HEIMATBLATT FÜR STADT UND LAND
CALWER ZEITUNG
Verlagsort Calw
MITTWOCH, 12. MAI 1954
AMTSBLATT FÜR DEN KREIS CALW
Gegründet 1826 / Nr. 109
Laniel will Sonderausschuß
Ganz umfassende Vollmachten zur Prüfung der Indochinafrage / Eine Gnadenfrist?
PARIS. Der französische Ministerpräsident Laniel hat am Dienstag die Bildung eines Sonderausschusses der Nationalversammlung zum Studium aller Indochina betreffenden Fragen gebilligt. Die Bildung des Sonderausschusses war von den Abgeordneten der Sozialistischen Partei, der Republikanischen Volksbewegung und der Republikanischen Union für soziale Aktion gefordert worden. Laniel erklärte, die Nationalversammlung könne die Bildung des Sonderausschusses billigen oder ablehnen.
Uber den Aufgabenkreis des Sonderausschusses sagte der Ministerpräsident, der Ausschuß könne die Verantwortlichkeit jeder Persönlichkeit feststellen, alle zuständigen Minister hören und würde Zugang zu allen Dokumenten, einschließlich Geheimsachen, haben.
Als einzige Bedingung stellte Laniel die Forderung, daß sich der
Delegierte aus allen lateinischen Ländern, mit Ausnahme Mexikos und Guatemalas, sind in Madrid zu einem Kongreß der lateinischen Union zusammengetreten, um die lateinischen Völker zur stärksten Macht der Welt von morgen zu machen.
In mehreren Provinzrats- und Gemeindewahlen in Italien haben die christlichen Demokraten und die übrigen Mittelparteien ihre Stellung gefestigt, dabei aber keinen Einbruch in die Wählerschichten der Kommunisten und Linkssozialisten erzielt.
Nach den Zwischenfällen an der israelisch-jordanischen Grenze, bei denen vier Araber und drei Israelis getötet wurden, hat sich die Lage im Nahen Osten erheblich, .v^schärft. 1
Ausschuß nicht paritätisch zusammensetzen solle, so daß also die Kommunisten ausgeschlossen werden könnten. Diese Forderung wurde von der linken Seite des Hauses mit ei
Zum zweiten Male
PARIS. Der französische Ministerrat hat Ministerpräsident Laniel am Dienstag ermächtigt, zum zweiten Male innerhalb von acht Tagen in der Nationalversammlung die Forderung nach einer Verschiebung der Indochina-Debatte mit der Vertrauensfrage zu verbinden.
nem Sturm der Entrüstung aufgenommen,
Laniel erklärte, im Prinzip sei eine öffentliche Debatte dem „Schweigen“ über die lebenswichtige Frage Indochina naturgemäß vorzuziehen. Aber im Augenblick würde es nur dem Gegner nützen, wenn der französische Kurs auf der Genfer Konferenz offen erörtert wird. Der Regierungschef erhielt nach seiner kurzen Erklärung nur schwachen Beifall — hauptsächlich von den Volksrepubli
kanern, die ihrem Parteifreund B i - d a u 11 in Genf eine Stützung geben wollten.
Vor den Ausführungen Laniels hatten die Abgeordneten dem Antrag von 50 Gaullisten zugestimmt, daß das Datum der Indochinadebatte schon jetzt festgesetzt werden soll. Für den Antrag stimmten außer den Gaullisten die Sozialisten und die Kommunisten, während nur die Volksrepublikaner ihn ablehnten. Die Radikalsozialisten enthielten sich der Stimme.
Der Ältestenrat der Nationalversammlung hatte schon vorher mit Stimmengleichheit von 11 zu 11 Stimmen die Forderung nach der Festsetzung des Zeitpunktes einer Indo- china-Dcbatte in der Nationalversammlung abgelehnt.
Hanoi wird unruhig
HANOI. Die Franzosen in Hanoi, der größten Stadt im Norden Indochinas, bereiten sich nach dem Fall von Dien Bien Phu auf ernste Zeiten vor. Französische Verkehrsgesellschaften lassen unauffällig ihre Lastkraftwagen nach dem Hafen Haiphong im Delta des Roten Flusses fahren, um sie von dort nach dem Süden zu schaffen. Die Bank von Indochina hat ihr Personal abgebaut.
Die Lebensmittelpreise in Hanoi steigen. Vor allem die Preise für den Reis aus dem Delta des Roten Flusses sind jetzt wieder so hoch, wie zu den Zeiten der ersten Vietminh-Angriffe.
2000 Verwundete warten auf Abtransport
Flugplatz von Dien Bien Phu noch zerstört / Verhandlungen mit General Giap
SAIGON. Der französische Oberbefehlshaber in Indochina, General N a - v a r r e , hat am Dienstag auf Anweisung seiner Regierung alle notwendigen Maßnahmen eingeleitet, um so bald wie möglich mit dem Abtransport der Verwundeten der französischen Unionstreitkräfte aus Dien Bien Phu zu beginnen.
Nach Angaben des kommunistischen Vietminh, der am Montag in Genf dem Abtransport der Verwundeten zustimmte, fielen ihm in der Festung über 2000 Verwundete in die Hand, die zur Zeit noch von französischen Ärzten betreut werden. Französische Transportflugzeuge haben in den letzten Tagen über Dien Bien Phu Lebensmittel und Medikamente für die Verwundeten abgeworfen, von denen etwa 1300 schwerverletzt sind.
Der Abtransport soll auf dem Luftwege durchgeführt werden, sobald zwischen dem kommunistischen General Giap und dem französischen Oberbefehlshaber in Nordindochina, General C o g n y , ein Übereinkommen erzielt worden ist. Da der Flugplatz von Dien Bien Phu zerstört wurde, sollen zunächst die sch wersten Fälle mit Hubschraubern ausgeflogen werden.
In das Deltagebiet des Roten Flusses Lei Hanoi sickerten inzwischen 70 000
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Oer Felsen von Gibraltar
Ä ~ mögen sie ihn vorher noch ein nal besichtigen.
Kommunisten — Reguläre, Landsturm und Partisanen — ein. Sie beherrschen zur Zeit mehr oder weniger offen 48 Prozent aller Dörfer im Delta. Ihre Stör- und Sabotagetätigkeit haben sie in letzter Zeit mit dem Hauptziel, Straße und Eisenbahn vom Hafen Haiphong nach Hanoi zu unterbrechen, verstärkt.
Abgeschrieben?
WASHINGTON. Der amerikanische Außenminister D u 11 e s sagte am Dienstag in Washington, er glaube,
daß Südostasien auch ohne Indochina verteidigt werden kann. Dulles, der auf einer Pressekonferenz sprach, betonte jedoch gleichzeitig, er wolle nicht den Eindruck erwecken, als glaube er an einen Verlust von Vietnam, Laos und Kambodscha und als hätten die USA jeden Versuch aufgegeben, diese Länder zu retten.
Zu den in Genf von den Vietminh vorgelegten Vorschlägen für einen Waffenstillstand in Indochina sagte Dulles, es sei der gleiche Plan, den die Kommunisten für Deutschland, Österreich und Korea vorgeschlagen haben.
Genf: Zur Abwechslung Korea
Aber im Hintergrund wird Indochina diskutiert
GENF. Die Genfer Konferenz nahm am Dienstagnachmittag auf einer Vollsitzung der 19 Nationen wieder die Beratung der koreanischen Frage auf, in der bisher beide Seiten auf ihren Plänen für die Wiedervereini- £•’- ' —"stlichen Halbinsel be
harren und noch keine Anzeichen für einen Kompromiß erkennbar sind. Die Pause der Indochina-Verhandlungen, in der sieh am Montag auf der zweiten Sitzung die Fronten versteift haben, gibt den Delegationen Gelegenheit, an einer Annäherung der beiderseitigen Standpunkte zu arbeiten.
Die Möglichkeiten dazu sind trotz einiger pessimistischer Äußerungen und der scharfen Ablehnung, die der französische Plan für eine Waffenruhe bei dem Vietminh und dessen Plan für einen Waffenstillstand und eine politische Lösung bei den Amerikanern und Franzosen gefunden hat, durch eine eventuelle Vermittlung Großbritanniens und einen Kompromißvorschlag der Regierung Vietnams gegeben.
Der britische Außenminister Eden behielt sich bezeichnenderweise eine Stellungnahme zu dem Vorschlag des Vietminh vor. Er befürwortete zwar den französischen Vorschlag als Grundlage für eine Prüfung, aus der ein Plan für eine Waffenruhe entstehen könnte, nahm damit aber nicht zu den politischen Vorschlägen des Vietminh Stellung. Diese gehen von der Anerkennung der Unabhängigkeit Vietnams, Laos’ und Kambodschas aus.
In der Korea-Debatte vom Dienstag hat der sowjetische Außenminister Molotow den geplanten südostasiatischen Verteidigungspakt als einen „amerikanischen Plan zur Erhaltung der Kolonialherrschaft“ abgelehnt.
Der Plan widerspreche den Interessen des Friedens und könne von den Völkern nicht unterstützt werden. Molotow erklärte, er unterstützte dagegen die Vorschläge des chinesischen Außenministers Tschu E n - l a i, daß die asiatischen Völker ihre Probleme selbst lösen sollten. Asien gehöre den Asiaten.
Zu Lebhaften Kundgebungen für General de Gaulle und gegen a.t tiegierung Laniels kam es am 9. Mai in Paris, als sich der General feierlich vor dem Grabmal des Unbekannten Soldaten verneigte. Mit dem -Pathos einer einsamen Demonstration schritt de Gaulle in Generalsuniform allein die Champs Elysee hinab zum Triumphbogen, wo ihn Zehntausende mit Sprechchören „Es lebe de Gaulle“ — „De Gaulle an die Macht" begrüßten. Bild: dpa
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Bemerkungen zum Tage
Nicht so tragisch
hf. Bundeskanzler Dr. Adenauer und der FDP-Vorsitzende Dr. Dehler haben sich über die zutage getretenen Meinungsverschiedenheiten ausgesprochen. Wir glauben den Verlautbarungen, daß die Unterhaltung in einem sehr freundlichen Ton verlaufen ist, denn das menschliche Verhältnis zwischen Adenauer und Dehler war auch in den Zeiten gut, als Thomas Dehler noch als Justizminister dem Bundeskanzler mit Sonntagsreden einigen Kummer bereitete.
Diesmal ging es aber nicht um eine solche Eskapade des temperamentvollen liberalen Franken, sondern um eine Rede des in Sonntagsreden noch begabteren Familienministers Würmeling und die darauffolgende Reaktion der FDP. Mit seinem Wort von der „liberalen Meute“ hat Würmeling selbst seinen Freunden die Möglichkeit genommen, der FDP mehr als eine grundsätzlich gemeinte Rüge dafür zu erteilen, daß sie im Bundestag gegen den Etat des Familienministers stimmte. Herr Würmeling und nicht die FDP hat in diesen Tagen in Bonn einige Entschuldigungen auszusprechen.
Daß es in dieser Situation zwischen Konrad Adenauer und Thomas Dehler zu keiner leidenschaftlichen Diskussion über die Haltung der FDP im Bundestag kam, ist verständlich.
Schwerwiegender, wenn auch bei weitem keine Gründe für die Koalitionskrise, sind die in der Saarfrage entstandenen Meinungsverschiedenheiten. Nachdem die FDP in der Abstimmung über die Saar-Entschließungen der SPD im Bundestag einen Schritt zurückgegangen war, hat sie nun wieder mit Nachdruck ihren alten Standpunkt bezogen. Er läßt sich mit der Feststellung eines kompromißlosen „Nein“ zum Naters- plan zusammenfassen. Ob die damit gegebenen Differenzen eines Tages zu einer schweren Belastungsprobe für die Koalition werden, dürfte davon ab- hängen, ob die Saarverhandlungen überhaupt so weit vorankommen, daß Bonn vor ein „Ja" oder „Nein“ zu einer bestimmten Lösung gestellt wird.
Arbeitgeber für Familienhiife
,Akt der Betriebsverbundenheit“ / Rahmengesetze willkommen
KÖLN. Angesichts der gegenwärtigen gesetzgeberischen Pläne zur Einführung einer Familienhiife hat sich der Vorstand der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände erneut dazu bekannt, Kinderbeihilfen an kinderreiche Familien der in der Wirtschaft tätigen Arbeitnehmer zu gewähren.
Die Kinderbeihilfen sollen aus der Betriebsverbundenheit zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern heraus in Selbstverwaltung und mit Mitteln der Wirtschaft von den Unternehmungen gezahlt werden.
Die Arbeitgeber verweisen darauf, daß Kinderbeihilfen von wichtigen Zweigen der Wirtschaft bereits freiwillig gewährt werden. Die Bundes
vereinigung bejahe daher auch gesetzgeberische Bestrebungen, soweit sie zum Ziel haben, die notwendigen Rahmenbestimungen für eine allgemeine Familienhilfe an die ln der Wirtschaft tätigen Arbeitnehmer als Selbstverwaltungsaufgabe der Wirtschaft zu schaffen.
Die Frage, ob und inwieweit über den Kreis der in der Wirtschaft beschäftigten Arbeitnehmer hinaus auch die verschiedenartigen Berufsgrup pen der Selbständigen eine Familien- hilfe durch gesetzliche Maßnahmen erhalten sollen, liege auf einer völlig anderen Ebene. Sie könne nicht mit den sozialpolitischen Maßnahmen verbunden werden, die in den Betrieben zu treffen seien.
In der Frage der Novelle zum Wohnungsbaugesetz bzw. des von der CDU/ CSU eingebrachten Entwurfes über ein Familienheimgesetz wird es wahrscheinlich im Bundestag noch zu scharfen Auseinandersetzungen kommen. Der Bundeskanzler hat sich erst einmal hinter seinen Kabinetts-Kollegen Preusker gestellt, ohne sich damit auf alle Bestimmungen des Entwurfes festzulegen. Aber auch wenn wir davon ausgehen, daß es noch keineswegs sicher ist, daß sich dieser Entwurf auch im Bundestag durchsetzt, wird die Frage nicht zu einer Gefährdung der Koalition und auch nicht zum Rücktritt des Bundeswohnungsbauministers führen, denn es gehört in einer Demokratie zu den Selbstverständlichkeiten, daß das Parlament als der Gesetzgeber das letzte Wort über den Inhalt von Gesetzen spricht und es kein Grund zum Rücktritt ist, wenn ein Regierungsentwurf im Bundestag abgeändert wird. Das ist bei den meisten von der Regierung eingebrachten Gesetzen und häufig zu deren Vorteil geschehen.
Aber, wenn sich auch bei ernsthafter Bewertung der Entwicklung kein Grund für die Annahme ergibt, daß sich eine Koalitionskrise anbahnt, so ist dodh festzustellen, daß auf seiten der Koalition die Vielgestaltigkeit der Meinungen jetzt stärker in den Vordergrund tritt. Das liegt einmal daran, das angesichts der bevorstehenden Landtägs- wahlen alle Parteien ein Interesse daran haben, ihre eigenen Forderungen, und vor allem die, in denen sie sich von den Koalitionspartnern abheben, zu vertreten. Zum anderen steht der zweite Bundestag vor den ersten grundsätzlichen Entscheidungen, wie sie, um nur zwei Beispiele zu nennen, mit dem Wohnungsbau und der Mitbestimmung im öffentlichen Dienst zwangsläufig gefordert werden. Es wäre geradezu schlecht, wenn es dabei von Anfang an nur eine einzige Meinung gäbe.
Um Auskunft gebeten
STUTTGART. Der Kommentator des Süddeutschen Rundfunks, Klaus Mehnert, der sich gegenwärtig in Genf aufhält, hat dem Chef der Vietminh-Delegation bei der Genfer Konferenz, Außenminister Pham Van-dongh, ein Schreiben überreicht, in dem er um Auskunft über die Namen und das Schicksal der in Dien Bien Phu eingesetzten deutschen Fremdenlegionäre bittet.
Wie der Süddeutsche Rundfunk in Stuttgart am Dienstag mitteilte, habe Mehnert als Privatmann und Publizist gehandelt, glaube sich aber der Zustimmung der deutschen Öffentlichkeit sicher. Eine Antwort hat Mehnert noch nicht erhalten
Warm
Bericht des Wetteramtes Stuttgart Das skandinavische Hoch bleibt weiter maßgebend für das Wetter unseres Raums Heute heiter bis wolkig trocken, Gewitterneigung, Höchsttemperaturen bis 25 Grad, nachts um 10 Grad. Morgen weiter warm.