MONTAG, 10. MAI 1954
Kirche und Laientum
Ehlers: Nicht nur beuchten, sondern auch Kruik i<üe •
WIK 1 SCHAU
Fortsetzung von Seite 1
Jter und die in der Welt der irdischen Dinge (saecularia) lebenden „Laien“. Dem Volk schwand das Bewußtsein, daß etwa die Liturgie eine Sache der kirchlichen Vollversammlung wie in der Frühzeit ist, die Liturgie wurde zur Priesterliturgie.
Dazu kam noch das Bestreben, die weltlichen Ordnungen so weit wie möglich der kirchlichen Ordnung unterzuordnen. Das führte dann zur Spaltung der Kirche -und zur Scheidung von Kirche und Welt gegen die Verkündigung der hohen Theologie (Thomas von Aquino), die an der ganzheitlichen Schau der Kirche festhielt. Professor Arnold schilderte dann den Protest der Humanisten und Reformatoren gegen die Monopolisierung des Begriffes „religio“ durch die Mönche und gegen die Verächtlichmachung der Profansphäre und des Laientums.
Professor Arnold führte in seinem dritten Teil aus: die Epoche der Klerikerkirche ist zu Ende, die kommende Geschichte der Kirche wird sein eine Geschichte des Laien in der Kirche, mit der Kirche und für die Kirche. Dreier großen Aufgaben wird sich die Theologie annehmen müssen: Die Eigengesetzlichkeit der Welt des Profanen, in der der Laie vornehmlich wirkt, muß verstanden werden als im Plane Gottes und seines Gottesreiches liegend, denn Christus ist nicht nur das Haupt der Kirche, sondern auch das Haupt der ganzen Schöpfung. Das Profane als „Vorhalle“ zum Heiligen steht in keinem Gegensatz zu diesem. Das laikale Wirken in der Profansphäre wird immer mehr anerkannt werden müssen im Sinne des Aquinaten und des Erasmus. Das etwa auch von Luther geforderte Standes- und Gewissensethos aber kann die Theologie wieder rüdeführen in die ganzheitliche Schau der Kirche. Darüber hinaus wird endlich die von Pius XI. geforderte und durch die Liturgische Bewegung (Newman) unterstützte „Teilnahme der Laien am Apostolats der Hierarchie“ die vermißte Einheit des Handelns und der Verantwortung zwischen Hierarchie und Kirchenvolk wiederherstellen. Das aber setzt voraus eine Erziehung zur freien Verantwortung, die die Kirche braucht, um in die Welt hineinwirken zu können und von der auch eine echte Zusammenarbeit über die Grenzen der Konfessionen hinweg vermutlich ab- hängen wird.
Dr. Müller bedauert De izit
STUTTGART. Ministerpräsident Dr. Gebhard Müller hat am Samstagabend in einem Rundfunkgespräch bedauert, daß auch der jetzt vom Kabinett verabschiedete Haushaltplan wieder ein Defizit aufweise. Der Staat stehe immer wieder vor neuen erweiterten Anforderungen. Weite Kreise der Bevölkerung schienen, nach ihren Forderungen an den Staat zu urteilen, den verlorenen Krieg vergessen zu haben. Dr. Müller, der seit einigen Tagen an Gelbsucht erkrankt ist, sprach Vom Bett aus.
Ein Haus flog in die Luft
KÖLN. Eine wahrscheinlich durch einen schadhaften Gasbadeofen ausgelöste Explosion brachte am Sonntagnachmittag gegen 17 Uhr ein viergeschossiges Wohnhaus in der Kölner Innenstadt zum Einsturz. Den fieberhaft arbeitenden Rettungsmannschaften war es bis zum Abend gelungen, fünf Tote und sechs Schwerverletzte aus den Trümmermassen zu bergen.
Nach Berichten von Augenzeugen stieg wenige Minuten nach 17 Uhr ein gewaltiger Rauchpilz unter donnerndem Krachen in den Himmel und Sekundenbruchteile später fiel das Gebäude wie ein Kartenhaus in sich zusammen.
60 Jahre Verein Deutscher Zeitungsverleger
Bundesregierung wünscht unabhängige Presse / Festakt des VDZV in Wiesbaden
WIESBADEN. Das Streben nach Wahrheit und objektiver Berichterstattung in der deutschen Presse und die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Regierung, Parlament und Presse waren die Leitmotive eines Festaktes des Vereins Deutscher Zeitungsverleger (VDZV) am Samstag in Wiesbaden. Die Feier, an der Vertreter der Bundesregierung, des Parlaments, der hessischen Landesregierung und des Deutschen Journalistenverbandes teilnahmen, fand anläßlich des 60jährigen Bestehens des Vereins Deutscher Zeitungsverleger statt.
Bundesminister Fr. Jos. Strauß hob hervor, daß die Presse nicht Mo
„Menschen liilfswillig halten“
Heuli verleiht DRK-Ehrenzeichen
BONN. „Es gilt heute mehr denn je, die Menschen willig zu halten, im Ernstfall zu helfen und den Ernstfall immer vor Augen zu sehen“, erklärte Bundespräsident H e u ß am Samstag zur Einweihung eines neuen Hauses des Deutschen Roten-Kreuz-Präsidiums in Bonn. Heuß, der Schirmherr des DRK ist, erinnerte in seiner Festansprache an den 8. Mai als Geburtstag des Rotkreuzgründers Henri Dunant, dessen Werk aus Kriegsleid entstanden sei und sich im Laufe der Jahrzehnte weiterentwickelt habe, ohne dem ersten und ursprünglichen Sinne ungerecht zu werden.
Der Bundespräsident verlieh drei Spätheimkehrern und der Frau eines Vermißten das DRK-Ehrenzeichen und sagte, mit dieser Verleihung sollen symbolisch alle Angehörigen des Sanitätsdienstes in den Kriegsgefangenenlagern des zweiten Weltkrieges, die Heimkehrer und die Angehörigen der noch Vermißten geehrt werden.
„Gegen jeden Weh? beitrag“
BRAUNSCHWEIG. „Die Delegierten der zweiten Jugendkonferenz der Industriegewerkschaft Metall bekennen sich zum sozialen demokratischen Staat. Sie lehnen jeden Wehrbeitrag ab“, heißt es in einer Entschließung, die von 154 Delegierten am Samstag in Braunschweig gefaßt wurde.
nopol des Staates werden dürfe, die Bundesregierung wünsche absolute Freiheit in der Presse. Der Vorsitzende des Fachausschusses für Presse und Rundfunkfragen im Bundestag, Paul Bausch, sagte, die Presse müsse entscheidend dazu beitragen, den deutschen Menschen vom gehorsamen Untertan zum selbständigen Staatsbürger zu machen. Er betonte: „Wir wollen keine Knebelung der Presse, keine Zensur und keine Sondergesetze gegen die Presse.“ Der Vorsitzende des VDZV, Dr. Walter J ä n e c k e , würdigte die Zusammenarbeit zwischen Verlegern und Journalisten und bezeichnete eine Wiederbelebung der früheren Arbeitsgemeinschaft mit den Journalisten als ein Herzensanliegen der Verleger.
Dr. Hugo S t e n z e 1 überbrachte der Versammlung die Grüße und Wünsche der im Gesamtverband zusammengeschlossenen Zeitungsverle-
BONN. Zwischen Bundeswohnungsbauminister Preusker und den Wohnungsexperten der CDU/CSU sind starke Spannungen wegen des in der Wohnungsbaupolitik einzuschlagenden Weges entstanden, die sogar Berichte über angebliche Rücktrittsabsichten Preuskers laut werden ließen. Der Minister hat in einem Schreiben an Bundeskanzler Dr. Adenauer verlangt, daß der vom Bundeskabinett verabschiedete Gesetzentwurf eines Wohnungsbau- und Familienheimgesetzes bei den Beratungen im Parlament den Vorrang vor dem CDU/CSU-Entwurf eines Familienheimgesetzes haben müsse. Sonst könne er die Verantwortung nicht mehr tragen.
Während die CDU/CSU wünscht, daß aus öffentlichen Darlehen und Hypothekengeldern eine feste Quote für den Bau von Familienheimen vorgesschrie- ben wird, sieht der Regierungsentwurf nur eine Bevorzugung und einen Sonderkredit zur Vorfinanzierung des
ger, der Deutschen Presseagentur und der Wirtschaftsgemeinschaft der Presse. Dr. Rupert G i e ß 1 e r , der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes, bezeichnete die Wahrung der Freiheit der Presse als eine gemeinsame Aufgabe von Verlegern und Journalisten.
Der Zeitungswissenschaftler Professor D o v i f a t erklärte, die Freiheit der deutschen Presse sei Voraussetzung für die Wiedervereinigung Deutschlands in Frieden und Freiheit. Die wiedererreichte Stärke der deutschen Presse illustrierte Dovifat mit einigen Zahlen: In Deutschland gibt es jetzt 1400 Zeitungen mit einer Auflage von 16 Millionen. Auf 100 Haushalte entfallen 97 Zeitungen und im Durchschnitt auf jede Zeitung 3,2 Leser.
Auf einem Empfang des VDZV betonte Bundestagspräsident Ehlers, die Zeitung solle nicht nur berichten, sondern auch Kritik üben.
Baues von Familienheimen vor. Nach Ansicht der CDU/CSU ist im Regierungsentwurf der Familienheimgedanke nicht genügend berücksichtigt. Ihr Wohnungsbaufachmann Paul Lücke, der Vorsitzender des Bundestagsausschusses für den Wohnungsbau ist, teilte aber am Samstag mit, daß zwischen ihm und dem Bundeswohnungsbauminister keine unüberbrückbaren Spannungen bestehen.
Auf einer Veranstaltung der Arbeitsgemeinschaft der deutschen Familienorganisationen, des Evangelischen Volksdienstes und der katholischen Volksarbeit setzte sich Lücke am Samstag in der Frankfurter Paulskirche erneut mit Nachdruck für eine familiengerechte Wohnungsbaupolitik und für den Bau von Siedlungen und Eigenheimen ein. Bundesfamilienminister Dr. Würme- 1 i n g sekundierte ihm mit der Feststellung, daß 80 Prozent der Familiennot behoben wären, wenn die Wohnungsnot beseitigt wäre.
Differenzen um Wohnungspolitik
Lücke erneut für Bau von Eigenheimen und Siedlungen
Wien: Visumszwang für Deutsche aufgehoben. Die österreichische Regierung gab bekannt, daß das Abkommen über die Aufhebung des Visumszwanges zwischen Österreich und der Bundesrepublik am 17. Mai in Kraft tritt. Vom 17. Mai an ist für die Einreise nach Österreich bis zu drei Monaten nur ein gültiger Reisepaß notwendig.
Sowjetische Kranzniederlegung in Westberlin. Der Berliner Vertreter der sowjetischen Hohen Kommission, Sergei Derigin, Offiziere der Sowjetarmee mit Frauen und Kindern sowie eine Kompanie Soldaten marschierten am Sonntagvormittag über die Sektorengrenze am Brandenburger Tor nach Westberlin und legten anläßlich des Jahrestages der Kapitulation Deutschlands am sowjetischen Ehrenmal im Tiergarten Kränze nieder.
Israelisch-jordanische Grenzzwischenfälle. Neue Grenzzwischenfälle an der israelisch-jordanischen Grenze forderten am Sonntag mindestens drei, wahrscheinlich sogar acht Todesopfer. Im Gebiet von Hebron stellten nach jordanischen Angaben Soldaten der arabl-
Kleine Weltchronik
sehen Legion am Sonntag fest, daß israelische Einheiten Stützpunkte auf jordanischem Gebiet besetzt hatten. Die Araber griffen an. Die Israels räumten ihre Stellungen nach heftigem Feuerwechsel. Im Jordantal entwickelte sich bei Jenin ein dreistündiges Feuergefecht, als jordanische Einheiten nach Meldungen aus Amman einem israelischen Versuch entgegentraten, einen arabischen Hirten zu entführen.
Erste Feiern zu Exkronprinz Rupp- rechts Geburtstag. In Leutstetten am Starnberger See begannen am Samstag die ersten Feierlichkeiten zum 85. Geburtstag des ehemaligen bayerischen Kronprinzen Rupprecht, den er am 18. Mai begeht. Mehrere hundert Menschen fanden sich am Sommersitz der Wittelsbacher ein, um dem ältesten noch lebenden Kronprätendenten zu huldigen.
Seltene Anerkennung. Der sowjetische Oberbefehlshaber im zweiten Weltkrieg, Marschall Schükow, würdigte am
Sonntag im sowjetischen Parteiorgan „Prawda“ das Heldentum Großbritanniens, der USA, Frankreichs und anderer Kriegsalliierter der Sowjetunion. In einem Artikel'zum neunten Jahrestag des Kriegsendes schreibt Schükow, das sowjetische Volk werde nie die Opfer dieser Völker im gemeinsamen Kampf gegen den Hitlerismus vergessen.
Adenauer nimmt Auszeichnung der Blauen Armee an. Bundeskanzler Dr. Adenauer nimmt den ersten Jahrespreis der „Blauen Armee unserer lieben Frau von Fatima“, der für hervorragende Verdienste um den Weltfrieden und die Bekämpfung des Kommunismus verliehen wird, am 27. Mai aus den Händen des Gründers der Organisation, des amerikanischen Geistlichen Harold V. Colgan, in Bonn entgegen.
Landesregierung nach Zürich eingeladen. Die Regierung des Schweizer Kantons Zürich hat die Landesregierung von Baden-Württemberg zu einem Freundschaftsbesuch nach Zürich eingeladen. Der Besuch der deutschen Gäste wird am 27. und 28. Mai stattfinden.
Größte Fachschau
600 000 zur „DRUPA“ erwartet
An der internationalen Messe Druck und Papier, die vom 15. bis 30. Mai in Düsseldorf stattfindet, nehmen rund 750 Aussteller teil, von denen 15 Prozent aus dem Ausland kommen. Es werden 600 000 Besucher erwartet. Der Leiter der Nordwestdeutschen Ausstellungsgesellschaft, Dr. Engst, bezeichnete di« DRUPA vor der Presse als die größt« Fachmesse ihrer Art in der Welt. Gezeigt werden auf 62 000 Quadratmeter Gesamtfläche Druckmaschinen, Setzmaschinen, Maschinen für die papier- und pappeverarbeitende Industrie, Druckerzeugnisse, Drudefarben. Papier- und Pappeerzeugnisse, Rohstoffe sowie Zubehör aller Art
Übertriebene Hoffnungen
Industrie zu Ost-West-Handel
Vor „übertriebenen Hoffnungen“ auf eine baldige Ausdehnung des Ost-Westhandels hat am Samstag das deutsch« Industrie-Institut in Köln gewarnt. Ein« Lockerung des Embargos, das heißt ein« wesentliche Kürzung der Liste der verbotenen Waren, werde angesichts der starken Spannungen zwischen Ost und West voraussichtlich noch längere Zelt auf sich warten lassen.
In einer Stellungnahme zu dem Ergebnis der Ost-West-Handelskonferen* in Genf betont das Institut, die Liefermöglichkeiten des Ostblocks müßten mit „erheblicher Skepsis“ beurteilt werden.
Maschinenexpert gestiegen
Abweichend von der Entwicklung der Maschinenausfuhr der Bundesrepublik ist der Maschinenexport der Konkurrenzländer im Jahre 1953 um fünf Prozent zurückgegangen. Dadurch gelang es der Bundesrepublik, ihren Anteil an der Weltmaschinenausfuhr von 16 auf 18 Prozent zu erhöhen. An Maschinen exportiert die Bundesrepublik heute pro Kopf der Bevölkerung 70 Prozent mehr als 1938. Der Weltmaschinenmarkt wird jedoch nach wie vor zu drei Fünfteln von den USA und Großbritannien beherrscht, deren Anteile am Weltmaschinenexport mit 38,6 bzw. 20,6 Prozent auch 1953 über dem Anteil der Bundesrepublik lagen.
Wirfsshaftsfunfc &
Die Rohstahlerzeugung in den Ländern der Montanunion ist im ersten Vierteljahr 1954 erneut zurückgegan« gen und lag um 700 000 Tonnen oder 8.! Prozent niedriger als im gleichen Zeitraum des Vorjahres,
Wie der mexikanische Wirtschaftsminister Gilberto Loyo mitteilte, sind mexikanische und deutsche Geschäftsleute übereingekommen, eine Gesellschaft zur Auswertung der mexikanischen Eisenvorkommen zu gründen.
Die Produktion von Walzstahlfertigerzeugnissen war im April nach vorläufigen Ermittlungen des Statistischen Bundesamtes mit 816 502 um 91 578 t geringer als im März.
Zur Vorbereitung der deutschen Teilnahme an der ersten internationalen Messe der arabischen Welt, die vom S. September bis 1. Oktober in Damaskus veranstaltet wird, wurde ein deutsches Komitee unter dem Vorsitz von Direktor Paul Matthey, Wuppertal, gegründet.
Am Samstag ist in Saarbrücken die Saarmesse eröffnet worden, an der erstmalig seit fünf Jahren 340 Aussteller aus der Bundesrepublik beteiligt sind, die damit die größte Gruppe darstellen.
Über die Bedingungen, unter denen die Europäische Zahlungs-Union über den 30. Juni 1954 hinaus verlängert werden soU, ist nach Mitteilung des Bundeswirtschaftsministeriums auf der Ministerratssitzung der OEEC in Paris noch kein endgültiger Beschluß gefaßt worden.
Die 38. Schweizer Mustermesse ln Basel wurde am Samstag mit der Inbetriebnahme eines modernen und repräsentativen neuen Ausstellungsgebäuaet eröffnet. Sie dauert bis 18. Mai.
ROMAN VON MARV BVRCHELL
Copyright by Dr. Paul Herzog. Tübingen — Durch Verlag v. Graberg & Oörg, Wiesbaden. Berechtigte Übertragung: H. Passow-Kernen
(16. Fortsetzung)
Der Ton versteckter Neckerei,'der aus diesen Worten klang, machte es Thea hinreichend klar, daß er auf das anspielte, was sie ihm damals auf der Heimfahrt ziemlich ungeschickt anzudeuten versucht hatte, daß nämlich die nähere Bekanntschaft mit ihm ihr eher schaden als nützen konnte. So errötete sie denn ein •wenig, als sie mit niedergeschlagenen Wimpern erwiderte: „Ich billige es ausdrücklich."
„Das ist schön von Ihnen, Kind.“ Er streckte ihr die Hand hin, und sie schlug feierlich ein, und damit war die Abmachung besiegelt.
„Nun, das wäre gottlob erledigt“, seufzte Mrs. Dorley sichtlich erleichtert. „Es ist natürlich keine Rede davon, daß Thea Aufsicht braucht wie irgendein unternehmungslustiger Backfisch. Sie soll nur wissen, daß sie immer zu dir kommen kann, wenn sie nicht mehr aus noch ein weiß."
„Das kann sie“, bestätigte Varlon ernsthaft.
Und jetzt mischte sich Stephen ins Gespräch und fragte, ob es nicht Zeit wäre zum Tanzen, später würde das Gedränge doch zu arg. Bereitwillig folgte sie ihm also auf die Tanzfläche, während Mrs. Dorley mit ihrem Bruder am Tische sitzen blieb, um ihm, wie sie sagte, noch die letzten Ermahnungen zu geben. Der Rest des Abends verging im Nu, und Thea kam es vor, sie hätte eben erst zu tanzen begonnen, als auch schon die Abschiedsstunde herangenaht war, für sie, die sich innerlich noch gar nicht vorbereitet hatte. Der eigentliche Abschied wurde ihr zwar dadurch leichter gemacht, daß Varlon seine Schwester und Stephen zuerst ins Hotel zurückführte und sie
selbst erst nachher heimbrachte. So sagte man sich eher rasch und leichthin Lebewohl, als handelte es sich nur um eine kurze Trennung. Wohl küßte Mrs. Dorley sie besonders liebevoll auf beide Wangen, aber mehr wie nach einem besonders hübschen Beisammensein, und auch Stephens Kuß und Umarmung hätte bloß Ausdrude einer ungewöhnlich glücklichen Stimmung sein können.
„Gräm dich nicht, Liebstes“, sagte er weich („Liebstes“ hatte er sie freilich noch nie genannt) „und schau dich nicht nach einem netteren Kerl um, mit dem du einmal in der Woche ausgehen kannst, ehe ich zurück bin. Nicht wahr, das versprichst dil mir!“
„Es gibt ja gar keinen netteren Kerl als dich“, versicherte sie lachend; dabei stieg ihr aber nun doch etwas Heißes in die Augen, so daß sie heftig zwinkern mußte. „Also, leb wohl, und laß es dir immer gut gehen; ich denke dann an dich!“
„Wollen Sie vorne neben mir sitzen?“ fragte Varlon in diesem Augenblick, und so gab sie nach einem letzten heftigen Druck Stephens Hand frei und stieg wieder ein. Gefühlvolle Abschiedsszenen waren offenbar nicht nach Lindsay Varions Geschmack, denn er ließ jetzt den Wagen so rasch davonschießen, daß Thea nicht einmal mehr winken konnte. Eine Weile schwiegen sie beide, dann sagte sie in ziemlich zaghaftem Ton: „Ich weiß nicht, wie ich's ohne ihn aushalten soll!“
„Leicht wird es nicht sein“ stimmte er zu; dann platzte er auf einmal mit der Frage heraus: „Es geht mich zwar nichts an, aber ist irgend etwas Ernsthaftes zwischen Ihnen und Stephen’“
Thea fühlte sich dadurch nicht schlecht überrumpelt, vor allem vermochte sie nicht sogleich zu entscheiden, ob sein kurz angebundener Ton aei Besorgnis des Onkels um den unschuldigen Neffen entsprang oder ob er bloß andeuten wollte, daß die Frage eine rein sachliche war.
„Ich — wir haben uns sehr gern, das stimmt. Und wir sind sehr eng befreundet, aber — weiter ist nichts zwischen uns.“
„Aha — es ist nett von Ihnen, daß Sie mir die Frage nicht übelnehmen.“
„Doch, ein bißchen schon“, erwiderte sie. „Oh, dann verzeihen Sie.“ Trotzdem lächelte er, als er vor dem Miethaus anhielt.
„Warum wollten Sie das überhaupt wissen?“ fragte sie in plötzlich erwachter Neugier.
„Ach“, machte er leichthin, „man möchte immer gern wissen, woran man ist. Was haben Sie für den kommenden Sonntag vor?“ „Kommenden Sonntag?“ *
„Ja, hätten Sie Lust, mit mir auszufahren, oder sind Sie bereits vergeben?“
Sie wurde rot vor Freude, einer Freude über deren Heftigkeit sie selbst staunte. „Ich habe nichts weiter vor. Und — es wäre furchtbar nett, wenn ich mitkommen dürfte.“ „Also gut. Ich hole Sie ungefähr um halb zwölf ab, irgendwo an der Themse halten wir Mittag, und — ach, das weitere findet sich dann, wir denken uns während der Fahrt etwas Nettes für den Nachmittag aus.“
„Vielen — vielen Dank. Das tönt recht verlockend.“
Als sie nach oben kam und dort Geraldine noch nicht vorfand, bloß Nelly, rief sie dieser in einem unerklärlichen Impuls, entgegen: „Nelly, denken Sie sich, am Sonntag fahre ich mit Mr. Varlon aus. Ist das nicht herrlich?“
„Gewiß, Miss Thea — Sie sind zu beneiden.“ Nelly betrachtete Sie mit der forschenden Miene, die sie zuweilen an sich hatte. „Ich würde aber Miss Marven nichts davon sagen, wenn ich Sie wäre.“
Thea, die sich gerade ein Glas Limonade eingoß, hielt inne und starrte sie verwundert an. „Wieso? Glauben Sie. sie hätte etwas — dagegen?“
„Ich habe so das Gefühl, daß sie nicht gerade erbaut sein würde, weil nicht sie selbst eingeladen ist, sondern Sie“, erklärte Nelly ausführlich.
„Ach so “ Thea goß sich den Rest der Limonade ein und schlürfte davon bedächtig Schluck um Schluck. „Soll das bedeuten, daß Geraldine glaubt, sie allein habe Anspruch auf Mr. Varlon?“
„Darüber steht mir keine Meinung Wi Miss Thea Aber wenn ich trotadem etwai andeuten dürfte ...“
„Ja, Nelly?“ ermunterte Thea sie mit wachsender Spannung.
„Dann würde ich sagen, daß Miss Marven beinahe auf jeden Mann Anspruch erhebt, wenn er nicht gar zu jung Ist wie etwa Mr. Stephen oder wenn sie sich sonst nichts au» ihm macht.“
„Ach so“, sagte Thea nochmals, um dann noch rasch zu fragen: „Glauben Sie, sie sich sehr viel aus Mr. Varlon? — Ich weiß ja. Nelly, ich sollte nicht mit Ihnen klatschen und Sie usfragen, aber es interessiert mich einfach, ob die beiden etwas miteinander haben oder gehabt haben oder wie das alles steht.“
„Na ja, Miss Thea Nelly strich mit unsicherer Gebärde ihr Kleid glatt und zog die schmalen, blassen Lippen ein, als ließe sich damit eine wirkliche Indiskretion verhüten — „daß sie hinter ihm her war, kann man wohl nicht bestreiten - auf ihre Art natürlich, Sie verstehen mich.“
Beim Aufwachen leuchtete der Glanz eines strahlenden Apriltages in ihr Schlafzimm herein, und voller Vorfreude sprang sie gleich aus dem Bett Glücklicherweise locKie das sonnige Wetter nicht alle Leute so tru aus den Federn, so daß Thea zu ihrer uns g baren Erleichterung den Zeiger der wonn- zimmeruhr schon auf zwanzig Minuten na elf vorrücken sah. ohne daß ihre Gous aufgetaucht v-ä*v- im
hieß es t
Nun galt c:-: nur n.,ci, ungeseoei. “‘L wischen. Mit schnellen Schritten war sie der Wohnungstür, schob sich geräuschlos n n- aus und war eben im Begriff, von a . ,
zuschließen, als sie noch hörte. wie T . dines Schlafzimmertür aufging und verdrießliche Stimme nach Nelly rief. Das wirklich höchste Zeit, dachte sie und lacnxe dazu fast schuldbewußt, aber doch sehr er leichtert. Und dann schwebte der Lin los mit ihr hinunter in sicheres Revier
(Fortsetzung folgt)