Sette 2 - Nr. 144

Nagoldrr LagtttattDer Gesellschafter"

Dr. EMM über seine WirisAfts- md ZvWM

yamburg, 23. Juni. Anläßtich der Tagung des Deut­schen Industrie- und Handelstages in Hamburg behandelte bieichsmirtschaftsminister Dr. Curtius ausführlich die Grund- züge der schwebenden deutschen Wirtschaftsfragen. In Zu­sammenhang mit der Beurteilung der gegenwärtigen Lage könne mit absoluter Sicherheit gesagt werden, daß d i e Stabilisierungder Währung gewährleistet ist und daß irgendwelche Gefahren für die deutsche Wäh­rung weder zur Zeit noch in Zukunft beständen. Auch von der Seite der Reparationsoerpflichtungen her könne der deutschen Währung eine Gefahr nicht drohen. Um die Wirt­schaft stark und konkurrenzfähig zu halten, sei eine Sen­kung der Preise und entsprechende Steigerung des Realeinkommens wahrscheinlich der einzige Weg. Daher habe der Minister auch die Erhöhung der Kohlenpreise untersagt. Er hoffe ferner, daß im gegenwärtigen Augen­blick eine Steigerung der Eisenpreise vermieden werden könne. In der Frage der bevorstehenden Neuregelung der Liquidations- und Verdrängten schätzen müsse das Reich diesen Kreisen zuwenden, wozu es irgend » der Lage sei, und zwar rasch und in einer leicht ver­wertbaren Form. Im zweiten Teil seiner Rede behandelte der Minister die Fragen der deutschen Handelspolitik. Die Reichsregierung werde ihre Kraft in der Richtung der Empfehlungen der Weltwirtschaftskonferenz einsetzen mit dem Ziel der schrittweisen und paritätischen Absenkung des Zollniveaus der Welt. Die deutsche Regierung sei entschlos­sen, hierzu durch langfristige Handelsverträge -u gelangen. Außerdem werde sie mit Ländern, mit denen bereits Tarkfabreden oorliegen, neuerd«»gs in der gekenn­zeichneten Richtung Verhandlungen Vorschlägen. Der Mi­nister bedauerte, daß es noch nicht aelunsen sei. zwischen

De utj ch i a n d und Frankreich ««e dauernde wirt- schastspolitische Verständigung aus b-reiberier Basis herbei­zuführen. Das Ziel scheine wieder in weste Ferne gerückt zu sein. Deutschland habe Frankreich BcuMläge im Sinne der Weltwirtschastskonferenz unterbreitet. Sollte es nicht zu einer Verständigung kommen, so werde sich Frankreich dar­über klar sein müssen, daß ihm ein wesentlicher Teil der Verantwortung für die weitere Entwicklung der wirtschaft­lichen Verhältnisse Europas zufäüt. Zur deutschen Zoll­politik übergeheich erklärte der MraHter, daß die Reichs­regierung die gegenwärtig bestehende Drsparität zwischen dem landwirtschaftlichen und dem industriellen Zollschutz durch einen entsprechenden Abbau des industrie-wirtschaft­lichen Zollniveaus mit größter Beschleunigung erreichen wolle.

Wenig Aussicht auf Zustandekommen eines deutsch-franzö­sischen Handelsvertrags

Paris, 23. Juni. Der Führer der deutschen Handels­vertragsabordnung hatte gestern eine Unterredung mit dem französischen Handelsminister Bokanowsky über die Erneuerung des vorläufigen Handelsvertrags. Dabei wurde von französischer Seite ein neuer Vorschlag gemacht, der zur Prüfung nach Berlin übersandt wurde. Ob der Vorschlag der französischen Delegation zu einem Ergebnis führen wird, läßt sich zurzeit nicht beurteilen. Bekanntlich läuft das provisorische Handelsabkommen am 30.

Iuni ab. An dieser kurzen Zeitspanne wird es kaum mög­lich sein, eine endgültige Einigung zu erzielen, da die zu 4 behandelnde Materie sehr schwierig ist- Es besteht die Ge­fahr, daß zwischen Deutschland und Frankreich am 1. Inki ein vertragsloser Zustand beginnt.

grüßung darzubringen. Am Bormitt-aq'Les 2. Oktober wird Der Herr Renbspräsident nach dem Gottesdienst die Glück­wünsche der Reichsregierung, der Reichswehr und Reichs- morine, des Reichstags, Reichsrats und anderer Körper­schaften in seinem Hause entgogennehmen. Für den Vor­abend isk ein militärischer Zapfen st reich vorgesehen.

Sitzung des Reächskabinetts

Berlin, 23. Juni. Das Reichskabinett hak gestern noch­mals über die Verlängerung des Sperrgesetzes bera­ten. Mehrere Blätter halten es für wahrscheinlich, daß eine "Verlängerung nicht in Betracht kommt. Ferner hat das Kabinett über die Grundlage des Rejchsschukgesetzes mnd über die Bestimmung des 11. August zum National­feiertag gesprochen. In beiden Fragen ist noch keine «»-gültige Entschließung erzielt.

Imrere Krisis in Polen

Warschau. 23. Juni. Zwischen dem Staatspräsidenten und Marschatt Pilsudski, sowie zwischen dem Staatspräsiden­ten und dem Bizeministerprästdenten Dr. Barkel fanden längere Konferenzen statt. In Sejmkreisen wird die Ver­mutung ausgesprochen, daß die Regierung aus dem gegen die Absichten des Marschalls Pilsudski gerichteten Landkags- beschluß, in dem Sejm die Möglichkeit der Selbstauslösung zurückgegeben wurde, weitgehende Konsequenzen ziehen wird. Man rechnet sogar mit der Möglichkeit einer Auf­lösung des Landtags durch den Staatspräsidenten.

Umbildung des rumänischen Kabinetts

Bukarest, 23. Juni. Das neue Kabinett hat sich nun­mehr gebildet. Die bisherige Ministerliste bleibt bis auf folgende Veränderungen bestehen: Das Ministerium für Unterricht übernimmt A-ngelesco, das Arbeitsministerinm Lapo und das Ministerium für öffentliche Arbeiten Ristor.

Die Marokko-Kämpfe

Berlin. 23. Juni. Nach einer Havasmetdung aus Tanger haben am 16. Juni spanische Abteilungen in Stärke von 18 000 der verschiedensten Waffengattungen mit 80 Geschützen im Gebiet der Beni Arus einen Vorstoß unter­nommen, um dieses Gebiet endgültig zu säubern. Zu hef­

tigen Kämpfen ist es besonders am Dschebel Alam gekommen, wo der Gegner sich oerschanzt hatte. Die Stellung, sowie fiMtliche übrigen Ziele sind unter schweren Verlusten auf beiden Seiten genommen worden. In der Nacht zum 10. Juni kam es an einzelnen Stellen zu Gegenangrif­fen, die aber abgeschlagen sein sollen.

Kommunistische Bauernbewegung in China Loubo«. 23. Juni. Der Pekinger Korrespondent der .Times' berichtet über eine kommunistische Bauern­bewegung in Honan und Süd-Tschili. die einen ge­fährlichen Charakter anzunehmen scheine Ursprünglich handelte es sich um Banden von Bauern, die sich unter dem Namen .Roter Spieß" vereinigt haben und mo­dern bewaffnet sind. Die Zahl der Mannschaften wird aus eine Biertelmillion geschätzt. Ihre Operationen sollen teilweise für den Rückzug der Tschangtsolin-Armee aus Honcm wirken. Die Bewegung ist jetzt auch ausländer­feindlich und von kommunistischen Agitatoren durchsetzt. Man hält es für wahrscheinlich, daß sie sich ebenso ausbreiket, wie die Boxerbewegung im Zahre 1900.

Rote Frontkämpfer gegen Heilsarmee j

Berlin, 23. Juni. Gestern abend wurden Mitglieder der ! Heilsarmee bei Gesangsoorträgen auf einem Hofe der im Norden Berlins gelegenen Ackerstraße durch Ange­hörige des Roten Frontkämpferbundes belästigt. Als ein Schutzpolizist einschritt, wurde er von Roten Front­kämpfern angegriffen, sodaß er von seinem Gummiknüppel und seinem Seitengewehr Gebrauch machen mußte. Zwei Angreifer wurden fe st genommen, jedoch von ihren Ge­nossen wieder befreit- Der Haupttäter konnte zwangs­gestellt werden.

Aus dem siulisker-Prozetz !

Berlin, 23. Juni. Vor der Strafkammer des Land­gerichts Berlin 3 läuft noch immer der Kutisker-Prozeß. In der gestrigen Verhandlung spielten sich interessante Zwischen­fälle ab. Zunächst mußte der Vorsitzende feststellen, daß aus den Akten aus geheimnisvolle Weise ein Tele-

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gramm verschwand, das Kutisker selbst durch einen Strohmann aus Königsberg harte abschicken lassen. Die zweite Ueberraschung brachte die Aussage eines Angestellten der Staatsbank namens Vlümel, der sich in einen scharfen Gegensatz zu dem Geheim rat Rühe von der Staats­bank bezüglich der Effekten und des Unwerts verschiedener Wechsel stellte. Vlümel, der noch heute im Dienst der Staats­bank ist, erklärte, daß er den offiziellen Auftrag erhalten habe, wertvolle Pfundwechsel gegen faule Grobe-Wechsel auszutauschen. Daraufhin sei er zu Rühe gegangen und habe gesagt, daß er die Firma Grobe weder im Telephon- noch im Adreßbuch finden könne. Darauf habe Rühe gesagt: Schadet nichts, nehmen Sie den Umtausch ruhig vor. Rühe erklärt, daß er an diesen von Vlümel geschilderten Vorgang nicht die leiseste Erinnerung mehr habe.

Württemberg

Stuttgart. 23. Juni. Die Entwicklung des Ar- beitsmarkks in Württemberg in den letzten Mo- naten gestaltete sich weiter günstig. Im Mai 1927 betrug bi/ Zahl der Arbeitsgesuche 66 725 gegenüber 75 984 im April (Mai 1926 85 688), die der offenen Stellen 30 340 ge­genüber 23 238 im April (Mai 1926 16 859). Auf 100 offene im Mai 1927 219 Arbeitsqesuche gegen- über 278 im April (Mai 1926 508). ' ^

Jubiläumsausstellung. Aus Anlaß seines hundertjährigen Bestehens eröffnete gestern der Kunstverein eine Zubiläums- ausstelluiw ,m Kunstgebäude in Anwesenheit zahlreicher Gaste. Bürgermeister Dr. Klein sprach als Vorsitzender des Berwalkungsraks Begrüßungsworke und wies auf die Rot der Künstler hin. Kunstmaler Rupprecht bat Stadt und Staat um Mithilfe. Staatspräsident Bazille stellte auf Grund von Verhandlungen mit dem Finanzministerium einen höheren Staatsbeikrag für den Verein in Aussicht. Hierauf erklärte der Staatspräsident die Ausstellung für eröffnet. Eine Besichtigung der Ausstellung schloß sich an.

efl Konferenz über weibliche Fortbildung. Um sich von jungen Stand der Einrichtungen zur Weiterbildung der Volksschulermnen ein klares Bjd zu verschaffen und die auf diesem Gebiet liegenden Fragen zu besprechen, versam­melten sich vor kurzem in Stuttgart aus allen Teilen des Lands Frauen des Bunds evang. Frauen und seiner Teil- verbande, des Ev. Volksbunds, des Deutsch-Evang. Fromm bunds, des Vereins der Freundinnen junger Mädchen u. a.

..Oberlehrerin Beutelspacher zeigte die Notwendigkeit der Einführung des 8. Sckiuljahrs für Mädchen und entwickelte einen Arbeitsplan für dasselbe. Frl. Obsrreg.-Rat Dr. Vollmer berichtete hierauf über den gegenwärtigen Stand des weiblichen Fortbildungswesens iii Württemberg. Ein lebendiges Bild von dem hauswirtschaftlichen Fortbildungs- schulunterricht gab Frl. Schramm-Heidenheim und betonte dabei, daß auf Grund der heutigen Gesetzgebung schon eine tthebliche Ausdehnung der Stundenzahl durch Beschluß der Gemeinde möglich ist.' Beraten wurde insbesondere über Wege, wie den Müttern der Schülerinnen die Bedeutung dieser hauswirtschaftlichen Fortbildung näberaebrackt werden kann. Zum Schluß berichtete Frl. v. Gaßler-Eisenach in überaus anregender Weise über die weibliche Berufsschule in Thüringen.

Zweite Volksschuldiensiprüfung. Aus Grund der am 23. Mai und den folgenden Tagen abgehaltenen 2. Dienst­prüfung sind 52 Lehrer und lt Lehrerinnen zur ständigen Anstellung an evangelischen Volksschulen für befähigt er­klärt worden.

Aus dem Lande

Mainhardt, 23. Juni. Schwerer Unglücksfall. Der 44 I. a. Gastwirt Karl Ulshöfer zumStern" geriet unter einen Heuwagen und zog sich dabei einen Bruch -er Wirbelsäule zu. Der Schwerverletzte wurde ins Diakomssen- haus nach Hall gebracht.

Fornsbach OA. Backnang, 23. Juni. Wahlmüdig­keit. Bei der am 18. Juni d. I, vorgenommenen Ber-

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Bon vr. Manfred Ludwig.

Seit dem fünften Jahrhundert nach Christi Geburt ist der Johannistag, der 24. Juni, dem Andenken Johannes des Täu­fers geweiht. Doch schon in vorchristlicher Zeit wurde dieser Tag bei vielen Völkern oft auch in verschiedener Weise gefeiert. Er war ein heidnisches Volksfest, der Sommersonnen­wende gewidmet.

In vorgeschichtlicher Zeit veranschaulichten die Menschen sich die Naturgewalten durch Gottheiten, das Naturgeschehen durch Göttersagen. Die alten Germanen brachten Johanni der Gottheit Hauptopfer dar, hielten Volksversammlung und Ge­richt ab und beschlossen den Tag durch ein feierliches Gelage. Auf den Bergen wurden weithin leuchtende Feuer angezündet, den Höhepunkt der lebenspendenden Sonne zu feiern. Jung und alt tanzten um den brennenden Holzstoß: Liebespaare sprangen durch die Flammen, den Bund der Herzen öffentlich kund zu tun. Allerlei Aberglaube verknüpfte sich mit der Sonnenwend­feier: die an jenem Tage gesammelten Kräuter enthalten be­sondere Heilkraft: das Vieh, über die Brandstätte des Sonnen­wendfeuers geführt, bleibt vor Zauberei bewahrt: der Anblick des Feuers schützt den Menschen vor mancherlei Uebeln.

Die alten heidnischen Bräuche in ihrer ursprünglichen Form waren mit der christlichen Lehre naturgemäß nicht in Einklang zu bringen und wurden daher von den Heidenbekehrern mit Eifer bekämpft. Aber das Christentum hat nicht den Bestand, sondern nur die Bedeutung der Bräuche umgestaltet. In weiser Voraussicht haben die ersten Sendboten die alte Sitte geachtet: sie erhielt nur einen neuen Namen: kirchliche Zutaten wurden beigefügt. Das Iohannnisfeuer sollte nunmehr auf die Ein­äscherung der Stadt Sebaste Hinweisen, wo sich der Ueber- lieferung zufolge einst das Grab Johannes' des Täufers be­fand, und aus die Verbrennung seiner Gebeine, die von Kaiser Julian dem Abtrünnigen befohlen wurde: die Schmückung der Gräber, die an manchen Orten geschieht, wird auf den Märty­rertod des Heiligen zurückgeführt.

Die noch gegenwärtig in zahlreichen Gegenden unseres Vaterlandes üblichen Gebräuche sind zum Teil recht verschieden­artiger Natur. Vielfach werden Schulfestzüge, fröhliche Kinder­reigen und bunte, drollige Stratzenumzüge veranstaltet. Auf Friedhöfen findet am Johannistage eine Totenfeier statt. Die Glocken läuten den Tag ein, Fahnen wehen von den Türmen, Blumen und Blütenkränze senken sich in farbenprächtiger Fülle über die Gräber.

In eigenartiger Weis« beging man den Johannistag einst zu Köln am Rhein. Von Petrarca besitzen wir einen Bericht darüber.Das ganze Ufer", so schreibt der Dichter,war mit einer herrlichen Schar von Frauen und Jungfrauen bedeckt. Wohlriechende Ranken umgürteten sie. Arme und Hände wur­den im Strom gewaschen und wohllautende Sprüchlein gewech­selt." Es war ein uralter Brauch: das Elend sollte hinweg «spült, dem kommenden Jahre ein froher, zuversichtlicher Auftakt verliehen werden.

Am beliebtesten und verbreitetsten war und ist jedoch das Sonnwendseuer. Im Harz und in Oberbayern, am Rhein und auf der Roten Erde sowie in vielen anderen Teilen Deutschlands werden noch heute die großen Feuer entfacht. Sie grüßen vom Gipfel zu Gipfel, Jodler erschallen hinüber und herüber. Wagenräder werden mit Pech bestrichen, in Brand gesteckt, durch die Luft geschleudert und den Berg hinab­gerollt. Die Burschen rufen dabei laut den Namen ihrer Herz­allerliebsten. In Oberbayern. Franken und Schwaben gehen Knaben von Haus zu Haus und sammeln Holz für das Feuer. Selten geworden sind die abergläubischen Gebräuche, wie das Verbrennen des Beifußkrautes, das gegen alle Krankheiten helfen soll. Und doch war gerade dies bis in die neuere Zeit eine weil verbreitete Sitte: nach einem alten Kräuterbuche aus dem Jahre 1687 übten die Sittenicht allein die alten Weiber, sondern auch oil hoher Leut, die doch sich vor sehr weis und verständig halten". An manchen Orten findet man auch noch den Brauch, vom Iohannisfeuer ein angebranntes Scheit mit nach Hause zu nehmen, um es als glückbringendes Zeichen auf dem Herde aufzubewahren.

Zohasaiszsiiber.

Historische Skizze von G. W e r n e ck e - Dortmund. Heute ist dieses gesegneten Jahres längster Tag, ehrwürdiger Vater: ein paar Stündlein noch will ich die Füße rüstig vor ein­ander setzen, dort mein Heimattal hinauf!", so verabschiedete sich am Sommersonnwendtage des Jahres 1436 ein Wanderer von dem älteren Weggenossen in geistlichem Gewände, der eben an die Klosterpforte von Bornhofen klopfte, ein Unterkommen für den Rest des Tages und die Nacht zu gewinnen

Weit dehnte sich die grüne Herrlichkeit des Rheintales, und bald erreichte der Blick des kräftig ausschreitenden Wanders­mannes Turm und Zinnen der Burg Lahneck. Als die Abend­sonne goldene Schleier tiefer über Fluh und Rebenhügel hängte, grüßte er tief ergriffen die heimische Erde. Sinnend verweilte er. eine Handvoll Ackerkrume verstreuend.

Vor seinem geisten Auge flogen die zehn verflossenen Jahre vorüber, da er das Brot der Fremde gegessen. Noch fühlte er den inneren Drang, der ihn einst aus Hessens Kloster­schulen getrieben, damals, als über Deutschlands Gauen das Licht der Alten zu scheinen begann. Ins Welschland war er ge­wandert, Lehrer zu hören, die noch zu Petrarcas Füßen gesessen hatten. Wohl war dort Weisheit zu erwerben; trotz seiner Ju­gend erwarb er sich den Ruf eines erleuchteten Cicerokenners und Virgildeuters. Aber immer noch suchte er vergebens das hohe, reine Menschentum bei den Männern, die sich Humanisten nannten: Eitelkeit und Zanksucht umschatteten das strahlende Licht. Ueberall, selbst hinter Kühlen Klostermauern, klirrten die Waffen des Geistes mißtönend, nirgends war Ruhe und Frieden.

Da hatte es ihn gedrängt, den Schritt nordwärts zu lenken, die Alpen hinter sich zu lassen und wieder deutsche Laute zu hören. Aus Bologna war er als Geheimschreiber eines päpst­lichen Legaten zum Konzil nach Basel gekommen. Zwar haßte

er die arge Stadt mit ihrem kreischenden, üppigen, gottlosen Wesen. Aber er schaute nicht ungestraft so manche Silbernacht von den dunklen Brücken in die Rheinflut hinab. So nahm er Urlaub und folgte wandernd dem Strome. In Straßburg grüßte er das gelehrte Handwerk und gewann einen Reisegefährten gen Köln. Dann aber wurde er von der Begierde gepackt, die engere Heimat an den Usern der Lahn zu schauen.

Und da stand er nun. Gebhard von Wellenberg, ein reisig schlanker, sehniger Mann, der nicht wußte, ob er ein Priester, ein Humanist oder lieber gar ein Rittersmann werden wollte. Vielleicht ging ihm unter dem Heimathimmel die Klarheit auf.

Schon schlug das Herz ihm höher, da er der» lieblichen Fluß aufwärts zog, an trotzigen Burgen, behäbigen Klöstern, ragen­den Domen vorüber. Spät abends langte er am Ziele an: aus ihrem Kranze mächtiger Linden reckte sich die Heimatburg. Hohe Schieferdächer gleißten im Mondlicht, und um den Hauptturm flatterten Dohlen, just wie vor zehn Jahren, als er im Zorn von dem Bruder schied, der ihn einen Magister und Pfaffen ge­scholten hatte.

Gebhard von Wellenberg folgte dem Pfad zum nahen Odins- born. dem heilspendenden Quell, der heute, in der Iohannis- nacht, besonders zauberkräftig sein mochte. Ihn llberkam ein wildes Verlangen nach Natureinsamkeit, nach Väter-Art und -Glauben, nach Stillung flammender Wünsche des Blutes, das dieser Erde entstammte. Nur diese eine Zaubernacht wollte er an der Brust der Berge und Wälder, nahe dem Pulsschlag des heiligen Bornes verbringen.

Aus Föhrenzweigen und Birkenlaub baute er ein Hüttlein und streckte sich in Moos und Farn.

Mächtiger bedrängten ihn die alten Gedanken von den Gra­den aller Wahrheit, wie aus Sinn, Verstand, Vernunft die höchste Schonung erwächst, in der alles, Gott und Welt, ineinander fließt. Diese Einheit in einem Wunder zu erleben, das wäre ihm der heiligen ersten Stunde des Johannistages würdig ge­wesen.

Während er so in heißen Wünschen sich härmte, kam es wie fernes Schreiten durch die Nacht, näher und näher. Gebhardus hielt den Atem an, behutsam stützte er den Oberkörper auf. und seine Augen durchforschten den magischen Dämmerglanz des Waldes. Bald sah er einen feierlichen Zug von Frauen, in weißen Gewändern, die halboffenen Flechten mit weißen Blüten geschmückt, Blumensträuße und Kräuterbüschel in den Händen. Wo der Quell sich zu einem runden Becken weitet, hielten sie an. Spruch und Lied mischte sich in das Gemurmel des Wassers., das aufspringend und rauschend Kränze und Kräuter empfing.! Leise und süß erklangen Namen durch die Nacht, Seufzer undt verhaltener Iubellaut. Und geisterhaft, wie sie gekommen, ver­schwanden die Frauen und Mädchen. Um Liebe, um warmes, seliges Menschenglück hatten sie gebangt und geworben.

Aufstöhnend barg Gebhard das Angesicht in den Händen. Es war ihm, als wallte ein Schluchzen seinen Körper erschüttern und all sein stolzes und starres Geoankenwerk zerbrechen. Wie ein Urquell brach aus seines Herzens Tiefen ein lang versiegter Strom, wogend Lust und Leid: Ein Sohn dieser heiligen Erk», voll Mark und Blut, ein Bruder dieser starken, sehnend die

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