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Nagolder Tagblatt „Der Gesellschafter"
Mittwoch. 2S. 3u«i 1V27
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Zum Fall Daudet
Pari». 28. Juni. Petit Journal berichtet, heute nacht habe man behauptet, die Sicherheitspolizei kenne den Aus« enthalt Daudets. Andererseits habe sich der Hauptinspektor der Gerichtspolizei, begleitet von 12 Polizeibeamten, gestern abend in die Bororte begeben mit dem Aufträge, Daudet bei Tagesanbruch zu verhaften.
Die Schulprüsungen in Ostoberschlesiea Sattowitz, 28. Juni. Wie die „Ostdeutsche Morgenpvst" meldet, find Vertreter der deutschen Minderheit in Oftoberschlesien an den Präsidenten der gemischten Kommission, Lalonder, mit dem Ersuchen herangetreten, bei den Schulprüfungen der für die Minde rhei tss chule n angemeldeten Kinder außer einem polnischen Schulmann auch einen deutschen Vertreter heranzuziehen. Talon- der hat dararus entschieden, daß der Schweizer Maurer allein die Prüfungen abzuhalten hat. Der Vertreter der Wojewodschaft wohnbs bereits am Freitag den Prüfungen nicht mehr bei.
Polens Antwort au Rußland Warschau, 28. Juni. Die Antwort auf die letzte russische R o t e soll so gut wie fertig fern. Wie verlautet, soll sie korrekt und ruhig abgefaßt sein, die Einleitung einer Untersuchung versprechen und gleichzeitig Mitteilen, daß die polnische Regierung bereit sei, jede gegen Re Sowetunion gerichtete Aktion auf polnischem Boden sofort zu unterdrücken. Die polnische Regierung werde überhaupt keine Organisationen auf polnischem Gebiet dulden, deren Tätigkeit auch nur den Verdacht aufkommen lassen könnte, daß sie gegen die Sowjetunion gerichtet seien. Dagegen könne die polnische Regierung im Hinblick aus die internationalen Gebräuche den russischen Emigranten, die sich politisch nicht betätigen, den Aufenthalt in Polen und ihren Schutz nicht verweigern.
»- Chincsenrevolke aus Iava
Batavia, 28. Juni. Auf einer Insel bei Riouw wurden die europäischen Aufseher der dortigen Zinngruben und Poli- zeibeamten, die ihnen zu Hilfe kamen, von ausständischen chinesischen Arbeitern angegrissen. Militär stellte die Ord- ,m»ng wieder her. Insgesamt wurden 90 Chinesen verhaftet. Rach Schluß der Untersuchung wurden 8 Rädelsführer den Gerichtsbehörden übergeben.
Württemberg
Stuttgart. 28. Jum.
Ehrendoktor. Dem Staatssekretär Kumbier, Direktor der Betriebs- und Bauabteilung in der Hauptverwaltung der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft, ist von der Technisches Hochschule Stuttgart die Würde eines Dr.-Jng. ehrenhalber verliehen worden.
Todesfall. I« dem hohen Alter von 84 Zähren ist der Seniorchef der Elektrotechnischen Fabrik m Stuttgart, Ingenieur Paul Reißer sen., gestorben. Seine rastlose Tätigkeit währen- eines langen Lebens hat ihn weit über Stuttgart hinaus zu einem bekannten Pionier der Verbreitung des elektrischen Lichts gemacht. Paul Reißer stammt ans Eßlingen.
ep. Evang. Organistenverei«. Am 27. Zmri fand unter de« Vorsitz des Kirchenmuslkdirektors S kr e b e l - Stuttgart die jährliche Vertreter- und Hauptversammlimg des Vereins evangelischer Organisten Württembergs in Stuttgart statt, zu welcher sich im Anschluß an den Kirchengescmgs- tog zahlreiche Organisten des Landes eingefunden hatten.
Luftverkehr Viklingen—Stuttgart. Am 25. Zum ist die Einrichtung einer Zubringer-Luftverkehrslinie Villingen (Schwenningen—Konstanz)—Stuttgart durch die Deutsche Lust-Hansa beschlossen worden. Die Lmie wird auf die Dauer von 2 Monaten, beginnend am 1. Juli. versuchsweise hofioge«. Der Flugpreis Villingen—Stuttgart beträgt 20 Mk.
Günstige Feriensonderzuge. Bei Benützung des am 2. Znli 1927 ab Mannheim verkehrenden Feriensonderzugs P auch Reisenden aus Württemberg Gelegenheit geboten, die Ostseebäder unter Inanspruchnahme des erheblich ermäßigte« Fahrpreises bis zur Zielstation des Sonderzuges z» besuchen und damit auf der Rückreise einen Besuch von Berlin zu verbinden. Fahrkarten nach Potsdam, Stralsund o»d Swinemünde werden bei der Anskunftsstette in Stutt
gart Hbf. ausgegeben. Die Fahrkarten zu den zu Beginn der eigentlichen Ferien nach München, dem bayerischen Hochland, dem Rheinland, nach Berlin. Leipzig. Dresden sowie nach Bremen und Hamburg verkehrenden Feriensonderzügen werden ab 4., 5. und 6. Juli bei der Ausknnftstelle in Stuttgart Hbf. und bei den übrigen aus dem Anschlag ans den Stationen ersichtlichen Fahrkarkenskellen verkauft.
Vom Tage. In der Uhlandstraße in Obertürkheim hat sich ein 21 I. a. Dienstmädchen aus unbekannten Gründen durch Einatmen von Gas das Leben genommen.
In Wangen erfolgte ein Zusammenstoß zwischen einem Radfahrer und einem Motorradfahrer. Ersterer wurde zu Boden geworfen und erlitt einen Schädelbruch. Im Karl- Olga-Krankenhaus ist der junge Mann, ein 24 I. a. led. Arbeiter aus Wangen, gestorben. Untersuchung der Schuldfrage ist eingeleitet. — In einem Haus der Rotebühlstraße verübte ein 31 I. a. Mann Selbstmord durch Gasvergiftung. — In einem Haus der Retraitestraße verübte ein 41 I. a. Mann Selbstmord durch Erhängen. — Am Sonntag mittag sprang ein 23 I. a. lediger Buchdrucker, der sich mit einem Taxameterauto auf die König-Karlsbrücke führen ließ, von dieser aus in den Neckar. Der Leichnam konnte bis jetzt noch nicht geborgen werden. — Montag morgen verübte in der Scheune eines Hauses der Kirch- straße in Degerloch ein 56 I. a. Mann Selbstmord durch Erhängen. — In der Nacht auf Sonntag sprang ein jüngerer Mann von der König-Karlsbrücke in den Neckar. Er verschwand im Master und konnte nicht geborgen werden. Der Grund zur Tat ist unbekannt. '
Aus dem Lande
Vaihingen a. F., 28. Juni. Unfall auf der Schiss- schau kel. Gestern abend brach der Querbalken der auf dem hiesigen Festplatz ausgestellten Schiffschaukel, so daß die an ihm befestigten Gondeln herunterfielen. Die Insassen kamen mit dem Schrecken und leichteren Hautabschürfungen davon.
Eßlingen, 28. Juni. Kameradschaftstag ehem. Kriegsgefangener. Die badischen und wiirttember- gifchen Vereinigungen ehm. Kriegsgefangener, die sich neuerdings zu einem Ring zusammengeschlossen haben, halten vom 9.—11. Juli einen Kameradschaftstag in Eßlingen ab. Verschieden« Verein« haben ihren Besuch bereits zugesagt. Weitere Anmeldungen von Vereinen, gleich welcher Organisation sie angehören, haben baldigst an die VEK. Eßlingen, Lokal Palmscher Vau, wegen Bereitstellung von Quartieren zu erfolgen.
Gmünd. 28. Juni. Verfehlungen bei der Oberamt s s p a r k a s s e. In der Amtsoersammlung wurde mit- geteikt, daß die seinerzeit in Heubach von dem damaligen Filralkassier und hier von dem früheren Sparkastenvorstanü begangenen Verfehlungen rund 100 000 -st Verlust ausmachen. Diese Summe wird aus den Ueberschüssen der jetzt in bester Ordnung befindlichen Oberamtssparkasse abgedeckt, so daß die Sparer keine Einbuße erleiden. _ _
Oberndorf a. R., 28. Juni. Errichtung eines Denkmals. Der Gemeinderat beschloß in seiner letzten Sitzung die Errichtung eines Denkmals für Carl August Barack, dem Schöpfer der Universitäts- und Landesbibliothek in Straßburg und hervorragenden Germanisten und Geschichtsforscher. In einem großen Findling soll das Erz- bild Baracks, der vor 100 Jahren in Oberndorf geboren wurde, angebracht werden und das Denkmal !m Stadtgarten aufacstellt werden.
Bietigheim, 28. Juni. Gustav-Adolf-Fest. Am 17. und 18. Juki d. I. wird der Württ. Gustav-Adolf-Verein sein Jahresfest in Bietigheim halten.
Heilbrcma, 28. Juni. Mietwucher. Weitere Miet- wucherverfahren stehen vor der Entscheidung durch die hiesigen Gerichte. Es heißt, daß man m einzelnen Fällen eine Steigerung aus 500 v. H. der Friodensmiete sestgestellt habe.
Sontheim OA. Heilbronn, 28. Juni. Leichenlän- dung. Am Sonntag vormittag wurde die Leiche des am Dienstag beim Baden ertrunkenen Manns etwas unterhalb des Stegs gelandet.
Schwaigern, 28. Juni. Biele Bewerber. Einen Geschäftsführerwechsel gibt es in der Landw. Vezu'gs- und Absatzgenostenschaft in Schwaigern. 65 Bewerber haben sich um den ausgeschriebenen Posten beworben, 2 davon sollen in die engere Wahl kommen.
Aus Stadt und Laub
Nagold, 29. Juni 1927.
Immer, wenn die Menschen von dem Ahnen ihrer seelischen Grenzenlosigkeit berührt werden, bemächtigt sich ihrer Heiterkeit und Lebenszuversicht. Stehr
Dienftuachrichten
Der Herr Staatspräsident hat je eine Lehrstelle an der evangelischen Volksschule in Oberlengenhardt QA. Neuenbürg dem Unterlehrer Adam Blaich in Breitenberg OA. Calw, Rutesheim OA. Leonberg dem Hauptlehrer Halb in Ueberberg OA. Nagold, Stuttgart dem Oberlehrer Pfrommerin Calw u. dem Haupilehrer Bauerin Pfalzgrafenweiler OA. Freudenstadt, Zavelstein OA Calw dem Amtsverweser Friedrich Merkle daselbst übertragen.
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Roman von Leontine v. Winterstldt Platen.
Ein Bild von wahrer Herzenstreue und lauterem Menschentum in seltener Empfindung^stärke gibt unseren Leserinnen und Lesern der heute beginnende Roman. Zwar rollt der Gang der Handlung weit ab von dem Sausen und Brausen der Gegenwart in früheren Jahrhunderten, aber die Persönlicb- keitsstärke, mit der die handelnden Personen ihr Geschick tragen und führen, hat eiwas Bezwingendes an sich, das unwiderstehlich von Anfang an in seinen Bann schlägt.
Die Linde blüht. Wir gehen, in Gedanken versunken, durch eine in lebensvollem Grün prangende Anlage. Me von ungefähr umschmeichelt uns plötzlich ein unendlich feiner süßer wohliger Duft. Da fcillts uns ein: so lieb, so süß, duftet nur die Lindenblüte! Und richtig, beim Hinaufschau«! ins Laubdach der Bäume, entdecken wir die gelblichen Blüten in dichten Büscheln und Bündeln zwischen den Blättern hängen. Wie wenn Verzierungen von mattem Gokd in den Bäumen hängen. Und eine Wolke von Wohlgernc- ringsumher. Geschäftig summen und eilen die Bienen. Di« Menschen aber verhalten ein Weilchen, nehmen ordentlich eine Nase voll und glauben gerne, daß eine Blüte, die ß« wunderbar duftet, auch ein gut wirksames Heilmittel Die Rose blüht, der Jasmin sendet seinen Odem in di« Lüfte, nun verströmt auch die Linde die ganze SüßigkeS ihres Wesens.
Schutz vor Mückenstichen. An heißen Tagen schwirren unzählige Mücken umher und wo ein Mensch sich im Freie« niederläßt, stürzen sich die Blutsauger auf ihn, sogar in der Wohnung hat man keine Ruhe. In den meisten Fällen wird die Geschwulst in wenigen Stunden verschwunden sein, doch kommt es hin und wieder vor, daß von der Stichstelle aus heftige, ausgedehnte Entzündungen ausgehen, die Umgebung des Einstichs wird hochrot und schwillt an. Besonders im Gesicht mit seinem ausgedehnten Gefäßsystem kann es leicht zu ernsthaften Entzündungen kommen und eine Blutvergiftung nach sich ziehen, da die Quälgeister mit, ihrem Stachel oft genug Krankheitskeime übertragen. Die, Vertreibung dieser lästigen Mücken aus den Wohnungen ist verhältnismäßig leicht. Da sie Zugluft nicht ertragen können, so kann man sie nach mehrfachem Durchlüsten schon aus dem Zimmer bringen. Ebenso Hilst ein Stückchen Kampfer, das man stark erhitzt, oder das Halten der Rizinuspflanze, die ein Todfeind der Mücken ist. Zm Freiem ist es aber schon schwieriger, sich von den Blutsaugern z« befreien. Man wird wohl meist die Insekten mit Tabakrauch recht gut vertreiben können. Waschungen mit ejner Mischung Kölnisch Master und Nelkenöl sowie eine starke Verdünnung von Schwefeläther mit Spiritus sind gleichfalls vormasicke Abwehrmittel. Hat der Quälgeist nicht.
Das Schwert von Thule.
Ro.nuu von Leoniine von Winterseld-Platen.
Copyright by Greiner L Comp-, Berlin W 30.
(Nachdruck verboten.)
Motto: Mit Schild an Schild und Speer an Speer Ziehn wir nach Nordlands Winden,
Bis wir im fernen blauen Meer Die Insel Thule finden.
Das >oll der Treue Insel sein.
Da gilt noch Eid und Ehre! —
Felix Dahn.
Ueber dem Fjord liegt kalt und grau der Morgennebel zwischen den Felswänden. In der Ferne hört man das Meer branden und gischten gegen die Klippen.
Es steht ein großes, einsames Blockhaus mit buntbemalten Holzwänden nicht weit vom Strande. Fischnetze sind zum Trocknen davor ausgespannt und bauschen sich im ersten Morgenwind.
Und nun öffnet sich die schwere, geschnitzte Holztür, und ein hoher Greis mit langem, schneeweißem Barte schreitet langsam die steinernen Stufen herab. Er rastet dabei mit einem Stabe und seine Füße gehen nur schrittweise suchend über den Boden.
Olaf Eysenhand ist blind.
Einen Augenblick bleibt er stehen und hebt seine Arme. Ist es, weil er tiefer Atem schöpfen will von der herben, eiskalten Morgenluft, die vom Meere herüberströmt in fast sichtbaren, silbernen Fluten, — oder will er die Heimatscholle segnen, die ihn gebar und sein uraltes Geschlecht?
Vom Hause her durch die offene Tür kommt ein Singen. Süß und weich, wie aus Frauenmund.
Lauscheno hebt der Greis das Haupt. Als der Sang verstummt, ruft er laut mit hallender Stimme, daß das Echo widertönt von den steilen Felswänden: „Heilwig!"
Und über des Hauses rauhhölzerner Schnelle tritt hoch und schlank ein weizenblondes Mädchen. Wie Schnee glänzen die Aermel ihres Leinenhemdes, über dem sich das kornblumenblaue Mieder bauscht und die buntfarbige, nordische Schürze, die den grobwolligen, kurzen Rock säst verdeckt.
Sie tritt zu dein Alten und legt ihm die Hand auf die Schulter.
„Du hast mich gerufen, Ahne, willst du zu Berg?"
Der Greis nickt.
,^a. Heilwig Zu Berg sollst du mich leiten, ehe die Sonne aufgeht. Ich habe mit dir zu reden, da oben.
Das Mädchen faßt seine Hand, und dann klimmen sie beide langsam, Schritt vor Schritt, den steilen Felsenpfad empor, der hinter dem Hause fast senkrecht aufwärts führt. Die in den Fels gehauenen Stufen sind nur schmal, so daß sie nicht beide nebeneinander Platz dort haben. Das Mädchen steigt voran und der Alte tastet hinterdrein. Und so sicher findet sein Fuß jeden Tritt und sein Stab jede Lücke, daß er kaum der Hilfe der vor ihm Schreitenden bedarf oder ihres warnenden Zurufes. Denn achtzig Jahre sind seine Füße diese Stufen schon gewandert, und er kennt hier jeden Stein und jede Biegung, jeden Schritt und jede Spalte.
Schweigend sind sie wohl fast eine Stunde so gestiegen, als sie endlich die Höhe erreicht haben. Ein frischer Windhauch von der See her hat die Morgennebel zerteilt, daß sie wogen uno Watten und zerreißen, wie der Brautschleier in oen Händen des siegenden Freiers. Und durch das Weißgrau hindurch blickt hier und da ein Stückchen mattblauen Himmels' und das rosige Aufleuchten kommender Sonnenstrahlen. Weit dehnt sich vor ihnen das zerklüfete Hochland mit seinen Felsenschründen und Steingeröll. Nur einsame Birken ragen sturmzerzaust am Rande der Moore, und dichte Büsche von gelbem Ginster und purpurnem Heidekraut färben hier und da das graue Land. Aber nach der anderen Seite, da, wo der Fels schroff und steil aüfällt zur Meereslüfte, dehnt sich in endloser, ewig schimmernder Majestät das nie ruhende, grenzenlose Nordmeer. Dumpf hört man bis hier oben die Brandung brausen, die wei^> gischend um die Felsklippen schäumt. Es ist ewiges Ebben und Fluten, Kommen und Gehen, Wogen und Wallen.
Auf einen Felsblock unter sturmzerzauster Birke setzt sich Olaf Eysenhand. Der Wind weht scharf hier oben, daß seine weißen Haare fliegen und die weizenblondeu des Mädchens.
Wieder hebt er beide Arme wie zum Segen über sein Land. Dann sagt er schwer:
„Was schauen deine Augen, Heilwig?"
Das Mädchen tritt näher an die Felswand und atmet tief:
„Ich sehe so viel. Ahne — o so viel und so weit! Ich
sehe das Nordmeer rollen zu unseren Füßen und mit
gierigen weißen Händen tasten nach unserer Heimaterde. Ich sehe die Silbermöwen wie Sterne blitzen in der Morgensonne über dem Grau der Wasser und dem Rot der Klippen. Ich sehe fein und blau den Rauch crufsteigen
aus unseres Hauses Else, — unseres uralten Heimat
hauses, — in dem du schon geboren wardst. Ahne. Ich sehe aus der anderen Seite wie ein silbernes Band den Fjord sich winden durch die wilden, dunklen Felsmasseu, bis er sich verliert im dämmernden Frühlicht d«: nahenden Morgenröte und der weißen Nebeldämpfe aus der Tiefe. Und weit, weit hinten, wo die Felder der alten Götter sich dehnen, sehe ich die Schneehäupter der Bergfürsten aus der Alsenzeit."
Sie stano wie verzückt, als sie das sagte, und ihr blaues Auge hing trunken an oer herben, reinen Schönheit ihrer Heimat.
Der Alte hatte sein Angesicht erhoben, als wollten seine erloschenen Augen noch einmal wieder Sonne trinken und duftende Morgenschönheit.
„Ter Herbst kommt," sagte er leise, „und ich höre den Zug der Wandervögel in den Lüften, die nach Süden ziehen. Schon alle die letzten Nächten habe ich sie gehört, denn weit hallt der Wandervögel Schrei durch die lautlose Stille der Nacht. Was deine Augen da schauen, Heilwig, kennt meine Seele, seit sie erwacht zum Leben. Aber siehst du kein Segel, Heilwig, auf den weiten Wassern? Kein Segel und kein hochbordiges Hansaschiff darunter, das von Süden kommt?"
Da beschattete sie die Augen mit der Hand, denn die Mvrgensonne blendete. Dann schüttelte sie den blonden Kopf.
„Nein, Ahne, kein Segel kann mein Auge finden im weichenden Nebelgrau. Erwartest du Gäste auf Olafs- straud?i
' / '//, (Fortsetzung fvlgjt.)