Srue 2 Nr. 14V

Naaolder TaavtattDer Tefellschafter"

Montag. 20. Juni Ivr?

M Bkririg wil de« Hllvsk Wrttemdkkg im Landing

Stuttgart. 18. Juni. Im Landtag wurde heute die erste Lesung des Vertrags über die Vermögensauseinandersetzung zwischen dem württ. Staat und dem vormals landesherrli­chen Hause Württemberg vorgenommen. Der Abg. Hey­mann (S.) eröffnete die Aussprache und gab zu, daß eine Auseinandersetzung mit dem Hause Württemberg er­folgen müsse, daß aber auch bestimmte grundsätzliche For­derungen zu erfüllen seien. Das landesherrliche Haus müsse

nach dem gleichen Recht wie jeder andere Bürger behan­delt werden. Der einfache Verzicht des Hauses Württem­berg auf Entschädigung für die Ziviltiste genüge nicht, man müsse von allen Mitgliedern des Herzogshauses auch den Anschluß an den Thronoerzicht des letzten Königs fordern. Das persönliche Vertrauensverhältnis zum letzten König lasse sich nicht mechanisch auf seine Agnaten übertragen. D»e Entstehung des Privateigentums bedürfe in jedem ein­zelnen Falle der Nachprüfung. Der Abg. Schees (Dem.) erklärte sich für eine höhere Rente an die Königin, aber nur im Wege des Haushaltsplanes, nicht in einem Ver­trag mit dem Herzog. Ueber die Ansprüche des so ungeheuer reichen Hauses Württemberg müsse man sich wundern und diese Ansprüche erleichtern dem Volk den Abschied vom ehe­maligen Königshaus. Staatspräsident Bazille wies dar­auf hin, daß die Mehrheit des Volkes die entschädigungslose Enteignung der Fürsten deutlich abgelehnt habe. Del Ver­trag sei ein billiger Ausgleich zwischen den berechtigten Ansprüchen des Hauses Württemberg und der gegenwärti­gen Lage des Staates. Nach einem Gutachten des Ober­landesgerichts würden dem Hause Württemberg in einem Prozeß ungeheuer mehr zugesprochen werden als in dem, Vertrag. Auch das Haus Württemberg habe durch die Inflation viele Millionen verloren. Der demokratische Fi- nanzminisrer Dr. Schall habe anerkannt, daß die Kunst­kammer Privateigentum des königlichen Hauses sei. Wenn angesichts der Rechtslage das Haus Württemberg darauf verzichte, Ansprüche wegen der Zivilliste geltend zu machen, so sei dies mit Rücksicht auf die Lage des Staats und die Notlage des Volkes geschehen. Der Staatspräsident wies die Angriffe auf H e r z o g A l b r e ch t, der eine Persönlich­keit von vornehmster Denk- und Handlungsweise sei und !

sinkung des Donauwossers auf der Gemarkung von Fri- diygen zu beseitigen, die verurso-l'f ist 1. durch das Fri- dmger Kraftwerk und 2. durch die Schließung von Versin-, kungslöchern im Donaubetk, soweit diese über die regel­mäßigen Erhaltungsarbeiten hmausgeht.

Die deutsch-russischen Besprechungen Berlin, 19. Juni. Amtlich wird mitgeterlt: sin einem Teil der deutschen Presse sind über Besprechungen zwischen Be­amten des auswärtigen Amtes und russischen Diplomaten No­tizen erschienen, die ein falsches Bild des Sachverhaltes geben. In der .Täglichen Rundschau' und anderen Blät­tern wird daher ausdrücklich sestgestellt, daß Deutschland lediglich Rußland in freundschaftlicher Weise über die Ruß­land in Genf interessierenden Fragen und über die dort empfangenen Eindrücke auf dem Laufendem gehalten habe. Den Inhalt dieser Gespräche hat nicht die Propagandatätig­keit der 3. Inl.rnalionale gebildet. Deutscherseits ist in keiner Frage irgend eine Warnung erteilt oder ein Rat­schlag gegeben und es sind keime Aufträge anderer Mächte ausgeführt worden. Ferner weisen wir darauf hin, daß die Gespräche, die der z. Zt. in Berlin weilende Botschafter Graf Brockdorff-Rantzau mit Tschitscherin ge­führt yat, privater Natur gewesen sind und daß über ihren Inhalt nichts bekannt geworden ist. Ebensowenig weiß man etwas über den Inhalt der Besprechungen zwischen dem Reichskanzler und Tschitscherin. Was darüber in der Presse erschienen ist. stellt eine reine Kombination dar-

dem gegenwärtigen Staat nie Schwierigkeiten bereitet Hab«, entschieden zurück. Der Herzog habe sich stets taktvoll zurück­gehalten und die Königin, mit der er keineswegs in Un­frieden lebe, stets unterstützt. Auch mit dem verstorbenen König habe er auf bestem Fuße gestanden. Das Verlangen des Thronoerzichts wäre ihm gegenüber taktlos. Ein sol­ches Verlangen sei in einer Revolution nur beim König, nicht beim Thronfolger notwendig. Das Hofkammergut werfe zur Zeit sehr wenig ab und müsse für 11 Personen ausreichen. Jeder große Fabrikbesitzer sei reicher als der Herzog, denn die Rente einer Fabrik sei größer als die des Hvskammerguts. In Württemberg liege zwar noch kein Gerichtsurteil, aber ein Gutachten des Oberlandesgerichts vor, das dem Hause Württemberg bedeutend höhere An­sprüche zuerkenne als der Vertrag. Die sozialdemokratischen und demokratischen Minister hätten in Preußen dasselbe getan, was jetzt in Württemberg geschehe. Der Abgeordnete Roos (BP.) warf der Linken übelstes Pharisäertum vor, betonte die Verdienste des Hauses Württemberg um das Land und die des Herzogs als Feldherr. Das Land Würt­temberg könnte einem leid tun, wenn es nicht imstande wäre, die Frau ausreichend zu unterstützen, die einst die Krone getragen und viele Tränen getrocknet habe. Der Ab­geordnete Küchle (Z.) bezeichnet« den Vertrag als ein Kompromiß, in dem der Staat nicht nur der Gebende, son­dern auch der Empfangende sei. Aus Billigkeitsgründen dürfe man der früheren Königin nicht verweigern, was sie vor Gericht ohne Zweifel erreichen würde. Staats­präsident Bazille wies, nochmals das Wort ergreifend, auf das bescheidene Leben der Königin hin, die die ihr bewilligte Pension von 70 000 -k nicht für sich allein ver­brauche. Der Abg. Schneck (Komm.) wurde infolge von Zwischenrufen zur Ordnung gerufen. Dann sprach noch der Abg. Köhler (Komm.) von dem Raubzug, den hoch­begnadete Herrschaften mit unersättlicher Habgier gegen das Volk unternehmen, und nach weiteren Ausführungen des Abg. Rath (DB.) wurde der Vertrag an den Ver- waltungs- und Wirtschaftsausschuß verwiesen. Auch einige kleinere Vorlagen gelangten nach 1. Lesung noch an die Ausschüsse. Die nächste Sitzung findet in der übernächsten Woche statt.

Kabinettsbeschluß zur Beamkenbesvldnnci

Berlin, 19. Juni. Das Reichskabinett hat sich, wie den Blättern mitgeteilt wird, in seiner letzten S'tzung mit der Frage der Beamtenbesoldung beschäftigt und dazu folgenden Beschluß gefaßt:Die Reichsregierung verschließt sich nicht der Erkenntnis, daß die Bezüge der Beamten im Hinblick auf die gesteigerten Lebenshaltungskosten unzulänglich sind, ist daher aus staatspolitischen Gründen gewillt, die wieder­holt versprochene Aufbesserung durchzuführen. Sie glaubt, in der Annahme, daß eine Verschlechterung der allgemeinen Wirtschaftslage nicht eintritt, Zusagen zu können, daß noch im laufenden Kalenderjahr, und zwar mit Wirkung vom 1. Oktober 1927, eine durchgreifende, alle Beamtengruppen umfassende Reform der Beamtenbesoldung erfolgen wird. Im Reichsfinanzministerium ist man dementsprechend mit der Ausarb-ft"ng eines Entwurfes beschäftigt.

Neue Kämpfe in China

London, 19. Juni. Nach mehrtägigen Verhandlungen, zu denen sich Tschangtsolin und seine Unterführer Tschang- tschungkschang und Suntschuanfang in Peking zusammen­gefunden hatten, wird jetzt bekannt gemacht, daß die Aus- g l e iich s v e r h a n d l u n gen mit dem Süden sich zerschlagen haben. Der Kampf geht also weiter. Das Vorrücken der Südkruppen, das wegen des ihnen zur Ver­fügung stehenden geringen Eisenbahnmaterials nur verhält­nismäßig langsam verläuft, hat den kriegerischen Geist des mandschurischen Marschalls von neuem oestärkt. Tschana-

ksolin hat gestern verkündet, daß er seinen Posten als Gene- ralissimus der Streitkräfke zur Bekämpfung der Roten wie­der ausgenommen habe.

Inzwischen wird aus amerikanischer Pekinger Quelle bekannt, daß der nicht mehr zu leugnende Zusammenbruch der Herrschaft Tschangksolins in der Mandschurei zur Bil­dung einer neuen nordchinesischem Partei geführt hat, die sich Neue nationalistische Partei nennt. An der Spitze der neuen Bewegung steht der Pekinger Verkehrs­minister Pangfu. Das Programm unterscheidet sich eigentlich überhaupt nicht mehr von demjenigen der Kuomin­tang- Es fordert gleiches Recht für die vier Klassen der Gelehrten, Kaufleute, Bauern und Arbeiter, tritt sür das Zusammenwirken von Arbeit und Kapital ein und verlangt die kulturelle Entwicklung des Landes sowie die rationelle Ausbeutung der Bodenschätze, stellt sich jedoch in scharfen Widerspruch zum Kommunismus und zum Klassenkampf.

Württemberg

Stuttgart, 19. Juni.

Neuer Laadtagsabgeordneter. Als Nachfolger des töd­lich verunglückten sozialdemokratischen Abg. August Hor­nung ist der Gewerkschaftssekretär Weimer als Ab­geordneter in den Landtag vorläufig eingetreten. Der Be­richt des Landeswahlausschusses wurde dem Legitimations­ausschuß zur Prüfung überwiesen.

Archikekkenerfolg. Der Magistrat der Stadt Kassel hat die Projektierung einer Gemeindedoppelschule Prof. Bonatz- Stuttgart übertragen.

Der Reichsverband Deutscher Dentisten hielt seine 43. Generalversammlung in Stuttgart ab, bei der hauptsächlich Berufsfragen zur Erörterung standen.

Württ. Landeskheaker. Auswärtige! Beteiligt euch an der Sondermiete für Auswärtige. Preisermäßigung 3 3 bis 35 Prozent wie bei der Theakergemeinde jährlich 20 Vorstellungen, je hälftig Oper und Schauspiel. Vorstellungen in der Regel Samstag, ausnahmsweise Sonn­tag. Vorstellungsende ermöglicht Benützung der Abendzüge nach allen Richtungen. Nähere Auskunft in der Geschäfts­stelle der Theatergemeinde im Verwaltungsgebäude der Württ. Landestheater. Anmeldungen schriftlich und münd­lich daselbst.

Die schwierige Lage der Milchwirtschaft. Die Mitglieder des Zentrums haben im Landtag folgende Große Anfrage eingebracht: Seit März 1927 ist die Milchwirtschaft in eine katastrophale Lage gekommen. Der Grund liegt vor allem darin, daß die Preise für Verarbeitungsmilch und Milch­produkte einen Tiefstand angenommen haben, der eine auch nur annähernd rentable Betriebsführung zur völligen Un­möglichkeit macht. Ist das Staatsministerium bereit, mit allen ihm zu Gebot stehenden Mitteln für Abstellung dieses Zustands schnellstens Sorge zu tragen?

Aus dem Lands

Musberg OA. Stuttgart, 19. Juni. Diamantene Hochzeit. Das Ehepaar Karl Sierle, 83 Jahre alt, und, Barbara Stierle, 81 Jahre alt, feierte das seltene Fest der diamantenen Hochzeit. Die ganze Gemeinde nahm an dieser Feier Anteil.

Immenhause«, OA. Tübingen, 19. Juni. Raubüber- fall. Donnerstag vormittag wurde die 35 I- a. Ehefrau -es Monteurs Burkhard auf dem Weg nach dem Mäh­ringer Bahnhof überfallen und ihrer Barschaft beraubt. Der Täter konnte nicht sestgenommen werden.

Alkoberndorf, OA- Oberndorf, 19. Juni. Beim Böl­lerschießen verunglückt. Am Fronleichnamsfest er­eignete sich beim Böllerschießon ein gräßlicher Unfall. Als morgens um 8 Uhr die Glocken zum Festaokkesdienst riefen.

Kasr el Djem, die Burg der Geister

Eine Geschichte aus Tunesien Bon vr. Herbert V. Patera-Wien.

Die Zweigbahn von Sfax nach Sousa keucht mühselig durch das unwirtliche Gebiet der Salzsümpse. Soweit das Auge über die Dünen sieht, kein Zeichen von Vegetation: öde und tot liegt die Erde, und nur die Alaun- und Salzablagerungen gleißen weiß in der unbarmherzig niederbrennenden Sonne.

Wir waren frühzeitig von Sfax, der kleinen Umladestation, von der die Hauptbahn nach Tunis abzweigt, ausgebrochen, mn unter Führung des bekannten Berliner Archäologen Professor vi. Mertens, das sagenumwobene Theater des spätrömischen Kaisers Gordianus in Augenschein zu nehmen, das vollkommen verlassen und versteckt fernab jeglicher Zivilisation am Rande der Sahara liegt. Unsere kleine Reisegesellschaft, die sich schon «lf dem EildampferPortsmouth" zusammen gefunden hatte, bestand aus einem englischen Großkaufmann, Mister A. Phi­llips, und seiner Tochter Ruth, einer schlanken sommersprossigen Dame, dem italienischen Attache Marchese Lasoni, der auf seh­nen Posten nach Massaua fuhr, einem portugiesischen LebejünH- llng, welcher nach dem Tode seines Vaters besten Geld schnM unter die Leute bringen wollte und der uns allen unsympathisch war. und schließlich meiner Person. Ein kleiner Chaffeurleut- nant, der in Tunis seinen Urlaub verbrachte, hatte sich uns m Sousa angeschlosten.

Es war das erste Mal nach dem Kriege, daß sich eine so internationale Reisegesellschaft in guter Kameradschaft zusam­mengesunden hatte, gefördert durch die Enge des Bordlebens. Professor Mertens reiste im Aufträge der französischen Regie­rung nach Tunesien zurück, wo er den Spuren spätrömischer Kultur aus dem dritten und vierten nachchristlichen Jahrhundert nachsorschte, und hatte bei seinem früheren Aufenthalt den jun- n Raoul Rignolles kennen gelernt, der sich unter uns befand, it Freuden hatten wir die Einladung des bekannten Ge­lehrten angenommen, unter seiner Leitung das berühmte Ko­losseum des Kosters Gordian am Rande der ewigen Wüste Z« besichtigen. DiePortsmouth" kohlte in Tunis und sollte erst Ende der Woche weitersahren, bis dahin waren wir längst zurück.

Auf einer kleinen, namenlosen Wellblechstation verließe« wir die Bahn. Nach langem Feilschen und Handeln gelang es uns, in einem kleinen Beduinendorfe die nötigen Reitpferde auszutreiben, denn als die Eingeborenen von unserem Vorhaben erfuhren, zum Kasr el Djem, der Burg der Geister, zu reiten, weigerten sie sich hartnäckig, uns einen Führer zu stellen oder Pferde zu borgen. Erst mit Hilfe blinkender Silberstücke und des energischen Auftretens der kleinen Spahiwache, die dort stationiert war, konnten wir uns mit allem Nötigen versorgen.

In scharfem Trab ging es nun südwärts. Unterwegs bei einer kleinen Rast erklärte uns Professor Mertens die Bedeutung des altrömischen Bauwerks, das später den Namen Burg der Geister" erhielt, und warum eine abergläubische Scheu jeden Eingeborenen abhielt, dahin zu reiten. Seit jahr­hundertelangen Zeiten hatte sich nämlich der Glaube erhalten, diese Ruine sei von mächtigen Dämonen bevölkert, die es ver­mochten, auch den hartnäckigsten Verbrecher zu einem Geständ­nis zu bringen, dank der grauenhaften Qualen, die diesen Diinnis kleinen Teufeln -.nr Veriüauna standen. ..Drum

ist auch kein Berber oder Tunese zu bewegen, sich eine Nacht in dem alten Bauwerk aufzuhalten: nur ein uralter Marabu, Mekkapilger und schon jetzt als Heiliger verehrt, hat in der Nähe seine einfache Hütte. Er fürchtet die Geister nicht, denn er ist hochgebildet und seit langen Jahren, als ich zum erstenmal diese grandiöse Trllmmerstätte besuchte, ein Freund von mir."

Der Portugiese, Don Alvarez, zuckte die Schultern:Und glauben Sie, Sennor Professore, an diese Ammenmärchen?" Ein ernster Schein huschte über die Züge des Archäologen:Don Alonso, wer länger im Orient gelebt hat, weiß, daß es Dinge gibt, die einem Westeuropäer immer ein Buch mit sieben Sie­geln bleiben werden. Scheck Hassan Ali, der erwähnte Mullah, zeigte mir Dinge, die mir niemals erklärlich werden können und die ich doch mit meinen eigenen Augen gesehen habe!" Don Alvarez lachte spöttsch auf:Zauberkunststücke, Gauckeleien, sonst nichts! Die habe ich in Lisboa oft genug gesehen." Doch das Gespräch konnte nicht fortgesetzt werden, denn Leutnant Rignolles drängte zum Ausbruch, und die bald sich einstellende mittägliche Hitze ließ jede Rede verstummen.

Sengend brannte die Sonne herab. Wir waren an den Rand der Salzsteppe gelangt. Endlos dehnte sich vor uns das gelbe Sandmeer mit seinen Hügeln und Furchen, nur hie und da erblickte man die gebleichten Knochen gefallener Tiere. Stumm ritten wir dahin. Gegen Abend erkannten wir am Horizont die Umrisse eines großen BauwerkesKasr el Djem!" Mit der Hand wies der Professor auf das Ruinengelände. ,T>er letzte Ueberrest der großen Stadt Kaiser Gordians. Alles übrige hat der Sand verschlungen." Rasch kamen wir dem Massiv näher.

Es bot sich ein überwältigender Anblick. In blutrotem Abendsonnenschein gleißten die Rundbauten wie in Purpur ge­taucht. Die Arena schien fast vollkommen erhalten und der Bau für die Ewigkeit errichtet. Die Säulen und Kapitäle der Rund­bögen, die Stufen und Stiegen glänzten so frisch und neu, als hätte sie erst gestern der Architekt hier aufgebaut. Wir ritten in das Innere der Rotunde und schlugen zwischen umgestürzten Säulentrümmern ein kleines Lager auf.

Rasch kam die Dunkelheit, und bald prasselte ein kleines, lustiges Feuer. Wir hüllten uns fester in unsere Decken, denn der Abend wurde bitter kalt. Professor Mertens war noch in das etwas abseits stehende, weitzgetünchte Häuschen seines alten Freundes, des Imam Scheck Hassan Ali gegangen, um den Heiligen zu begrüßen: wir anderen lagerten nach der Mahlzeit rauchend um das Feuer. Riesenhaft wuchtete der Rundbau in die dunkle Nacht, schattenhaft und unwirklich glitten lange Schlagschatten über die alabasterweißen Säulen und Mauervor­sprung«. Die Unterhaltung verstummte. Plötzlich wurde eine klangvolle Stimme hinter uns lautLsilam -tckiekuw! Der Friede sei mit Euch!" Wir sprangen verstört aus. Professor Mertens trat in den Schein der Flammen und an seiner Seite eine mächtige Gestalt, trotz des Alters noch ungebeugt. Ein weißer Bart wallte bis zum Gürtel, scharf funkelten hinter den buschigen Brauen die großen Augen, ein brauner Baschlik um­hüllte die Schultern, so daß man den farbig gestreiften Seiden­burnus sehen konnte. Scheck Hassan Ali, der heilige Marabu.

Mit würdevollem Neigen des Kopfes begrüßte er uns. dann ließ er sich an unserem Feuer nieder. Die angebotenen Speisen schlug er dankend aus, nur von dem goldhellen Syrertabak nahm er. Er war ein guter Kenner unserer westlichen Kultur, sprach fließend französisch, und so war bald ein anregendes Ge­spräch im Gange. Er erzählte Einzelheiten von der ehemalige» Wüstenstadt der Römer und gab ein anschauliches Bild d«.

versunkenen Größe antiker Kultur. Wie staunte ich, einen mo. hamedanischen Priester so sprechen zu hören! Unmerklich glitt das Gespräch auf den jetzigen Namen als Sitz der Geister über und Leutnant Rignolles fragte, wie dieser Name entstanden. Ehe noch der Imam antworten konnte, fiel Don Alonso ein: Wer glaubt denn solche verrückte Sachen; doch nur der. welcher so beschränkt ist, sich von Gauklern narren zu lassen." Wir waren alle von diesem unerwarteten Angriff überrascht: doch ruhig lächelnd saß der alte Priester Allahs. Nur sein Auge schien auf einen unsichtbaren Gegenstand gerichtet. Mit seiner wohllautenden Stimme sprach er:Niemand soll urteilen über Dinge, die sind, auch wenn er sie nicht versteht!"

Bevor noch Don Alvarez eine Antwort geben konnte, hörten wir ein leises Zischen. Knapp vor unseren Füßen fuhr eine armlange Schlange hoch, blähte den Hals, stand aufrecht auf dem Schwanz., Wir sahen ihre Zähne blinken und die gespaltene Zunge hin- und Herspielen. Mit einem Wutschrei fuhr der Por­tugiese hoch und riß eine Pistole aus dem Gürtel. Da erklang ein leises Lachen von den Lippen des Imam Scheck Hassan Ali. Er wischte leicht mit der Hand über die Schlange, sie verging wie ein Nebel vor unseren Augen. Es mußte nur Suggestion gewesen sein, oder hatte uns ein Spukbild genarrt?

Don Alvarez schwollen die Adern auf der Stirn:Ver­dammter Nigger!", wutschnaubend kam es heraus. Wir fuhren bei dieser schwersten Beleidigung des muhamedanischen Prie­sters erschrocken zusammen. Doch ruhig stand der so mit Schimpf Bedachte auf, nur seine Hand streckte er befehlend aus dem Dunkel der Nacht entgegen:Sieh hin!" Von einem unwider­stehlichen Zwange getrieben, folgte Don Alvarez der Richtung. Weit riß er seine Augen auf. Ein Keuchen kam aus seiner Kem«! dann wollte er die Hände abwehrend vor das Gesicht, das asch­fahl wurde, strecken, doch wie von unsichtbaren Mächten wurden sie herabgezogen. Immer erschreckter wurde sein Blick, lallend kam es aus seinem Munde:Wawas willst Du, padre? Du bist doch tot!" Eine ferne Stimme kam aus der Nacht her- geweht:Nein, nicht das Eiswasser, ich will nicht, der Arzt hat es doch verboten" Ein gellendes Lachen des Portugiesen: So bist Du noch nicht tot, Alter? Hat mein Gift nicht gewirkt? Aber ich habe Dich doch begraben lassen!" Aechzend brach dw Portugiese zusammen, wirr starrte er vor sich hin, leise, stoctwM kamen die Worte:Ich habe meinen Vater ermordet!" SM alle standen wie gebannt, jeder hatte das Geständnis gehört! Der Mullah saß ruhig auf seinem Platze. Langsam schien Don Alvarez zu sich zu kommen. Er blickte verstört im Kreise, dann zitterte er wieder vor Angst:Ich habe meinen von mir er­mordeten Vater gesehen!" Stöhnend brach er zusammen --

In dieser Nacht tat keiner von uns ein Auge zu. In alter Frühe brach Leutnant Rignolles nach dem Spahiposten aus, um die Gendarmen zu holen. Teilnahmslos ließ der Portugiese alles geschehen. Das Ereignis dieser Nacht hatte ihn gebrochen. Bier Stunden später waren die Goums, einheimische Gendar­men, zur Stelle und führten Don Alvarez hinweg. Schweigend' ritt unsere kleine Karawane zur Bahn. Professor Mertens warl in El Djem verblieben, um seine Forschungen fortzusetzen. Be? einer Wegbieaung, von der man die Arena Kaiser Gordians zum letztenmal sah, verhielten wir unsere Pferde.

Wie ein weißes Verhängnis lag das Amphitheater in der Ferne. Ruth Philipps brach als erste das lastende Schweigen: Kasr el Djem, die Burg der Geister!" Eintönig und greu leuchtete die Wüste, glitzerten die Salzpfannen der Sumpfe-, Schweigend ritten wir weiter zur Bahn. - .