,Rechts müßt ihr steuern, hallt ein Schrei“
Neuoidnung im schwedischen Straßenverkehr / 150 Millionen Kronen für die Umstellung
Von unserem Skandinavien-Korrespondenten G. Dali mann
PRESSESTIMMEN
Eisenhower „nicht erfreut“
WASHINGTON. Präsident Eisenhower nahm auf seiner Pressekonferenz aus freien Stücken zu der Niederlage der von ihm gestützten republikanischen Kandidaten bei den Gouverneurs-. Bürgermeister- und Abgeordneten-Nachwahlen Stellung und sagte, er sei „naturgemäß nicht durchaus erfreut darüber“, aber er habe „schon früher mal ein Scharmützel verloren“.
In ziemlich starker Bewegung lehnte es der Präsident ab, sich darüber zu äußern, ob seiner Ansicht nach in den Wahlresultaten zum Ausdruck komme, daß sich die Republikaner in politischen Schwierigkeiten befänden.
Dehler: Verbundenheit
ESSEN. Der Vorsitzende der FDP- Bundestagsfraktion, Dr. Thomas Dehler, erklärte in einem Interview, daß er und seine Parteifreunde in der Saarfrage von Anfang an einen Standpunkt eingenommen hätten, den auch die Sozialdemokratie billige. In diesem Zusammenhang sprach Dehler von einer „traditionellen Verbundenheit“ von Liberalen und Sozialdemokraten in der Monarchie und der Weimarer Zeit.
BONN. Ein Gesetzentwurf über den Luftschutz in der Bundesrepublik ist im Bundesinnenministerium nach mehr als einjähriger Arbeit fertiggestellt worden. Die Finanzierung der sehr kostspieligen Luftschutzmaßnahmen ist dagegen noch ungeklärt. Erst wenn diese Frage gelöst ist, kann der Entwurf dem Kabinett zugeleitet werden.
Im Bundesinnenministerium wurde darauf hingewiesen, daß beispielsweise Schweden mit sieben Millionen Einwohnern rund 48 Millionen Mark und England rund 190 Millionen Mark im letzten Haushaltsjahr für Luftschutzzwecke ausgegeben haben. Daran könne man die Schwierigkeiten der Finanzierung des Luftschutzes in der Bundesrepublik deutlich ablesen. Es wird erwogen, daß sich Bund, Länder und Gemeinden nach einem noch festzulegenden Schlüssel gemeinsam an den Kosten beteiligen sollen.
Nach dem Entwurf sollen Wohnungsneubauten mit Luftschutzräumen ausgestattet werden, die auch Schutz gegen Atomwaffen bieten. Der Gesetzentwurf geht über Rahmenvorschriften
Gefangenenpakete gebührenfrei
BERLIN. Die seit einem Monat bestehende Gebührenpflicht für Postpakete an deutsche Gefangene in der Sowjetunion ist wieder aufgehoben worden. Wie der Berliner Landesverband des Deutschen Roten Kreuzes am Donnerstag mitteilte, hat sich die Post- • erwaltung der Sowjetzone nach Fühlungnahme mit der sowjetischen Postverwaltung zu diesem Schritt ent- .'•rhlossen. Die Sowjetunoin habe damit dokumentiert, daß sie die an deutsche Gefangene und Internierte gerichteten Pakete entsprechend den Vorschriften des Weltpostvereins als gebührenfreie Postsendungen ansieht. Pakete dieser Art sind mit dem Vermerk „gebührenfrei, franc de port“ zu versehen und werden von der Post wieder unbeschränkt und ohne Gebühren angenommen. Eine Ausnahme gilt für Pakete in die Sowjetunion, die an Empfänger unter dem Postfach Nr. 908 und 1037 gerichtet sind.
STOCKHOLM. Lange genug hat in Schweden — einem der ganz wenigen Länder in Europa, wo noch Linksverkehr auf den Straßen herrscht — der Kampf um den im Zuge der Angleichung an den internationalen Verkehr fälligen Rechtsruck getobt, unzählige Debatten sind geführt worden — jetzt soll es ernst werden.
Soeben sind 16 Mitglieder des Parlamentsausschusses, der sich dem Studium dieses brennenden verkehrspolitischen Problems widmet, von einer Reise per Auto durch Dänemark und Nord- bzw. Westdeutschland zurückgekehrt, um sich von der Praxis der Rechtssteuerung ein Bild zu machen und nicht nur am grünen Tisch zu entscheiden. Noch hüllen sich die schwedischen Senatoren über ihre auf dem Kontinent gewonnenen Eindrücke in Schweigen, jedenfalls offl-, ziell, um dem Beschluß von Reichstag und Regierung nicht vorzugreifen. Auch sind die Gegner einer Kursumlegung in Schweden immer noch munter und standhaft — auch namhafte Zeitungen veröffentlichen am laufenden Band empörte Zuschriften
hinaus und sieht die Errichtung einer Bundesanstalt für den Luftschutz vor. örtlicher Luftschutzleiter wird der leitende Kommunalbeamte sein und nicht, wie früher, der zuständige Polizeioffl- zier.
Der Werkluftschutz soll — dem Entwurf zufolge — von der Industrie finanziert und von der Wirtschaft als Selbstverwaltung übernommen werden. Für die Finanzierung sind steuerliche Erleichterungen vorgesehen. Produktion und Verkauf von Luftschutzgeräten sollen frei, das Luftschutzgerät selbst allerdings genormt sein. In dem Entwurf ist ein freiwilliger Hilfsdienst vorgesehen. Falls sich hierfür nicht genügend Leute melden, soll eine Dienstverpflichtung möglich sein.
Brandserie im Bayerischen Wald. Im Grenzgebiet des Bayerischen Waldes nimmt die Zahl der Schadenfeuer von Woche zu Woche zu. Die Bevölkerung stellt seit einigen Nächten Wachen auf, um die Brandstifter zu fassen. Allein in den letzten fünf Tagen verursachten vier Brände einen Gesamtschaden von 100 000 DM.
Neue Heimkehrertransporte? Weitere Gefangenenentlassungen durch die Sowjetunion werden in der Novemberausgabe des Organs des Heimkehrerverbandes „Der Heimkehrer“ angekündigt. Die ersten Entlassungen werden noch für die erste Novemberhälfte erwartet.
Massenmörder wegen Rentenkürzung. Sechs Menschen mußten in der belgischen Ortschaft Thy le Chateau ihr Leben lassen, weil ein amoklaufender Invalide von der fixen Idee besessen war, seine Nachbarn seien an der Kürzung seiner Rente schuld.
Mit Schiffen in die Freiheit. Zwei Ostberliner Schiffseigentümer haben in den letzten Tagen ihre Schleppkähne nach Westberlin gebracht, und wollen nach ihrer Notaufnahme ihrem Beruf in Westberlin nachgehen.
Noch 25 000 Juden in Deutschland. Die heutigen jüdischen Gemeinden in Deutschland zählen nur noch etwa
von Gegnern des Rechtsverkehrs. Aber die Verkehrsexperten und in ihren Spuren auch die Reichstagsabgeordneten scheinen nun für den
iimitiHHiiMiiHiiiiiiiiiimiiiiimHiHimiiiiiiiiiimimHiiiiiiiiHHmiiimiiiiii
Bunte Woche
„Hummel-Hummel“ ohne Brauer.
Paulus als Chamäleon.
Konrad trifft Freund Ollenhauer.
Kein Erfolg in Pan Mun Jon.
Im Korea-Camp gibt’s Schläge.
London zwinkert Teheran.
Frankreich würfelt um Verträge.
Friedens-Preis für Marshallplan.
Naher Osten: Grenz-Skandale.
Köln geht 0:5 nach Haus.
Saarstreit und Triest-Kabale
hängen uns zum Hals heraus.
...
Übergang zum Rechtsverkehr gewonnen.
Es kostet nur eine Kleinigkeit... eine Kleinigkeit von 150 Millionen Kronen (ungefähr 115 Millionen DM). Und da hat Schwedens Finanzminister große Bedenken. Die Anhänger des Rechtsverkehrs sind allerdings ungerührt von diesem Argument. Sie weisen darauf hin, daß nur der sture Trotz der Bannerträger der Linkssteuerung daran schuld ist, daß die Neuordnung nicht bereits 1945 eingeführt worden ist. Damals fehlte es nur an zehn Stimmen im Reichstag zugunsten des Projektes — und damals hätte die Umlegung nur 27 Millionen Kronen gekostet (So sind inzwischen Preise und Löhne gestiegen — und die Kaufkraft der Krone gefallen!).
Die Frage, die besonders natürlich die standhaften Partisanen des altüberkommenen Linksverkehrs in Schweden sehr genau beantwortet wissen wollen, lautet: garantiert der
Kleine Weltchronik
25 000 Mitglieder statt 650 000 vor 1933. Zu dieser Zahl kommen noch weitere 8000—10 000, die noch nicht bei den jüdischen Gemeinden registriert sind.
Thorez an der Riviera. Der Generalsekretär der Kommunistischen Partei Frankreichs, Maurice Thorez, der seit seiner Rüdekehr aus der Sowjetunion nicht mehr in Erscheinung getreten ist, befindet sich seit einer Woche in einer streng bewachten luxuriösen Villa an der Riviera auf Urlaub.
Verkehrsflugzeug mit 23 Passagieren vermißt. Ein bolivianisches Verkehrsflugzeug mit 23 Passagieren an Bord wird seit Dienstagnacht im südbolivianischen Urwaldgebiet vermißt.
Amerikanerin verklagt Bundesrepublik. Die amerikanische Krankenschwester M. H. McLane hat bei einem Gericht in Frankfurt die Bundesrepublik auf Zahlung einer Schadenersatzsumme von 250 000 DM verklagt. Sie behauptete, daß sie durch die Beschlagnahme von vier Rennpferden als Sicherheit für Zoll- und Steuerforderungen einen Schaden in dieser Höhe erlitten habe.
Übergang zur Rechtsordnung wirklich eine wesentliche Senkung der Verkehrsunfälle? Um diesen Preis würden sich wahrscheinlich auch viele Anhänger des „linken“ Kurses überzeugen lassen und mit den „Rechten“ stimmen. Auch in Schweden ist die Zahl der Verkehrsunglücke hoch, und alles, was in menschlicher und behördlicher Macht steht, sie zu vermindern, sollte natürlich getan werden — möglicherweise ist Rechtsverkehr der rechte Weg.
Die Anhänger der Neuerung behaupten es. Und sie haben noch folgendes Argument bereit: 150 Millionen sind natürlich eine große Summe. Aber die Verkehrsunglücke des Jahres 1952 kosteten Schweden doppelt so viel. Kann der Rechtsverkehr die Unglücksfallkosten auch nur um zwei Prozent vermindern, dann kann man wirklich -sagen, daß die Verkehrsrevolution mit Zins und Zinseszinsen gelohnt hat.
Daß die Touristen aus dem übrigen Europa, die Schweden besuchen, die Neuordnung nur begrüßen würden, versteht sich am Rande. Aber vorläufig mögen die Landesfremden, die per Auto nach Schweden kommen, beachten, daß hier immer noch die Parole gilt: „Links müßt ihr steuern, hallt ein Schrei!“ Immer noch — und bis zum 1. Januar 1959. Vorher kann man nämlich mit Rechtssteuerung in Schweden nicht rechnen, vorausgesetzt, daß nun der Reichstag seinen Segen dazu gibt. Gut Ding will Weile haben.
Niederdrückend
„Geschwundene Hoffnungen “ — „Moskau tötet V erhandlungsvor- ^Schläge“ — „Sowjets ignorieren Lu- 'gano“, so lauten am Donnerstag die Überschriften führender Blätter zur Sowjetnote. Die „Time s“ stellt resigniert fest:
„Es ist vielleicht die niederdrückendste Note, die bisher von den Sowjets übermittelt wurde. Indem sie neue Bedingungen stellen, haben sie es noch klarer als bisher gemacht, daß sie unter allen Umständen eine Konferenz über Deutschland verhindern wollen. Sie wollen keine echten freien Wahlen riskieren und eine Wiedervereinigung Deutschlands überhaupt nur unter Bedingungen ins Auge fassen, von denen sie wissen, daß sie der Westen nicht annimmt und sie die Deutschen selbst nicht wünschen.“
Selbst wenn er möchte . . .
Zu den Vorgesprächen zwischen Bundeskanzler Dr. Adenauer und dem französischen Hochkommissar Francois - Poncet bemerkt die „Neue Zürcher Zeitung “, daß die Bewegungsfreiheit des Kanzlers in diesen Gesprächen angesichts der starken deutschen Widerstände gegen die Pariser Saarabsichten stark eingeengt sei. Das Blatt schreibt:
„Am Willen Adenauers zur deutschfranzösischen Verständigung ist zwar nicht zu zweifeln; aber seine Bewegungsfreiheit erscheint nicht unbeschränkt. Er muß nach wie vor den Beschluß achten, der am 2. Juli vom Bundestag einstimmig angenommen wurde. Darin wird der Regierung auferlegt, daß sie in Verhandlungen die Zugehörigkeit des Saargebiets zu Deutschland wahren müsse.“
Milde Richter für Rössler
Urteil des Schweizer Bundesgerichts: 1 Jahr
LUZERN. Das Oberste Schweizer Bundesgericht verurteilte am Donnerstag im Luzerner Spionageprozeß den früheren deutschen Journalisten Rudolf Rößler zu einem Jahr Gefängnis. Der mitangeklagte Schweizer Journalist Dr. Xaver Schnieper erhielt neun Monate Gefängnis. Beide wurden im
Ehrung für Ernest Bevin. Anläßlich der Enthüllung einer Büste Ernest Be- vins im britischen Außenministerium hat Premierminister Churchill den Verstorbenen als einen der größten Außenminister Großbritanniens bezeichnet. Bevin bekleidete diesen Posten unter Attlee von 1945 bis zu seinem Tode im Jahre 1951.
Bundesminister für Sonderaufgaben ziehen ein. Die Bundesminister für besondere Aufgaben werden noch in dieser Woche ihre Diensträume im dritten Stockwerk des noch nicht ganz fertiggestellten Hochhauses des Bonner Auswärtigen Amtes beziehen.
Noch 900 deutsche Gefangene in Ungarn. Zwei aus dem ungarischen Lager Tiszaloek entlassene deutsche Kriegsgefangene sagten in Bretten (Nordbaden) übereinstimmend aus, daß in den ungarischen Zwangsarbeitslagern noch 900 bis 950 ehemalige deutsche Soldaten zurückgehalten würden.
Amerikanische Weihnachtspakete für Deutsche. Rund zwei Millionen bedürftige Familien in der Bundesrepublik und in Westberlin werden zu Weihnachten eine Lebensmittelspende der amerikanischen Regierung erhalten, teilte die amerikanische Hohe Kommission am Donnerstag mit.
Gefängnis / Keine Ausweisung
Sinne der Anklage der militärischen Spionage zum Schaden fremder Staaten schuldig befunden.
242 Tage Untersuchungshaft werden den Verurteilten angerechnet, die Haftbefehle werden aufrechterhalten, Rößler hat zwei Drittel der Kosten, Schnieper den Rest zu tragen.
Der Bundesanwalt als Ankläger hatte für Rößler sechzehn Monate und für Schnieper vierzehn Monate Gefängnis beantragt. In der Urteilsbegründung führte der Gerichtsvorsitzende aus, die Verhandlung habe den objektiven Tatbestand des militärischen Nachrichtendienstes erwiesen. Dieser sei näch der eidgenössischen Rechtsprechung auch dann strafbar, wenn er sich nicht gegen die Schweiz, sondern gegen fremde Staaten richtet.
Von einer Landesverweisung für Rößler, wie sie die Bundesanwaltschaft beantragt hatte, hat das Gericht abgesehen. Die Motive der beiden Angeklagten wurden vom Bundesgerieht als nicht ehrenhaft bezeichnet.
Gruber sorgt für Sensation
WIEN. Als eine politische Sensation wurde in Österreich die Veröffentlichung zweier Abschnitte aus den Erinnerungen des österreichischen Außenministers Dr. Karl Gruber in der Wiener Zeitung „Die Presse“ aufge- nommen. Gruber schildert parteiinterne Vorgänge des Jahres 1947, vor alle -i Verhandlungen von ÖVP-Politikern.; ihrer Spitze Bundeskanzler Figl, r~:'. den österreichischen Kommunisten. Gelber schreibt, ihm sei damals wegen r’ : • ser Verhandlungen „der Kragen • - platzt“.
Luftschutz wird wieder aktuell
Nur die Finanzierung bereitet noch Sorgen / Atombombensichere Keller
DieirÄWJÖber.
WEINSTRASSE
ROMAN VON MEINL LORENZ - LAMBRECHI
Copyright by Duncker Presse-Agentur, Berlin durch Verlag v. Graberg & Görg, Wiesbaden
(23 Fortsetzung)
Dann sagte Renate mit warmer Stimme: „Ich bin Ihnen so dankbar, Herr von Schönfeld, daß Sie mir die herrliche Zeit im Schlößchen verschaffen.“
Ein kleines Schweigen folgte den Worten. Hierauf hörte sie seine Stimme wieder im gewohnten, höflich-kühlen Ton: „Dann ist also der Wagen morgen vormittag zehn Uhr am Theater.“
„Ja, danke“, sagte Renate etwas aufgescheucht Nach einigen förmlichen Worten hängten sie ein.
Sicher wußten Ludwig und Käthe Schönfeld um ihren Besuch in St. Martin. Beide trugen die Tatsache mit Würde und Gleichmut. Sie hätten sich darüber gefreut, wenn sie die Sicherheit gehabt hätten, daß der Besuch ihrem eigenen Besten galt. Aber es war gar nicht mehr die Rede von einer Vermittlung zur Beseitigung der Kluft zwischen den beiden Brüdern gewesen
Als sie sich dann von Ludwig Schönfeld verabschiedete, sagte er mit kläglich grimmigem Humor: „Sollte bei meinem Bruder wider Erwarten doch einmal die Rede auf mich kommen, so brauchen Sie ihm nicht gleich den .schüchternen Wink des Sensenmannes* unter die Nase zu reiben.“
Aber Renate las hinter den flatternden Augen doch eine unausgesprochene Bitte.
Als eine knappe Stunde später das Auto mH Renate ln den Gutshof einbog, sperrte Heino mit gespreitzten Armen die Fahrt. Er hatte schon lange auf der Lauer gelegen. Wieder ffi“ es F, era Herzen einen Stich, als sie die schwerfällige Bewegung des Jungen sah
Langsam, Heino! Langsam, Junge!“ rief sie, indem sie hastig ausstieg und ihm entgegenlief. Heino warf seine Arme um ihren Hals. Er war wortlos glücklich.
Maximilian von Schönfeld sah sie noch in dieser Umschlingung, als er aus seinem Tus- kulum emportauchte, um Renate willkommen zu heißen. Rasch löste sie sich von Heino los und errötete flüchtig, weil sie sich in ihrer Zärtlichkeit ertappt sah. Ihre Verlegenheit verstärkte sich unter dem Blick, den er für sie hatte. Zum erstenmal lüftete er vor ihr die Maske der Unnahbarkeit und Verschlossenheit.
„Es ist wirklich sehr lieb von Ihnen, daß Sie gekommen sind. Der kleine Mann wäre sehr enttäuscht gewesen, wenn Sie ausgeblieben wären.“ Während er sprach, hielt er ihre Hand mit festem Druck umspannt.
Sie sahen sich voll in die Augen, dann war es Renate, die, beeinflußt von einem sie plötzlich übermannenden Gefühl, zuerst den Blick in hilfloser Verwirrung abwandte.
Maximilian von Schönfeld hatte sich besser in der Gewalt. Er stellte einige der üblichen Fragen und erwähnte nebenbei, daß seine Frau verreist sei. Es war sonderbar, daß der Name Frau Lisas bei dem Telefongespräch vorgestern abend nicht gefallen war.
„Ja, Heino hat es mir geschrieben“, sagte Renate, nur um irgend etwas zu sprechen. Sie wandte sich wieder dem Jungen zu: „Heino, da ist eine lange Kiste im Auto, die im braunen Packpapier Die ist für dich. Ich denke, daß ich das Richtige getroffen habe."
Der Chauffeur reichte Heino das Geschenk und half ihm beim Auspacken.
Maximilian von Schönfeld sagte: „Ihr Gepäck lassen wir am besten im Wagen. Nach dem Mittagessen fahren wir gleich weiter.“
Sie sahen zu. wie Heino auspackte. Es war ein großes Krocketspiel, und Renate sagte zu Herrn von Schönfeld: „Ich glaube, daß er damit ganz gut fertig wird.“
Heino kam heran und bedankte sich.
„Ich hoffe, daß es in St. Martin eine Wiese gibt, auf der wir es spielen können?“ fragte
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„Oh, hinter dem Rosengarten ist ein schöner Platz.“
„Eigentlich sieht es fast wie eine Zumutung aus“, sagte Maximilian von Schönfeld jetzt „Wir bitten Sie um Ihren Besuch, während meine Frau und Dr. Unger verreist sind. Als ob ich die ganze Last mit Heino Ihnen aufbürden wollte.“
„Aber das ist keine Last, Herr von Schönfeld“, fiel sie hastig ein. „Ich habe mich doch wirklich sehr darauf gefreut.“
„Nun, ich hoffe ja auch, daß Sie das nicht falsch auffassen und daß der Aufenthalt in St Martin für Sie zu einer schönen Erinnerung wird.“
Er führte sie ins Haus und ließ sie dann mit Heino allein, da er noch einiges zu erledigen hatte. Zum Mittagessen war er wieder da. Heino saß glückstrahlend zwischen ihnen, und ein Fremder, der sie so einträchtig beisammensitzen gesehen hätte, hätte sie ohne Zweifel für eine Familie gehalten. Vielleicht wäre sogar Renate dieser Gedanke gekommen, wenn nicht Maximilian von Schönfeld für den lebhaften Fortgang eines unbefangenen Gesprächs gesorgt hätte.
Nach dem Essen fuhren sie nach St. Martin. Der erste, der beim Herannahen des Wagens aus dem Hof geschossen kam, um sie zu begrüßen, war der Monokeldackel. Hinter ihm folgte Frau Hochkirch. Das Schlößchen war bereits zum Empfang gerüstet.
Als sich Maximilian von Schönfeld nach einer Stunde wieder verabschiedete — er wollte sie heute am ersten Tag nicht länger stören —, stellte er in Aussicht, daß er hin und wieder erscheinen würde, um nach dem Rechten zu sehen. Einmal wollte er auch Renate zu einem der kleinen musikalischen Abende abholen, die er in der Regel samstags bei sich abhielt.
Die Zeit bis zum Kaffee verging ihr und Heino mit Auspacken und Einrichten.
Inzwischen war von der kleinen Ida Hochkirch der Kaffeetisch in der Laube im Hof gedeckt worden. Renate strich für Heino das Brot — Bauernbrot mit. Bauernbutter und
selbstgemachter Kirschmarmelade, die er über alles gern aß. Beiden schmeckte es vorzüglich.
Immer wieder strahlten Heinos Augen sie an, und immer wieder mußte er fragen: „Freust du dich auch, Tante Renate?“
„Ja, unsinnig freue ich mich, Heino.“
„Ich hab’ gedacht, vielleicht kommst du doch nicht.“
„Ach, Heino . . .!“
„Na ja . . .“ machte Heino. Er hätte jetzt gern etwas ausgesprochen, aber er wußte nicht recht, wie er sich ausdrücken sollte. Nämlich, daß er mit Mama noch nie so allein im Schlößchen gewohnt habe. Immer waren Fremde dabei, für die dann Mama in erster Linie Zeit haben mußte. Aber Tante Renate war nur für ihn da, für ihn allein.
Und wie zum Dank sagte er: „Ich hab’ als oft an dich gedacht Wie du die Minna von Barnhelm gespielt hast. Es war wunderbar . •
Nach dem Kaffee probierten sie das neue Spiel aus. Sie hockten, mit dem Monokeldackel und dem gelb gefirnißten Holzkasten neben sich, auf der sonnenwarmen Wiese und studierten zunächst einmal die Spielregeln durch. Dann hieben sie mit den Hämmern die kleinen. aus Eisenstäben gebogenen Tore ein und begannen, die großen bunten Holzkugeln hin- durchzutreiben. Der Monokeldackel hielt das für eine Aufforderung, sich auf die Kugeln zu stürzen und sie zu zerbeißen. Er mußte nachdrücklich verwiesen werden. Sie gerieten in Eifer, und beim zweiten Spiel durfte auch Ida Hochkirch mitspielen, die hinzugekommen war.
Nach dieser Betätigung, die mit einer ziellosen Streife durch die „Wingerte“ schloß, mußte ihnen das Abendbrot wieder schmecken.
Renate war von dem reich ausgefüllten Tag derart müde, daß sie mit Heino zugleicn schlafen ging. Auch des Nachts blieb die iw zwischen ihren Zimmern offen. Heino muts vom Bett aus noch einige wichtige Fragen sie richten, aber auf einmal war sein regtes Reden wie abgeschnitten. Er schlief.
(Fortsetzung folgt)