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HEIMATBLATT FÜR STADT UND LAND
CALWER ZEITUNG
Verlagsort Calw
DIENSTAG, 18. MAI 1954
AMTSBLATT FÜR DEN KREIS CALW
Gegründet 1826 / Nr. 114
FDP hinter Pfleiderer
Beziehungen zu Rußland „im Interesse der Wiedervereinigung“ / Bonn überrascht
Von unserer Bonner Redaktion
BONN. Der Bundesvorstand der FDP stellte am Montag in einer einstimmig gebilligten Erklärung fest, daß es eine künftige Aufgabe sei, zwischen der Bundesrepublik und der Sowjetunion diplomatische Beziehungen herzustellen.
Den Vorschlag des FDP-Abgeord- neten Pfleiderer für eine Besuchsreise von Abgeordneten nach Moskau und Peking bezeichnete der Vorstand als eine Initiative, die dazu beitragen kann, die Beziehungen zu den Ostblockstaaten auch im Interesse der deutschen Wiedervereinigung und der ■&&' uichterung des Loses der Kriegsgefangenen zu normalisieren. Der FDP-Vorstand betonte gleichzeitig, daß die enge Zusammenarbeit mit den westlichen Nationen eine unverzichtbare Grundlage der deutschen Außenpolitik bleiben müsse.
Wie ein Sprecher der FDP bekanntgab, hat Pfleiderer vor seinem Vorschlag auch mit amerikanischen Stellen Fühlung genommen. Im FDP-Vorstand war man sich einig darüber, daß bei Verwirklichung dieses Vorschlages nicht nur Abgeordnete einer Partei, sondern aller im Bundestag vertretenen Fraktionen ausgewählt werden sollten.
In parlamentarischen Kreisen wurde dazu erklärt, es erscheine keineswegs sicher, daß sich alle anderen Parteien damit einverstanden erklären würden. Gleichzeitig wurde die FDP-Erklärung mit einiger Überraschung registriert, da sie im Gegensatz zu der Erklärung
des Presseamts steht, in der der Bundeskanzler den Vorschlag über die Entsendung deutscher Abgeordneter nach Moskau und Peking scharf mißbilligte. Die Mißbilligung entspricht auch der Ansicht der Westalliierten.
Bundeskanzler Dr. Adenauer schaltete sich am Montag in zwei Unterredungen mit dem Parteivorsitzenden Dehler und anderen führenden FDP-Politikern in die Beratungen der Freien Demokraten ein. Wie von einem FDP-Sprecher erklärt wurde, bestand hinsichtlich der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zur Sowjet-Union „zu gegebener Zeit“ zwischen Adenauer und den FDP-Vorstandsmitglie- dern Übereinstimmung.
England interveniert nicht
Churchill: Zuerst die Ergebnisse von Genf abwarten
LONDON. Premierminister Churchill hat am Montag in seiner mit Spannung erwarteten Unterhauserklärung zur Ostasienpolitik bestätigt, daß Großbritannien jede militärische Intervention in Indochina vermeiden wolle, solange der Ausgang der Genfer Konferenz nicht entschieden sei.
Er betonte gleichzeitig, daß auch die Entscheidung über die Beteiligung Großbritanniens an dem von den Vereinigten Staaten gewünschten Südostasienpakt erst nach der Beendigung der Genfer Konferenz fallen werde. „Die jetzt unmittelbar vor uns liegende Aufgabe ist, alles zu tun, um die Wiederherstellung des Friedens in Indochina zu erreichen.
Adenauer trifft Teitgen
Fortsetzung der Saargespräche / Sehr gedämpfte Hoffnungen
Von unserer Bonner Redaktion
BONN. Bundeskanzler Dr. Adenauer, der Bonn am Montagabend verlassen hat, um an der Ministerratssitzung des Europa-Rates in Straßburg teilzunehmen, wird in Straßburg mit dem stellvertretenden französischen Ministerpräsidenten Teitgen auch über die Fortsetzung der deutschfranzösischen Saargespräche konferieren. Teitgen, der in Straßburg Außenminister B i d a u 11 vertritt, ist Vorsitzender des MRP, der französischen Schwesterpartei der CDU.
In Bonner Regierungskreisen wird jedoch nicht damit gerechnet, daß es zwischen Adenauer und Teitgen zu einer Einigung über die deutsch-französischen Grundsatzerklärungen zur Saarfrage kommt, sondern es wird erwartet, daß diese Erklärung Gegenstand einer neuen Zusammenkunft Adenauers mit Bidault Anfang Juni sein wird.
Adenauer, der unter anderen von Staatssekretär H a 11 s t e i n und Bun- despresseckef von Eckard begleitet ist, wird nicht in Straßburg, sondern in Baden-Baden wohnen und wahrscheinlich am Donnerstagabend nach Bonn zurückkehren. Im Rahmen der Straßburger Tagung will der Bundeskanzler, wie bereits berichtet, in einem Appell an die Beratende Versammlung erneut für verstärkte Anstrengungen für die europäische Einigung eintreten. Dieser Appell ist nach Auffassung Bonner Regierungskreise um so dringlicher geworden, als nach den aus Paris kommenden Meldungen eine
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Der argentinische Außenminister Re- morino und der argentinische Wirt- schaftsnßnister Gomez Morales werden am 2(5- Mai zu einem offiziellen Besuch in Bonn erwartet.
Bundeskanzler Adenauer hat in Bonn flen französischen Gesundheitsminister Loste Floret, der zu einem zweitägigen Besuch in der Bundesrepublik ist, empfangen.
Im Falle eines Angriffes in Indochina würden die USA keine Atomwaffen oder Wasserstoffbomben ein- setzen, verlautete von militärischer öeite in Washington.
In der Auseinandersetzung zwischen ner amerikanischen Armee und dem Senator McCarthy hat Präsident Eisen- nower dem Verteidigungsministerium untersagt, Einzelheiten über Verhand- ungen mit dem Weißen Haus bekanntzugeben.
weitere Vertagung der französischen Entscheidung über die EVG zu erwarten ist.
In diplomatischen Kreisen der Bundeshauptstadt wird nicht mehr angenommen, daß die parlamentarischen Beratungen über den EVG-Vertrag in Paris und in Rom vor dem September beginnen werden. Da diese Beratungen längere Zeit in Anspruch nehmen, würde das bedeuten, daß die endgültigen Entscheidungen der beiden Parlamente kaum vor Ende dieses Jahres oder Anfang des nächsten Jahres fallen.
Solange nicht bekannt ist, wie die Konferenz ausgehen wird, kann in der Frage eines Sicherheitssystems für Südostasien keine Entscheidung getroffen werden“.
Auf das Drängen des Labour-Ab- geordneten Desmond D o n e 11 y, der Premier solle ausdrücklich bestätigen, daß sich Großbritannien vor Abschluß der Genfer Konferenz in keiner Weise an einer militärischen Intervention beteiligen werde, sagte Churchill: „Ich glaube, dies hat meine Erklärung eindeutig zum Ausdruck gebracht.“ Churchill bezog sich auch auf die derzeitigen amerikanisch-französischen Verhandlungen über Indochina.
„Strung geheim“
GENF. Die erste Geheimsitzung der Genfer Ostasien-Konferenz wurde am Montagnachmittag kurz nach 15 Uhr eröffnet. Den Außenministern stehen in der Sitzung, die streng geheim ist und ohne Tagesordnung und Rednerliste vor sich geht, nur je drei Berater zur Verfügung, es wird angenommen, daß auf der Sitzung zunächst das Problem der Verwundeten von Dien Bien Phu besprochen wurde. Ein anderer wichtiger Punkt, der auf der Montagsitzung angeschnitten worden sein dürfte, ist die Frage, ob eine Waffenruhe in Indochina vor einer politischen Einigung, nach der politischen Einigung oder mit einer politischen Einigung gekoppelt herbeigeführt werden soll.
Auf ein-'m Essen, das der Chefdelegierte Columbiens bet der G e-njei gab, sah man die Vertreter der westlichen Großmächte in angeregter Unterhaltung. V. I. n. r.: Anthony Eden, Außenminister Großbritanniens; Unterstaats- sekretär Bedell Smith, Leiter der US- Delegation, und Georges Bidault, Frankreichs Außenminister. Bild: AP
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Bemerkungen zum Tage
Aulgelockert
ws. Mit dem überraschenden Molo- towschen Zugeständnis einer internationalen Kontrolle kamen die Indochinaberatungen in Genf zum ersten Male wirklich voran. Man könnte sogar sagen, daß sie nach langem, anfänglichen Auf-der-Stelle-treten auf einmal gleich einen Sprung vorwärts getan haben. Denn es folgte dieser Ankündigung des sowjetischen Außenministers auf dem Fuße die Vereinbarung der neun an den Indochinabesprechungen beteiligten Staaten, die Besprechungen der Indochinafrage nun nicht mehr in großen Vollsitzungen fortzusetzen sondern geheim im kleinen Kreis der Außenminister mit nur je drei Beratern weiterzutagen.
Sicher macht eine Schwalbe noch keinen Sommer. Man wird Molotows Taktik in Genf weiter sorgsam verfolgen müssen. Aber die Tatsache, daß er in einer sehr bedeutenden Frage Konzessionen machte und dadurch zum ersten Male ernsthafte Hoffnungen auf einen Erfolg der Verhandlungen geweckt wurden, ist nicht von der Hand zu weisen. Es hat sich außerhalb der
Warnung vor Ueberschätzung
Berg und Erhard auf der Jahresversammlung der deutschen Industrie / Heuß als Ehrengast
ESSEN. Der Bundesverband der deutschen Industrie hat am Montag seine zweitägige fünfte Jahresversammlung mit einer festlichen Kundgebung in Anwesenheit von Bundespräsident Heuß, Vizekanzler Blücher, Bundeswirtsehaftsminister E r- h a r d , Ministerpräsident Arnold mehreren Landesministern und Bundestagsabgeordneten sowie einer Gruppe amerikanischer Industrieller in Essen eingeleitet.
Der Präsident des BDI, Fritz Berg warnte in seiner Rede davor, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und die gegenwärtige Position der deutschen Industrie zu überschätzen. Man müsse trotz der günstigen Produktionszahlen berücksichtigen, daß die Bundesrepublik gegenwärtig „ihre ganze wirtschaftliche Kraft in die Front wirft, während es bei den Reserven schwach aussieht“. Auch die erfreuliche Entwicklung des Außenhandels könne man keineswegs als strukturell gesichert ansehen. Berg wandte sich insbesondere gegen Behauptungen, wonach die Wirtschaftslage Deutschlands heute besser sei als die der Vereinigten Staaten. Die USA könnten sich durch ihre starke Kapitalgrundlage und die großen Reserven vor ernsten Rückschlägen sichern. Die Bundesrepublik müsse sich die Grundlagen erst schaffen.
Zur Steuerreform betonte Berg, es sei zehn Jahre nach Kriessende an der Zeit, die Wirtschaft von dem „schweren Steuerdruck“ zu befreien Er glaube, daß eine stärkere Senkung der Einkommen- und Körperschaftssteuer durchaus möglich sei.
Bundeswirtschaftsminister Erhard erklärte', die Schwierigkeiten durch den fortdauernden Überschuß in der deutschen Außenhandelsbilanz könnten nur durch eine „innere Expansion“ beseitigt werden. Darunter verstehe er eine Steigerung des Verbrauchs durch vermehrte Einfuhren.
Es sei abwegig, bereits von einer Sättigung des Nachholbedarfs und einer vollen Befriedigung des Konsumbedürfnisses zu sprechen. Der Gedanke des Eigentums müsse in der Bevölkerung gefördert werden. Noch heute glichen viele Wohnungen „Folterkammern“.
Verwundete aufgegeben
HANOI. In verzweifelten Abwehrmaßnahmen gegen die auf das Delta des Roten Flusses zuströmenden Viet- minh-Divisionen hat das französische Oberkommando in der Nacht zum Montag die Evakuierung der Verwundeten aus der gefallenen Festung Dien Bien Phu aufgegeben und alle verfügbaren Flugzeuge zum Einsatz auf die Anmarschstraßen der Vietminh bereitgestellt. In einer Rundfunkbotschaft wurde den Vietminh mitgeteilt, daß die Franzosen die Evakuierung der Verwundeten unter den gegenwärtigen Bedingungen nicht fortsetzen könnten.
Großasiatischer Pakt?
DJAKARTA. Außenpolitische Sachverständige in Indonesien erörtern nach Mitteilung aus amtlicher Quelle gegenwärtig die Möglichkeit, einen Nichtangriffspakt zwischen Indonesien, Indien, Burma und der chinesischen Volksrepublik zustandezubringen. Es heißt, ein solcher Pakt sollte nach Ansicht der Sachverständigen so schnell wie möglich geschlossen wer
den, da sich gerade jetzt die USA um den Abschluß eines Militärbündnisses in Südostasien bemühen. Indonesien habe vor allem Einwände gegen die Absicht, „Kolonialmächte“ an diesem Bündnis zu beteiligen.
Prüfstelle aibeitsfähig
hf. BONN. Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften wird mit ihrer heutigen konstituierenden Sitzung ihre Arbeit aufneh,- men. Zum Vorsitzenden wurde der Jugendstaatsanwalt Schilling aus Köln ernannt. Nach dem Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften hat die Bundesprüfstelle durch Entscheidungen mit Zweidrittelmehrheit „Schriften, die geeignet sind, Jugendliche sittlich zu gefährden“ in eine Liste aufzunehmen. Diese Schriften „dürfen nicht an Jugendliche unter 18 Jahren feilgeboten oder ihnen zugänglich gemacht werden“.
Neben Vertretern der Länder sind als Beisitzer Vertreter aus Kunst, Literatur, Buchhandel, Verlegerschaft. Jugendverbänden, Jugendwohlfahrt. Lehrerschaft und der Kirchen an die Prüfstelle berufen worden.
Konferenzsitzungen auch ein gewisses diplomatische Zusammenpiel Eden-Mo- lotow angebahnt, die beide mäßigend auf die Partner in ihrem jeweiligen Lager einwirken. Hier fragt man sich bereits, ob nicht die Bereitschaft zu einer internationalen Kontrolle im Falle Indochina ein gutes Vorzeichen dafür ist, daß auch die festgefahrenen und schon fast als hoffnungslos betrachteten Verhandlungen über Korea wieder in Gang kommen könnten.
Wir deutschen Beobachter der Genfer Konferenz aber können nicht umhin, an die Frage der Wiedervereinigung unseres eigenen Landes durch freie Wahlen zu denken, die in Berlin in den kompromißlosen Propagandar°den beider Seiten so ohne ehrlichen Willen, zu einem Ergebnis zu kommen, behandelt wurde. Wenn die Auflockerung bei Molotow anhält und zu einem Gelingen der Genfer Konferenz beitragen sollte, so wäre es nach Genf an der Zeit zu einer deutschen Initiative, um noch einmal und mit Energie und Phantasie Wege zur baldigen Wiedervereinigung unseres zerrissenen Landes zu suchen.
Aut festem Boden
wn. Zum dritten Male haben in Tübingen Musiktage stattgefunden. Es waren, überaus reich befrachtete Tage voll echter Musizierfreudigkeit und herzlichem Einverständnis mit dem zahlreichen, teils von weit her gekommenen Publikum. Das will schon etwas heißen in, unserer Zeit der Musikfest- inflation.. Aber die Tübinger Musiktage stehen auf festem Boden. Innerhalb der Besucher beginnt sich ein fester Stamm zu bilden. Darüber hinaus ist das Interesse gerade außerhalb Tübingens bis weit über die Grenzen besonders wach. Der Wahl der Werke und der hohen Qualität der Wiedergabe ist dies zu verdanken. Mit hoher Sachkenntnis, mit Sorgfalt und Verantwortungsbewußtsein hat der künstlerische Planer — Professor Harald Genzmer von der Staatlichen Musikhochschule in Freiburg — aus den Werken der Komponisten Baden-Württembergs und der benachbarten Länder gewählt und disponiert. Um dem weiten Begriff heutiger Musik gerecht zu werden, ließ Genzmer neben zentralen Werken auch ausgeprägt konservative Richtungen und radikale Mo- dernistön zu Gehör kommen. Für den Planer der nächstjährigen Musiktage erwächst daraus die Verpflichtung, in besonderem Maße dafür zu arbeiten, daß sich wiederinn die Veranstaltungen zu einer nahtlosen Kette künstlerisch wertvoller Darbietungen schließen. Heuer ist dies voll und ganz gelungen.
Kühler
Bericht des Wetieramtes Stuttgart
Südwestdeutschland liegt noch im Einflußbereich eines Tiefdrucuge- biets, das sich langsam nach Nordosten verlagert. Heute überwiegend wolkig und gelegentlich auch leichter Regen. Mittagstemperaturen meist »her 15 Grad, nachts frost- frei. Morgen «och veränderlich, aber keine wesentlichen Niederschläge. Nnr mäßig warm.