MITTWOCH, 10. FEBRUAR 1954

DieStalin-Allee" ist Ostberlins große Renommier Straße. Mit ihren hell er­leuchteten Propagandafassaden bietet sie einen unübersehbaren Kontrast zu der Finsternis rundum im Ostsektor.

Bild: Archiv

Oestliche Prachtstraße endet in Finsternis

ImBudapest ist es ungemütlich / Man fühlt sich ständig beobachtet

Dr. FEO. BERLIN. Eine zur Konfe­renz nach Berlin gekommene west­deutsche Kollegin fragte mich als Einheimischen, was nun wirklich mit der Stalin-Allee sei sie traue sich nicht allein dorthin. Daraufhin lud Ich sie sofort zu einem abendlichen Bum­mel zum Paradestück des Sowjetsek­tors ein.

Schon in der U-Bahn fielen uns im Ostsektor die Frauen und Mädchen auf, die noch gekleidet waren, wie man es imWesten nur m den ersten Nachkriegs jahren sehen konnte, be­sonders die vielen Kopftücher und ho­hen Stiefel forderten zu diesem Ver­gleich heraus. Als wir aus der U- Bahn kamen und mitten in der Stalin- Allee standen, war der erste Eindruck verblüffend. Riesenhohe Kandelaber ließen die breite Straße in hellem Licht erstrahlen, die einheitlichen ho­hen Fassaden der Neubauten wirkten in dieser Beleuchtung unzweifelhaft Imponierend. Die große Renommier­straße von Ost-Berlin zeigte sich tat­sächlich in ihrem besten Licht. Man kann den östlichen Machthabern sogar den Superlativ konzedieren, daß die strahlende Stalin-Allee wohl eben

die hellste Straße von Berlin ist. Aber was bedeuten diese etwa zwei Kilo­meter hell erleuchtete Propaganda­fassade schon, wenn alles übrige da­für um so finsterer ist; jede Seiten­straße dieser östlichenPrachtstraße endet unmittelbar in Finsternis und Dürftigkeit, das läßt sich wirklich nicht übersehen.

Wir betreten das mitten in der Sta­lin-Allee gelegene HO-Restaurant Warschau und werden neugierig an­gestarrt, als wir auf der Suche nach einem Platz das Lokal durchschreiten. An der gegenüberliegenden Straßen­ecke lesen wir in großen Leuchtbuch­stabenBudapest. ImTokaierkel­ler haben die Räume den Charakter eines gemütlichen intimen Weinlokals. Doch hier scheint der eigentliche Be­trieb erst später zu beginnen. Mur wenige Gäste sitzenda; in dem großen Speisesaal im Erdgeschoß ist dagegen kein freier Tisch zu haben und end­lich im Obergeschoß in der Weinab­teilung finden wir an einem Tisch zwei freie Stühle. Hier spielt eine echte ungarische Zigeunerkapelle. Es gibt echt ungarische Küche zu nur für östliche Funktionäre und Westberliner

Die Chinesen senden kein Geld mehr heim

In dasReich der Mitte floß früher jedes Jahr ein MiUiarden-Devisenstrom aus Ersparnissen

FH. HONGKONG. Eine der reichsten und seltsamsten Deviseneinnahmequel­len, die je ein Staat hatte, ist versiegt. Seit Mao Tse-tung das Reich der Mitte nach kommunistischem System umge­modelt hat, senden die im Ausland lebenden Chinesen kein Geld mehr heim.

Das chinesische Sittengesetz schreibt zwingend vor, daß der Sohn seine »Iten Eltern zu unterhalten hat. Auch trachtet jeder Chinese danach, wenig- itens seinen Lebensabend in der Hei­mat verbringen und dereinst seine zterblichen Reste in Heimaterde betten zu können. Aus diesen beiden Grün­den und auch, wie die Zahl der außer­ordentlich fleißigen und genügsamen Söhne Chinas, die in der Fremde ihren

Eine amerikanische Wochenzeitschrift liefert gegen eine Sonderbezugsgebühr ▼on jedem neu begonnenen Fort­setzungsroman an ungeduldige Lese­rinnen, die das Happy-end nicht ab- warten können, die letzten Fortsetzun­gen im voraus. Damit werden die Be­zieher beruhigt, die immer gleich wis­sen wollen, wie es ausgeht.

Vier Stunden lang mußte der Ge­meindevorsteher des Abruzzendörf­chens Monte Ferrante in schneidender Kälte auf einem Baum zubringen: Unten heulten zwei hungrige Wölfe. Er rief um Hilfe. Erst dann befreiten ihn Nachbarn

Fast die gesamte Einrichtung seiner Ewei-Zimmer-Wohnung in Glasgow zertrümmerte der englische Bahnange- stellte William Kent auf der Verfol­gungsjagd nach einem Brummer, der ihn beim Zeitungslesen gestört hatte. Der Schaden beläuft sich auf über 100 Pfund Sterling.

Andrea Capasso ist ein begeisterter Raucher und ein ebenso passionierter Sammler von Zigarettenpackungen ver­schiedener Marken. Bis jetzt hat er 470 Sorten zusammengebracht.

Ein Mann, der sich in einem Schnee- sturm in der Nähe von Rexton (Ka­nada) verirrt hatte, suchte, der Er­schöpfung nahe, im warmen Winter­quartier eines Bären Schutz vor dem Wetter Der Bär nahm keine Notiz von Ihm. Der Mann wurde später gerettet.

2000 Kilometer krenz und quer durch die Bundesrepublik fuhr ein 14jähriger sus Minden in Westfalen, bis er im Münchner Hauptbahnhof von der Poli­zei völlig mittellos aufgegriffen wur­de. Der Bub war bereits zweimal von zu Hause ausgerissen.

291 800 Dollar ln bar sowie zahlrei­che Wertpapiere entdeckte die Polizei ln der Wohnung der 86jährigen Ein­siedlerin Carrie Wherritt in Detroit (USA), nachdem sie von Einbrechern niedergeschlagen und in kritischem Zu­stand in ein Krankenhaus gebracht worden war

Durch das Industriezentrum zwischen Lille und Roubaix fuhr in der Nacht *um Dienstag eine Straßenbahn füh­rerlos neun Kilometer weit, dann lan­dete sie krachend in einem Bäcker­laden.

Der nnge wohnliche Fall, daß ein Arzt **n Krankenbett seiner Patientin vom Tode ereilt wird, ereignete sich in Hohenberg {Oberfranken). Dr. med. Albert End erlitt in dem Augenblick men Herzschlag, als er sich über das Krankenlager einer Schülerin beugte

Unterhalt suchen, groß ist, flössen von jeher große Summen Geldes in Form von Familienunterstützungen und Ar­beitsersparnissen nach China zurück.

In den letzten 15 Jahren erreichten diese Überweisungen zeitweise 1,3 Mil­liarden US-Dollar jährlich, im Durch­schnitt mindestens eine Dreiviertel­milliarde. Im alten China genügte die­ser Betrag an Devisen, das traditionelle chinesische Außenhandelsdefizit auf eine in der Welt ziemlich einzigartige Weise auszugleichen. Nach vier Jahren Kom­munismus ist aus dem Goldenen Strom ein kleines Rinnsal geworden. Auf kaum zwei Millionen Dollar jährlich wird der jetzige Wert der Geldüber­weisungen nach dem Roten China noch geschätzt.

Das seit dem koreanischen Krieg verhängte Embargo für Dollarzahlun­gen nach dem kommunistischen China trägt wohl auch zu dem Rückgang bei, spielt aber keineswegs die Hauptrolle. Weitaus die meisten der elf Millionen Auslandsehinesen leben in Südostasien. Sie haben aus freien Stücken mit einem aitüberkommenen Brauch gebrochen.

Die Gründe liegen auf der Hand. Das kommunistische Regime hat der Gans, die die goldenen Eier legte, den Hals umgedreht, indem es seine Hand nicht von den Geldern lassen konnte, die den Familien der Söhnne Chinas in

der Fremde zugedacht waren oder ais Ersparnisse in der Heimat angelegt werden sollten.

Anfangs hatte Peking zwar allerhand Erleichterungen geschaffen, um die elf Millionen Auslandschinesen zu ver­stärkter Kapitalüberweisung nach der Heimat zu ermuntern: einen bevorzug­ten Wechselkurs, garantierte Zins­erträge, Freistellung von Auslands­chinesen gehörigem Grundbesitz von der Landreform. Diese freundliche Po­litik wurde aber bald über Bord ge­worfen. Im zweiten Jahr der Landre­form begann das kommunistische Sy­stem auch den Besitz der Auslands­chinesen zu enteignen. Diejenigen, die ins Reich der Mitte heimkehrten, um auf dem dort erworbenen Bauerngüt- chen oder in einem neubegründeten Geschäft ihr Alter zu verbringen, wur­den zum Teil verhaftet und teilten das Schicksal, dasGroßagrariern und Kapitalisten bereitet wurde. Die Ka­pitalzinsen wurden zwar nicht ange­griffen, aber in China blockiert.

Ein scharfer Rückgang der bis dahin reichlich fließenden Geldüberweisungen in die kommunistisch gewordene Hei­mat war die Folge. Dann - kamen der Krieg in Korea und die amerikanische Devisenausfuhrsperre, und seitdem muß Peking auf eine früher üppige Ein­nahmequelle praktisch ganz verzichten.

Operation ist nicht zu erzwingen

Grundsätzliches Urteil eines Sozialgerichts

HOF. Das in Hof tagende Sozialge­richt Bayreuth hat ein bemerkens­wertes Urteil gefällt, das vor allem für den großen Kreis der Rentenemp­fänger von erheblicher Bedeutung ist. Der Kläger, ein Handwerksmeister aus Hof, sollte durch die Berufsgenossen­schaft auf Grund der Reichsversiche­rungsordnung dazu gezwungen wer­den, sich einer Operation zu unter­ziehen, andernfalls er keine Unfall­rente mehr erhalten solle. Die Renten­zahlung war in Hinblick auf diese Forderung seit längerer Zeit einge­stellt worden. Das Sozialgericht kam nun zu der Entscheidung, daß auf Grund des Artikels II des Grundgeset­zes. der die körperliche IJnversehrheit garantiert, der Kläger nicht gezwun­gen werden darf, sich operieren zu lassen. Demnach muß ihm seine Rente auch weiterhin ausbezahlt werden. Die Auflage der Berufsgenossenschaft sich einer Operation zu unterziehen, stelle, so begründet das Gericht seinen Ent­scheid, einen glatten Eingriff in die Grundrechte des Menschen dar.

Kampfansage gegen Hexenwahn

KAUFBEUREN. Der bekannte Agrar­politiker Dr. Haushofer, sagte dem ge­meingefährlichen Hexen- und Wunder­glauben, der gelegentlich in der bäuer­lichen Bevölkerung noch Blüten treibe, scharfen Kampf an. Haushofer, der zu diesem Thema bereits im Bayerischen Rundfunk gesprochen hatte, hat aus vielen Gegenden Briefe erhalten, ln denen es lebhaft begrüßt wurde daß man nun einmal daran gehe, den He­xenwahn Im Scheinwerferlicht der Öf­fentlichkeit unschädlich zu machen. Dr Haushofer zitierte den Fall derHexe von Peinten ln der Oberpfalz, einer ehrsamen Bauersfrau, die durch un­verantwortliches Gerede ein wahres

Martyrium erlitten habe, wobei erst das Gericht ihren guten Ruf wieder- herstellen konnte In anderen Gegen­den seien durch ähnliche Vorgänge alt­eingesessene Bauemfamilien veranlaßt worden, Haus und Hof zu verlassen. Dies sei für Bayern eine Kultur­schande.

erschwinglichen Preisen und ungarische Weine. Ungarischer Sekt kostet bei­spielsweise 21.50 Ostmark. Essen, Wein und Musik sind ausgezeichnet, aber die ganze Atmosphäre wirkt auf uns eigentümlich ungemütlich. Man sollte sich hier wohlfühlen, aber man kann es nicht, weil man sich ständig beob­achtet glaubt. Mit einigen Westberli­ner Stammgästen, die die Gunst des Wechselkurses ausnutzen, um imBu­dapest billig Wein zu trinken, un­terhalten wir uns zunächst über die Preise der einzelnen Gerichte, die so zwischen 412 Ostmark liegen und für gewöhnliche Ostmarkverdiener doch offenbar unerschwinglich sind.

Aber die Arrivierten können das bezahlen. Wenn Sie die in Reinkultur sehen wollen, dann müssen Sie ins Hotel Newa am Wordbahnhof dem früheren Stettiner Bahnhof gehen, da verkehren sogar Minister und die ganze östliche Prominenz. Dort wird auch getanzt aber als Westberliner kommt man sich vor wie auf dem Präsentierteller, zweifellos wird man da auch ständig von SSD-Agenten be­obachtet und man ist immer froh, wenn man wieder glücklich draußen steht. Auch im HotelJohannishof" an der WeMendammer Brücke, wo offi­zielle Gäste untergebracht werden, ist Nachtbetrieb mit Tanz und um den Friedrirhstadt-Palast das frühere Große Schauspielhaus herum sind ein paar kleine Tanzdielen ..Kasino. ..Melodie und ..Haio. Schließlich gibt es noch am Bahnhof Friedriehstraße ein Tanzlokal ..Rheinterrassen. Damit hört dann aber das Nachtleben von O'rf-Berlin endgültig auf."

Wir sind, offen gestanden, nicht mehr neugierig darauf, dieses östliche Nachtleben genauer zu studieren. Die ganze Zeit hatten wir das Gefühl daß der Kellner und ein Herr am Nach­bartisch mit dem Abzeichen der Ge­sellschaft für Deutsch - Sowjetische Freundschaft uns scharf beobachteten. In dieser Atmosphäre kann keine echte

Nach wie vor am liebsten rohes Fleisch ißt der neunjährige Wolfsjunge von Lucknow. Die Massagebehandlung, der das Kind zur Zeit in einem Kranken­haus unterzogen wird und die in an­deren, ähnlichen Fällen zu Erfolgen führte, hat bis jetzt noch keinerlei Wirkung gezeigt Bild: AP

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Gemütlichkeit aufkommen. Wir zahlen und gehen. Als unsere U-Bahn den letzten Bahnhof des demokratischen Sektors", wie die Stationsvorsteherin laut ausruft, passiert hat und wir wie­der in West-Berlin sind, atmet mein» Begleiterin erleichtert auf Dann sit­zen wir am Kurfürstendamm im , Quartier Boheme und erholen un* bei einem Mokka von unserem Ost­berlin-Erlebnis.Ich habe darübe* nachgedacht, wieso man jedem den Osten sofort ansieht, sagt meine Kol­legin,dabei scheint mir nicht mal di» Kleidung ausschlaggebend zu sein, son­dern die Haltung. Die Menschen au» dem Osten haben ihr seelisches Ge­sicht verloren, daran erkennt man si» mit größter Sicherheit und das ist viel schlimmer, als wenn es nur die Klei­dung wäre "

Bunter Wrft - Spiegel

Rücksichtsvoll

LONDON. Eine alte Telefonzelle mit schalldichten Wänden erbat ein Lon­doner Musiker von der Postverwal­tung. Er möchte in Ruhe seine Stu­dien fortsetzen, ohne die lieben Nach­barn dabei übermäßig zu stören. Die Post konnte sich einem aus derart ideellen Beweggründen vorgebrachten Wunsch nicht versagen. Sie gab be­kannt. daß die Zelle geliefert werde. Leider wurde nicht bekannt, welches Instrument der rücksichtsvolle Künst­ler spielt.

Rentierherde abgeschnitten

LULEA. Eine Herde von 40 Rentie­ren ist seit 10 Tagen auf dem Gipfel des Berges Terrekaje in schwedisch Lappland gefangen. Ein hungriger Luchs hatte die Herde verfolgt und auf die Bergspitze gejagt, als plötzlich' ein heftiger Sturm losbrach und den Schnee vom Gipfel fegte, so daß die Tiere hilflos auf den eisbedeckten Hängen zurückblieben. Einige Rentiere, die den Abstieg versuchten, rutschten aus und stürzten in die Tiefe Nach An­

sicht der Hirten müssen die Tiere er­schossen werden oder sie verhungern, falls nicht Neuschnee fällt und ihren Hufen einen Halt für den Abstieg gibt

Kobra im Hungerstreik

MYSORE. Im Zoo von Mybye befindet sich eine drei Meter lange Königskobr« seit 107 Tagen im Hungerstreik, obwohl Hunderte von Hindus dem von ihnen ala heilig betrachteten Reptil täglich frisch» Kuhmilch gebracht haben, hat es seit sei­ner Gefangennahme keine Nahrung mehr zu sich genommen.

Doppeimörder verurteilt

NÜRNBERG. Das Schwurgericht hat den 30jäbrigen Otto Konrad aus Her- zogenbom wegen Doppelmordes .zu lebenslänglichem Gefängnis verurteilt Gleichzeitig wurden ihm die bürger­lichen Ehrenrechte auf Lebenszeit aber­kannt. Konrad hatte im Mai vergan­genen Jahres eine 76jährige Rentnerin und ihren 74jährigen Bruder in deren Häuschen überfallen und erschossen. Er entfloh nach der Tat, ohne etwas zu rauben

Die Anheqer

Anlieger können wir solche Personen des öffentlichen Lebens nennen, die neuerdings jedesmal, wenn sie den Mund auftun, verkünden, daß sie irgendein Anliegen haben. Das scheuß­liche Modewort soll bedeuten, daß einem Schreibenden, Vortragenden oder Gesuchsteller an einer Sache et­was liege. Das Anliegen ist häufig mit einem unzweideutigen Blick auf den Geldbeutel anderer Leute verbunden und klingt für hellhörige Ohren schon darum von vornherein unangenehm. Ein besonderes Anliegen ist es den Wohlmeinenden, für einen guten, ge­meinnützigen Zweck aus staatlichen oder städtischen Mitteln ein Sümm­chen herauszuschlagen. Es kann zum Herzensanliegen werden, wenn es sich dabei um Hilfe für die Armen und Leidenden handelt.

Die Absicht kann noch so vortrefflich sein, aber wenn sie als Anliegen aus­gegeben wird, werden wir mißtrauisch. Hier will einer offenbar etwas von uns. Aber warum sagt er es denn schablonenhaft? Er könnte uns von seiner Idee überzeugen, wenn wir spüren, daß er von ihr durchglüht ist. Aber seine Anliegen hat er wahr­scheinlich in numerierten Aktendek- fceln gesammelt, um bei den zuständi­gen Instanzen die entsprechende Ein­gabe zu machen. Das Wort riecht nach Behördenstaub.

Im sechzehnten Jahrhundert schrieb man anliegen für anlügen. Wenn wir es jetzt für eine Weile umgekehrt machten und anliegen mit ü schrieben, würden wir die unaufrichtige Floskel vielleicht allmählich aus dem Sprach­gebrauch loswerden. Simplicius Simp- lici ssimus schildert, wie es ist, wenn einer Läuse hat; er findet es lästig, weilen ja solches heimliche Anliegen einen Menschen ganz träge machet" In diesem Zusammenhang, als lausige Plage, können wir das Anliegen im­merhin gelten lassen.

Neue Bach-Ausgabe

Das Bach-Gedenkjahr 1950 hat den Anstoß zu dem Plan gegeben, das Werk Johann Sebastian Bachs in einer neuen Gesamtausgabe vorzulegen. Die alte Bach-Ausgabe wird auf den wissen­schaftlichen Erkenntnisse der in den letzten Jahren zu vielen neuen Ergeb­nissen gelangten Bach-Forschung auf­bauen und damit auch der musikalischen Praxis dienen, der sie ein in vielen Zügen neues und berichtigtes Bild von Bachs Werk vermitteln wird. Zur Durch­führung der für Wissenschaft und Pra­xis gleich wichtigen, längst notwendi­gen Ausgabe wurde das Johann-Seba- stian-Bach-Institut Göttingen, das zu­sammen mit dem Bach-Archiv Leipzig für die Neue Bach-Ausgabe zeichnet, gegründet. Als Direktor wurde Prof. Dr. Hans Albrecht, Kiel, berufen. Der

Bärenreiter-Verlag Kassel und Basel wurde mit der verlegerischen Durch­führung des Unternehmens beauftragt. In das Herausgeber-Kollegium sind über 20 führende Musikforscher aus 11 Ländern berufen worden.

Kulturelle Nachrichten

Generalmusikdirektor Professor Kan» Knappertsbusch wird mit Be­ginn der Spielzeit 1954)55 die musika­lische Oberleitung der Bayerischen Staatsoper übernehmen. Kultusmini­ster Dr. Josef Schwaiber gab dem Rücktrittsgesuch des ehemaligen Gene­ralmusikdirektors Rudolf Kempe statt

Generalmusikdirektor Professor Karl B o e h m ist zum Direktor der künfti­gen Wiener Staatsoper ernannt worden.

Bundeskanzler Dr Konrad Aden­auer wird auf derJahresver­sammlung 195 4 des Stifter­verbandes für die Deutsche Wis­senschaft in Wiesbaden am 30 April sprechen.

Das J ugendschrifttum stand 1953 mit 1106 Titeln das sind 7,8 Prozent an vierter Stelle der ge­samten Buchproduktion der Bundes­republik. Den Hauptanteil bestritt die sogenannte schöngeistige Literatur mit 17,4 Prozent An zweiter Stelle fol­gen Schulbücher mit 13,1 und an drit­ter Stelle religiöse und theologisch» Schriften mit 8.3 Prozent

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