FREITAG, 7. MAI 195 4

Morrison kontra ßevan

LONDON. Der stellvertretende La- bourführer Morrison richtete ei­nen Angriff gegen B e v a n , der als der bisher schärfste der Labourfüh- rung gegen die Linksgruppe und als Beginn eines entschiedeneren Vorge­hens gegen sie angesehen wird. In den sozialistischen Kommentaren wirft Morrison Bevan vor, bei seiner um­strittenen Intervention im Unterhaus A111 e e desavouiert und den Konser­vativen in die Hände gespielt zu ha­ben, statt seine Argumente auf inter­nen Besprechungen vorzubringen.

Steuer gefährdet Ehe nicht

BONN. Bundesfamilienminister Dr. Franz Josef W ü r m e 1 i n g ist der Ansicht, daß die gemeinsame Steuer­veranlagung der Ehegatten, wie sie in den Vorschlägen der Bundesregierung zur Steuerreform für Jahreseinkünfte von zusammen über neuntausend Mark vorgesehen ist, den familien­bildenden Willen der Bevölkerung nicht beeinträchtigen wird.

In einer schriftlichen Antwort auf eine Frage der FDP-Bundestagsabge- ordneten Dr. Marie-Elisabeth Lüders (Berlin) erklärte Würmeling, er habe soviel Vertrauen zu der Institution von Ehe und Familie und zu den sie tragenden deutschen Menschen, daß er in einer steuerlichen Mehrbelastung keine Gefährdung der Familie er­blicke.

Ländermehrheit für die Verkehrsgesetze

Bundesrat macht ergänzende Vorschläge / Hessen verlangt Verzicht auf Kfz-Steuern für Pkw

Von unserer Bonner Redaktion

BONN. Die Mehrheit der Länder steht, im Gegensatz zu einer großen Zahl von Bundestagsabgeordneten, in den wesentlichen Fragen hinter den Regierungsentwürfen über das Stra­ßenentlastungsgesetz und das Ver­kehrsfinanzgesetz.

Die mit diesen Gesetzen eingeschla­gene Linie der Bundesregierung wird von den Ländern bejaht, auch wenn von den Finanzministern zahlreiche Abänderungsanträge empfohlen wor­den sind. So soll der Bundesrat auf seiner heutigen Sitzung anregen, die Pkw-Steuer nur von 18 auf 16,20 DM je 100 ccm und nicht auf 14,40 DM zu senken, wie der Regierungsentwurf vorsieht. In der Höhe der Steuer für Lkw bejahen die Länder die Regie­rungsvorschläge, das gilt auch von der Ausdehnung der Beförderungssteuer auf den Werknahverkehr. Die Beför­derungssteuer für den Werknahver­kehr wollen die Länderflnanzminister nur auf drei und nicht auf fünf Dpf. gesetzt haben. Die Straßenbahnen sol­len von der Beförderungssteuer im Gegensatz zum Regierungsentwurf freigestellt sein, da sonst eine Erhö­hung der Tarife unvermeidlich wäre. Akzeptiert wird von der Mehrheit der Länder die vorgesehene Ermächtigung

Gefängnisstrafen für Hochverrat

Kommunisten wollten Regierung stürzen / Kein Urteil gegen KPD Von unserem Koriirti her Korrespondenten

bg. KARLSRUHE. Im ersten Hoch­verratsprozeß vor dem Bundesgerichts­hof wurde am Donnerstag das Urteil verkündet. Wegen Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens in Tateinheit mit dauernder Verunglimp­fung von Staatsorganen und öffentli­cher Beleidigung wurde der 31jährige Horst Reichel zu drei und der 34- lährige Herbert Be y e r zu l 1 /» Jahren Gefängnis verurteilt. Wegen Flucht-

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verdacht wurde der Haftbefehl für Reichel aufrechterhalten.

Die Angeklagten, die beide als Se­kretäre der KPD-Kreisleitung Salzgit­ter angehörten, hatten im Herbst 1952 Flugschriften verbreitet, in denen dazu aufgefordert wurde, die gesetzliche po­litische Ordnung in def'Bundes repu- blik zu stören und-zu beseitigen. Vor allen Dingen hatten sie das vom Par­teivorstand der KPD veröffentlichte Programm der nationalen Wiederver­einigung Deutschlands, zur Grundlage Ihrer politischen Arbeit gemacht.

Der Senat kam zu der Auffassung, daß durch die Verbreitung dieses Pro­gramms, das in unmißverständlichen Formulierungen, durch Massenstreiks und außerparlamentarischen Aktionen

zum Sturz der Adenauer-Regierung aufforderte, der Tatbestand der Vor­bereitung eines hochverräterischen Un­ternehmens gegeben sei.

Den Einwand der Verteidigung, eine Verurteilung könne nicht erfolgen, be­vor das Bundesverfassungsgericht über die Verfassungsmäßigkeit der KPD ent­schieden habe, wies der Senat zurück. Er stellte sich dabei auf den Stand­punkt, daß es bei diesem Verfahren lediglich darum gegangen sei, ganz be­stimmte Personen, die sich im Sinne des Strafgesetzbuches schuldig gemacht haben, abzuurteilen.

für die Erhebung von Autobahnge­bühren und alle entscheidenden Be­stimmungen des Straßenentlastungs­gesetzes.

Zur Neugestaltung der Kfz-Steuer wird das Land Hessen einen Antrag einbringen, nach dem künftig für Personenkraftwagen völlig auf die Kfz-Steuer verzichtet und dafür die Mineralölsteuer entsprechend herauf­gesetzt wird. In einer Entschließung, deren Annahme allerdings noch un­gewiß ist, sollen Bundestag und Bun­desregierung aufgefordert werden, entsprechende Vorschläge zu erarbei­ten. Da die Kfz-Steuer den Ländern,

die Mineralölsteuer aber dem Bund zufließt, wäre der Antrag Hessens mit einer Neuverteilung der Steuern ver­bunden.

In der Frage der Dringlichkeit für den Bau neuer Autobahnen haben im Verkehrsausschuß des Bundesrates mehrere Länder, darunter auch Bre­men, ihre von den Planungen See- bohms abweichenden Forderungen vertreten. Zu Beschlüssen kam es je­doch noch nicht. Verkehrsminister Seebohm kündigte lediglich an, daß er die Hoffnung habe, daß sich das Auf­kommen aus dem Verkehrsfinanzge­setz soweit erhöhen werde, daß eine Erweiterung seiner Dringlichkeits­liste möglich wird. ~

Bestürzung über Mietengesetzentwurf

CDU- und SPD-Fraktionen wollen eigene Pläne vorlegen

Von unserer Bonner Redaktion

BONN. Gegen die bisherige Fassung des im Bundeswirtschaftsministerium ausgearbeiteten Entwurfs für ein Bun­desmietengesetz wandten sich am Don­nerstag maßgebende Abgeordnete der CDU/CSU und der SPD. Von Spre­chern beider Parteien wurden die be­kanntgewordenen Einzelheiten über die Mieterhöhung von Althauswohnungen als untragbar bezeichnet.

In der CDU/CSU wurde von Bestür­zung gesprochen. Die vorgesehene sche­matische Mieterhöhung würde zu einer weiteren Verzerrung des Mietgefüges führen. Auch bei der schrittweisen Wiederherstellung der Wirtschaftlich­keit des Hausbesitzes müßten Miet­erhöhungen für die sozial schwache Bevölkerung durch ein wirksames Sy­stem der Miet- und Lastenbeihilfen tragbar gemacht werden. Nach Auffas­sung der CDU/CSU müsse eine Neu­festsetzung aller Mieten durch Taxie­rung des Wohnbereichs erfolgen.

Die SPD bemängelte besonders die unzureichende Berücksichtigung der Belange der sozial Schwachen und be- zeichnete den Entwurf des Bundes­wirtschaftsministeriums als ,;einen wei­teren Schritt weg von der vom ersten Bundestag begründeten sozialen Woh­nungsbaupolitik.

Sprecher beider Parteien kündigten

an, daß ihre Fraktionen eigene Ent­würfe vorlegen würden, falls das Ka­binett den im Bundeswirtschaftsmini­sterium erarbeiteten Plänen folgen soll­te. Nach dem Entwurf des Bundeswirt- schaftsministeriums sollen vom 1. Ja­nuar 1955 an die Althausmieten um zehn Prozent erhöht werden. Bei freiwilliger Räumung der Wohnung soll für den Nachfolgemieter eine weitere Herauf­setzung des Mietpreises um zwanzig Prozent möglich sein.

Ein Riese erwachte

NEW YORK. Die große amerika­nische IllustrierteLife bringt am Freitag eine 192-seitige Sonderausgabe über Deutschland heraus. Die Einfüh­rung der Sondernummer stammt aus der Feder des Bundeskanzlers, der den Herausgebern dafür dankt, daßLife sich bemüht, den Millionen seiner ame­rikanischen Leser Deutschland näher­zubringen.

Die Nummer dürfte mit 5 472 580 Exemplaren die höchste Auflage aller bisher in den Vereinigten Staaten ge­druckten Zeitschriften erreichen. Die ganze Ausgabe steht unter dem Motto: Deutschland ein Riese erwachte.

Lebendig begraben. Fünf Personen wurden lebendig begraben, drei sind noch vermißt und sechs weitere wur­den zum Teil schwer verletzt, als ein Erdrutsch in der Nacht zum Donners­tag in Marulanda, 160 km nordwest­lich von Bogota, vier Häuser verschüt­tete.

Prozeß gegen Scfaischakli. Der syri­sche Justizminister Fathalla Saqaalh hat im Parlament bekanntgegeben, daß in Kürze vor einem Militärgericht ein Prozeß gegen den gestürzten syrischen Staatspräsidenten Schischakli beginnen wird.

Wo sind die falschen Dollarnoten? Das Falschgeld-Dezernat von Scotland Yard sucht fieberhaft nach einem La­ger gefälschter Hundert-Dollar-Noten, die einen Gesamtwert von 3,5 Millio­nen Dollar haben sollen.

Uberraschungsbesuch. Der Oberbe­fehlshaber der sowjetischen Besat-

Kleine Weltchronik

zungstruppen in Deutschland, General­oberst A. A. Gretschko ist am Don­nerstagnachmittag nach einem überra­schenden Besuch im amerikanischen Hauptquartier in Heidelberg auch in Baden-Baden, beim Hauptquartier der französischen Streitkräfte in der Bun­desrepublik eingetroffen.

Wieder wie vor dem Kriege. Der Fremdenverkehr in Bayern hat im Winterhalbjahr 1953/54 gegenüber dem Vorjahr um zehn Prozent zugenommen und damit erstmals den Vorkriegsstand überschritten. Es wurden 5,2 Millionen Übernachtungen verzeichnet, gegenüber 4,8 Millionen im Winter 1937/38.

Zehn Todesurteile. Das Volksgericht der südchinesischen Provinz Kwantung hat zehn Chinesen angeblich na-

tionalchinesische Geheimagenten zum Tode verurteilt.

Peron versprichtschrittweise Rück­gabe. Der argentinische Staatspräsi­dent Peron .versicherte Vertretern deutsch-argentinischer Vereine, seine Regierung beabsichtige, die beschlag­nahmten deutschen Clubs, Schulen und kulturellen Einrichtungenschrittwei­se zurückzugeben.

Neues französisches Düsenflugzeug. Das erste mit zwei Düsenaggregaten ausgerüstete Passagier- und Transport­flugzeug Frankreichs, dieS. E. 210-Ca- ravelle, wird zur Zeit von einem staatlichen französischen Flugzeugwerk entwickelt.

- Überfall auf Polizisten. Ein britischer Polizeileutnant und drei Polizisten wurden im Osten des Staates Johore (Indien) von kommunistischen Gueril­las getötet. Drei weitere Polizisten wurden verwundet.

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Entscheidung in Washington

Die Überprüfung der amerikani­schen Asienpolitik in Washington prägten der Genfer Konferenz ge­genwärtig ihren Stempel auf, stel­len Schweizer Zeitungen am Don­nerstag fest. DieBasler Nach- richten schreiben:

Natürlich haben die sich oft wider­sprechenden Berichte aus den USA bezüglich der zukünftigen Taktik und Ziele der amerikanischen Asienpolitik ein großes Element der Unsicherheit in die Genfer Konferenz hereingetragen. Die Zusicherung, die Eisenhower be­züglich seines unglücklichen Worte« modus vivendi gegeben hat, brachten allerdings bereits eine gewisse Klä­rung. Mit Spannung erwartet man nun auch das Ergebnis der Beratungen ln Washington nach dem Bericht von Fo- ster Dulles und hofft, daß sich dann die westliche Front wieder soweit ge­festigt hat, damit sie es wagen kann, in den diplomatischen Großkampf ein­zutreten.

Gipfel allen Hohnes...

Der unabhängige Combat * schreibt zur Regierungskrise in Frankreich:

Sowohl in Marokko, wo Blut fließt, wie in Indochina, wo die heldenhaften Verteidiger von Dien Bien Phu dl« letzten Tage ihres Kreuzweges durch- machen, ist die Situation dramatisch. Als Gipfel allen Hohnes ist es nun die­sen zu Washington neigenden Staats­männern (Laniel, Bidault, Pleven) auch noch gelungen, eine französisch-ameri­kanische Spaltung herbeizuführen. Und in diesem Moment bitten Laniel, Bi­dault und Pleven die Nationalversamm­lung um ihr Vertrauen!

Explosion im Kino

NÜRNBERG. Im Aktualitätenkino des Nürnberger Hauptbahnhofs explo­dierte am Donnerstagabend während der Vorstellung gegen 22.00 Uhr ein selbstgefertigter Sprengkörper, wobei eine Person schwer und zwei weiter» leicht verletzt wurden.

Nach Mitteilung der Polizei hat der dabei schwer verletzte 18jährige Ober­schüler aus Nürnberg, Karl Schnell, gestanden, den Sprengkörper ln einer Aktentasche bei sich getragen zu ha­ben. Die Explosion sei jedoch völlig unbeabsichtigt erfolgt. Er experimen­tiere seit langem mit chemischen Stof­fen.

Bisher besteht nach Ansicht der Po­lizei kein Anhaltspunkt für einen Zu­sammenhang dieser Explosion mit dem Sprengstoffanschlag auf ein Nürnber­ger Gasthaus, bei dem während einer Faschingsfeier drei Menschen ums Lo­ben kamen.

Zeitung gestern und heute

WIESBADEN. Zum 60jährigen Be­stehen des Vereins deutscher Zeitungs­verleger erscheint das vom Verein herausgegebene FachorganZeitung»* verlag und Zeitschriften-Verlag mR einer repräsentativen Sondernummer 1894 bis 1954, Zeitung gestern und heute, die Grußworte führender Per­sönlichkeiten des öffentlichen Leben* u. a. des Bundespräsidenten, bringt.

(J It/T'M

ROMAN VON IU?/, MARY BURCHELL

Copyright by Dr. Paul Herzog, Tübingen Durch Verlag v. Graberg & Görg, Wiesbaden. Berechtigte Übertragung: H. Passow-Kemen

(14. Fortsetzung)

Am folgenden Montag traf bereits die Ant­wort von Theas Schulleiterin ein. Die etwas formelle Redeweise und die . altmodische Handschrift brachten einen so deutlich spür­baren Hauch der alten Schulatmosphäre mit. daß Thea während ein paar heimweh­schweren Minuten das Gefühl überkam, sie sei hier in London in eine fremde, sonder­bare Welt geraten, und das, wonach sie sich in Wahrheit sehne, seien die langweiligen, aber heimatlichen Wege, auf denen sie fast ihr ganzes Leben dahingeschritten war.

Diese Anwandlung verging aber bald Denn die formelle Redeweise und altmodische Handschrift lieferten ihr die gewünschte Auskunft. Hier also, in dieser Liste von Han­delsschulen je nach deren Güte oder son­stigen Merkmalen zusammengestellt. er­blickte sie endlich etwas wie einen Wegweiser ln die Zukunft.

In einem wenig glücklich gewählten Zeit­punkt versuchte sie Geraldine für die Frage zu interessieren, welche Schule sie nun wählen sollte, doch Geraldine fertigte sie etwas unwirsch ab:

Frag bloß mich nicht. Ich habe keine Ahnung von solchen Dingen und interessiere mich auch nicht dafür. Du hast zu entschei­den. Du mußt wissen, was du willst Oder rede halt mit Lindsay, wenn du wirklich Rat brauchst. Ihm liegt es anscheinend, den klu­gen Ratgeber und Freund zu spielen.

Doch Thea war der Meinung, Lindsay Var- Ion hätte sich schon genug für ihre persön­lichen Angelegenheiten bemüht, und so be­

schloß sie, diese Sache allein in die Hand zu nehmen.

Was das Schulgeld anbetrifft, Geraldine begann sie.

Das soll wohl heißen, du brauchst noch mehr Geld, unterbrach Geraldine mit der Miene einer etwas hochtrabenden Geldspen­derin, daß Thea Mühe hatte, sich nichts an­merken zu lassen, welche Vermittlerrolle Geraldine spielte.

Nein, ich wollte nur wissen, ob ich bei der Wahl auf die Billigkeit oder mehr auf das Ansehen der Schule achten soll, sagte Thea in bestimmterem Tone.

Geraldine schien bei diesem veränderten Ton etwas aufzuhorchen, versetzte sich aber sogleich zurück in ihre Rolle als Wohltäterin auf fremde Kosten.Nun, wenn schon, dann auch richtig, erklärte sie.Geh dorthin, wo du die beste Ausbildung findest, das Weitere wird sich finden.

Ich danke dir vielmals, du bist wirklich großzügig." Thea versuchte das so echt wie möglich zu sagen, als wäre sie tatsächlich Geraldine selbst verpflichtet.

Hierauf unternahm sie, frei in ihrer Ent­scheidung, doch nicht ganz ohne Beklommen­heit, einen Rundgang bei den verschiedenen Schulen, besprach sich mit leitenden Persön­lichkeiten. erhielt die geforderten Auskünfte. Zum Schluß ließ sie sich als Schülerin in einer bekannten Handelsschule einschreiben, die einen ausgezeichneten Ruf genoß und da­neben den Vorteil bot. daß sie von Geraldines Wohnung aus zu Fuß zu erreichen war.

Der Kursus hat schon vor drei Wochen angefangen, teilte die tüchtige Sekretärin kurz, aber nicht unfreundlich mitWenn Sie sich aber gehörig anstrengen, werden Sie die andern bald eingeholt haben.

Bereits am nächsten Tage begab sich Thea zum Unterricht, und von da an hatte sich Geraldine durchaus nicht zu beklagen, daß ihre kleine Kusine sie zu viel beanspruche.

Nelly die mit Verwunderung und Mit­gefühl beobachtete, wie jemand einer anderen Tätigkeit als dem Theaterspielen mit derart

viel Fleiß und Hingabe oblag brachte Thea jeden Morgen, was sie ein tüchtiges, warmes Frühstück nannte, damit sie sich ordentlich stärken könne. Hierauf ging Thea zur Schule, ehe Geraldine überhaupt aufgewacht war. Sie blieb den ganzen Tag weg, und sobald sie nach Hause zurückgekehrt war, arbeitete sie in ihrem Zimmer weiter, bis Geraldine in r Theater ging.

Dieser Tageslauf war beiden Mädchen recht, und wenn sie einander zuweilen bei einem frühen Abendessen trafen, gab es stets allerhand oberflächlichen Gesprächsstoff, der ihnen gerade darum nicht ausging, weil sie selten beisammen waren. Dadurch entwickelte sich eine nette, ungezwungene Beziehung zwischen ihnen.

Seinem Versprechen getreu, läutete Stephen in der ersten Woche an, und sie konnte sich an einem Abend freimachen, um mit ihm tanzen zu gehen. Daraus entwickelte sich die Gewohnheit, daß sie einmal in der Woche mit ihm zusammentraf; gelegentlich erreichte er es zwar mit seinen Ueberredungskünsten, daß sie ihm einen weiteren Abend widmete. Am Sonntag besuchten sie zuweilen Stephens Mutter. Es war nicht leicht, sonntags bei dem schönen Wetter dauernd hinter den Büchern zu sitzen.

Lindsay bekam sie nie mehr zu sehen. Ei sei stark mit dem Einstudieren eines neuen Stückes beschäftigt, bemerkte einmal Geral­dine beiläufig. Und obwohl Thea jede Ge­legenheit, ihn wiederzusehen, begrüßt haben würde, sagte ihr doch das Gefühl, je länger sie für ihn ein unpersönlicherFall bliebe, desto besser.

Sie verlebte jetzt eine glückliche Zeit.

In der Schule kam sie gut vorwärts und durfte erwarten, schon in wenigen Monaten ihr eigenes Brot verdienen zu können. Dazu besaß sie die wachsende kameradschaftliche Freundschaft Stephens. Und die war viel­leicht am meisten wert.

Dennoch schlug sie sein Anerbieten, ihr bei seiner Firma eine Stelle zu verschaffen, wiederum ab; hauptsächlich aus der Ueber-

zeugung heraus, daß es unter den übrigen Angestellten böses Blut machen würde, wenn sie den Posten auf eine Empfehlung von oben her erhielte.

Stephen, ich habe es mir reiflich überlegt leb möchte unser Beisammensein vom Ge­schäftlichen trennen, gerade weil ich unsere Freundschaft schätze.

Also gut, mache es wie du willst, wenn ich bloß so oft wie möglich mit dir ausgehen kann.

Dieses Recht raubt dir keiner, antwortete sie lachend.Weißt du, Stephen, ich möchte es selber schaffen und auf Grund der er­worbenen Kenntnisse eine Stelle finden und nicht einmal meinem besten Freund sie zu verdanken haben.

Eine höchst selbständige kleine Person, das muß man dir lassen! meinte Stephen, indem er ihr anerkennend zunickte.

Das kommt vielleicht gerade daher, wiil ich mich jetzt unterstützen lassen muß und mich grenzenlos danach sehne, auf eigenen Füßen zu stehen.

So, spielt Geraldine oft darauf an?"

Geraldine?" wiederholte Thea, es fast be­dauernd, ihm nicht die Wahrheit sagen zu dürfen.O o nein, das tut sie nicht Sie spricht gar nicht darüber und macht auch sonst keine Andeutungen. Es ist einfach nur das Gefühl der Abhängigkeit, das man nicht los wird." ,

Stephen nickte teilnehmend.Wenn sie bloß verwandtschaftlicher zu dir wäre , meinte er dann und zog die Stirne kraus.

Nein, nein, Stephen Thea neigte sich über das Tischchen in dem gemütlichen Re­staurant in Soho, wo sie gerade ihr Abend­essen einnahmen, und tätschelte ihm de Arm.Macn dir bloß deswegen keine Sorgen. Sie ist wirklich so nett und freundlich, wi man dies von ihr erwarten darf. Und wenn du etwas Schmeichelhaftes über dich nore willstsie lächelte ihn an,so lange icn dich und deine herzige Mutter habe nahe ich nach andern Freunden keine Sehnsucht.

(Fortsetzung folgt)

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