Stahl und Strahl gegen Geschwülste
Deutschlands Krebsforscher rechnen nicht auf Wundermittel
300 Forscher, die an der Front gegen die düsterste Krankheit unseres Jahrhunderts stehen, trafen sich in dieser Woche zu ihrer Jahrestagung in Hamburg. Sie tauschten ihre Erfahrungen über den neuesten Stand der Krebsforschung aus und suchten Ansatzpunkte für die künftige Arbeit.
HAMBURG. Wenige Tage vor dem Beginn des Hamburger Kongresses hat Hobelpreisträger Professor Domagk mitgeteilt, daß er krebskranke Ratten mit chemischen Substanzen, den Chi- nonen, gefüttert hat. In der gleichen jeit in der sich die Geschwülste entwickelt hatten, bildeten sie sich während dieser Behandlung zurück. Das ht einer der ersten Erfolge der Chemotherapie des Krebses, der Behandlung bösartiger Geschwülste mit chemischen Mitteln. Man darf aber aus der vorsichtig formulierten Mitteilung keineswegs voreilige Schlüsse ziehen. Js ist noch nicht bekannt, ob die Chi- none auch gegen Krebse des Menschen wirken.
Die 300 deutschen Krebsforscher wis- ien am besten aus schmerzlicher Erfahrung, wie oft ihre Hoffnung auf neue Wege in der Bekämpfung der Geschwülste schon enttäuscht worden lind. Es ist zwar zu erwarten, daß Impulse für die Krebsbekämpfung von der Chemotherapie ausgehen werden, denn auf diesem Gebiet sind sehr viele Vorarbeiten geleistet worden. Aber ein wirksames Mittel ist bis jetzt noch nicht bekannt. Noch immer weiß man nicht genau, wie man den veränderten Stoffwechsel der wuchernden Krebszellen stören kann.
Es gibt — so erfuhr man von dem
schwedischen Nobelpreisträger Hans von Euler-Chelpin auf der Hamburger Tagung — 10 000 chemische Substanzen, die das Wuchern der Krebszellen aufhalten können. Die meisten von ihnen sind aber auch für die gesunden Gewebe des Körpers giftig und können deshalb bei Patienten nicht angewandt werden. Bedeutende deutsche Forscher wie die Professoren Druckrey und Lettrö haben mehr als 1000 Zelltei- lungsgifte untersucht. Keines von ihnen ist aber bis jetzt geeignet, als Heilmittel eingesetzt zu werden.
Mit männlichen und weiblichen Sexualhormonen lassen sich einige bestimmte Krebsarten, zum Beispiel der Brustkrebs und der Krebs der Vorsteherdrüse, beeinflussen. Für die Behandlung anderer Geschwülste sind diese Hormone dagegen wenig geeignet. Das von Strahlenpilzen abgesonderte Actinomycin C hat dagegen nur bei Lymphdrüsenkrebs einige Wirkungen gezeigt. Überragende Erfolge, die vielen tausend Verzweifelten Hoffnung auf eine radikale Hilfe bringen könnten, hat die Chemotherapie noch nicht aufzuweisen.
Die Wissenschaftler • wissen immer noch zu wenig von den Ursachen und Eigenarten dieser Krankheit, an der jeder sechste Deutsche stirbt.
Kulturelle Nachrichten Der Nestor der Bodenseemaler, William Straube, ist im 83. Lebensjahr in Neufrach bei Überlingen ge- Itorben. Das Schaffen Straubes, der leine Studien in Berlin, München und Paris betrieb, war in den Anfängen itark von Matisse und nachher von Ol- lel beeinflußt. Nach dem Kriege hat Straubes künstlerisches Schaffen erneut große Beachtung gefunden.
Professor Albert Schweitzer wird an der 4. Nobelpreisträgertagung ln Lindau als Gast teilnehmen. Die diesjährige Tagung führt die Nobelpreisträger der Medizin zusammen.
Der Heidelberger Theologe Wilhelm Hahn ist gebeten worden, die Leitung des ökumenischen Instituts des Weltrates der Kirchen in - Bossey bei Genf zu übernehmen. Mit diesem Amt
S nd die Stellung eines Dekans der kumenischen Fakultät in Bossey und fine Professur an der Evangelisch- Theologlschen Fakultät in Genf ver
bunden. Prof. Hahn war 1952 zum Bischof von Oldenburg gewählt worden, hatte dieses Amt jedoch nicht angetreten.
Der Württembergische Künstlerbund veranstaltet in diesem Jahr vom 1.—30. Mai wieder Kunstwochen auf dem Stuttgarter Höhenpark Killesberg. Etwa 200 Künstler werden Arbeiten der rea- listisch-naturnahen, der expressionistisch-sinnbildlichen und der abstraktgegenstandsfreien Kunstrichtung zeigen. Außerdem wird zum ersten Male, zusammen mit dem Bund deutscher Architekten, „Architekturgebundene Kunst“ ausgestellt.
Die Geschwindigkeit des Lichtes ist wahrscheinlich größer, als bisher von den Wissenschaftlern angenommen wurde. Auf Grund neuer Berechnungen mit Hilfe eines sogenannten „Radiointerferometers“ ist festgestellt worden, daß die Geschwindigkeit des Lichtes 299 795,1 km/sek, und damit 19,1 km/sek mehr beträgt, als bisher errechnet wurde.
Ernähren wir uns falsch? Die einzige Antwort, die Professor Lang, der physiologische Chemiker der Mainzer Universität, nach unendlich vielen Tierversuchen darauf gefunden hat ,ist die: Es gibt keine krebsfreundliche und keine krebsfeindliche Ernährung. Lediglich eine zu große Kalorienzufuhr, eine zu reichliche Kost, scheint die Entstehung eines Krebses zu begün
stigen. Auch der Einfluß des Rauchens auf die Bildung eines Lungenkrebses ist noch immer umstritten. Lungenkrebse nehmen zu, bei Rauchern, aber auch bei Nichtrauchern.
Es ist offensichtlich auch eine zu bequeme Ausrede, wenn man den Krebs als eine Folge der Zivilisationssünden ansieht. Zwar wurde nie so häufig die Diagnose Krebs gestellt wie in den letzten Jahrzehnten. Doch wurden früher die meisten Krebse gar nicht erkannt. Außerdem ist dieses Leiden eine typische Alterskrankheit, wenn sie auch gelegentlich schon in jungen Jahren auftritt. Seitdem die großen
Seuchen besiegt sind und die Lebenserwartung auf im Durchschnitt 65 Jahre gestiegen ist, erreichen viel mehr Menschen die stärker krebsgefährdeten Jahre.
Die einzigen Mittel, die bis jetzt einen Teil der Krebskranken vor dem Tod bewahren konnten, sind die Strahlentherapie und die chirurgischen Eingriffe. Mit Strahl oder Stahl kann heute jeder fünfte Krebspatient gerettet und geheilt werden. Diese Quote ist noch nicht erfreulich hoch, aber sie zeigt, daß der Krebs nicht mehr unbedingt ein unentrinnbares Schicksal sein muß. Dr. Herbert L. Schräder
Soidaten müssen folterfest sein
Ehrengerichtsurteil von Washington / Asiatische Grausamkeit und militärische Tugend
MS. KOPENHAGEN. Ein bewährter, wegen persönlicher Tapferkeit ausgezeichneter Offizier ist moralisch degradiert worden. Das aus Generalen und Admiralen zusammengesetzte amerikanische Ehrengericht bescheinigte in Washington dem Oberst Frank Schwäble, daß seine unter nordkoreanischen Foltern erpreßte Erklärung über die Verwendung von Bakterienbomben durch die USA zwar nicht unter das Militärstrafgesetzbuch falle. Gleichzeitig entschloß es sich aber zu der Empfehlung, den Obersten nur
noch auf solchen Posten zu verwenden, „die an seine moralische Festigkeit keine besonderen Ansprüche stellen“.
Frank Schwäble ist als Offizier ein toter Mann. Bestenfalls teilt man ihn dem Verpflegungs- oder Küchendienst zu. Seine Tapferkeitsorden nützen ihm nichts. Das Ehrengericht hat ihm bescheinigt, daß er keine moralische Festigkeit besitzt oder nicht genug, um Folterungen durch den Feind zu bestehen. Die Ansprüche an den Offizier und damit an den Soldaten allgemein haben sich also um einen vermehrt.
Ex-Königm Narriman hat am 3. Mai den ägyptischen Arzt und Leiter einer Augenklinik, Adham El Nakib, geheiratet. Nur wenige Angehörige t odhnten der Hochzeitszermonie bei , die in Narrimans Villa im Kairoer Vorort Heliopolis stattfand. Bild: AP
Der Vaterlandsverteidiger in der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts muß „folterfest“ sein, anderenfalls kann er es nur in der Etappe zu Küchenlorbeerblättern bringen.
Es fällt schwer, über die Sache keine Satire zu schreiben und zu fragen, ob die Generale und Admirale des Ehrengerichtes auch „folterfest“ sind. Tagte es etwa auch in einem Raum, in welchem niemand stehen, gehen, sitzen oder liegen, sondern nur eingezwängt hocken konnte, so wie es der Oberst wochenlang in Korea aushalten mußte, bevor er halb besinnungslos seine Unterschrift unter das Dokument setzte, welches ihm seine Quäler vorhlelten? Ließ sich das Ehrengericht auch mit eiskaltem Wasser begießen und zugespitzte Hölzchen unter die Fingernägel treiben? Ein militärischer Vorgesetzter soll angeblich von seinem Untergebenen nicht mehr verlangen, als er selbst geben kann oder schon gegeben hat. Es ist nicht bekannt, daß die Mitglieder des Ehrengerichtes eine Prüfung im Ertragen von Foltern bestanden haben.
Frank Schwäble hat erklärt, er sei als Soldat in Korea auf das Sterben vorbereitet gewesen, nicht aber auf seelische und körperliche Quälereien, daher seine Schwäche beim Erpressen der Erklärung über den Bakterienkrieg. Es ist dies die Schwäche des zivilisierten westlichen Soldaten, wenn er der robusten und primitiven Grausamkeit eines asiatischen Gegners ausgeliefert ist. Ein Chinese, Sibiriaks oder Mandschure wird Foltern leichter ertragen als ein Amerikaner, Franzos« oder Däne, weil er in einem härteren Leben selbst härter geworden ist. Sollen die Soldaten der westlichen Verteidigungsheere auch in dieser Beziehung ihrem Gegner gewachsen sein, müßten wir uns schleunigst zur Lebensweise der alten Spartaner entschließen und für unsere Jugend schon in der Schule den Marterpfahl als Pflichtfach einführen. Sonst kann es passieren, daß ihr später ein Militärgericht da * moralische Rückgrat abspricht.
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