MITTWOCH, 10. FEBRUAR 1954

Gebührenerhöhung später

hf. BONN. Bundespostminister B a 1 k e berichtete am Dienstag dem Bundestagsausschuß für das Post- und Fernmeldewesen über die Fi­nanzlage der Post und die von ihm beabsichtigte Tariferhöhung. Nach der Sitzung vertraten mehrere Aus­schußmitglieder die Auffassung, daß die vom Verwaltungsrat der Bundes­post und dem Bundesrat zu billigen­den Erhöhungen nicht, wie von Balke gefordert, zum 1. April 1954 in Kraft treten können.

Adenauer nimmt zurück

hf. BONN. Nach mehrmaliger Ver­tagung ist am Dienstag in Bonn einer der letzten im Wahlkampf begrün­deten Prozesse beendet worden. Bun­deskanzler Dr. Adenauer ließ vor der Zweiten Zivilkammer des Lan­desgerichts durch seinen Prozeßbe­vollmächtigen erklären daß er seine am 16. August 1953 aufgestellten Be­hauptungen, die beiden SPD-Mitglie- der S c h r o t h und Scharney hät­ten aus der Ostzone je 10 000 DM für den Wahlkampf erhalten, mit dem Ausdruck des Bedauerns zurückziehe.

Wörtlich ließ Adenauer feststellen: Auf Grund des Verfahrens habe ich mich davon überzeugt, daß die mir über Herrn Schroth bzw Herrn Schar­ney erteilte Information, auf deren Richtigkeit ich nach dem vorgelegten Material vertraute, falsch war.

Der Prozeßbevollmächtigte der bei­den SPD-Mitglieder gab darauf zu Protokoll, daß seine Mandanten dann den Rechtsstreit als erledigt an- sehen. Die Prozeßkosten sollen au­ßergerichtlich geregelt werden.

Zahlen gegen die Kritik von Prof. Erbe

Finanzausschußvorsitzender Möller in Anwesenheit von Kult- und Finanzminister vor der Presse

Von unserer Stuttgarter Redaktion

STUTTGART. Die Kritik, Regie­rung und Parlament von Baden- Württemberg zeigten sich zu wenig aufgeschlossen für die Nöte der Uni­versitäten und Hochschulen des Lan­des, die ihren Höhepunkt in einer Rede des Tübinger Universitätspro­fessors Dr. Erbe bei der Beratung des Kultetats ihren Höhepunkt fand, hat den Vorsitzenden des Finanzaus­schusses des Landtags, Möller (SPD) zur Veranstaltung einer Pres­sekonferenz veranlaßt, bei der auch Finanzminister Dr. Frank und Kult­minister Simpfendörfer zugegegen waren.

Möller legte eine Übersicht über die Bauaufwendungen und Zuschüsse an die sieben Universitäten und Hoch­schulen des Landes vor, aus der her­vorgeht, daß der für diesen Zweck aufgewendete Betrag von 19,7 Millio­nen im Etat 1948 auf 70.5 Millionen Mark im Jahre 1953 stetig angestie­gen ist. Seit der Geldreform sind im ganzen 162,8 Millionen aufgewendet worden, die Ausgaben für die Bau­unterhaltungen, die Versorgungen, Unterstützungen und Beihilfen nicht eingeschlossen.

Damit, meinte Möller, stünden sich die Universitäten in Baden-Würt­temberg wesentlich besser als etwa in Bayern oder Nordrhein-Westfalen.

Im einzelnen ist aus der Tabelle zu entnehmen, daß für die Universi­tät in Tübingen im laufenden Etat 13,5 Millionen Mark ausgewiesen sind. Das entspricht den Aufwendun­

Ost-Westhandel soll erweitert werden

Vorschläge Großbritanniens: Lockerung der Verbotslisten

BERLIN. Großbritannien hat Vor­schläge zur allgemeinen Lockerung der alliierten Kontrollen im Ost-Westhan­del vorbereitet, verlautete aus Kreisen der zur Viererkonferenz in Berlin wei­lenden Delegationen der Westmächte.

Insbesondere zielen diese Vorschläge darauf ab, den stark eingeschränkten Handel mit dem kommunistischen Chi­na zu beleben und die scharfen Kon­trollen zumindest in dem Maße abzu­schaffen, wie das im Handel mit den übrigen Staaten des Ostblocks der Fall ist. Die scharfen Kontrollen für den Chinahandel wurden angeordnet, nach­dem das Pekingregime von den Ver­einten Nationen im Jahre 1951 als Ag­gressor in Korea gebrandmarkt wurde.

Die britischen Vorschläge, die von mehreren europäischen Nationen un­terstützt werden, sollen einem kleinen Arbeitsausschuß von Sachverständigen aus 20 Nationen vorgelegt werden, der in Paris seinen Sitz hat, und dessen Aufgabe es ist, die Einfuhr kriegswich­tiger Güter in die Länder des Ost­blocks zu unterbinden.

Großbritannien will, wie verlautet, als Begründung unter anderem an-

Gebhard Müller erkrankt

STUTTGART. Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Dr. Gebhard Müller, ist nach seiner Rückkehr von der Münchener Ministerpräsiden­tenkonferenz an einem Magen- und Darmleiden erkrankt. Eine Behandlung im Krankenhaus wurde notwendig. Die für den 1. März geplante vierwöchige Amerikareise Dr. Müllers ist aus die­sem Grunde zunächst abgesagt worden.

führen, das andere Nationen, unter ih­nen die Bundesrepublik, Werkzeugma­schinen und Medikamente nach dem Osten ausführen, während dies den britischen Exporteuren durch engere Auslegung der Verbotslisten untersagt ist.

gen für die Heidelberger Universi­tät. Dagegen sind für die Freiburger Universität mehr Mittel, nämlich 18 Millionen Mark etatisiert. Die Tech­nische Hochschule in Stuttgart erhält 9,9 Millionen. Die Betriebszuschüsse sind am höchsten bei der Universi­tät Heidelberg (9,4), gefolgt von Tü­

Militärischer Grußwechsel

BERLIN. Einezackige Ehrenbe­zeigung wechselten am Dienstag im alliierten Kontrollratsgebäude zwei Zivilisten, die in den letzten Wochen lange und oft über Welt­frieden und Abrüstung geredet ha­ben. Außenminister Georges Bi- dault, Ex-Korporal der französi­schen Armee, hob die Hand zum militärischen Gruß, als er vor dem Verhandlungssaal der Großen Vier seinen sowjetischen Kollegen Mo­lototo traf. Dieser salutierte prompt im Stil der Roten Armee.

bingen (9,1) und Freiburg (8,9). An Mitteln für den Neuaufbau und Er­weiterungen der Universitäten sind eingesetzt bei Freiburg 9,1, Stuttgart 5,4, Tübingen 4,4 und Heidelberg 4,1 Millionen. Seit der Währungsreform hat die Universität Freiburg mit 76,1

Millionen die größte staatliche Un­terstützung erhalten, wesentlich we­niger Tübingen mit 53,7 und Heidel­berg mit 51,6 Millionen.

In Ergänzung dieser Zahlen teilte Möller mit. der im laufenden Etat für sämtliche Universitäten aufge­wendete Betrag von 70,5 Millionen ergäbe umgerechnet auf den Kopf der Bevölkerung 10,50 DM (1949: 5,00), in Bayern seien es 7,50 und in Nord­rhein-Westfalen 6,00 Mark.

Keiner der Hochschullehrer, mit Ausnahme von Professor Erbe, meinte Möller, hätte sich öffentlich kritisch über den Etat geäußert.

In ständig steigender Staffelung seien in Baden-Württemberg seit 1949 fürForschung und Lehre 303 Millionen aufgewendet worden, teilte Möller weiter mit. Im Jahre 1948 seien es 23 und im Jahre 1953 schon 81 Millionen gewesen. Kultminister Simpfendörfer betonte, der An­teil der Kultverwaltung am Gesamt­etat sei in Baden-Württemberg höher als in den anderen Bundesländern. Finanzminister Frank sagte, er würde die geäußerte Kritik noch ver­stehen können, wenn der laufende Etat 134 Millionen Überschuß auf- weisen würde, und dieser Betrag nicht als Defizit ausgewiesen wäre.

Erste Runde für den Minister

Zeugenaussage von Staatssekretär Graf im Wiener Krauland-Prozeß

WIEN. Im WienerKrauland-Pro­zeß gegen den ehemaligen österrei­chischen Minister für Wirtschaftspla­nung und Vermögenssicherung erklärte der Staatssekretär im Innenministerium Ferdinand Graf als Zeuge, die öster­reichische Volkspartei und die Soziali­stische Partei hätten nach dem Kriege ein Übereinkommen geschlossen, wo­nach beide Parteien ein Optionsrecht auf eine Papierfabrik bekamen. Nach diesem Übereinkommen, das nach der Aussage des Staatssekretärs . auch von der österreichischen Regierung gebilligt worden sei, hätte die Volkspartei das

Optionsrecht auf die Guggenbacher Pa­pierfabriken erhalten.

Graf erklärte ferner, es sei durchaus möglich, daß Dr. Peter Krauland dem die Anklage u. a. vorwirft, die Verpachtung der in österreichische öf­fentliche Verwaltung übergegangenen Guggenbacher Betriebe von einer Zah­lung von 700 000 Schilling an die öster­reichische Volkspartei abhängig und sich so des Mißbrauches schuldig ge­macht zu haben nichts davon ge­wußt habe, daß sich die Volkspartei entschloß, ihr Optionsrecht auf Gug- genbach für 700 000 Schilling abzugeben.

Raubüberfall. Drei schwerbewaffnete Räuber drangen in das Haus des be­kannten Erfinders und Kunstliebha­bers Oscar Zerk in Kenosha (USA) ein, fesselten den 74jährigen und plünder­ten das gesamte Haus aus. Ihnen fielen Schmuck und Kunstwerke im Werte von 150 000 Dollar (630 000 DM) in die Hände.

DEMAG baut ägyptisches Hochofen­werk. Der ägyptische Produktionsrat beschloß am Dienstag, der DEMAG den Auftrag für die Errichtung des ersten ägyptischen Hochofenwerkes zu erteilen.

Schiffszusammenstoß. Der 7000 Ton­nen große britische FrachterIvor Isobel ist in den frühen Morgenstun­den des Dienstag im Bristol-Kanal mit dem 6100 Tonnen großen dänischen TankerAase Maersk zusammenge­stoßen und mittschiffs stark beschädigt worden.

Zugunglück. Bei dem Zusammenstoß eines Personenzuges mit einem Güter­zug kamen am Sonntag in der Nähe von Celiano Dussan in Kolumbien 9 Personen ums Leben.

Deutsche Hollandhilfe am umfas­sendsten. Die deutsche Hilfsaktion bei der niederländischen Überschwem-

Kleine Weltchroriik

mungskatastrophe wird in einem am Dienstag vom Bundeswirtschaftsmini­sterium veröffentlichten Abschlußbe­richt als die umfassendste technische Hilfeleistung ihrer Art bezeichnet, die Holland zuteil geworden ist.

Reiseerleichterungen Deutschland Japan. Zwischen der Bundesrepublik und Japan ist ein Abkommen ge­schlossen worden, das Erleichterungen für Reisen zwischen den beiden Län­dern vorsieht. Einreisevisa werden vom 1. März an unentgeltlich an solche Personen ausgegeben, die nicht die Ab­sicht haben, in dem Bestimmungsland zu arbeiten. Die Visa haben ein Jahr Gültigkeit.

Malenkow ohne Gegenkandidat. Der sowjetische Ministerpräsident Malen­kow wird bei den Wahlen für den Obersten Sowjet am 14. März im Mos­kauer Wahlkreis Leningrad kandidie­ren. Malenkow hat keinen Gegenkan­didaten.

Streik auf französischen Flughäfen. Rund 2500 Angehörige des französi­schen Flugwetterdienstes sind auf An­weisung der katholischen und soziali­

stischen Gewerkschaften in den Streik getreten, um eine Erhöhung des Mo­natsgehalts um 30007000 Francs (rund 36 bis 84 DM) durchzusetzen.

Tschechischer Flieger bittet um Asyl. Der tschechoslowakische Luftwaffenge­freite Georg Skörm, der zusammen mit einem tschechischen Leutnant in einem zweimotorigen Flugzeug bei Bayreuth notlandete, 'will nicht in seine Heimat zurückkehren und hat die amerikani­schen Behörden um Asyl gebeten.

Kanada möchte keine Atombomben­lager. In Kanada ist man darüber be­unruhigt, daß die amerikanische Luft­waffe auf ihren kanadischen Luft­stützpunkten Atombombenlager anle- gen könnte.

Schiff gesunken. Die 20köpfige Besat­zung des britischen Fischdampfers Laforey, der in einem Schneesturm vor der norwegischen Küste auf ein Riff gelaufen und gesunken war, ist von der Reederei aufgegeben worden.

Demonstration vor Israel - Konsu­lat. 3000 Personen, unter ihnen zahl­reiche Rabbiner und Talmud-Studen­ten, haben am Dienstag vor dem isra­elischen Generalkonsulat in New York gegen die Einberufung von Frauen zum Wehrdienst in Israel demonstriert.

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Lange und langweilige Konferenz

Zur Berliner Konferenz schreibt der liberaleManchester Guardian am Dienstag:

Die Konferenz ist quälend langwei­lig geworden. Langweilig für manche Leute, weil die alten Argumente ständig wiederholt werden, ohne daß es zu einer Entscheidung kommt. Die Konferenz dauert nun bereits genau so lange, wie die Potsdamer Konfe­renz gedauert hat, doppelt so lange wie Jalta, allerdings nur halb so lange wie die fruchtlose Konferenz 1949 in Paris. Obwohl Kürze nicht unbedingt ein Zeichen für Erfolg ist, müssen in Berlin jetzt bald Fortschritte gemacht werden, wenn die Konferenz nicht scheitern soll.

Bewegung in den Fronten

Schweizer Morgenblätter lassen sich am Dienstag aus Berlin be­richten, nach der ersten Geheim­konferenz sei wiederetwas Be­wegung in die erstarrten Fronten gekommen. DieBasler Nach­richten schreiben:

Die Sowjet-Delegation würde der Bildung einer Kommission zustimmen, die nur auf der Ebene der Hochkom­missare und in engster Zusammen­arbeit mit ost- und westdeutschen Stel­len die Möglichkeit der Abhaltung freier Wahlen zu untersuchen und vor allem einen Modus für ein einheitli­ches Wahlgesetz sowie für die Prü­fung der Wahlkontrolle auszuarbeiten hätte. Nach sowjetischer Ansicht müßte diese Kontrolle von den Deutschen selbst, gegebenenfalls nach Bidault* Vorschlag mit Neutralen zusammen, ausgeübt werden. Die Bereitschaft Mo- lotows, zumindest auf die Erörterung der Frage freier Wahlen einzugehen, wird in sowjetischen Konferenzkreisen damit erklärt, daß der sowjetische Außenminister dafür ein neues Ge­spräch über die Fünfmächtekonferenz erreichen zu können glaubt.

Vor entscheidenden Debatten

BONN. Die Neuordnung des Ver­kehrswesens und die Gleichberechti­gung von Mann und Frau stehen im Mittelpunkt der Plenarsitzungen des Bundestages am kommenden Don­nerstag und Freitag.

Für die Debatte über die Verkehrs­lage am Donnerstag liegen die von Bundesverkehrsminister Dr. See- b o h m ausgearbeiteten Vorschlag« noch nicht vor. Über diese wird ge­genwärtig noch im Kabinett beraten. Der Bundestag hat es aber angesicht« verschiedener Anträge und Anfragen der Fraktionen für nötig erachtet, schon jetzt in eine Diskussion de« Problems einzutreten.

Onassis unter Anklage

WASHINGTON. Der griechisch-ar­gentinische Reeder Aristoteles Sokra­tes Onassis, der durch den Bau des RiesentankersTina Onassis auf einer Hamburger Werft auch in Deutschland bekannt wurde, ist in den Vereinig­ten Staaten zusammen mit acht ande­ren Personen und sechs Reedereien wegen gemeinschaftlichen Betruges der amerikanischen Regierung unter An­klage gestellt worden.

Onassis wird vorgeworfen, beim Er­werb von überzähligen Schiffen au« der Kriegszeit, deren Wert mit 18 Millionen Dollar (75,6 Millionen DM) angegeben wird, der Maritime Com­mission, über die die Verkäufe erfolg­ten, fälschlicherweise vorgespiegelt zu haben, daß die ihm gehörenden Ree­dereien in amerikanischem Besitz seien.

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ROMAN VON ELSE VONDERLAHN

Copyright by Verlag v. Graberg & Görg, Wiesbaden (51. Fortsetzung)

Die erstaunliche Ähnlichkeit mit Kilian, die alle, die mit beiden in Berührung gekommen waren, zunächst täuschte? Besteht sie wirk­lich und machte der Bandenchef bewußt Ge­brauch von ihr zu dem Zweck. Verwirrung zu stiften, oder unterstrich er nur zufällig vorhandene Ansätze auf geschickte Art? Wie auf Verabredung aber gehen alle der Frage aus dem Wege, welche Beziehungen wohl zwischen dem Doppelgänger und dem ver­schollenen Adolf Blohm bestanden haben mögen Suchte er Onkel Christian aus irgend einem Grund, als er zum ersten Mal in Lin­denmarkt auftauchte?

Noch immer kann Christian Blohm sich nicht, entschließen, den Schleier von der Ver­gangenheit wegzuziehen. Noch immer ver­mag er nicht über die jetzt schon mehr als zehn Jahre zurückliegenden Ereignisse zu spechen, da er als Kommissar der inter­nationalen Polizei in Shanghai mitWard zu­sammengetroffen war. Wie durch ein Wunder war er damals, an Leib und Seele zerrüttet, den chinesischen Rauschgiftschmugglern entkom­men, Für immer hatte er jene furchtbaren Ereignisse in seinem Herzen begraben ge­wähnt, sie als Sühne auffassend für die Schuld, die er Anna, und damit auch Kilian gegenüber auf sich geladen hatte

Dann aber tritt ein Ereignis ein. daß end­lich Klarheit bringt in all das undurchsich­

tige Geschehen, und den Schleier über der geheimnisvollen Gestalt desChefs endlich lüftet

Nachdem die Polizei schon alle Hoffnung aufgegeben hatte, des Gangsters habhaft zu werden, in der Annahme, er sei über die Grenze entkommen, löst sich das Rätsel überraschend:

Holzfäller fanden seine Leiche im Wald in einem alten, verlassenen Steinbruch, vom Ge­strüpp halb verborgen Sein Körper war un­verletzt, nur am Hinterhaupt klaffte eine fuchtbare Wunde. Viele Tage schon mußte er dort gelegen haben, aber noch in Tod und Verfall bestach sein Gesicht durch die Kühn­heit und Fremdartigkeit seiner Züge. Seine Kleider waren vom Regen verwaschen. Am Gestrüpp hing, ein trauriger Fetzen, die bast­seidene Reisemütze.

Die Papiere, die er bei sich trug, erhellten das Dunkel um seine Abstammung und Her­kunft

Ein Paß, ausgestellt in Baltimore auf den Namen Kay Bloom, geb. in Berlin im Jahre 1895. ausgewandert mit seinem Vater Adolf Blohm im Jahre 1905, gab einwandfreie Auskunft über seine Person.

Er »trug einen Brief in der Tasche: An meinen Bruder Christian Blohm in Linden­markt'

nun ich bald meine letzte Reise antrete, will ich noch ein ein­ziges Mal anständig bandeln: Ich belog dich damals, als ich dir sagte, daß ich bereits verheiratet sei. Meine Ehe mit Anna war rechtskräftig Wohl hatte ich einen Sohn, dessen Mutter war die einzige Frau, vor der ich jemals Ach­tung und zu der ich jemals Liebe empfand Vielleicht, daß sie midi hätte halten können, aber sie starb bei seiner Geburt.

Ich nahm ihn mit hinüber nach USA. als es mir in der Heimat zu eng wurde. Ich war meiner ganzen Ver­anlagung nach ein Verbrecher, und nicht dazu geschaffen, in eine erzwun­gene Ehe gepreßt zu werden Ich belog dich aus Rache über den Druck, den du auf mich ausübtest.

Mein Sohn war zehn Jahre, als wir hierher kamen, und er wurde in noch vollendeterem Maße das, was ich immer gewesen bin: Ein Mensch, der außerhalb der bürgerlichen Gesell­schaftsordnung leben muß, um das Leben wirklich in seinem ganzen Aus­maß zu spüren

Wir haben ein herrliches und wildes Leben geführt, wir beiden, frei und ohne Fesseln und Hemmungen. Und wenn du diesen Brief in Händen hältst, dann ist mein Leben zu Ende gelebt.

Mein Sohn Kay soll ihn dir persön­lich überbringen. Und nun leb wohl für dieses Leben. Verzeih, wenn du kannst deinem Bruder Adolf.

So waren denn die letzten Zweifel über die Gestalt desGeheimnisvollen" behoben, dieses Mannes, der, wie wohl anzunehmen war, mit Absicht und Wissen die Gestalt und die Lebenssituation Kilian Blohms, seines Halbbruders, mißbraucht hatte Die Bildet 1 , die man von Kilian bei dem Toten fand, in den unterschiedlichsten Aufmachungen, ließen erkennen, daß er dessen Lebensgewohnheiten mit Absicht nachgespürt hatte. Nicht zuletzt aber mochte der Instinkt des Blutes den heimatlosen Verbrecher, bei dem alle die zwiespältigen Blohmseigenschaften, die Aben­teurersucht, der Hang zum Großen. Erfin­derischen ins Dämonisch-Negative abgewan­delt waren, an den Ort getrieben haben an dem einst seine Vorväter ein so umfriedetes und ehrbares Leben geführt haben.

XXIX

Über all dem ist es Herbst geworden. Da« Jahr ist schon wieder auf seinem Weg berg­ab. Noch blühen letzte bunte Astern und Dahlien in Vater Berkhoffs Garten, aber schon steigen mit der frühen Dämmerung Nebel und Feuchte aus den Gärten ringsum.

An diesem Abend sitzt Kilian auf der Bank vor der Laube und sieht den Abend in das Land einfallen. Rundum steigt der kräftig« Geruch der brennenden Kartoffelfeuer auf, vermischt sich mit dem starken Brodem um­gebrochener Erdschollen und nebliger Feuchte. Kilian hat seine kurze Pfeife angesteckt und sinniert, wie so oft in letzter Zeit, vor sich hin.

Er ist sehr allein. Der alte Berkhoff und Christian sind zusammen in einem Er­holungsheim in der Nähe von Lindenmarkt untergebracht. Mutter Anna ist wieder in ihrer Wäscherei tätig. Allerdings nur noch kurze Zeit. Dann wird sie für immer als Christian Blohms Frau in ihre alte, nie­vergessene Heimat nach Lindenmarkt über­siedeln. Kilian ist unendlich froh über clas späte Glück, das seinem geliebtenAnnchen von Tharau noch erblüht ist. Zum ersten Mal in seinem Leben erfährt er es wohl, daß seine Mutter auch ein Eigenleben führt, daß sie nicht vollkommen ur.d ausschließlich für ihn da ist.

Äußerlich sind längst alle Spuren der hin.er ihm liegenden schweren Erlebnisse ausae- löscht, die Fäden abgeschnitten, die ihn mit dem Leben mit Martina noch verbanden Er wohnt wieder ausschließlich bei seiner Mut­ter im U-Bogen. Die Wohnung in der Seidl - Straße hat er aufgegeben

Innerlich dagegen kann er mit dem Erleb­nis mit Martina nicht fertig werden. Der Verrat und ihr Freitod, beide? ihm immer noch unbegreiflich bleibend, lasten schwer auf seiner Seele. (Forts, folgt)