MITTWOCH, 18. MAI 1954
Ein Entwurf für die neue Gemeindeordnung
'Auch im Gemeindeleben bedürfen Entschlußkraft und Verantwortungsfreudigkeit der Förderung
STUTTGART. Einzelheiten des Entwurfs für die neue Gemeindeordnung in Baden-Württemberg, über den in dieser Zeitung schon kurz berichtet wurde, lassen erkennen, daß zwar die repräsentative Demokratie auch im Ge- jneindeleben weiterhin maßgebend bleiben soll, daneben aber auch Formen der sogenannten „unmittelbaren Demokratie“ angestrebt werden, wie »ie das deutsche Gemeinderecht in den Bundesländern noch nicht kennt. Darüber hinaus kommt der Entwurf den in der Landesverfassung festgelegten Grundsätzen, die auf eine Stärkung der Selbstverwaltung abzielen, weitgehend entgegen, indem er die staatli- die Einflußnahme im kommunalen Bereich auf das Maß des unbedingt Notwendigen beschränkt.
Der Entwurf geht davon aus, daß die übliche Gemeinderatsverfassung nicht unbedingt die zweckmäßigste zu »ein braucht, sondern auch andere Verfassungsformen sich anbieten, die geeigneter sein können, das örtliche Gemeindeleben zu entfalten und zu fördern. Freilich läßt der Entwurf den Gemeinden nicht völlige Freiheit in der Wahl der Gemeindeverfassung, vielmehr sollen grundsätzlich für sämtliche Gemeinden die Bestimmungen der Gemeinderatsverfassung gelten und nur in Gemeinden bestimmter Größenordnung abweichende Verfassungsordnungen fakultativ zulässig sein. Als »olche Sonderformen sind vorgesehen: Die Bürgerausschußverfassung in Gemeinden mit mehr als zweitausend, aber nicht mehr als einhunderttausend Einwohnern, dann die Magistratsverfassung ln Gemeinden mit über eln-
Fußballelf gesteinigt
BRINDISI. Mit einem Steinhagel deckten aufgebrachte Fußballfanatiker In Fasano bei Brindisi die Gastmann- »chaft aus Bari ein, als das Spiel kurz vor Ende drei zu drei untentschieden auszugehen drohte. Drei der Spieler Baris wurden von den Steinwürfen verletzt. Die Polizeiposten mußten die Elf und den Schiedsrichter in die Mitte nehmen, um ihnen den Rückzug in die Kabinen zu ermöglichen. Drei Stunden lang drohte darauf eine heulende Menge, das Gebäude zu stürmen. Erst die Ankunft von Polizeiverstärkungen ermöglichte es der Gastelf. ungeschoren zu ihrem Omnibus zu kommen und die Heimfahrt anzutreten.
Psychotherapeuten in Lindau
Die 5. Lindauer Psychotherapie-Woche, die am Wochenende unter Beteiligung von 450 in- und ausländischen Medizinern zu Ende ging, stand im Zeichen der Behandlung des Kindes. Europäische und amerikanische Fachärzte berichteten über die neuesten Methoden der Kinder-Psychotherapie auf Grund ihrer Spezialforschung, warnten aber gleichzeitig vor den schweren Folgen unzweckmäßiger Behandlungsweisen.
Der Psychologe Prof. Dr. J. H. Schulz (Berlin) forderte seine Arzt-Kollegen auf, lieber Ärzte zu bleiben und nicht au Philosophen zu werden. Ähnlich warnte auch Dr. G. A. Römer (Tutzing) vor der Überbetonung des Seelischen ln der Behandlung psychisch kranker Kinder und empfahl, daß gerade solche Junge Menschen auch von der körperlichen Seite her gelockert und ermutigt werden sollten. Die Versammlung faßte eine entsprechende Resolution an die zuständigen Bundes- und Landesbehörden, mit der Bitte um Verbreitung dle- aer Erkenntnis besonders unter den Lehrern.
Starkem Interesse begegnete auch die „psycho-dramatische“ Methode des amerikanischen Arztes Dr. J. L. Moreno (New York), der diese schauspielmäßige Darstellung der persönlichen Probleme des Einzelnen innerhalb eines „Ensembles“ von seelisch Erkrankten demonstrierte. Hierdurch wird nach Ansicht Dr. Morenos die Erlebnisweise und damit die Verhaltensweise grundlegend geändert.
Dr. Koch (Tübingen), der über das Problem der verwahrlosten Jugendlichen berichtete, begrüßte die Novelle zum Bundesjugendgesetz, die eine heil- •rzieherische Behandlung durch richter-
hunderttausend Einwohnern und die Gemeindeversammlung in Gemeinden bis zu zweihundert Einwohnern. In diesem Rahmen sollen die Gemeinden die für ihre Größengruppe zugelassene Verfassungsform durch die Hauptsatzung einführen können, eine Entscheidungsfreiheit, wie sie keine andere Gemein- deordnung in den Bundesländern erlaubt.
Bei dem Vorschlag, Bürgerausschüsse zuzulassen, war die Überlegung maßgebend, daß auf diese Weise die demokratische Basis in der Gemeindeverwaltung verbreitert, und dem bür- gerschaftlichen Element in ihr mehr Geltung verschafft werden könne. Der Bürgerausschuß soll von den Gemeindebürgern nach den für die Wahl des Gemeinderats geltenden Vorschriften gewählt, und aus seiner Mitte dann der Gemeinderat gebildet werden. Die Gemeinderäte sollen Mitglieder der Bürgerausschüsse bleiben. Den Gefahren einer schwerfälligen Verwaltung oder Doppelarbeit begegnet der Entwurf dadurch, daß er die Zuständigkeiten der drei Gemeindeorgane (Bürgermeister, Gemeinderat und Bürgerausschuß) klar abgrenzt und gleichlaufende Beschlußfassungen der beiden Kollegialorgane in gleichen Angelegenheiten nicht verlangt. Der Bürgerausschuß ist zwar als oberstes Organ der Gemeinde gedacht, er soll aber nur in den ihm durch Gesetz ausdrücklich zugewiesenen Angelegenheiten entscheiden dürfen. Ihm soll die kommunal-politische Führung und die Kontrolle in der Gemeindeverwaltung obliegen; der Gemeinderat wäre dann das eigentliche Verwaltungsorgan und Arbeitsgremium der Gemeinde.
Die Magistratsverfassung, wie sie der Entwurf in Großstädten zuläßt, baut auf der Gemeindeverfassung auf und gestaltet die Verwaltungsspitze kollegial aus. Dem Magistrat sollender Bürgermeister und die hauptamtlichen und ehrenamtlichen Beigeordneten angehören. Von der Einrichtung des Magistrats verspricht man sich eine Auflockerung und Verlagerung der sonst nur beim Bürgermeister konzentrierten Befugnisse und Verantwortung. Die Beschlußfassung der gleichberechtigten Magistratsmitglieder läßt Entscheidungen aus einer Gesamtschau der Gemeindeverwaltung erwarten und wirkt somit auch gegen den Ressortgeist der einzelnen Verwaltungen.
Eine echte Form unmittelbarer Demokratie empfiehlt der Entwurf für
liehe Anordnung vorsieht. Er setzte sich für eine „mehrdimensionale Diagnose“ ein, wie sie beispielsweise in England und USA bereits durch enge Zusammenarbeit von Fürsorgestellen, Schulen, Ärzten und Eltern ermöglicht werde.
Volkskunde und Sprachforschung
Auf dem diesjährigen allgemeinen volkskundlichen Kongreß in Celle wurden auch von schwäbischen Wissenschaftlern bedeutende Referate gehalten. Prof. Helmut D ö 1 k e r (Stuttgart), der Vorsitzende des 50 Jahre bestehenden Verbands der Vereine für Volkskunde, sprach in der Festsitzung zu dem Thema: „Volkskunde und Sprachforschung — das Problem der Sprache“. Er zeigte, wie auch die volkssprachliche Forschung bis vor kurzem von der Hochsprache ausging und so die positiven wie die negativen Seiten der Volkssprache auf den Generalnenner der unlogischen Denkhaltung brachte. Demgegenüber dringt neuerdings die Auffassung durch, daß jede Sprache und jede Sprachschicht Ausdruck und Erzeuger einer besonderen Erkenntnisform (Weisgerber) und Wertungsform (Hain) ist; über den Sprachleib hinaus sucht man auch die Sprachseele zu fassen.
Das Referat von Prof. Hugo Moser (Stuttgart-Tübingen), „Volkssprachliche Gliederung im Raum und ihre primären Ursachen“, berührt zahlreiche Probleme der heutigen Sprachwissenschaft, Mundartforschung und Volkskunde. Moser schilderte die Verdienste und die Mängel der sog. Dialektgeographie und zeigte dann, wie heute die horizontalregionale Gliederung sprachlicher Gruppen immer stärker zurücktritt gegenüber einef vertikal-sozialen Schichtung.
Zwerggemeinden bis zu zweihundert Einwohnern, wo an Stelle des gewählten Gemeinderats die Gemeindeversammlung treten soll. (Diese Möglichkeit sieht der Artikel 28 des Grundgesetzes ausdrücklich vor.) Die Zuständigkeiten des Bürgermeisters bleiben unberührt, aber die gesamte wahlberechtigte Bürgerschaft soll über die die gesamt« Gemeinde betreffenden Fragen entscheiden dürfen.
Neben der Volkswahl des Bürgermeisters, die ebenfalls als eine direkte Einflußnahme des Bürgers auf die Gemeindeverwaltung zu werten ist, sieht der Entwurf auch die Einrichtung von Bürgerversammlungen vor. Sie sollen vom Gemeinderat einberufen werden, damit er sich über die Meinung in der Bürgerschaft zu wichtigen kommunalpolitischen Problemen unterrichten kann. Eine Entscheidungsbefugnis wird der Bürgerversammlung zwar nicht zugestanden, doch sollen Vorschläge und Anregungen der Bürgerversammlung vom Gemeinderat in der Frist von drei Monaten behandelt werden müssen.
Als weiteres Zugeständnis an die unmittelbare Demokratie darf der Vorschlag gelten, den „Bürgerentscheid“ und das „Bürgerbegehren" zuzulassen.
JERUSALEM. Schon dem oberflächlicheren Beschauer fiel auf, daß der diesjährige „Yom Ha-Azmauth“ (Unabhängigkeitstag) von den Israeliern frohgemuter und selbstsicherer gefeiert wurde als in den beiden Vorjahren. Was bedeuten schon sechs Jahre im Leben eines Staates, gar dem eines Volks! Und doch, was wurde unter Überwindung gewaltiger Schwierigkeiten in dieser kurzen Zeitspanne geleistet! Wir sind weit davon entfernt (und unsere kritische Beurteilung vieler Dinge dürfte es erhärtet haben), alles hübsch weiß zu malen, gar einer — nicht vorhandenen — Propagandamaschine erliegend. Oftmals in vergangenen Tagen beklagten wir es, daß eine etwas laienhafte und nicht eben vernünftige Wirtschaftspolitik der israelischen Außenpolitik schadete, weil sie arabische Hoff-
Aber auch der soziologische Gesichtspunkt genügt nicht; vielmehr muß nach Moser neben die Erkundung äußerer Ursachen von Sprachgrenzen die „Schicht von innen“, vom Sprachträger her, treten, wenn man zu den primären Ursachen der volkssprachlichen Gliederung Vordringen will. Psychologische Kräfte wie Eigenartsbewußtsein, Nachahmungstrieb, Überlegenheits- bzw. Unterlegenheilsbewußtsein müssen mit Hilfe der sprachlich-volkskundlichen Forschung erfaßt werden, damit neben das Bild der objektiven auch ein Bild der subjektiven Kulturräume trete.
Im Rahmen der volksmusdkalischen Vorträge.bot Dr. Alfred Quellmalz (Tübingen) einen weiteren schwäbischen Beitrag: er gab mit Bandaufnahmen von alten Brauchtumsliedern und Balladen einen Einblick in das frühere Leben der Lieder und Liedgemeinschaften. B.
Kulturelle Nachrichten
Ein Lehrstuhl für Osteuropaforschung wurde an der Columbia-Universität in New York errichtet.
Der Cal wer Kunstmaler Kurt Weinhold wird sich auf Einladung der würt- tembergischen Staatsgalerie mit einigen Arbeiten an der internationalen Ausstellung für farbige Lithographie in Cincinnati (USA) beteiligen.
Von der Universität Tübingen
Der o. Professor für Volkswirtschaftslehre, Dr. Hans Peter, ist zu einem Vortrag über Ökonometrie und Theorie des Wirtschaftskreislaufes im Instituto Superior das Ciöncias Econö- micas e Financeiras da Universldade Töcnica in Lissabon eingeladen worden.
Dabei ist daran gedacht, wichtige Gemeindeangelegenheiten dem Bürgerentscheid zu unterwerfen, wenn eine qualifizierte Mehrheit des Gemeinderats das beschließt oder ein solches Verfahren durch Initiative der Bürger selbst (Bürgerbegehren) gefordert wird. Der Entwurf hat freilich einige Barrieren eingebaut. So soll der Bürgerentscheid nur dann wirksam werden, wenn mindestens drei Fünftel der Wahlberechtigten gültig abgestimmt haben und die Mehrheit der gültigen Stimmen im Sinne des Antrags abgegeben worden sind.
Für die Beziehungen der Gemeinde zum Staat ist wichtig, daß der Gesetzentwurf der Aufsicht des Staates in der Gemeindeverwaltung enge Schranken setzt. Der Entwurf bekennt sich zum Grundsatz, daß die Tätigkeit der staatlichen Aufsichtsbehörden über das Gemeindeleben darauf eingestellt sein müsse, die Entschlußkraft und Verantwortungsfreudigkeit der Gemeinde nicht zu ersticken, sondern eher zu fördern. Als Mangel des Entwurfs darf angeführt werden, daß er eine „Abwahl“ des Bürgermeisters (der auf acht und zwölf Jahre gewählt wird) nicht vorsieht, sondern die vorzeitige Beendigung der Amtszeit eines Bürgermeisters von einem förmlichen Verfahren nach den Vorschriften des Dis- ziplinarrechts abhängig machen möchte. Der Entwurf, dem das Kabinett noch seine Zustimmung geben muß, soll im Herbst vom Parlament beraten werden. EK.
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Eine wahrscheinlich durch eine schadhafte Gasleitung ausgelöste Explosion brachte ein viergesdiossiges Neubau- Wohnhaus in der Kölner Innenstadt zum Einsturz. Bisher konnten vier Tote und acht Schwerverletzte aus den Trümmern geborgen werden. Unser Bild zeigt Feuerwehrleute und Bergungstrupps auf der Suche nach den Opfern. Bild: AP
Fortschritte in Israels Konsolidierung
Weitere Liberalisierung in Wirtschaft und Finanzgebarung / Auswüchse der Bürokratie
Von unserem Dr. E. L.-Korrespondenten in Jerusalem
nungen, der jüdische Staat könnte vom ökonomischen her zum Erliegen kommen, nähren konnte. Solche Wunseh- träume sind heute ausgeträumt. Es ist keine Übertreibung, wenn wir feststellen, daß auch auf wirtschaftspolitischem Gebiet Israel deutlich in die Augen springende Fortschritte machte, von denen anzunehmen ist, sie führten nach weniger als einem Jahrzehnt zur vollen ökonomischen Unabhängigkeit.
Ein Spaziergang in den Städten und Dörfern des Landes zeigt, im gewaltigen Gegensatz zu früher, eine überraschende Fülle von Waren aller Art. An Lebensmitteln besteht kein Mangel, so daß die Preise am schwarzen Markt, der aber mehr und mehr zum Erliegen kommt, niederer sind als im Vorjahr. Da das Geld zum einzigen Bezugsschein für alles (mit nur noch sehr geringen Ausnahmen) wurde, Kapital und Kredit aber in der Deflationsperiode knapp sind, ist auch in Israel endlich wieder der Käufer, dessen „Bargeld lacht“, stärker als der Verkäufer, der sich nicht mehr im „Paradies der Dummen“, wie Rathenau einmal die Inflationskonjunktur nannte, sonnen kann. Die Liberalisierung schritt fort, indem die Regierung die „dritte Kraft“, den sog. grauen Markt tolerierte, der ihr ja geradezu willkommen war, weil er Abschöpfung von Kaufkraft bewirkte, ohne den amtlichen Teuerungsindex steigen zu lassen. Freilich haben auch in Israel die Menschen mehrheitlich schwer um ihr tägliches Brot zu kämpfen, und sehr dünn, dünner als anderwärts, ist die Schicht, die sich auch heute noch alles leisten kann. Gleichwohl ist der Lebensstandard noch beträchtlich hoch, nach Meinung der Sachverständigen zu hoch, jedenfalls gewaltig im Vergleich zu den Verhältnissen in den arabischen Ländern ringsum. Der kompetenteste Wirtschaftler im Lande, Herr Hooflen, seines Zeichens Generaldirektor der größten Bank Israels, hielt jüngst eine vielbeachtete Rede, deren Wahrheitsgehalt so echt war, daß er natürlich einigen Interessenpolitikern auf die Nerven ging. Die Verpflanzung städtischer Arbeitsloser oder in den Städten unproduktiv Schaffender aufs Land ist eine dringende Notwendigkeit; aber ihre Verwirklichung nicht eben einfach. Eine Reform der Steuern an Haupt und Gliedern wäre nicht weniger wünschenswert als weitere Liberalisierungen in Wirtschaft und Finanzgebarung. In Israel, das für lange Zeit noch ein armer Staat sein wird, ging die Entwicklung dahin, daß sich die Führung in Dinge einmischte, die sie entweder überhaupt nichts angehen sollten oder deren staatliche Lenkung direkt von Übel war, vom kostspieligen Apparat ganz zu schweigen. Übertrieben ist das Lizenzen(un)wesen, der Papierkrieg der Behörden, die mit Formularen und
Fragebögen schießen, die allzu große Neugier, die Ämter für die private Sphäre der Bürger entwickeln. Da gilt es, noch mit Resten britischer Kolonialpolitik aufzuräumen, aber auch mit neuzeitlicheren Auswüchsen einer eigenstämmischen Bürokratie, die, wie anderwärts auch, den Menschen gern verstaatlichen möchte, statt nach Pestalozzi den Staat zu vermenschlichen.
Es ließen sich gar viele Mißstände aufzählen, die, zwar „historisch“ geworden, aber drum nicht weniger abschaffwürdig sind. Was Leben und Politik indessen so angenehm in Israel machen, ist der Umstand, daß es, von dem winzigen Häuflein unbekehrbar moskauhöriger Kommunisten abgesehen, keine Staatsfeinde gibt, aber Kritiker gibt es annähernd so viele, wie es Einwohner gibt. Das ist aber kein Unglück, vielmehr notwendiges Korrelat der Demokratie. Herr Hooflen hielt den Menschen vor Augen, daß sie mit dem Aufbören der amerikanischen Subsidiengelder in nicht ferner Zukunft rechnen müssen. Nach einer Reihe von Jahren hören auch die (jetzt so nützlichen) deutschen Wiedergutmachungsgelder zu fließen auf. Bis dahin muß die Konsolidierung weiter vorangeschritten sein. Ob aber schon nach zehn Jahren der Ausgleich der Handelsbilanz erhofft werden darf, solchen Optimismus vermögen wir nicht aufzubringen, obzwar die Proportion Export/Import sich ständig ein wenig verbessert. In naher Zukunft wird die Staatsbank (Notenbank) errichtet werden, deren Funktionen seither die Bank Leumi mitbesorgte. Ziemlich vernachlässigt war bisher eine zielbewußte Zins- und Diskontpolitik, für Unterbringung von Staatsanleihen entwickelte der Finanzminister kein Talent. Von einer sog. Offenen-Markt-Politik weiß man bislang in Israel überhaupt nichts. All dies kann und wird wohl sich zum Besseren wenden, wenn die Staatsbank als Bank der Banken ins Leben tritt Viele hoffen, daß dann auch endlich die Devisenkontrolle ab- geschaft werden kann oder nur noch in Fällen evidenter Kapitalflucht bestehen bleibt.
Eine Bilanzziehung an Israels Unabhängigkeitstag ergab sicher viel Erfreuliches. Der unveränderte Posten auf der Passivseite ist der noch nicht geglückte Friedensschluß mit den arabischen Staaten, ja, die vermehrten Plänkeleien an den so unwahrscheinlich langen Grenzen, auch eine als unvernünftig gehaltene Politik der Großmächte im unruhigen Mittelosten- Raum. Ein günstiger Gegenstand unter den Aktiven, ein beträchtlicher Vermögenswert ist Israels Armee, seine Marine und seine Luftwaffe. Und im dynamischen Aufbauwillen der Menschen liegen zahlenmäßig nicht zu erfassende „stille Reserven“.
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