HEIMATBLATT FÜR STADT UND LAND

CALWER ZEITUNG

Verlassort Calw

DONNERSTAG, 20. MAI 1954

AMTSBLATT FÜR DEN KREIS CALW

Gegründet 1826 / Nr. 110

Vorabstimmung

PARIS. Der Außenpolitische Aus­schuß der französischen Nationalver­sammlung hat am Mittwoch beschlos­sen, am 26. Mai über die deutsch- allüerten Verträge abzustimmen und seinen Entscheid der Nationalver­sammlung als Empfehlung zuzulei­ten.

Der Beschluß wurde einstimmig von den Abgeordneten gefaßt, nach­dem der Staatssekretär Schumann vom Außenministerium in einem Be­richt empfohlen hatte, die Ratifizie­rung des Verteidigungsbeitrages zu befürworten. Die Abstimmung des Ausschusses, der bisher dem Vertei­digungsbeitrag ablehnend gegen­überstand, ist für den Termin der Ratiflzierungsdebatte in der Natio­nalversammlung bedeutungslos. Die­ser Termin muß vom Ältestenrat auf Vorschlag der Regierung angesetzt werden.

Schwere Vietminh-Angriffe

PARIS. Im Süden des Deltas des Roten Flusses wurden am Mittwoch von den Vietminh schwere Angriffe gegen eine Reihe befestigter franzö­sischer Postenstellungen durchge­führt. Die Angriffe richteten sich insbesondere gegen solche Stellungen, die zu einem großen Teil von ört­lichen Milizen gehalten wurden. Durch den massierten Einsatz von Jagdflie­gern wurden die Angriffe zurückge­wiesen.

00m m

Die alliierte Hohe Kommission ist am Mittwoch ln Mehlem zu einer Sitzung zusammengetreten, um, wie vermutet wird, sich mit den Bestrebungen der FDP zur Entsendung einer Delegation von Bundestagsabgeordneten nach Moskau zu befassen.

Das Militärhilfeabkommen zwischen den Vereinigten Staaten und Pakistan ist in Karatschi unterzeichnet worden. Das Abkommen sichert Pakistan ame­rikanische Waffenlieferungen und Hilfe bei der Truppenausbildung zu.

Der zum Botschafter bei den UN er­nannte bisherige Personalchef des Aus­wärtigen Amtes, Dr. Pfeiffer, kann nach einer Mitteilung des Auswärtigen Amtes seine Geschäfte nicht aufneh- men, da er eine andere wichtige Ver­wendung finden wird. Ein neuer Bot­schafter für die UN wurde bisher nicht benannt.

Westen übt Selbstkritik

Die Genfer Indochina - Besprechungen waren ungenügend vorbereitet

GENF. Die Entwicklung auf der Indochina-Konferenz wird in Genf mit wachsendem Unbehagen verfolgt. In westlichen Kreisen gewinnt die Auffas­sung an Boden, daß der Vietminh nur dann Interesse an einem sofortigen Waf­fenstillstand zeigen würde, wenn die französische Seite mit stärkerem militä­rischem Gewicht auftreten könnte.

Die amerikanisch-französischen Be­sprechungen, die zunächst als Störung empfunden wurden, und dasSEATO-

In Genf wackelte es

GENF. Die Schweiz ist am Mitt­wochvormittag von dem schwersten Erdbeben seit acht Jahren erschüttert worden, das auch in Norditalien und in Ostfrankreich verspürt wurde. Schäden sind jedoch nach bisherigen Berichten nicht eingetreten. Genf, der Tagungsort der Asienkonferenz, wurde etwa 15 Sekunden lang von mehreren Erdstößen erschüttert. Das Hauptge­bäude der amerikanischen Delegation wackelte sekundenlang.

Projekt (Südostasiatischer Verteidi­gungspakt) finden mehr und mehr Beachtung. Erfahrene asiatische Di­plomaten wie der thailändische Au­

ßenminister, der als einer der Präsi­denten der Korea-Konferenz in Genf weilt, machen ihren Einfluß geltend, um den aufkommenden Pessimismus zu überwinden. Sie raten zur Geduld.

Die Mißstimmung im westlichen Lager äußert sich vor allem in der Selbstkritik, daß die Indochina-Kon­ferenz nicht genügend vorbereitet worden sei. Sie werde zu dem für den Westen ungünstigsten Zeitpunkt ab­gehalten, äußern kritische Beobachter. Man habe einen Waffenstillstand ver­langt, ohne vorher den ernsthaften Versuch zu machen, das militärische Gleichgewicht herzustellen.

Keine Fortschritte

GENF. Ohne die Spur eines Fort­schritts sind am Mittwoch in Genf die

Frankreichs Generale halten Kriegsrat

Verteidigung oder Aufgabe des Tonking-Deltas?

PARIS. In Hanoi, der Hauptstadt des Tonking, findet zur Zeit ein Kriegsrat zwischen dem französischen Generalstabschef, General E1 y , und dem französischen Oberkommandie­renden, General N a v a r r e, statt. General Ely hat zu diesem Kriegsrat den Vorgänger General Navarres, Ge­neral S a 1 a n , sowie den Luftwaffen­fachmann General P e 1 i s s i e r aus Paris mitgebracht.

Über die Besprechungen auf der Festung, die die Hauptstadt des Ton­king überragt, ist bisher kein Wort in die Öffentlichkeit gedrungen. Trotz­dem ist es in Paris kein Geheimnis, daß nur eine der drei folgenden Ent­scheidungen getroffen oder zumindest vorbereitet werden kann.

1. Verteidigung des gesamten Deltas, einschließlich der Stadt Hanoi. 2. Bil­dung eines Brückenkopfes rund um den großen Hafen Haiphong. 3. Mili­tärische Räumung des gesamten Ton­king.

Der Beschluß, das gesamte Delta zu verteidigen, gegen das die von Dien Bien Phu kommenden Vietminh-Divi- sionen im Anmarsch sind, würde die französische Regierung nötigen, große militärische Verstärkungen auf dem schnellsten Wege nach Indochina zu werfen. Dies umso mehr, als das Delta bereits alszersetzt" gilt.

Indochina-Friedensverhandlungen mit der dritten Geheimsitzung dieser Wo­che fortgesetzt worden. Konferenz­kreisen zufolge sind die Verhandlun­gen an der Frage der Räumung der Staaten Laos und Kambodscha durch den Vietminh, die von Frankreich ge­fordert wird, während die kommuni­stische Seite Vietnam, Laos und Kam­bodscha als eine Einheit behandeln will, völlig festgefahren

Eisenhower: Ohne England

WASHINGTON. Präsident Eisen- h » w e r hat auf seiner Pressekonfe­renz am Mittwoch erklärt, es könne vielleicht auch ohne die Teilnahme Großbritanniens eine gemeinsame Front gegen den Kommunismus in Südostasien errichtet werden.

Auf die Frage, ob die Vereinigten Staaten auch ohne Großbritannien handeln würden, erwiderte der Prä­sident, dies hänge von der Haltung der in Frage kommenden asiatischen Staaten sowie Australiens und Neu­seelands ab

Bemerkungen zum Tage

Noch ein paar Minister ?

hf. Der Präsident des Zentralverban­des des Deutschen Handwerks forderte einen Bundesminister für Mittelstands­fragen, die Union der Geistesarbeiter wollte einen Minister für ihrRessort und viele andere Verbände äußerten für den Bereich ihrer Interessen den gleichen Wunsch. Wenn man alle diese Forderungen erfüllen wollte, hätten wir demnächst ein Kabinett mit 50 Mi­nistern, das nicht mehr nach Fachge­bieten, sondern ständisch gegliedert wäre. Bundeswirtschaftsminister Er­hard hat recht, wenn er erklärt, eine solche Entwicklung wäre verhängnis­voll. Sie wäre es auch dann, wenn die vier Bundesminister für besondere Auf­gaben mit ihrem Jahresetat von 804 000 Mark mit der Wahrnehmung der Auf­gaben betraut würden, für die die Interessenverbände Kabinettsressorts wünschen. Es ist bedauerlich, daß die ständisch oder interessenpolitisch auf­gebauten Verbände immer neue For­derungen nach der Bildung von Aus­schüssen, Beiräten, anderen Diskus­sionsgremien und nun auch nach eige

Neuer Auftrieb für die Europa-Idee

Adenauer legt dem Europarat heute sein Aktionsprogramm vor

STRASSBURG. Der Ministerrat des Europarates hat am Mittwoch das Europäische Aktionsprogramm be­schlossen, das heute von Bundeskanz­ler Dr. Adenauer als Präsidenten des Ministerrates dem Europarat vor­gelegt werden soll.

Ziel des Aktionsprogramms ist es, dieeuropäischen Initiativen auf po-

Bonn glaubt nicht mehr an EVG vor Jahresende

Neue Lösungen in Erwägung / Bei Scheiternzwangsläufig SPD-Konzeption?

Von unserer Bonner Redaktion

BONN. Wenige Tage vor dem 26. Mai, dem zweiten Jahrestag der Unter­zeichnung der Bonner und Pariser Verträge, wird auch in Bonner Regie­rungskreisen die endgültige Entschei­dung über die EVG nicht mehr vor Ende dieses Jahres erwartet. Nachdem Paris die für den 18. Mai vorgesehen gewesene Entscheidung über den Zeit­punkt der Parlamentsdebatte über den EVG-Vertrag erneut verschoben hat, ist nach Auffassung alliierter Stellen in der Bundeshauptstadt schon verfahrenstechnisch das letzte Wort der Nationalversammlung nicht vor dem Herbst zu erwarten.

In Rom liegen die Dinge nicht an­ders. Dabei ist es noch nicht abzuse­hen, wie die immer wieder hinausge­zögerten Entscheidungen Frankreichs und Italiens ausfallen werden.

In Bonner Regierungskreisen ver­hehlt man sich nicht, daß die damit für die Bundesrepublik entstandene Situation früher oder später zu neuen Initiativen führen wird. Uber den In­halt dieser Initiative gehen die Mei­nungen allerdings auseinander. Wäh­rend von den maßgebenden Regie­rungsstellen vorerst nur an eine Lö­sung der Bonner Verträge (General- ' vertrag und Zusatzabkommen) vom EVG-Vertrag gedacht wird, um der Bundesrepublik die in den Bonner Verträgen enthaltene Handlungsfrei­heit zu sichern, haben sich die Fraktio­nen in Arbeitskreisen wiederholt mit der Möglichkeit einer Alternativ-- sung zum EVG-Vertrag befaßt.

Von- Abgeordneten der Koalition wird jedoch betont, daß es sich dabei 11111 «rein theoretische Erwägungen

handele und die Koalition zusammen mit dem Bundeskanzler weiterhin fest hinter dem EVG-Vertrag stehe.

Wie ein maßgebender SPD-Abgeord­neter unserer Bonner Redaktion er­klärte, würde nach sozialdemokrati­scher Auffassung ein Seheitern des von der SPD abgelehnten EVG-Ver- trageszwangsläufig zur Übernahme

der sozialdemokratischen Konzeption durch die Bundesregierung führen. Gleichzeitig würde dieses Scheitern jedoch die Möglichkeit einer gemein­samen Außenpolitik eröffnen, wenn sich der Bundeskanzlerim Gegensatz zu seinem Verhalten bei Beginn der Verhandlungen über die deutsch-alli­ierten Verträge von Anfang an um eine Zusammenarbeit und eine ge­meinsame Haltung bemühen würde.

Eine Aufnahme von dem französischen Flugplatz Luang Prabang, über dessen völlig durch Regen überflutetes Feld zwei Fremdenlegionäre einen eben aus Dien Bien Phu herausgeftogenen Fallschirmjäger-Sergeanten zum Sanitätszelt (Hintergrund rechts) tragen. Bild: AP

litischem, wirtschaftlichem, sozialpo­litischem und kulturellem Gebiet in einem straff konzentrierten Arbeits­programm zusammenzufassen, um so der europäischen Idee, vor allem auch in der Öffentlichkeit, neuen Auftrieb zu geben.Das Aktionsprogramm soll dem Europarat nicht nur erlauben seine Anstrengungen zur europäischen Einigung mit größerer Wirksamkeit durchzusetzen als bisher, sondern dar­über hinaus der Bevölkerung die Rolle des Europarates verständlicher und deutlicher machen, heißt es in dem Vorwort zu dem Aktionsprogramm.

Der Entschluß zur Ausarbeitung eines europäischen Aktionsprogramms war im Mai letzten Jahres vom Minister­rat des Europarates gefaßt worden. Auf Grund dieses Beschlusses ist das Programm in einjähriger Arbeit von den Experten der 14 Mitgliedstaaten des Europarates ausgearbeitet wor­den.

Zweierlei Slandpunkte

STRASSBURG. Ein erneuter Ver­such zur Annäherung der deutschen und französischen Standpunkte in der Saarfrage wurde am Mittwochmittag in Straßburg in einer Unterredung zwischen Bundeskanzler Aden­auer und dem französischen stell- vertr. Ministerpräsidenten T e i t - gen unternommen. Beide waren Gäste des belgischen Außenministers Paul-Henri S p a a k bei einem Essen.

Nach Auffassung unterrichteter Kreise blieb die Zusammenkunft ohne wesentliche Ergebnisse. Es habe sich ergeben, daß die beiderseitigen Stand­punkte noch zu gegensätzlich seien.

De Valera führt

DUBLIN. Die Partei des irischen Ministerpräsidenten d e V a 1 e r a , die Fianna Faii, liegt nach den ersten Teilergebnissen von den am Dienstag abgehaltenen Parlamentswahlen in Führung. Nach Zählungen in Dublin und in Donegal entfielen auf die Par­tei de Valeras 4 Abgeordnete, wäh­rend die in Opposition stehende Ver­einigte irländische Partei zwei Sitze und die irische Labourpartei einen Sitz erringen konnte. Insgesamt müs­sen 147 Abgeordnete gewählt werden

nen Ministerien stellen. Mit diesen For­derungen, denen mit Pücksicht auf die Wähler und den Einfluß der Verbände zum großen Teil entsprochen wurde, haben sich die Regierungs- und Ver­waltungsapparate in der Bundesrepu­blik nach 1945 ständig vergrößert, ohne daß dadurch ihre Arbeitsfähigkeit grö­ßer geworden ist. Eher das Gegenteil ist der Fall. Die Interessenverbände sind notwendig, um die Meinung ihrer Mitglieder auch gegenüber den Parla­menten und den Regierungen zu ver­treten. Sobald aber aus dieser Vertre­tung die Forderung nach Einschaltung in die Entscheidungen des Parlamente* oder in die Vorbereitung und Ausfüh­rung der Gesetze wird, überschreiten die Interessenverbände und berufsstän­dischen Organisationen ihre Grenzen. Die damit für das ganze Staatswesen verbundenen Gefahren sollten nicht bagatellisiert werden.

Der Mikro-Rektor

hk. In Wattenscheid gibt es jetzt eine der modernsten Volksschulen der Bundesrepublik. Wie es ja denn im­mer unwichtiger geworden ist, daß e# recht viele als daß es recht moderne, recht katholische oder recht evangeli­sche solcher Elementarlehranstalten gibt. Die in Wattenscheid hat es nun insofern ganz besonders in sich, als sie als einzige überhaupt mit einer Rundspruchanlage ausgestattet ist. Da* heißt: im Arbeitszimmer des Rektors befindet sich ein Mikrofon und ein Schaltpult mit Signallämpchen und He­belchen. In allen Räumen der Schule aber sind Lautsprecher angebracht, durch die der Herr des Hauses sich einzeln oder en bloc von seinem Schreibtisch aus verständlich machen kann, je nachdem, welche Hebel oder Knöpfe er auf jenem geheimnisvollen Kasten mit den bunten Elektroaugen drückt. Eine solche Einrichtung ist teuer, sehr teuer. Sie kostet soviel, daß zum Beispiel städtische Kliniken, in denen eine zentralgesteuerte Rund­spruchanlage manches gefährdete Le­ben zu retten vermöchte, weil Ärzte, Schwestern und Medikamente mit ih­rer Hilfe am schnellsten ans Bett ei­nes Leidenden dirigiert werden könn­ten, sich solchenLuxus nicht leisten dürfen. Was aber, fragt man sich, hat ein solches Spectaculum mit dem We­ben und Streben einer Volksschule zu tun? Was, um des Himmels willen, kann denn in einer Volksschule neben der Vermittlung der Grundbegriffe des Lesens, Schreibens und Rechnens so unerhört wichtig sein, daß es der Rek­tor nur noch mit Hilfe eines Mikrofons bewältigt? Wie müßten denn solche Rundsprüche aussehen? Etwa so: Klasse 6, beim Singen die Fenster schließen? Oder:Lehrer Schulze, falls in Ihrer Klasse eben der Knall­frosch losgegangen ist, bitte nach dem Unterricht zum Rapport beim Chef? So wie diesenMikro-Rektor möchten wir uns bitte die Leiter unse­rer neuen Volksschulen nicht vorstel­len. Wir brauchen keine pädagogischen Wichtigmacher, sondern Schulmeister, die mehr durch das von ihnen vermit­telte Wissen als durch Mikro-Technik glänzen

Leichte Besserung

Bericht des Wetteramtes Stuttgart

Von dem kräftigen ostatlantischen Hochdruckgebiet schiebt sich ein Keil hohen Luftdruckes nach Süd- deutsohiand vor. Sein Einfluß setzt sich jedoch innerhalb der auch wei- chin aus Nordwesten zuströmen­den Meercskaltluft nur zögernd durch. Heute zeitweise aufgelockerte Bewölkung und nur vereinzelt noch leichte Sehaner, Temperaturen kaum über 15 Grad ansteigend. Morgen weiter leichte Wetterbesserung Größtenteils niederschlagsfrei, aber noch nicht wesentlich wärmer