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ük. 138 Gegrimdel 1827

DieRäumung"

Bahnschutz statt Besetzung

'Es wird nur eine örtliche Gendarmerie zur Aufrechterhaltung der Ordnung eingerichtet." So lauter es im H 36 des sogenannten Saar-Statuts im Versailler Ver­trag. Das ist klar und eindeutig. Trotzdem zog Frankreich, als der Vertrag gültig wurde, die Truppen, Äe es im Saargebiet hatte einrücken lassen, nicht zurück. Diese Widerrechtlichkeit war um so bedenklicher, als schon Ende 1918 in der französischen Kammer deutlich verkündigt worden war, Deutschland habe das Saargebietgestohlen". Ludwigs XIV. Raubpolitik galt nichts, der Rückfall des alten deutschen Landes an die Heimat wurde alsDiebstahl" Verlästert. Kammerreden, Kammerbeschlüsse und Militär- Herrschast im Saargebiet zeigten eindeutiger, als es irgend­wie anders möglich gewesen wäre, die Begierde Frank­reichs nach Annexion.

Auch den Wilsonschen Zielen des Friedensschlusses wider­sprach diese Herrschaft des französischen Militärs im Saar­land. Von der Verkündung des Präsidenten Wilson:Wir sind bereit, bei der Schlußabrechnung gerecht gegen das deutsche Volk zu sein und mit Deutschland ehrlich zu verfahren", war nichts übrig geblieben. Ueberall herrschte die Gewalt der Sieger, und der deutschen Ochr- macht blieb nichts übrig, als zu protestieren. Die Protest­ruse verhallten ungestört. Die Antworten dienten nur dazu, den Völkern der Welt die ihnen längst zur Ueber,zeugung gemachteBöswilligkeit Deutschlands" als einen dauernden Eharakterzug der Deutschen zu beweisen und damit die Macht der Sieger auch moralisch fester zu begründen.

Die moralische Grundlage ist brüchig geworden. Lang­sam zwar, oft genug zurückgeworsen, immer gehemmt, aber unaufhaltsam ist die Wahrheit vorangekommen. Deutsch­land war nur eine Waffe geblieben, das Recht. Es ist uns bitter schwer gemacht worden, dieser Erkenntnis treu zu bleiben. Der Völkerbund hat immer versagt, auch in der Saarsrage. Die gewählten Vertreter der Saar- bovölkerung hörte man nicht an. Im Jahr 1921 schwang er sich zwar dazu aus, die Rechtswidrigkeit der französischen Truppen im Saargebiet dadurch anzuerkennen, Laß er die Regier-ungskommission anwies,die Anwesenheit fran­zösischer Truppen nicht zu einer Dauereinrichtung werden zu lassen", doch blieb das ohne Wirkung. Die Achtung des Versailler Vertrags konnte und wollte er nicht durchsetzen. Erst seit dem Eintritt Deutschlands in den Völkerbund kann überhaupt ein offizieller Vertreter der saarländischen Jnier-

Freitag, de« 17. )uni 1827

des Saargebiets

essen die Behandlung gewisser Saarfragen auf der Tages­ordnung des Völkerbunds durchsetzen. Es bleibt ein pein­licher und immer mit Mißtrauen bel>afteter Gedanke, daß diese Entwicklung des Völkerbunds nicht aus ihm selbst herausgekommen, daß nicht von Genf aus die Welt mit einem neuen Geist erfüllt worden ist, sondern daß vielmehr der Genfer Rat der geistigen Umwandlung in den Völker­bund selbst politisch Rechnung trug und ihnen folgte. Sicher­ist die Gesinnung -er Völker das, was di« Well umgestaltet. Da sie sich aber leicht ebenso rasch wieder zum Bösen wenden kann, wie sie sich longsom zum Guten gewendet hat, so bleibt noch allzu viel Spielraum für den Ehrgeiz aufreizender Politker, denen der Völkerbund nicht die Kraft entgegen- zusetzen vermag, die seinem angeblichen Zweck entsprechen würde.

Wenn wir heute nach Jabren des Unrechts endlich so weit sind, daß die franzpösischen Truppen das Saar ge bist verlassen haben, jo suchen wir aus diesen Gründen die Hauptursache nicht bei den außerhalb Deutschlands liegenden Faktoren, den andern Mächten und dem Völkerbund, sondern vor allem in der Bevölkerung des Saargebiets selbst. Sie war deutsch, sie ist es und sie will es bleiben. Ihre Treue hat die Folgen der mili­tärischen Besetzung mit all den traurigen Erscheinungen, die dazu gehören, Gewalttaten, Bedrückungen und Aus­weisungen, ebenso sieghaft überdauert wie die französische- Umwerbungsversuche, die in schweren Zeiten verführerisch angelegt waren. Politisch und moralisch ist Frankreich nicht die geringste Eroberung gelungen. Sicher hat die Erkenntnis, daß eine fran­zösische Ausdehnungspolitik im Saargebiet aussichtslos ist, viel zu ihrem Abbau beigetragen. Wenn wir auch keinen Grund Haber, über die Befreiung des Saarlands von fran­zösischen Truppen zu jubeln, da nur das Recht wiederher­gestellt worden ist, und statt der zuletzt 3000 Mann starken Besatzung, die abgezogen ist, 800 Mann als sogenannter Vahnfchutz .zurückkehren, so soll doch heute mit Nachdruck festgestellt sein, daß wir nie an der Treue der saarländischen Bevölkerung gezweifelt haben. Darum gebührt dem deutschen Saarland unser Dank. Und wenn wir es beglückwünschen, so bezieht sich dieser Glückwunsch weniger aus die Vergangen­heit als aus die Zukunft. Das Unbesetzte Deutschland wünscht ihm die Kraft, bis zum Tag der Abstimmung weiter auszuharren wie bisher, damit wir dann zusammen mit größerem Recht als heute den Tag der endgültigen Frei­heit feiern können.

Fernsprech« Nr. 2S 181. AahrglMg

Tagesspiegel

Im englischen Unterhaus kam es bei Besprechung der Moskauer Erschießungen zu lebhaften Szenen, die schließlich zur Ausschließung der arbetterparteilichen Abgeordneten Bu- chanan führten.

Wie aus Moskau gemeldet wird, entspricht die polnische Meldung über die Absendung eines Ultimatums der Sowjet- regierung an Polen nicht den Tatsachen.

Die südslawische Skuptschina wurde vom König aufgelöst.

In Reuyork findet Anfang Juli eine Zusammenkunft der Rotenbankpräsidenken von Nordamerika, Deutschland. Eng­land und Frankreich statt.

stimmt, denn einmal konnte m dezug auf den Bericht über die vorbereitende Abrüstungskonferenz der Reichsaußen­minister zu einer grundsätzlich bedeutungsvollen, wenn auch knapp, aber nicht zugespitzten Erklärung das Wort nehmen, und dann konnte er nach der Bereinigung der Me­mel st r c i t f r a g e für Deutschland zum erstenmal in Ver­tretung der Interessen eines deutschen BolkskeilS außerhalb der Reichsgrenzen gegenüber einer Rechtsverletzung durch einen fremden Machthaber einen kleinen Erfolg davon- tragen, Deshalb ist das Ergebnis, das nach langwierigen and mühseligen Verhandlungen zustande gekommen war, dvopelt erfreulich. 3m Grunde bedeutet die Erklärung Li­tauens eine Anerkennung der memelländischen Ansprüche in allen ihren entscheidenden Teilen und die Verpflichtung zu ihrer Befriedigung.

Die Erklärung dcS Reichsaußenministers konnte dem­gegenüber kurz gehalten und auf die Registrierung der li­tauischen Verpflichtung beschränkt bleiben. Denn Deutsch­land, daS rein formell keine eigene Sache vertrat, sondern im Völkerbundsinteresse fungierte, hatte seinerseits keine Veranlassung, den litauischen Schritt zu irgendeinem morali­schen Triumph aufzubauschen.

Heute wird der Rot noch einige nebensächlichere Fragen erledigen. ES wird damit gerechnet, daß die ganze Tagung am Freitag zu Ende geht.

Ende der Sechsmächtekonfercnzen

Genf, 16. Juni. Mit der gestrigen Sechsmächte- Konserenz sind die Genfer Besprechungen außerhalb der Tagesordnung beendigt. Das Ergebnis ist fast gleich Null. Nur über die unwichtigste Frage, nämlich die Kon­trolle der zerstörten Ost fest ungen soll eine Einigung zwischen den Außenministern Englands, Frank- reichs und Deutschlands dahin erzielt worden sein, daß diese Kontrolle einem neutralen Offizier übertragen werden soll. Die Persönlichkeit dieses militärischen Sachverständigen stehe noch nicht endgültig fest, dach soll eine Einigung Hiericher be­vorstehen.

In der Frage der Beschränkung der Rhein­landtruppen sollen die Verhandlungen auf diplomati­schem Wege nach der Rückkehr der deutsche» Abordnung von Berlin aus fortgeführt werden. Es soll zwar Einigkeit dar­über bestehen, daß die Besatzung vermindert wird, unent­schieden ist aber noch die Frage, wieviel diese Verminderung betragen soll, obwohl schon längst von den Besetzungsmäch- ten das Versprechen gegeben wurde, die Besatzung auf die Stärke der deutschen Friedensgarnisonen herabzusetzen. Demnach müßten mindestens 20 000 Mann aus dem Rhein­land zurückgezogen werden.

Druck auf Albanien und Südflmvien

London, 16. Juni. Die englische, französische und italie­nische Regierung haben ihren Gesandten in Belgrad und Tirana weitere Weisungen zugehen lassen, um ans die Re. gierungen von Südslawien und Albanien einen gewisse« Druck auszuüben, ihre bisherigen Meinungsverschiedenheiten möglichst ohne Verzug beizulegen, und zwar durch ein diplo­matisches Kompromiß, das die Zurückziehung der scharfen südslawischen Note an Albanien, sowie einen formellen Ver­zicht Albaniens auf Gefangenhaltung des Draqomons der südslawischen Gesandtschaft in Tirana enthält. Die Mächte hätten bisher von einer Intervention Abstand genommen, weil sie befürchteten, daß hierdurch der ganze Zwischenfall vor den Völkerbund gebracht werden könnte, was vermieden werden sollte.

Wllbur über die amerikanische Rüstung zur See

Chufter (Pennsylvania), 15. Juni. Der Mannesekretär Wilbur empfing hier den Ehrendoktortitel der pennfilva- nischen Militärakademie. Er wies auf die ungeheuren Vor­arbeiten auf allen technischen Gebieten hin, die erforderlich waren, um Lindberghs Flug zu ermöglichen. Die Nation könne die Landesverteidigung nicht aus der Erde stampfen und müsse stets gerüstet sein. Die Flotte, die Coolidge kürz­lich besichtigte, habe 360 Millionen Dollar gekostet. Das erscheine ungeheuer hoch, aber das Marineamt habe viel größere Werte zerstört, als es das Washingtoner Abrüstungs- Abkommen ausführte. Butler, der Vorsitzende des Mo- rineausschusses des Kongresses rief:Nie wieder Krieg", worauf Witbur antwortete:Sehr richtig, einmal ist genug, wir gehen zur Dreierkonferenz, um die Kriegsgefahr zu ver­ringern, ober nicht um die Flotte unter das zur Verteidigung erforderliche Mindestmaß bringen zu lassen-

Neuestes vom Tage

Eine deutsche Mahnung an Rußland Berlin, 16- Juni. Hier haben in den letzten Tagen Ver­handlungen zwischen dem deutschen Gesandten in Moskau, Graf Brockdorff-Rantzau, und dem russischen Außenkommis- sar Tschitscherin stattgesunden. Wie verlautet, wurden dabei von deutscher Seite die Russen auf den schlechten Eindruck aufmerksam gemacht, den die russischen Massenhinrich- kungen der letzten Zeit in der ganzen Welt hervorgerufen hätten. Es wird jedoch ausdrücklich betont, daß dieser deutsche Schritt keineswegs von den Westmächten veran­laßt war: es handle sich vielmehr um eine von Deutschland freiwillig übernommene Mitteilung.

Verhandlungen über die neuen Zölle Berlin, 16. Juni. Wie verlautet, ist bei der Verhandlung über Beibehaltung der bisherigen Zollerleichterungen für Lebensmittel die bisherige Regelung läuft bekanntlich am 31. Juli 1927 ab in wesentlichen Punkten zwischen den Regierungsparteien bereits eine Einigung erKÄt wor­den. Eine Zollerhöhung kommt nur in drei FAlen m Frage: Zunächst ist eine Erhöhung des Weizenzolles, d. h. des autonomen Zollsatzes um 50 -Z auf 5,50 -4t vorgesehen. Weiterhin soll der Vertragszoll für Kartoffeln eine Erhöh­ung um 50 -Z auf 1 -4t erfahren von den Landwirten war eine Erhöhung aus 2 -4t gefordert worden , während der autonome Kartvffelzoll in Zukunft auf 1,50 -4t festgesetzt werden soll.

lieber die Fleischzölle schweben noch Verhandlungen. Der bisher 21 -4t betragende Zoll wird vermutlich auch eine Er­höhung erfahren. Won einer Erhöhung der Zollsätze süx Speck und Schmalz ist bereits Abstand genommen worden. Auch wird die Forderung auf Abschaffung des zollfreien Gefrierfleischkontingents van 123 000 Tonnen unberücksich­tigt bleiben. Es ist vorgesehen, daß die neuen Erhöhungen erst am 1. Oktober d. I. in Kraft treten sollen.

Gehaltsreform ad 1. Oktober?

-> Derftn, 15. Juni. Nach einer Meldung derVoffifchen Zeitung soll am 1. Oktober eine Neuregelung der Ve-> mntengehÄter erfolgen. Dos Maß der Ausbesserung stehe fest. Man rechnet jedoch mit einer Erhöhung von 10 bis 15 v. H. Die Vorlage wird, wie das Matt weiter berichtet, dem Reichstag erst nach seinem Wiederzusammen- tritt im herbst, wahrscheinlich Anfang November, .zugehen. ^ie erhöhten Sätze sollen dann rückwirkende Kraft vv°M 1. Okiober an erhalten.

Verlängerung des Mieterschutzes Berlin, 16. Juni. Vom Reichskabinett ist bereits die Verlängerung des Mieterschuhgesetzes beschlossen worden. Die Vorlage geht in den nächsten Tagen an den Reichstag. Seitens Preußens ist eine Verlängerung der Mieterschutz­bestimmungen bis 1. Januar 1930 in Aussicht genommen.

Die Preisfestsetzung für Braunkohlenbriketts Berlin, 16. Juni. In der heutigen Sitzung desReichs - kohlenverbands und des großen Ausschusses des Reichskohlenrat kam zunächst der in der letzten SiAing einem Sonderausschuß zur Prüfung überwiesene Antrag der beiden mitteldeutschen Brounkohlensynüikate auf Er­hebung der Preise >'ür .Hausbrandbriketts im engeren Absatz­gebiet zur Verhandlung. Angenommen wurde ein von einem Vertreter der Verbraucherinteressenten eingebrachter Ver­mittlungsvorschlag, wonach gegenüber dem bisher veröffentlichten Jahrespreisprogramm die jeweiligen Mo­natspreise für die Monate Juli Oktober einschließlich, so­wie für März eine Erhöhung um 1 Mark und für die Mo­nate November Februar einschließlich eine solche um 2 Mark erfahren sollen. Begründet wurde der Vermittlungs­vorschlag damit, daß gewisse Erhöhungen der Selbstkosten infolge der Verkürzung der Arbeitszeit und des Zuschlags für Mehrarbeit bereits eingetreten, andere in ihrer höhe, ziffernmäßig, aber noch nicht feststellbar, zu erwarten sind. Die endgültige Feststellung der Auswirkung der Arbeitszeit­verkürzung soll im Oktober stattfinden. Durch den Vertreter des Reichswirtschaftsministeriums wurde der Beschluß der Preiserhöhung beanstandet. Die Beanstandung geht davon aus, daß das Reichswirtschastsmmisterium nicht die Ueber- zeuaung hat gewinnen können, daß die Spanne zwischen Erlös u^rd Selbstkosten zu stark verkürzt würde.

Keine Auflösung des sächsischen Landtags Dresden, 16. Juni. 3n der heutigen Sitzung des sächsi­schen Landtags gelangten als erste Punkte der Tagesord­nung der sozialdemokratische Antrag: .Der Ministerpräsident Heidt besitzt nicht daS Vertrauen des Landtages' und der kommunistische Antrag: .Der Landtag löst sich auf' zur Verhandlung- Rach etwa zweistündiger Aussprache wurden in der Abstimmung beide Anträge mit 49 gegen 44 Stimmen ab ge lehnt. Für die Anträge stimmten die SPD., die KPD. und die beiden National­sozialisten.

Die Mittwoch-Sitzmig des BölkerbundsrakS Genf. Juni. Die gestrige Ratssitzung war nicht un­erheblich durch die Mitwirkung Deutschlands de-