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Gegründet 18S7
Freitag, den 24. Juni 1827 Fernsprecher Nr. 28 101. Jahrgang
Tagesspiegel
Der Reichspräsident hak die Vertreter der deutschen Aus- kmdshandelskammern empfangen.
Ans der gestrigen Konferenz der Ainanzminifter herrsäste Einigkeit über die Notwendigkeit einer Reform der Bemnken- bcfotdung. Aeber die Beschaffung der nötigen Nittel kam kein Beschluß zusta-,oe.
Der Streit zwischen Albanien und Südstawien ist durch Vermittlung der Großmächte beigelegt worden.
In der Türkei ist wieder ein Aufstand der Kurden aus- -chrochen.
Die Neuorganisation des öffentlichen Arbeitsnachweises
Der Reichstag ist gegenwärtig daran, auf Grund eines Beschlusses des Sozialpolitischen Ausschusses vom 22. Febr. 1027 eine Neuorganisation des öffentlichen Arbeitsnachweises gesetzlich festzulegen. Als Kopf und zugleich als Grundlage .dieser Organisation ist eine „Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenver- sicherüng" gedacht, die eine selbständige Körperschaft des öffentlichen Rechts darstellt. Die Organe der Reichsanstalt sind: Die Berwaltungsausschüsse der Arbeitsämter, die Ber- wattungsausschüsfe der Landesämter, der Verwaltungsrot der Reichsanstalt und der Vorstand der Reichsanstalt. In der neuen Organisation wird der Vorsitzende vom Vorstand der Reichsanstalt ernannt, ebenso wird die ganze Geschästs- Dhrung zentral durch allgemeine Anordnungen des Verwaltungsrats geregelt.
Wie von maßgebender Seite versichert wird, soll die Zahl der Ar b er tsna chw e i s bse zi r ke im Deutschen Reich, di« heute etwa 800 beträgt, auf etwa 400 beschränkt werden. Dies bedeutet natürlich, daß einmal eine Reihe von bisher selbständigen Arbeitsämtern mit eigenen Verwaltungsausfchüssen aufgehoben und höchstens noch als Zweigstellen weitergeführt werden; denn daß Zweigstellen bestehen bleiben müssen, dürfte keinem Zweifä unterliegen, wenn man. bedenkt, daß dem Arbeitssuchenden, noch weniger aber dem Erwerbslosen nicht zugemutet werden kann, eine halbe Tagesreise bis zum nächsten Arbeitsnachweis zu unternehmen und sich zur Kontrolle zu stellen. Von größter Wichtigkeit ist aber, daß die Bestimmung des 8 3 des Arboitsnachweisgefetzes vom 22. Juli 1022 wonach „in der Regel für den Bezirk jeder unteren Verwaltungsbehörde ein öffentlicher Arbeitsnachweis zu errichten , m Wegfall kommt. Denn, wie wir ebenstes von Mt informierter Seite erfahren haben, sollen nicht mehr die politischen Grenzen für die Arbeitsnachweisbezirke maßgebend sein, sondern es sollen mehr wirtfchaftsgebietliche Abgrenzungen stattfinden. Nun ist aber klar, daß dies nicht nur für die Grenzen der unteren Verwaltungsbezirke gelten Am, sondern es wird sich als notwendig erweisen, sogar Grenzbereinigungen über die Landesgrenze hinaus oorzu- «ehmen, wenn es die Einheitlichkeit eines Wirtschaftsgebietes erfordert.
haben wir nun in Württemberg ein starkes Interesse daran, daß an diese Frage mit größter Sorgfalt herangegangen wird und daß nicht von irgend einer Stelle aus, die die einzelnen Verhältnisse in den Grenzgebieten gar nicht genau kennt, Entscheidungen getroffen weiden, die ?cher Umständen für die betroffene Gemeinde und auch für «e Wirtschaft von Nachteil sind.
Württemberg ist von Baden und Bayern begrenzt. Eine Reihe von Arbeitsnachweisen an den Landesgrenze« stehen « engstem Verkehr mit den Arbeitsnachweisen der Rach- oarlander, da die Wirtschaftsgebiete sich an den Grenzen vielfach überschneiüen und sowohl in der Arbeitsvermitt- «ngatsauch in der Erwerbslosenfürsorg« eine gegenseitige Verständigung unumgänglich ist. Ganz besonders trifft dies U'sts Psorzheimer Industriegebiet, da die Arbeiter dieser Industrie ihre Wohnstätten vielfach in Württemberg haben; ferner im Gebiet der Schwarzwälder uyremndustrie, Schwenningen-Vi Hingen; ferner ^^^"leegebiet, wo badische, württembergische und baye- Gemeinden Zusammenstößen, wie Konstanz, Friedrichs- 7^ ^',^'twau, ohne jedoch ein einheitliches Industriegebiet ""t Ausnahme von Friedrichshafen mit seinen .und Motoren-Werken; insbesondere aber der - "chllnisbezirk Ulm, der mit dem bayerischen Neu- Interessengemeinschaft bildet, und muß "Hs in die Grenzbereinigung einbezogen werden
,. wollen uns hier auf die angezogenen Städte be- r E ^ aufwerfen, wie man sich eine Zu
sammenlegung ch diesen Gebieten denkt. Ein billiger Aus- ; ^ m fischen Baden und Württemberg kann z. B. leicht r 3 / m « r Gebjet Oefundon werden, da hier
yne Zweifel Pforzheim maßgebend ist und die württem- vergischen Wohngemeinden dem Arbeitsnachweisbezirk Pforzheim angeschiossen werden müssen. Dabei dürfte der Arveitsnachweisbezirk Neuenbürg seine Selbständigkeit ver- ^ren. Schwieriger aber gestattet sich die Frage schon i m
das Bezirksarbeitsamt Billingen «m» dar Stadt. Arbeitsamt Schwenningen einander aeaen
A. StreseniM über die deWe MWM
Berlin, 23. Iuni. In der heutigen Sitzung des Reichstags nahm sofort nach Eröffnung Reichsminister des Aeußern Dr. Stresemann das Wort, um vor stark besetztem Haus die Interpellationen der Regierungsparteien, der Sozialdemokraten und der Kommunisten über die auswärtige Lage
zu beantworten. Er führte dabei u. a. aus:
' Ich begrüße es, daß die vorliegenden Interpellationen Gelegenheit geben zu einer Aussprache über die gegenwärtige außenpolitische Lage und über die Tagung von Gens. Die kommunistische Fraktion des deutschen Reichstags glaubt in ihrer Interpellation, daß die Erörterungen m Genf den Zweck und das Ziel gehabt hätten. Deutschland in die anli- sowjetrussische Front einzvgliedern. Ich könnte mich m me,- NEr Antwort auf das beziehen, was die russische zur Vökkerbundstagung gesagt hat, die erklärte, daß die Zustimmung Deutschlands zu den antisowjetrussischen Planen nicht erlangt werden konnte. Sie führte dazu aus, ste glaube nicht, daß dieser Amstand eine Niederlage Deutschlands auf der Ratstagung bedeutet habe. Im Gegenteil habe Deutschland durchweinen Widerstand zweifellos auch volles Ver- ständnis für seine Politik bei den übrigen Machten gefunden und damit das politische Prestige Deutschlands i« der Weltpolitik gestärkt. Der Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen England und Rußland ist em Vorgang, Beziehungen Mischen England und Rußland ist ein Dor- cumo. der für die gesamte internationale Lage von Mvtzter Blutung ist. Deshalb ist auch i, Genf Wer dieses Thema zr^schÄl den Vertretern der beteiligten Regierungen uns mir vertrauensvoll und offen gesprochen worden. Ich habe schon in d^r lohten ReichstaasÄ'ebEe gehofft, bah stch an unserer bisherigen AuhevpoKirk uick^s ändern werde, die durch die abgHchikofferwn Verträge, besonders die Vertrage ocm Loearnv und VerAn und durch den Eintritt in den Völkerbund charakterisiert ist. Zweifel darüber, ob wir im Auslande Verständnis für den Sinn dieser unserer Postttk gewinnen, sind trotzdem aufgetaucht. Ich kann ihnen aus Grund der Genfer Besprechungen mit aller Bestimmtheit sntgegentreten. Von keiner Seite haben sich Bestrebungen bemerkbar gemacht, uns von dieser Politik abzudrängen.
kkauilcken Reaierun« enthält die Zusage,
daß der memelländische Landtag spätestens am 1. September gebtwet fein würde, daß das Wahlrecht nur solche litauische Staatsbürger haben sollten, die ihren dauernden Wohnsitz im Memellande haben und daß die Regierung dem Landtag verantwortlich sein soll. Der Redner bespricht dann das Verhältnis Deutschlands .zu den in der Botschafterkonfermi vertretenen Mächten und die Hinzuziehung eines Deutsche« M der kolonialen Mandatskommision.
Die stärkste Enttäuschung hat in Deutschland die Tatsache hervorgerufen, daß die Frage der Truppe«reduktim» im RHÄnlaD bei den diesmaligen Besprechungen in Genf nicht güVst worden ist- Es handelt sich hier nicht uM irgendeine Konzession, die von unserem Wohlverhalten abhängig wäre, sondern die Reduktion der Rheinlandtruppen bildet einen Test derjenige« Zusicherungen, von denen die Unterzeichnung des Lsoarnovertrvges abhängig war. (Lebhafte Zustimmung.) Ich begrüße es deshalb, daß der englische AnterstaatHekretär ausdrücklich darauf hingewiesen hat. daß der englische Außenminister Chamberlain lüe Zusage in derselben Weise ausgelegt hat wie wir. Der deutsche Botschafter hat in London Der diese Erklärung eine Aussprache gehabt. Ihm ist versichert worden, daß noch englischer Auffassung die Erledigungen der Frage der Ostbe- sestigungen nicht etwa als eine Voraussetzung skr die Erfüllung der Zusage der Truppenreduktion im Rheinland an- zusehen ist. Die Zerstörung der deutschen Oskfestvnge« kau« in keiner Weise mit dieser Frage verquickt werde».
Angesichts dieser entgegenkommende» Halbing Deutsch- kmds in einer Frage, in der es rechtlich nicht gebrmde« war, ist die deutsche Oeffentlichkeit umso mehr gestört w«- den durch die Art und Weise, in der der französische Ministerpräsident Poincare kürzlich gehaltenen Rede geglaubt hat, das deutsch-französische Verhältnis kennzeichne« M sollen. Was die sogenannten valerlSndstchea Verbände anlangt, so sind diejenigen, di« sich den aes „uchen Vorschriften zuwider mit militärischen Dingen befaßt haben, aufgelöst worden. Di« Bokschafterkonferenz selbst hat Ende Za- nuar schriftlich anerkannt, daß ein Äedürsms für weiter« Auflösungen nicht vorlieat (Hört, hört).
(Me Rede geht weiter)
»Der Geist von Locarno im Anssterbe»-
Lcndcm. 23. ?mü. Jur politischen Lage macht der diplomatische Korrespondent des „Daily Telegraph" folgende Bemerkungen: Die allgemeine Absicht der diplomatischen Kreise in London geht dahin, daß die Rede des französischen Ministerpräsidenten unmittelbare Rückwirkungen aus dem Festland haben könne. Chamberlain habe während der Bölkerbundsratssttzung in Genf bemerkt, daß der Gei st vonLocarno im Aus st erben begriffen sei. Es dürfte aber nicht vergessen werden, daß er in seinen weiteren Erklärungen festgestellt habe, daß die Außenminister der alliierten Länder und auch Deutschlands an der Locarnopolitik festhieltcn. In London gäbe man offen zu, daß die Sprache Poincares nicht diejenige von Locarno gewesen sei, sondern diejenige des Jahres 1023, der Besetzung des Ruhrgebietes, Deutschland wisse nun genau, wie sich Frankreich ihm gegenüber verhalte, was es erwarten könne und was nicht. Darüber hinaus müsse man aber die Angelegenheit vom europäischen Standpunkt aus betrachten unter Brücksichtigung dessen, daß die britische und italienische Regierung Garanten des Vertrages von Locarno seien. Es könne für diese beiden Länder keineswegs gleich
gültig sein, daß die deutsch-^ranzSjstchen Begehungen gespannter würden, und es würde im Interesse -er ganzen Welt außerordentlich bedauerlich sei«, wenn sich eine Reaktion bemerkbar machen würde, aus der notwendigerweise wiederum eine Zuneigung Deutschlands zu Rußland folgen müßte.
Eine englische Stimme zur Poiucarerede London, 23. Iuni- .Daily Herold" schreibt: Poincares Rede in Luneville ist ebenso rätselhaft wie heraussordckuö Arber ihre Wirkung kann kein Zweifel bestehen. Ihr barscher Ton. ihre Anspielung aus Frankreichs Rolle als Sieger und Deutschlands Rolle als Befiwter, ihre Hinweise auf Unehrlichkett, die nahezu oss«e Anklagen sind, alles dies hat in Deutschland die größte Gereiztheit hervorgerufen. Ihre praktische Wirkung ist, daß sie offenbar den endgültigen Abschluß einer freundschaftlich«« Vereinbarung Der d« Herabsetzung iM Rhemlandgorni- kmA fchunsüg, wem» »tchk «»«»ögftch gcknncht hat. Das M
überstehen. Schwenningen ist da die bedeutendere Stadt und »birgt die größten Betriebe der Uhrenindustrie, hat aber auch noch bedeutende Schuhfabriken, mehrere Chemische Werke, Ziegeteibetriebe usw. Diese Stadt wird daher nicht Mt einer weniger großen angeschlossen werden können, ohne daß die Interessen der Wirtschaft gefährdet find. Es müßte asso auf dem Weg des billigen Ausgleichs mit anderen Bezirken eine Verständigung gesucht werden. Aehnkich liegen d« Verhältnisse am Bodensee. Da ist einerseits Kon- stanz mit seinem starken Fremdenverkehr, jedoch ohne wesent- kche Industrie, andererseits das kleinere Friedrichshasen mit seiner bedeutenden Metallindustrie, mit Tettnang und Ravensburg in der Nähe. Auch hier ist es nicht so leicht, über ein« Zusammenlegung zu entscheiden, ohne Gefahr für die beteiligten Wirtschastskreise. Ebenso dürste eine Verständigung im Ulmer Bezirk nicht so einfach sein, da der bayerische ^aat mit geradezu übermäßiger Aengst- kichkeit an -er Selbständigkeit des Arbeitsamts Neu-Ulm feftzuhakte« scheint, obwohl vom Standpunkt der Wirtschaftlichkeit eine gemeinsame Verwaltung anzustreben wäre. Wir wollte« hier nur einmal ans die Bedeutung der mit der Nenorgonffation der Arbeitsnachweise zusammenhängenden Frage« Hinweisen und der Erwartung Ausdruck geben, daß die zuständigen Stellen um die Wahrung der Interessen der bezeichneten Orte besorgt find. Und dieser Hinweis erscheint «nsv angebrachter, als schon am 1. Oktober dieses Jahres mit der Neuorganisation begonnen werden soll und die Verhandlungen mit den beteiligten Ländern immerhin auch einiae Wochen, wenn nicht Monate, in Anspruch nehmen werden.
Reneftes vom Lage
Znm 80. Geburtstag hindeatmrss
Berlin, 23. Juni. Auf zahlreiche im Büro des Reichspräsidenten und bei der Reichsregiernng eiNgegongene Anfragen und Vorschläge für die Feier des 80. Geburtstages des Herrn Reichspräsidenten am 2. Oktober dieses Jahve» wird amtlich folgendes mitgeteilt: Reichspräsident oo« Hi»- denburg hat den Wunsch ausgesprochen, daß an seinen» 80. Geburtstag von kostspieligen und geräuschvollen Feiern oder Veranstaltungen Abstand genommen werden möchte. Allen, die Hin- denburg an diesem Tage gedenken wollen, ist einem jede» nach seinen Kräften Gelegenheit gegeben, dies durch Deteisi- a« der Hindenburgspeude oder Erwerb der nbuvgbrieftnorke zu tun. Sie werden im Sinne des Herrn Reichspräsidenten handeln, wenn sie dazu beitrage«, die Rot zahlreicher durch Kriegs- und Nachkriegszeit geschädigter Volksgenossen zu linder». Um der BeoÄker»»» Berlins und Umgebung Gelegenheit ZU gebe«, cm Liese»' Tage de« Herrn Reic^präsidenten zu sehen und ZU begrüßen, hat sich der Herr Reichspräsident bereit erklärt, cm» Nachmittag des 2. Oktober (Sonntag) im Stadion «ine Huldigung der Berliner Schuljugend entgegenzunehmeu. Ein besonders zusammeugestellter Thor Berliner Schüler und Schülerinnen wird hier dem Herrn Reichsprästdenke» einige Lieder Vorsingen. Aus dom Wege zum Stadion solte» von den Linden ab Verbände und Vereine, die StudeiUe«- schastem und andere Körperschaften, sowie die Bevölkerung Spalier bilden, um dem Herrn Reichspräsidenten ihre Ve^