisse Planung ist notwendig“
Landwirtschaftliche Versorgung staatlich geregelt / 2,5 Mill. t Weizen müssen importiert werden
Von unserer Bonner Redaktion
BONN. Einzelheiten des von der Bundesregierung beschlossenen diesjährigen Einfuhr- und Versorgungsplanes gab Staatssekretär Sonnemann vom Bundesemährungsmini- sterium bekannt.
Die Regierung sei bei der Aufstellung des Planes, so erklärte Sonne
Steuerfrei
Ein reicher Müßiggänger beschwert sich anläßlich eines Empfangs beim Bundesfinanzminister, daß auf seinen Kopf so hohe Steuern kämen. Lacht Fritz Schäffer: „Ich besteure net Ihren Kopf, sondern Ihre Brieftaschen. Wann’s auf Ihren Kopf ahkäm, wären S’ steuerfrei."
mann, davon ausgegangen, daß die gleichmäßige und ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Nah- rungsgütem nicht allein der Einsicht und dem natürlichen Gewinnstreben der privaten Wirtschaft überlassen werden könnte. Eine gewisse Planung sei notwendig. Eine möglichst frühzeitige und detaillierte Planung erleichtere sowohl die handelspolitische Entscheidung der Regierung als
Letzter Streich gegen Naguib?
Zwei neue Prozesse / Naguibs Freund als Hauptangeklagter
AR. KAIRO. Vor dem Revolutionstribunal in Kairo beginnen demnächst zwei hochinteressante Prozesse, in denen 42 Offiziere der Armee abgeurteilt werden sollen. Wie es heißt, werden beide Verfahren die Reihe der Mon- stre-Prozesse beenden, die von Oberst Nasser inspiriert worden sind.
Der erste dieser Prozesse gilt den „liberalistischen Infantristen“. Auf der Anklagebank sitzt unsichtbar General Naguib, in höchsteigener Person aber einer seiner besten Freunde, näm-
Dienst bei „Condor“ zählt
hf. BONN. Die Anrechnung der Dienstzeit bei der Legion Condor auf die Versorgungsansprüche nach dem Gesetz zu Artikel 131 des Grundgesetzes hat Bundesinnenministeer Dr. Schröder in einem Runderlaß angeordnet. Dem Vorsitzenden des Bundesausschusses zum Schutze der Verfassung teilte Schröder mit, daß er die von dem Ausschuß angeregte Zurückziehung dieses Runderlasses ablehne. Die Ansprüche der ehemaligen Angehörigen seien berechtigt.
Fremdsprachen wie bisher
th. STUTTGART. Bei der Beratung der umstrittenen Frage, ob Englisch oder Französisch als erste Fremdsprache an den neusprachlichen und mathematisch-naturwissenschaftlichen Oberschulen gelehrt werden solle, hat sich Im kulturpolitischen Ausschuß des Landtags die Auffassung durchgesetzt, daß eine Entscheidung der Ständigen Konferenz der Kultusminister über eine bundeseinheitliche Regelung der Sprachenfolge abgewartet werden solle. Der Ausschuß will also dem Plenum empfehlen, am gegenwärtigen Zustand vorläufig nichts zu ändern.
lieh Oberst Ahmed C h a w k i, einer der Männer, die der Militärjunta zum Siege über Faruks Monarchie verholten haben. In „Ungnade“ fiel Chawki, als er Naguib von der Notwendigkeit überzeugte, Ägypten zu einem parlamentarischen Staat zu machen. Bekanntlich verlor Naguib bei der Verkündung der Bildung eines Parlaments seine wichtigsten Machtpositionen. Oberst Chawki wurde verhaftet.
In Kairo hält man es für möglich, daß der Prozeß gegen Chawki den endgültigen Sturz des bereits entmachteten Naguib einleiten wird, dessen völlige Ausschaltung von seinem Rivalen Nasser seit Monaten vorbereitet wird.
Der zweite Prozeß sieht im Mittelpunkt die Anhänger des Kommandanten Khaled M o j e d d i n , denen Naguib seine Wiedereinsetzung in alle Ämter Ende Februar dieses Jahres zu verdanken hatte. Mojeddin war es gelungen, nach Paris zu entkommen.
auch die privatwirtschaftliche Disposition des Einfuhrhandels, der verarbeitenden Industrie und der Landwirtschaft.
Bei Brotgetreide werde ein Rückgang der Inlandserzeugung um rund 200 000 Tonnen erwartet Die Ursache dafür seien vor allem umfangreiche Auswinterungsschäden. Dadurch ergebe sich ein Einfuhrbedarf von rund 2,5 Millionen Tonnen Weizen, wobei noch offen sei, welche Mengen im Rahmen des internationalen Weizenabkommens und welche über Handelsverträge bezogen werden sollen. Die Einfuhren an Futtergetreide würden sich in derselben Höhe halten wie im laufenden Jahr.
Der Bedarf an Butter, sagte Sonnemann weiter, wird vollständig aus der eigenen Erzeugung gedeckt werden können. Keine Schwierigkeiten
bereite der Zuschußbedarf von etwa 45 000 Tonnen Schmalz und der für Margarinerohstoffe, obgleich hier die Einfuhrabhängigkeit mit rund 94 v. H. des Gesamtbedarfes besonders groß ist.
Weit auseinander gehen die Schätzungen über den Fleischbedarf. Bei den gegenwärtigen Schätzungen werde die Einfuhr von 150 000 Tonnen, das bedeutet rund 650 000 Schweine und rund 320 000 Rinder, für notwendig gehalten. Der Einfuhrbedarf an Fleisch könnte sich jedoch leicht verdoppeln, wenn der Fleischverbrauch parallel zum Anwachsen des Sozialproduktes weiter zunehmeh sollte. Über die notwendigen handelsvertraglichen Vereinbarungen zur Sicherung der Einfuhren, so gab Sonnemann bekannt, seien noch weitere Besprechungen der zuständigen Stellen notwendig.
Neuer Schlag gegen die Kommunisten
Mehrere Funktionäre verhaftet / Bonn plant weitere Maßnahmen
BONN. Die Bundesorgane haben zu einem Schlag gegen führende kommunistische Funktionäre ausgeholt, die unter Umständen den Auftakt zu weiteren umfassenden Maßnahmen gegen die Kommunistische Partei in Westdeutschland bilden kann, verlautete am Dienstag von zuständiger Seite in Bonn.
In den letzten Tagen sind auf Veranlassung des Oberbundesanwaltes die
Fntwurf für Kassenarzlrecht
BONN. Die Fraktionen der CDU/CSU, FDP, BHE und der DP haben im Bundestag einen gemeinsamen Gesetzentwurf über das Kassenarztrecht eingebracht. Ein Entwurf des Bundesarbeitsministeriums zur gleichen Materie lag bereits dem ersten Bundestag vor, konnte jedoch nicht mehr verabschiedet werden. Auch der zweite Bundestag hatte bereits mit den Beratungen an diesem Entwurf begonnen, der jedoch im Januar 1954 aus dem Geschäftsgang genommen werden mußte, weil er in der neuen Legislaturperiode nicht dem Bundesrat vorher zur erneuten Stellungnahme zugeleitet worden war.
Der nun vorliegende Initiativgesetzentwurf schlägt „in der Regel“ auf je 600 Kassenmitglieder mindestens einen Arzt und auf je 1250 Mitglieder mindestens einen Zahnarzt vor.
Mitglieder des KP-Zentralvorstandes Walter Fisch und Fritz Rische, das Mitglied des KPD-Landesvorstan- des Bayern, Richard Scheringer, sowie die KP-Funktionäre K. Zemke, Alfred I b i a s i und Christi Zellner verhaftet worden. Sie stehen unter dem Verdacht, maßgebend an der Ausarbeitung eines „Programms der nationalen Wiedervereinigung Deutschlands“ mitgearbeitet zu haben.
Bei dem Prozeß gegen die KP-Funk- tionäre Horst Reichel und Herbert Beyer vor dem Bundesgerichtshof Anfang Mai hat das Gericht festgestellt, daß dieses Programm eine glatte Aufforderung zum Hochverrat darstellt.
P R E S S K ST IM M11\
Der Sprecher des Westens
Nach Auffassung der „Basic , Nachrichten“ nimmt der englische Außenminister Eden auf der Genfer Konferenz eine besondere Stellung ein. Das Blatt schreibt:
„Für einen Mann, der noch vor Jahresfrist schwer krank war, so schwer daß vielerorts än seiner Genesung und damit an seiner politischen Zukunft gezweifelt wurde, leistet der britische Staatssekretär des Äußeren heute tatsächlich Außergewöhnliches. Er hat, daran ist wohl kein Zweifel möglich,’ in Genf eine einzigartige Stellung als führender Sprecher und Diplomat des Westens. Seine persönliche Position spiegelt auch in mancher Hinsicht diejenige wider, welche sieh Großbritannien im Weltgeschehen wieder erobert hat, insbesondere seitdem das britische Kabinett sich vor Beginn der Genfer Konferenz entschloß, eine möglichst selbständige und unabhängige Polit.k einzuschlagen.“
Am Rande des Krieges
CHIKAGO. Nach amerikanischen Presseberichten scheinen Honduras und Guatemala am Rande des Krieges zu stehen. Es heißt, honduranische Grenzwachen hätten fünf guatemaltekische Kommunisten verhaftet, die versucht hatten, illegal über die Grenze zu gehen. In der Nähe des guatemaltekischen Hafens Puerto Barrios seien Truppen zusammengezogen worden. An die Zivilbevölkerung seien Waffen verteilt worden mit der Aufforderung, sich zu einem „Marsch auf Honduras“ bereitzuhalten. Die Amerikaner haben inzwischen militärische Ausrüstung auf dem Luftweg nach Honduras und N - caragua geschickt.
Wieder Deutsche Lufthansa
Werden die Hohen Kommissare den Flugverkehr genehmigen?
BONN. Die A.G. für Luftverkehrsbedarf (Luftag) ist durch Beschluß ihres Aufsichtsrates in „Deutsche Lufthansa Aktiengesellschaft“ umgetauft worden, wie am Dienstag von der Gesellschaft in Köln bekanntgegeben wurde. Mit der Namensänderung will man sich das Namensrecht auf die Bezeichnung „Deutsche Lufthansa“ für die Bundesrepublik sichern. Aus der sowjetischen Besatzungszone war kürzlich gemeldet worden, daß die Pankower Regierung ihrer geplanten Zivilluftfahrtgesell
Vier Leichen gefunden. Von den fünf vermißten Besatzungsmitgliedern des vor der Ligurischen Küste gesunkenen italienischen Motorseglers „San Sil- vero“ sind vier in der hochgehenden See als Leichen geborgen worden. Ein Matrose wird noch vermißt.
Neuer Raketen-Höhenrekord. Auf 254,3 km Höhe über dem Erdboden schoß auf dem amerikanischen Versuchsgelände von White Sands eine Rakete vom Typ „Wiking". Mit einer Stundengeschwindigkeit von rund 6900 km raste sie in das Weltall hinaus.
„Schutzgemeinschaft deutscher Ärzte“. Angesichts der bevorstehenden gesetzlichen Neuregelung dis Kassenarztrechtes wurde in Köln vom Verband der angestellten Ärzte Deutschlands - Mar- burger Bund - und dem Verband der niedergelassenen Nichtkassenärzte Deutschlands - NKV - die „Schutzgemeinschaft deutscher Ärzte“ gebildet.
Kleine Weltchronik
Eisenbahnerstreik dehnt sich aus. Der wilde Eisenbahnerstreik in Westengland dehnt sich weiter aus. In Llanolly, einem Eisenbahnknotenpunkt in Wales, schlossen sich 300 Lokomotivführer und Heizer den schon seit einigen Tagen streikenden 3000 Eisenbahnern an.
Wir essen wieder friedensmäßig. Die Ernährung im Bundesgebiet hat sich im letzten Jahr wieder dem Friedensstand angepaßt, teilte das Bundesernährungsministerium mit.
Wegen Spionage verurteilt. Der Sechste Strafsenat des Bundesgerichtshofes hat den 32jährigen Bruno Sniegowski wegen Verrats von Staatsgeheimnissen zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt.
Verfahren gegen Eckert. Gegen den kommunistischen Abgeordneten im Landtag von Baden-Württemberg Erwin Eckert ist beim Bundesgerichtshof
in Karlsruhe ein Verfahren anhängig. Eckert ist der Abgeordnete, der bei Limburg eine Aktentasche hatte liegen lassen, die kommunistisches Propagandamaterial und 16 000 DM enthielt.
Explosion — vier Tote. Vier Tote, und 23 Verletzte forderte eine Explosion in einer kleinen Feuerwerkfabrik in Caxias bei Rio de Janeiro.
Neuer Luftschiff-Weltrekord. Ein amerikanisches Luftschiff brach in der Nacht zum Dienstag den Weltrekord im Dauerflug. Es war bereits bis Mitternacht 180 Stunden und 28 Minuten ohne zu tanken über dem Atlantik und der Karibischen See in der Luft.
Gegen Stationierung von Atomkanonen. Eine klare kirchliche Stellungnahme zu der Massierung amerikanischer Atomgeschütze am Rhein hat jetzt Pfarrer Lic. Hermann Sauer aus Geisenheim am Rhein in einer Eingabe an die Kirchenleitung der evangelischen Kirche in Hessen und Nassau gefordert.
Schaft ebenfalls den Namen „Lufthansa“ geben wolle Die Bundesregierung hat inzwischen, wie am Dienstag von alliierter Seite mitgeteilt wurde, .an die drei Westmächte das Ersuchen gerichtet, der Deutschen Lufthansa die Aufnahme ihres Flugbetriebes noch in diesem Jahr zu gestatten. Die alliierten Hohen Kommissare haben das deutsch» Ersuchen an ihre Regierungen weiter-
Wegen des Feiertags Christi Himmelfahrt erscheint die nächste Ausgabe unserer Zeitung am Freitag zur gewohnten Stunde.
geleitet. In zuständigen Kreisen Bonn» erwartet man von der amerikanischen und der britischen Regierung kein# Bedenken gegen eine Sondergenehmigung für die Lufthansa. Unklarheit besteht dagegen noch über die Haltung Frankreichs. Die Erteilung einer Sondergenehmigung für die Lufthans» würde unter den gegenwärtigen Umständen einen Vorgriff auf die im Deutschlandvertrag vorgesehene Rückgabe der Lufthoheit an die Bundesrepublik bedeuten.
Die ersten vier Flugzeuge der Lufthansa — vier zweimotorige Maschinen des modernen amerikanischen Typ» „Convair 340“ — sollen in diesem Herbst geliefert werden.
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/ ROMAN VON MARY BURCHELL
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Copyright by Dr. Paul Herzog, Tübingen — Durch Verlag v. Graberg & Görg, Wiesbaden. Berechtigte Übertragung: H. Passow-Kemen
*30 Fortsetzung)
Thea lachte. „Das glaube ich eigentlich auch nicht Und Galahad ist mir immer als langweilige und übertriebene Figur vorgekommen. Aber man könnte es auch anders aus- drüdeen, wenn du willst. Ich meine, daß du mich nicht als das betrachtest.“
„Als was?“
Sie zögerte einen Augenblick und sagte dann mit einem ihrer Ausbrüche von überwältigender Naivität: „Nun, ich weiß doch, daß du mich eher wie ein Waisenkind in Not betrachtest als wie eine begehrenswerte V eibsperson. “
Er lachte über diesen Ausspruch unbändig, was ihr erstaunlicherweise neuen Mut einflößte „Da ich gute Augen habe und auch sonst nicht auf den Kopf gefallen bin, halte ich dich für eine sehr begehrenswerte Weibsperson. Thea Aber das bedeutet nicht, daß ich Ungebührliches von dir verlange, bloß weil du zufällig in meiner Gewalt bist. Hoffentlich wird durch diese gegenseitige Offenheit die Luft zwischen uns gereinigt, denn wozu sie sonst nötig war. sehe ich nicht ein.“
„Die Luft ist wirklich gereinigt.“ Sie lächelte ihn an. „Und außerdem hat sie mir, wie es deine Absicht war, über ein paar dumme Minuten hinweggeholfen, wo mir es sehr ums Weinen war — ich weiß gar nicht recht wieso.“
„Und jetzt hast du dich wieder aufgefangen?“
„Ja, jetzt habe ich mich wieder aufgefangen “
Nach dem Essen nahm Thea einen leichten Mantel um, und sie beide wanderten noch ein
wenig dem Ufer entlang. Er gab sich heiter und übermütig und erzählte ihr manches von seiner Arbeit. Nichts in ihrem Gespräch ließ ahnen, daß die leichte, freundschaftliche Beziehung, die sie im Anfang verbunden hatte, nicht mehr genau so bestand. Auf keinen Fall hätte sie jemand für ein Hochzeitspärchen gehalten. Und als Thea schließlich bekannte, sie sei müde und würde sich gerne zurückziehen, sagte er weich:
„Schön, geh du nur hinauf, Liebes. Und schlaf wohl, diese erste Nacht. Ich bleibe noch ein Weilchen unten sitzen, aber ich denke an dich. Morgen sehen wir uns wieder.“ Sie reichten sich die Hand, und dann stieg sie hinauf in ihr Zimmer. Dort machte sie sich für die Nacht bereit, legte sich ins Bett, knipste das Nachttischlämpchen an und nahm Stephens Brief noch einmal vor.
Bis zu einem gewissen Grade hatte das Gespräch mit Lin die Lage geklärt. Wie er hervorgehoben hatte, war sie bloß dem Gesetz nach seine Frau, und einmal würde die Zeit kommen — vielleicht bald —, wo sie in aller Stille geschieden und wieder frei wäre wie zuvor. Kam allerdings bei Lindsay Varions Popularität eine stille Scheidung in Frage, grübelte sie. Allein sie mußte doch Stephen eine Erklärung geben! Was sollte sie ihm sagen? Wäre er bloß hier! Wie schwierig es für ihn sei, ihr sein Anliegen schriftlich auszudrücken, darauf hatte er mit Zartgefühl hingewiesen. Doch seine schwierige Lage war nichts im Vergleich mit der ihrigen. Wie konnte sie sich hinsetzen und kalten Blutes erklären, ihre Ehe mit Lin sei nichts weiter als eine ziemlich komplizierte Maskerade? — und sie würde, sobald sie frei wäre, mit Freuden ihn. Stephen, heiraten? Welchem Manne konnte man zumuten, dies als Grundlage für eine künftige Ehe zu betrachten?
Warum habe ich nicht gemerkt, daß ich eigentlich ihn wollte? fragte sie sich unglücklich. Warum habe ich mir den Weg zu ihm — ausgerechnet zu ihm — auf immer verbaut?
Aber sogleich schämte sie sich dieses Ausbruchs und kehrte zurück zu der dringenden Notwendigkeit, Stephen zu schreiben
Schon jetzt mußte ihi. ihr langes Zuwarten wohl unverzeihlich Vorkommen. War es nicht vorläufig überhaupt das beste, so wenig wie möglich zu sagen, ohne Rücksicht darauf, daß sich vielleicht auch später keine Möglichkeit zu einer Aussprache mit ihm bot?
Sie glitt wieder aus dem Bett, holte sich das Schreibzeug, schlüpfte in ihren Morgenrock und ließ sich an dem Tischchen in der Nähe des Fensters nieder. Die Beleuchtung von der Deckenlampe her war dort schlecht, doch sie mußte ohnehin eine ganze Weile vor dem unbeschriebenen Blatt sitzen und Schnörkel auf das Löschblatt malen, ehe sie einen Anfang fand. Was sie schließlich zustande brachte, lautete:
„Mein lieber Stephen! Wenn Du diesen Brief erhältst, wirst Du wohl bereits von meiner Vermählung mit Lin gehört haben und wissen, daß ich Dir auf die wichtige und schöne Frage, die du mir gestellt hast, leider nicht die erhoffte Antwort geben kann. Wie schwer es mir wird, Dir diesen Schmerz anzutun, gerade Dir, der Du alles Glück der Welt verdienst, vermag ich kaum auszudrücken; allein so stehen die Dinge nun einmal, und es liegt nicht in meiner Macht, sie zu ändern.“
Als dann der Brief abgesandt und, was sie Stephen mitgeteilt, unwiderruflich geworden war, widmete sie sich mit ganzer Energie der neuen Aufgabe, aus ihrem Zusammenleben mit Lin etwas Normales und für beide Teile möglichst Befriedigendes zu machen. Dies war nicht so schwer, wie sie befürchtet hatte. Der schwierigste Teil, das Wochenende mit Lin allein, das zuerst von einer solchen Verwirrung der Gefühle bei ihr begleitet gewesen war, verlief in der Folge ohne besondere Ereignisse. Unter den übrigen Hotelgästen erregten sie als Hochzeitspärchen freilich ein gewisses Aufsehen und fingen zuweilen geflüsterte Bemerkungen über sich auf, doch da sie die meiste Zeit draußen am Meer oder in der traulichen Abgeschlossenheit ihres eigenen Salons zubrachten, wurde Thea das unangenehme Gefühl erspart, als lebe sie dauernd unter den Augen der Oeffentlichkeit.
Lins große, geräumige Wohnung war nicht
luxuriös in dem Sinne, wie man Geraldines Wohnung hätte luxuriös nennen dürfen. Die Möblierung hatte, ohne einer bestimmten Stilperiode anzugehören, jenes würdige Aussehen, das man nur bei Dingen findet, die während langer Jahre sorgsam und liebevoll von einer Persönlichkeit mit Geschmack, Phantasie und den nötigen Mitteln zusammengetragen worden sind. Geraldines Möbel wirkten dagegen, als hätte eine Möbelfirma sie gegen einen sorglos dahingeworfenen Scheck nur so rasch, rasch aufgestellt, ohne sich um eine persönliche Note des Raums zu kümmern Und als Thea sich in Lindsays Behausung umschaute, dachte sie — was sie in Geraldines Wohnung nie gedacht hatte — hier fühle ich mich zu Hause.
„Es sieht ja wohl eher wie ein 'Junggesellenheim aus“, meinte Lindsay und schaute sich ebenfalls um, als erblicke er diese Umgebung zum erstenmal. „Wenn du gern aber etwas umstellen möchtest . . .“
„Aber nein, wie kommst du darauf!“ Sie entsetzte sich über die bloße Möglichkeit. „Ich finde alles wunderhübsch, so wie es ist. Außerdem..." Sie unterbrach sich, weil sie nicht recht wußte, ob sie nicht im Begriff war, etwas Taktloses zu sagen.
„Außerdem?“ erkundigte er sich lächelnd.
„Nun, ich wollte sagen, daß ich eigentlich bloß — bloß ein Gast hier bin und daß es mir nicht zukommt, etwas anderes machen zu
len “ .. ,
Veh Thea —“ lachte er etwas ärgerlich „Wenn du bloß nicht so von dir reden liest!“
Vber es ist doch so. oder nicht?“
Jas wissen w'r nicht“, sagte er und schon ier bekannten trotzigen Art seine Unter- e vor Als sie ihn darauf mit etwas er- ■ockenen Augen ansah, griff er nach ib r ®° iden und gab ihr einen liebevoll-trösten- Blick „Weißt du. wenn du so redest, ;eht mir ganz der Mut, dir etwas Liebes sagen, und dazu habe ich bald die § ro t, wenn du immerfort so herzig aussienst leinen neuen Sachen“ scherzte er.
(■Fortsetzung folgt'