MITTWOCH, 19.MAI 1954

Paris in brodelnder Unsicherheit

Ungewisse Zukunft der französischen Europapolitik / Bidault hat ausgespielt Von unserem Frankreich-Korrespondenten G. F erb er

McCarthy-Sireit unterbrochen

WASHINGTON. Der Unterausschuß des amerikanischen Senats, der den Streit zwischen der amerikanischen Armee und Senator McCarthy un­tersucht, hat seine Tätigkeit für eine Woche unterbrochen. Vor der Unter­brechung war es zu scharfen Ausein­andersetzungen über einen Befehl Präsident Eisenhowers gekom­men, der es Angehörigen des amerika­nischen Verteidigungsministeriums verbot, irgendetwas über die Unter­haltungen im Ministerium über den Streit zwischen McCarthy und der Armee auszusagen.

Pioteste hin und her

WIEN. Eine scharf formulierte War­nung des sowjetischen Hochkommis­sars 11 j i t s c h o w an die österreichi­sche Regierung führte zu einer nicht minder deutlich formulierten Antwort von Bundeskanzler Raab. Die So­wjets beschuldigten die österreichische Regierung,feindselige und subversive Umtriebe gegen die sowjetischen Be­satzungsbehörden und -truppen zuge­lassen zu haben. Raab trat den Be­schuldigungen Iljitschows mit der Feststellung entgegen, die österreichi­sche Regierung und Bevölkerung habe sich jederzeit an das Kontrollabkom- men gehalten.

SPD Schreiben zur Wehrklage

BONN. Der SPD-Abgeordnete Dr. Adolf Arndt hat sich in einem neuen am Dienstag in Bonn veröffentlichten Schreiben an das Bundesverfassungs­gericht zur Wehrklage gegen die Auf­fassung des Bundesjustizministers ge­wandt, wonach die 147 Mitglieder des ersten deutschen Bundestages, die die Verfassungsklage im Wehrstreit ange­strebt hatten, mit dem Erlöschen ihrer Mandate am Ende der Legislaturpe­riode auch ihre prozessualen Rechte verloren hätten.

PARIS. Paris ist sehr "nervös gewor­den. Seit den Siegesfeiern vom 8. Mai, die mit den Trauerfeiern für Dien Bien Phu zusammenfielen und zum zweiten Male innerhalb weniger Wo­chen zu Massendemonstrationen am Grabmal des Unbekannten Soldaten geführt haben, ist die Stadt wie von einem Fieber erfaßt.

Das Gefühl einer brodelnden Un­sicherheit, das sich der Stadt allmäh­lich bemächtigt, ist noch verstärkt worden durch die letzte Vertrauens­abstimmung für Laniel, die in Wirk­lichkeit eine unzweideutige Miß­trauenskundgebung war. Die Regis­seure des Parlaments hätten die Stim­men, die zu einer Vermeidung der offenen Regierungskrise mitten im Ablauf der Genfer Konferenz nötig waren, nicht genauer dosieren können, und wenn nur einer der zum Jasagen kommandierten Abgeordneten umge­fallen wäre, hätte die Genfer Konfe­renz mangels einer verhandlungsfähi­gen französischen Regierung abgebro­chen werden müssen. Wieder einmal hätte Frankreich in einem weltpoli­tisch entscheidenden Augenblick von der internationalen Bühne abtreten müssen.

Soweit ist es nun nicht gekommen, aber niemand verheimlicht sich mehr, daß das Kabinett LanielBidault nur mehr mit der Erledigung der laufen­den Angelegenheiten betraut ist, zu denen vor allem die Genfer Konferenz gehört. Wie diese Konferenz auch aus­gehen mag, die französische Regierung wird sie nicht lange überleben, und selbst wenn der Beginn einer fried­lichen Regelung in Indochina sichtbar werden sollte, ist sehr fraglich, ob

Paris dann zu dem nächstwichtigsten Punkt der außenpolitischen Tagesord­nung übergehen kann, nämlich zur entscheidenden Debatte über die Europa-Armee.

Auf alle Fälle ist die Beilegung des Indochina-Konflikts im inneren par­lamentarischen Spiel Frankreichs un­versehens zu einer Vorbedingung der Europa-Armee geworden. Wenn die Genfer Konferenz keine Aussicht auf den indochinesischen Frieden bringt, wird das Kabinett LanielBidault unweigerlich abtreten müssen. Es er­hebt sich dann die Frage, ob der Prä­sident der Republik Neuwahlen aus­schreiben wird oder aber ob er noch­mals die Bildung einer neuen Regie­rung versucht. Sehr zweifelhaft ist aber, ob die kommende französische Regierung einerlei, ob sie aus Neu­wahlen oder aus dem bestehenden Parlament hervorgeht noch eine europafreundliche Regierung in dem Sinne sein kann, daß sie die Ratifizie­rung der Europa-Armee fordert. Schon die gaullistischen Minister des Kabi­netts Laniel haben mehrmals mit ihrem Rücktritt gedroht, wenn Laniel die Ratifizierungsdebatte beschleuni­gen wollte. Die Sozialisten, die vor kurzem noch alseuropafreundlich galten, haben sich in ihrer Mehrheit nach der anderen Seite entwickelt und es wird immer unwahrscheinlicher, daß sich nach dem Kabinett Lähiel eine neue Regierung bilden lassen

wird, die der Europa-Armee eindeutig günstig gesinnt ist.

Aber auch ein günstiger Ausgang der Genfer Konferenz wird das fran­zösische Parlament der Europa-Armee gegenüber nicht unbedingt freund­licher stimmen, wie man bisher glaubte. Die innenpolitische Situation in Frankreich ist nun so verfahren, daß man auch hier zahlreiche Reser­ven machen muß. Offensichtlich kann die kommende französische Europa- Politik erst von dem Nachfolger La- niels und seinem Außenminister be­stimmt werden. Es ist aber wenig wahrscheinlich, daß einer dieser bei­den Bidault heißen wird.

STOCKHOLM. In den schwedischen Landschaften Naerke und Vaester- goetland seien so gewaltige Uranvor­kommen entdeckt worden, daß mit ihnen Schwedens Energiebedarfauf mehrere Jahrtausende hinaus ge­deckt werden könnte, gab Minister­präsident Tage Erlander am Diens­tag im schwedischen Reichstag be­kannt. Uranerz bilde damit die größte Energiereserve des Landes.

Der Ministerpräsident bezifferte den Umfang der gefundenen Uran­schieferlager auf 4,7 Milliarden Ton­nen. Selbst wenn davon nur ein Drittel abbauwürdig sei und die Ausbeute an

PRESSESTIMMEN

Politik des Nebeneinanders

.Die britische Presse kommentiert die Erklärung Premierminister Churchills, daß Großbritannien irv Südostasien vor Ende der Genfer Konferenz auf keinen Fall mili­tärische Verpflichtungen eingehen wird.Daily H er al d (sozia­listisch) bemerkt dazu ;

Die Erklärung des Premiers ist von größter Bedeutung gerade in dem Au­genblick, in dem die USA den Eindruck erwecken, als ob sie mehr am Südost­asienpakt als an Genf interessiert sind... Es ist ein verhängnisvoller Fehler, daß der Druck für einen Süd­ostasien-Pakt von einer Regierung kommt, die nicht so wie unsere eigen« formal die Politik des friedlichen Ne­beneinanders mit dem kommunisti­schen China verfolgt.

reinem spaltbaren Uran nur mit 100 Gramm je Tonne veranschlagt werde, so bedeute das einen Vorrat von 150 000 Tonnen Uran.

Der Ministerpräsident kündigte an, das Schweden im Sommer seinen ersten Uran - Atommeiler errichten werde und zwei weitere zu bauen plane. Er teilte mit, es seietwas Wah­res an der Äußerung des früheren Vorsitzenden der amerikanischen Atomenergiekommission, Dean, daß Schweden nächst Großbritannien die bestausgerüsteten Kernforschungsin­stitute in Europa habe. Er bestätigte auch offiziell, daß Schweden seit Jah­ren durch Messungen der Radioaktivi­tät die Atombomben-Explosionen in anderen Ländern verfolgt hat.

72 Millionen Deutsche

Milliarden-Haushalt vor dem Landtag

Höheres Defizit als 1953/54 vorgesehen / Frank erläutert

Das reicht für Jahrtausende

Riesige Uranvorkommen in Schweden / Bald Atommeilei

Die Ostzonen-Kirche lebt in Geldnot

Dibelius: Vermehrte Austritte erschwerte Seelsorge

BERLIN. Auf die schweren Schäden, die der Kirchenkampf vor dem 10. Juni 1953 im sowjetisch besetzten Gebiet zu­rückgelassen habe, wies der evangeli­sche Bischof von Berlin, D. Dr. Otto Dibelius am Dienstag vor der in Spandau (britischer Sektor) versam­melten Provinzialsynode der evangeli­schen Kirche in Berlin-Brandenburg hin.

In einem Rückblick auf die vergan- Benej^emginhalbJahra kirchlichen Le-

Ostberlm in den JtKSlüll ÄVtÄl^lvKillP

denen der Jahre 1920 bis 1930 erreicht worden. Doch müsse für Ostberlin und auch den brandenburgischen Teil der Landeskirche mit weiteren Kirchenaus­tritten gerechnet werden.

Dibelius erinnerte daran, daß die So­wjetzonenregierung der Kirche die Staatszuschüsse um 30 Prozent gekürzt habe und daß die Patronatsleistungen fortgefallen seien. Unter den bedrük- kenden wirtschaftlichen Verhältnissen

ten mehr Kirchenaustritte gegeben ha­be als je zuvor seit 1945. Der Grund für die starke Austrittsbewegung sei die Im Januar 1953 vom Staat angeordnete Änderung der Kirchensteuererhebun­gen, die die Einbehaltung der Kirchen­steuer mit dem Lohnsteuerabzug ver­bietet. Mit 8000 Kirchenaustritten sei Immerhin bisher nur ein Fünftel von

Protest der Südstaaten

WASHINGTON. In den Südstaaten der USA erhob sich am Dienstag ein Pro­teststurm gegen die Entscheidung des Obersten amerikanischen Bundesge­richts über die Verfassungswidrigkeit der Rassentrennung an öffentlichen Lehranstalten. Mehrere Kongreßabge- Drdnete aus den Südstaaten bezeichne- ten die Entscheidung alsEinbruch in die Rechte der Bundesstaaten.

Studenten randalierten. 43 Personen wurden verletzt und 18 Autobusse zer­trümmert, als Studenten in Belem (Brasilien) gegen eine Fahrgelderhö­hung bei den öffentlichen Verkehrs­mitteln demonstrierten.

Kommunistische Waffen für Guate­mala. Das amerikanische Außenmini­sterium gab bekannt, daß eine große Waffenladung aussowjetisch kontrol­liertem Gebiet in Guatemala entladen werde. Die Waffen kamen aus Stettin im jetzt polnisch verwalteten Teil Ost­deutschlands.

An den Eigentümer verpachtet. Am 1. Juni tritt ein Vertrag zwischen dem deutschen und dem österreichischen Al­penverein in Kraft, nach dem 179 in Österreich seit Kriegsende alsdeut­sches Eigentum verwaltete Alpenver­einshütten deutscher Sektionen an die

Von unserer Stu

STUTTGART. Der Staatshaushalt­plan 1954/55 für Baden-Württemberg, der heute dem Landtag vorgelegt und von Finanzminister Dr. Frank in der Etatrede erläutert wird, sieht im ordentlichen Etat bei 1871 Millionen Einnahmen und 2039 Millionen Mark Ausgaben einen Fehlbetrag von 167,8 Millionen DM vor. Das vorjährige Haushaitjahr schloß mit einem festge­stellten Zuschuß von 134,5 Millionen DM ab, so daß sich also eine Ver­schlechterung um 33,3 Millionen DM er­geben hat. Der außerordentliche Etat ist im Entwurf mit 369,6 Millionen an Einnahmen und A usgaben aus ge eil- Hier ii<pr*'aiui uw vuiuuiull ge-

tgarter Redaktion

genüber 1953 um 76 Millionen vergrö­ßert.

Von den zwölf Einzelplänen sind bei acht Einsparungen vorgenommen wor­den, nur das Staatsministerium, das Landwirtschaftsministerium, dasFlücht- lingsministerium und die allgemeine Finanzverwaltung weisen im Voran­schlag Verschlechterungen auf. Der Etat der allgemeinen Finanzverwal­tung weist im Entwurf einen Über­schuß von 755,1 Millionen DM auf, das sind um 46,2 Millionen weniger als der effektive Überschuß im Vorjahr. Im außerordentlichen Haushalt sin d

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Millionen DM eingesetzt.

Kleine Weltchronik

deutschen Sektionen verpachtet wer­den.

Frau Rommel von Naguib empfan­gen. Die Witwe Generalfeldmarschall Rommels wurde in Kario vom ägypti­schen Staatspräsidenten Naguib und Ministerpräsident Nasser empfangen.

Finanzregelung mit Jugoslawien. Die finanziellen Verpflichtungen Jugosla­wiens gegenüber der Bundesrepublik sind nach Mitteilung des Auswärtigen Amtes in einem neuen Abkommen ge­regelt worden.

Chinesisches Seegefecht. Vor der Küste der Provinz Tschekiang hat ein einzelnes nationalchinesisches Kriegs­schiff ein kommunistisch-chinesisches Fahrzeug versenkt und neun weitere

Angreifer schwer beschädigt und in die Flucht geschlagen.

Verwahrloste Kriegsgräber. Die Mehrzahl der deutschen Soldatengrä­ber in Jugoslawien ist nach Mitteilung des Volksbundes deutsche Kriegsgrä­berfürsorge verwahrlost.

Lärm proportional zum Schlafmittel­verbrauch. Der Schlafmittelumsatz in den Apotheken ist nach Angaben des deutschen Arbeitsrings für Lärmbe­kämpfung fast genau im gleichen Um­fang gestiegen wie die Zahl der zuge­lassenen Kraftfahrzeuge.

Prozeß gegen Anna Pauker. Der ge­stürzte rumänische Außenminister An­na Pauker und ein weiterer ehemals führender Funktionär der rumänischen kommunistischen Partei, Vasile Luca, werden int Kürze in Bukarest vor Ge­richt gestellt werden.

BONN. In den Gebieten, die vor 1937 das Deutsche Reich umfaßten, leben nach Erhebungen des Statistischen Bundesamtes gegenwärtig rund 72 Mil­lionen Deutsche. Die Bundesrepublik zählt 49 278 000, West-Berlin 2198 004 und das Saargebiet 975 000 Einwohner. Die Zahl der Deutschen in Ost-Berlin wird mit 1 248 000 und in der Sowjet­zone mit 17 070 000 angegeben. Die noch jenseits der Oder-Neiße-Linie wohnen­den Deutschen werden auf etwa zwei Millionen geschätzt.

Jubel um Rupprechi

MÜNCHEN. Mit einem Fackelzug -ebrtc- üle Münchener Studentenschaft den bayerischen Kronprinzen Rup- precht, der am Dienstag seinen 85. Geburtstag feierte. Viele tausend Mün­chener waren zn dem großen Zapfen­streich vor Schloß Nymphenburg er­schienen.

Zum Schutz derKleinen

bg. KARLSRUHE. Auf dem Ver­bandstag landwirtschaftlicher Genos­senschaften in Baden Raiffeisen teilte am Dienstag Landwirtschaftsmi­nister Eugen Leibfried in Karls­ruhe mit, die baden-württembergisch« Regierung werde am 21. d. M. in der Bundesratsitzung für das neue Kartell­gesetz nur dann stimmen, wenn der § 75 herausgenommen werde, der be­sagt, daß die Genossenschaften zukünf­tig unter das Kartellgesetz fallen. Di« Beibehaltung dieses Paragraphen, sagt« Leibfried, würde sich für die kleine­ren Genossenschaften katastrophal auswirken.

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ROMAN VON lUt,

MARY BURCHELL ¥JL

Copyright by Dr. Paul Herzog, Tübingen Durch Verlag v. Graberg & Görg, Wiesbaden. Berechtigte Übertragung: H. Passow-Kemen

(24. Fortsetzung)

Hören Sie mir au, Thea, begann er.Sie sollen wissen, daß ich Sie unter keinen Um­ständen im Stiche lasse. Sie brauchen nicht zu denken, Sie hätten weder Freund, noch Zuflucht. Ich bin ja durch meine Unvorsich­tigkeit schuld, daß Sie jetzt hier sind, und ... Sie sind nicht schuld. Aber möchten Sie mir jetzt nicht das wegen der Hand sagen? Gut. Die Knochenbrüche heilen höchst befriedigend, aber bei der tiefen Wunde sind ein paar Sehnen durchschnitten, und hier sieht die Sache leider anders aus. Sie werden deswegen lange Zeit nicht die ursprüngliche Kraft und Beweglichkeit in der Hand zurück­gewinnen. Mit Bestrahlung und Massage läßt sich freilich tüchtig nachhelfen, vielleicht wird dadurch schließlich die Hand wieder ganz hergestellt, aber ich glaube nicht oder vielmehr Pranbook glaubt nicht, daß Sie sie je wieder normal beanspruchen dürfen.

Das bedeutet also, daß ich nie mehr Ma­schinenschreiben kann.

Leider ja.

Nun, dann dann muß ich mir eben etwas anderes ausdenken. Sie sah sehr blaß aus, und im Kopf spürte sie eine Leere. Irgend etwas wird es schon geben, bei dem man die linke Hand nicht stark brauchen muß. Schließlich ist sie nicht so wichtig, wie die rechte. Wenn es bloß nicht so lange ginge oder wenn Geraldine mich noch etwas länger bei sich wohnen ließe. Ach, alles wäre ganz einfach, wenn man irgendwo zu Hause wäre! rief sie, plötzlich überwäl­

tigt von der vollen Bedeutung der Tatsache, daß sie nirgends zu Hause war.

Thea, versuchen Sie doch bitte zu fühlen, daß Sie eine Heimat haben daß Sie nicht ganz ohne Zuflucht sind. Sie können in einem Frauenklub oder Hotel oder in einer Pension wohnen oder Sie können auch eine eigene Wohnung haben oder was Ihnen sonst behagt überlassen Sie nur alles mir Ach, bitte sagen Sie nicht solche Sachen! rief Thea halb lachend, halb entsetzt, denn Stephens Ausspruch:Soviel ich weiß, hat er noch keiner im Westen eine Wohnung ge­mietet war ihr auf einmal eingefalllen.

Wieso nicht? Er machte ein eigensinniges Gesicht, das sie sonst nur selten an ihm sah.

Das wissen Sie doch so gut wie ich. Sie lächelte ihn an und streichelte ein wenig aufgeregt seinen Arm, wie um das, was sie ihm sagen wollte, zu mildern.Verstehen Sie: als ich noch bei Geraldine wohnte, wirkte es ganz harmlos, daß Sie für mich aufkamen, und da wußte auch niemand davon. Aber jetzt geht das nicht mehr. Denn wenn die Leute erfahren, daß Sie mir ein Hotelzimmer oder eine Wohnung oder sonst eine Unter­kunft zahlen und daß ich überhaupt ganz von Ihnen abhängig bin, denken sie bestimmt nur an eine einzige Erklärung dafür. Und überdies habe ich nicht den geringsten An­spruch auf Ihre Güte. Das müssen Sie doch einsehen, Lindsay. Es wäre ganz anders . . Sie haben aber Anspruch darauf unter­brach er sie energisch.Wenn Sie schon nicht zugeben wollen, daß ich daran schuld bin, daß Sie in dieser mißlichen Lage sind, dann seien Sie wenigstens so gerecht, Thea, an­zuerkennen daß wir Freunde sind. So gute Freunde, daß Sie mich vorhin beim Vor­namen genannt haben, ohne es überhaupt zu merken.

Habe ich das? Sie blickte etwas ver­legen zur SeiteVerzeihen Sie . . .

Ich verzeihe Ihnen nicht, wenn Sie mich nicht weiter so nennen.

Also gut Sie haben recht, wir sind Freunde. Sie sind mir ein so treuer Freund gewesen, daß ich Ihnen nie genug dankbar

sein kann. Aber es muß einmal ein Ende haben mit diesen Freundespflichten. Lin. Ich bin kein Kind mehr. Ich bin kein ver­waistes Schulkind, das von seinem Vormund erhalten und gekleidet und manchmal zu einem Vergnügen ausgeführt wird. Ich bin ein erwachsenes junges Mädchen und darf mich nicht von einem Freund aushalten lassen. Was würden die Leute denken, und was könnten sie in diesem Falle anderes denken?

Brauchen sie davon zu wissen? Sein eigensinniger Blick hatte sich jetzt beinahe zu einem trotzigen verstärkt, was seinem sonst so weltmännisch beherrschten Gesicht einen seltsam knabenhaften Ausdruck verlieh. Haben wir nicht miteinander soviel Ver­stand, irgendein Mittel zu ersinnen, wie ich Ihnen das nötige Geld zukommen lassen kann, ohne daß jemand davon erfährt, so daß Sie Ihr Leben scheinbar unabhängig einrichten können?

Allein Thea schüttelte den Kopf.Es ist aussichtslos. Geraldine weiß genau Bescheid über meine finanzielle Lage. Und darum würde sie sofort wissen, von wem das Geld stammt, wenn ich auf einmal ein regelmäßi­ges Einkommen hätte. Das würde sie selbst­verständlich nicht für sich behalten. Sie ist jetzt alles andere als gut auf mich zu sprechen, und gerade jetzt käme ihr die Möglichkeit besonders gelegen, Skandalge­schichten über uns zu verbreiten

Ueber uns? Meinem wetterfesten Ruf kann sie nicht mehr viel anhaben, meinte er trocken.Aber Sie haben recht, es ist schon so Sie würde Ihren Ruf mit dem größten Vergnügen versauen.

Eben.

Sie schwiegen einige Zeit Thea blaß und ruhig und, zu ihrer eigenen Verwunde­rung, beinahe schon mit ihrem Schicksal ausgesöhnt, nun. da sie die Lage klar über­blickte, und er finster und grimmig und in stummer Rebellion gegen Umstände, über die er, vielleicht zum ersten Male im Leben, keine Macht zu haben schien.

Dann hob er bedächtig den Kopf und blickte sie an, wobei seine Augen von neuem blitzten und das charakteristische und ein wenig spöttische Lächeln um seine Lippen spielte.

Ich habs. mein Kind. Es gibt eine Lösung, bei der Sie ein Heim finden, klatschsüchtige Zungen zum Schweigen gebracht und Ge­raldine die Waffen aus der Hand genommen werden. Und die wäre, daß Sie mich heiraten.

* *

*

Thea atmete tief, zwinkerte mit ihren lan­gen Wimpern und fragte feierlich:Was haben Sie gesagt?

fch sagte und Sie haben mich auch gut verstanden, daß Sie mich heiraten sollen, teilte er ihr lächelnd mit.

Soll das ein Scherz sein?

Bloß, wenn Sie es für einen ansehen. Und dann, als er bemerkte, wie still und verdattert sie dalag, sprach er ernsthaft und eindringlich.Nein, Kind, es war durchaus kein Scherz. Es ist ein ganz ernstgemeinter Vorschlag. Wirklich, Thea, es ist die einzige vernünftige Lösung für unser Problem.

Das scheint mir aber ein ein eher ver­zweifeltes Mittel zu sein.

Schade, daß Sie es in diesem Lichte an­sehen.

Ich habe dabei nicht an mich gedacht. Ich dachte, wie unangenehm das für Sie wäre .

Wieso wissen Sie so genau, daß mir das unangenehm wäre? Er betrachtete sie for­schend

i\'un, bisher hat doch niemand Sie seibst am wenigsten geglaubt, Sie eignen sich zum Heiraten. Sie würden sich ganz sicher m eine Falle gelockt Vorkommen und der Sache schnell überdrüssig werden und diejenige bald nicht mehr leiden können, die Sie hin­eingelockt hat.

Er lächelte ein wenig zu diesem Versuche, ihm selbst sein Wesen zu deuten. Dann be­gann er: . __

Mein liebes Kind, ich glaube, wir haben uns noch nicht richtig verstanden. Zunächst (Fortsetzung folgt)