Srile 2 Nr. 73

Nagold« TagblattDer Gesellschafter"

Dienstag. 2V. März 1V27

Neue Nheinbrücken

Berlin. 28. März. 3m Reichstag ist zum Haushalt des Ministeriums sür die besetzten Gebiete eine von allen Par leien mit Ausnahme der Kommunisten Unterzeichnete Ent- fchlietzung eingegangen, die die Reichsregierung ersucht, aus eine beschleunigte Inangriffnahme der Vorarbeiten zum Bau von Rheinbrücken in Ludwigshafen, Speyer und M axauim Zusammenwirken von Reichsregierung, Reichs­dahnhauptverwaltung, den beteiligten Ländern und Gemein­den hinzuwirken.

Der zweite Prozeß wegen Beleidigung Dr. Stresemanns

Plauen. 28. März. Bor dem hiesigen Schöffengericht begann heute die zweite Verhandlung in dem Prozeß gegen H>cn Rechtsanwalt Dr. Otto Müller in Plauen wegen Ve­reidigung des Reichsaußenministers Dr. Skresemann. 3m Rovemür vorigen Jahres hatte vor dem hiesigen Schöffen­gericht die erste Verhandlung stattgefund'en. Diese wurde nach vierstündiger Dauer vertagt, da der Angeklagte Dr. Müller weitgehende Beweisanträge gestellt hatte. Reichs­minister Dr. Stresemaun hat sich der Klage als Nebenkläger angefchlossen. ^

. Werbungen für eine englische Fremdenlegion ' Belgrad. 28. März. Amtlich wird bestätigt, daß der englische Konsul in Agram (Kroatien) in der letzten Zeit Leute für das englischeKolonialh « e r", besonders für China, angeworben hat. Die Regierung hat weitere .Anwerbungen verboten.

Die Ereignisse in China

Schanghai. 28. März. Der südchinesische Oberbefehls^ Haber, General Tschangkaifchek, ist in Schanghai ein­getroffen und empfing den Besuch des Altersführers des idiploinatischen Korvs, des norwegischen Generalkonsuls, jfowie des russischen Konsuls. Tschangkaifchek verlangt in einer Iden Vertretern der Mächte übergebenen Denkschrift die Ab- Ichasfung der Fremdenvorrechre und der ungerechten, China seinerzeit aufgezwungenen Verträge.

Fünf japanische Kriegsschiffe sind den Jangtse stromauf­wärts nach Nanking abgefahren. Die italienische Streit­macht in Schanghai wird auf 1000 Mann verstärkt.

Nach derDaily Mail" kreuzen 4 Panzerkreuzer, 17 Kreuzer, 19 Zerstörer und 7 Tauchboote der japanischen Marine an der chinesischen Küste nördlich des Jangtse.

Ein amerikanischer Zerstörer brachte 39 Amerikaner, 22 Frauen und 6 Kinder aus Nanking nach Schanghai. Sie waren in Nanking unter dem Schutz kantonefischer Soldaten aus das Schiff gebracht worden.

In ganz China herrscht größte Empörung über die rücksichtslose Beschießung der Stadt Nanking durch die eng­lischen und amerikanischen Kriegsschiffe. Weit über 1000 Chinesen sollen getötet und verwundet worden sein, während bei dem Kampf am Hügel nur 25 englische und ameri­kanische Matrosen gefallen sind.

Der Befehlshaber der französischen Schutztruppen hat sich geweigert, sich dem Befehl des englischen Befehls­habers, Generalmajor Duncan, zu unterstellen.

Zwischen Japan, England und Amerika soll nach dem LondonerObseroer" vereinbart worden sein, daß die Niederlassungen in Schanghai nicht aufgegeben werden sol­len, wie es mit der britischen Niederlassung in Hankau und Kiukiang geschehen ist.

Zwischen dem nordchinesifchen KreuzerHaitschi" und hem bei Wusung vor Anker liegenden, zu den Kantonesen übergegangenen KreuzerHaitschu" entspann sich nach der Meldung des englischen FlugzeugmutterschiffsArgus" ein Kampf, bei dem dieHaitschu" dreimal von Granaten ge­itroffen worden sei. Schließlich kam noch der kantonesische KreuzerPingjui" dazu. Drei chinesische Schiffe fuhren dann äuf die offene See hinaus. Das Ergebnis des Kampfes sei inicht bekannt.

Tschangtsolin in Peking erklärte, für die Vorgänge sin Nanking seien die Kantonesen und die russischen Hetzer peranrwortlich. Er werde sich mit den ausländischen Ge­sandten besprechen, da nach seiner Ansicht die Mächte sich an der Bekämpfung der Uebeltäter beteiligen sollten.

Die Engländer haben nach einer Pariser Meldung ihrer­seits den Schutz der französischen Niederlassung abgelehnt und Schützengräben zwischen der internationalen und der französischen Niederlassung aufgeworfen. Der französische Konsul hat nach Paris telegraphiert, die französische Besatzung sei für die Verteidigung unzureichend.

General Tschangkaifchek erklärte einem britischen Bericht­erstatter, er beabsichtige, auf Peking zu marschie­ren. Ein Teil seines Heers werde längs der Küste nach der Provinz Schantung (nördlich von Schanghai), eine andere entlang der Bahnlinie NankingPeking vorrücken. Gleich­zeitig werde Fengjuhsiang von der Mongolei her mit 200 000 Mann nach Peking marschieren. Die Ueberfälle auf die Fremden in Nankinq seien von Nordtruppen ausgeführt worden, die rn südchinesische Uniformen gesteckt worden seien.

Württemberg

Milderungen der Gebäudeentschuldungssteuer

In der neuesten Nummer des Regierungsblatts erscheint eine Zweite Verordnung des württ. Jnnennünisteriums und des Finanzministeriums vom 22. März 1927 zur Ausfüh­rung des Gebäudeentschuldungssteuergesetzes. Sie enthält eine Reihe von Aenderungen und Ergänzungen der bis­herigen Ausführungsverordnungen vom 9. Juli 1926 (Reg.- Bl. S. 129). Namentlich die Bestimmungen über den Nach­laß an Gebäudeentschüldungssteuer sind erweitert und völ­lig neu gefaßt. Die Verordnung sieht gegenüber bisher u. a. in folgenden Füllen Erleichterungen und Milde­rungen vor:

1. Nichtberücksichtigung der Sicherungshypotheken für Elterngutsforderungen und ähnliche familienrechtliche An­sprüche bei der Ermäßigung der Steuer sür die am 31. De­zember 1918 schuldenfreien oder wenig verschuldeten Ge­bäude;

2. Erweiterung und genauere Festlegung der Nachlaß­möglichkeit wegen Nichtausnützung oder geringer Aus­nutzung gewerblicher Räum«, insbesondere bei den sogen. Saisonbetrieben:

3. Teilnachlaß der Steuer bei unzureichender Gebäude­rente, d. h. wenn die Friedensmiete aus einem Gebäude hinter dem vom Gesetz als normale Friedensmiete zu Grund gelegten Satz von 4 v. H. des Steueranschlags um mehr als 10 v. H. zurückbleibt;

4. Steuernachlaß um ein Siebentel, wenn die dingliche Belastung eines Gebäudes am 31. Dezember 1918 die für die gesetzliche Steuerermäßigung vorgesehene Höchstgrenze von 30 v. H. des Steueranschlags um nicht mehr als 5 v. H. des Steueranschlags übersteigt:

5. Teilmeisen Steuernachlaß bei Einfamilienhäusern mit 7080 Quadratmeter Wohnfläche oder einer dinglichen Belastung am 1. Juli 1918 von 2025 v. H. des Steuer­anschlags, sowie bei in Mit- oder Stockwerkseigentum stehen­den Kleinwohnungen.

6. Wenn ein erwerbsunfähiger Steuerpflichtiger nach­weist, daß er am 31. Dezember 1918 außer seinem damals mit Hypotheken belasteten Gebäude noch namhaftes Ver­mögen (insbesondere Kriegsanleihe) besessen und dieses Ver­mögen inzwischen durch die Geldentwertung ganz oder zum größten Teil verloren hat, kann künftig unter bestimmten weiteren Voraussetzungen ebenfalls ein teilweiser Steuer­nachlaß eintreten.

Die Verordnung tritt im wesentlichen am 1. April 1927 in Kraft.

Stuttgart, 28. März.Fliegender Laden be­trieb'. Die Abgeordneten Dangel, Strahl und Keller ha­ben folgende Anfrage gestellt: Ist dem Skaatsministerium be­kannt, daß sich eine neue Art des Hausierhandels entwickelt, die hauptsächlich die auf dem Lande ansässigen Geschäfte schädigen und namentlich auf die Steuereinnah­men der Landgemeinden von nicht unwesentlichem Einfluß bleiben wird. 3n Baden hat bereits eine größere Firma den flieg..den Ladenbetrieb" mittels Kraftwagen Ange­führt, neuerdings eine Firma in Heilbronn. Äach e nein bestimmten Fahrplan wird das Gebiet 4050 Kilometer im Ilmkreis mit solchen mit Ladeneinrichlunoen versehenen

Lastwagen bereist und dies durch einen Fahrplan sowohl in den Zeitungen wie in den Wirtschaften bekanntgeegben. Es wird dies Schule machen. Es handelt sich hier um ein H a u- siergewerbe in größtem Ausmaß, schädigt in erster Linie die Gemeinden durch geringere Steuereinnah­men, sowie die ortsansässigen Geschäfe; letztere werden mit noch kleineren Einkommen zu rechnen haben und viele sogar ihre bisherige Existenz aufgeben müssen. Was gedenkt das Skaatsministerium gegen diesen aufkauchenden Mißstand zu tun?

Der neue Chef des Truppenamts. Oberst v. Blom­berg, bisher Chef der Heeres-Ausbildungsabteilung im Reichswehrministerium, ist ab 1. April zum Chef des Truppenamts im Ministerium ernannt worden. Er ist in noch jungem Alter Chef der wichtigsten Abteilung des Mini­steriums geworden, der ein Teil der Aufgaben des frü­heren Generalstabs obliegen. Oberst o. Blomberg, der vori­ges Jahr in Wien einen schweren Unfall erlitten hat, ist in Württemberg noch gut bekannt. Er mar mehrere Jahre, bis Frühjahr 1925, Chef des Stabs der 5. (südwestdeutschen) Division in Stuttgart.

Antikensammlung im Reuen Schloß. Als Sonderteil der vor- und frühgeschichtlichen Abteilung sind nunmehr die aus dem Mittelmeergebiet (ägyptischer, griechischer, römischer Äulturkreis) stammenden Bestände der staatlichen Landes­kunstsammlungen an Marmorplatten, Bron-sn. Terra-, kotten, Vasen und Gläser in der Hauptsache frühere Stif­tungen des Geheimen Hofrats Dr. von Sieglin unter der vorläufigen BezeichnungAntikensammlung" im Nord- flugel des Neuen Schlosses in Stuttgart, 1. Stock (Eingang "^ll^vude, neu ausgestellt. Die Sammlung wird am Mittwoch. 30. März d. I., 11 Uhr vormittags, vor ge­ladenen Gästen eröffnet und ist von 2 Uhr nachmittags an dem allgemeinenn Besuch zugänglich. Vorläufige Oeffnungs- zeiten: Mittwoch und Samstag 1012 und 24 Uhr, Sonn­tags 11 4 Uhr. Der Eintritt ist Samstags frei; an den anderen Tagen wird ein Eintrittsgeld non 20 Pfg. erhoben.

Höchstsätze in der Erwerbslosenfürsorge. Die derzeitigen Höchstsätze in der Erwerbslosenfürsorae bleiben nach einer Bekanntmachung des Mirtschaftsministcriums über den 31. März 1927 hinaus bis zum Inkrafttreten des Gesetzes über Arbeitslosenversicherung in Geltung.

Eisenbahnunfälle. Während in der Vorkriegszeit durch­schnittlich zwölf selbstverschuldete Unfälle van Reisenden im Jahr vorkamen, sind im Jahr 1925 33 und im Jahr 1926 31 Unfälle zu verzeichnen. Besonders auffallend sind die zahlreichen Fälle des Absiürzens von Reisenden vom fahrenden Zug als Folge verbotswidrigen Betretens der Plattformen der Wagen während der Fahrt. Es wird be­sonders darauf hingewiesen, daß die Reiser den sich aus dir Pfeifensignale ds Zugführers im allgemeinen nicht mehr verlassen dürfen, da diese seit der Einführung des Befehls­stabs auf den meisten Strecken nicht mehr cmaewendek wer­den. Die Eisenbahnreise ''en werden zum eigenen Schuh und zur Sicherung der Mitreisenden dringend davor ge­warnt, den Ordnungsbestimmungen zuwider zu handeln. Ge­gen Aebertretunaen w>rd streng eingeschriU r.

Warnung. 3n Süddeuffchland treibt sich z. Zt. ein Schwindler namens Walter Graf ans Barmen, etwa 20 3. a umher, der sich als Angehöriger desStahlhelm" aus­gibt und sich unter allen möglichen Vorwänden Geld er­schwindelt. Der Betrüger wird von der Stuttgarter Staats­anwaltschaft und der Barmer Polizei gesucht.

Gegen unnötigen Lärm. In letzter Zeit mußte wieder die Wahrnehmung gemacht werden, daß einzelne Kraftfahrer, insbesondere Kraftradfahrer, in mutwilliger Weise Lärm verursachen. Da dies, vor allem bei Nacht, eine grobe Rück­sichtslosigkeit ist, wird das Polizeipräsidium unnachsichtlich mit hohen Strafen Vorgehen werden. Gegebenenfalls wird das Verfahren auf Entziehung des Führerscheins eingeleilet werden.

Unterriexingen OA. Baihingen, 28. März. Ein lang­jähriger Erbschaftsprozeß entschieden. Der im Jahr 1922 gestoroene Gerhard Graf Leutrum von Ertingen hat in einem Testament vom Jahr 1913 die Gemeinde Unterriexingen zur Alleinerbin eingesetzt. Wenige Tage vor seinem Tod hat er eine eigenhändige letztwilliae

Garderobe Nr. 1

Skizze von Erik Lorenssen.

Don der Manege her klang gedämpft flotte Marschmusik Direktor Bernelli tänzelte zu ihrem Takt den langen Gar­derobenflur herunter. Jetzt sprangen draußen die Löwen durch die brennenden Reifen. Vom Publikum war kein Laut zu hören. Nur die gehetzten Raubtiere brüllten von Zeit zu Zeit drohend.

Der Direktor war zum Austreten sertig. Die nächste Num­mer waren seine Pserdedressuren. Das Bäuchlein war, so gut es ging, unter der weißen Weste verborgen, die große Blume leuchtete im Knopfloch des roten Fracks, und der Zylinder saß unternehmend im Genick. Jetzt stand er vor der letzten Tür des Ganges, an der eine große Eins prangte.

Einen Augenblick zögerte er und zog den gewichsten Schnurr­bart nachdenklich durch die Finger.

Eine Visitenkarte war mit Reißnägeln an das Holz geheftet. In zierlicher Kursivschrift stand ein Name darauf. Tom Weller. Sonst nichts. Und doch schien dieses weiße Stück Papier den ge­putzten Mann unschlüssig zu machen. Er starrte darauf und rupfte wie zaudernd an seinen Kleidern herum.

Draußen verstummte die Musik mit einem Schlag. Atem, lose Stille lag über dem großen Hause. Der Schlußeffekt be­gann. Der Dompteur rang mit dem schivarzen Panther.

Aus dem Zimmer drangen leise, schmeichelnde Worte. Der Direktor horchte einen Augenblick aus. nickte dann vor sich hin und entschloß sich kurz. Mit festem Griff packte er die Klinke und öffnete die Tür.

Tom Weller kniete vor einem Stuhl, auf dem sein Hund saß. Er band ihm die spitze Tiitenmütze um und gab ihm dabei zärtliche Kosenamen. Der Pintscher sah ihn aus großen, runden Augen verständnisvoll an.

Der Direktor stand im Zimmer und suchte nach einer Ein­leitung. Tom war erstaunt aufgesprungen und stand vor ihm. Sein weißgeschminktes Gesicht leuchtete unwirklich in der däm­merigen Garderobe. Auf den Flittern seines Clownanzugs Stammen matte Lichter.

Bernelli suchte nach schonenden Worten. Er fand keine, und es klang kurz und schroff, als er endlich den Sah herausbrachte: Also es hilft nichts. Tom. Du mußt gehen."

Durch die offene Tür tönte ein schmetternder Tusch. Hände­klatschen rauschte wie eine Woge von fern her. In dem kleinen Zimmerchen standen die zwei Männer unbeweglich.

Dann sprudelte Toms Stimme plötzlich erschrocken:Herr Direktor, Tom und Tom ist Ihre älteste Nummer"

Eben deswegen. Tom. Die Leute lachen nicht mehr."

Wieder war es still. Ter Pintscher saß au> seinem Stuhl und sah den Herrn ängstlich an. Fast schien es, als schimmerte es feucht in seinen treuen Hundcaugen. Da sagte Tom leise und stehend:Fünfzehn Jahre"

Sei vernünftig, Tom. es geht nicht anders." Tann, wic vorsichtig tröstend:Du wirst schon noch etwas anderes finden."

Draußen begann die Kapelle wieder zu spielen. Ter Direk­tor besann sich aus einmal darauf, daß er jetzt auftreten mußte, und dies Bewußtsein kam ihm wie eine Erlosnna. Mit einiaen

raschen Schritten ging er zur Tür und sagte wie entschuldigend: Es ist Zeit zum Austritt. Also zum Ersten." Tann knackte das Schloß und auf dem Gang entfernten sich eilige Tritte.

Tom stand noch immer da und mühte sich vergeblich, einen klaren Gedanken zu fassen. So lange Jahre und nun sortgejagt wie ein Hund? Ihm war, als sänke die verräucherte Decke immer tiefer herab, als rückten die Wände immer näher, um ihn zu erdrücken. Vor seinen weit aufgerissenen Augen tanzten die spärlichen Möbel umher, und in seinem Gehirn bohrte es eigensinnig: Tom und Tom, zwei Hunde Garderobe No. 1, die lustigen Spaßmacher, nur zwei Hunde.

Der Pintscher war herabgesprungen und drängte sich schüch­tern gegen seine Beine. Bettelte um einen guten Blick und um ein Streicheln. Der Clown achtete nicht darauf. Erst ein gellen­des Klingeln schreckte ihn aus seinem Brüten auf. Da strich er sich mechanisch mit der Hand über die Stirn. Zu den Pserde­dressuren gehören auch sie beide. Und fast ohne zu wissen, was er tat, nahm er seinen treuen Gefährten vom Boden auf und eilte hinaus.

Der feiste Stallmeister betrachtete Tom prüfend, als er vorschriftsmäßig der Länge nach in die Manege siel. Er wußte, was vorgegangen war, und gönnte dem Clown sein Schicksal von Herzen. Er hatte sich nie mit ihm vertragen können.

Der Hund lief, wie er sollte, in lustigen Sprüngen zwischen den Beinen der Pferde hin und her. Tom hopste ihm in unge­schickten Sätzen nach und stolperte immer wieder über seine eigenen Füße. Der Direktor schimpfte, der Stallmeister fluchte, die Peitsche knallte dem Clown um die Ohren. Und während ihm der Schweiß aus allen Poren brach, horchte der arme Hanswurst in quälender Spannung auf die Menge in den Bän­ken. Warum lachten sie nicht lauter? Er siel so natürlich, daß ihm die Glieder wehtaten. Warum kreischten sie nicht? Wo waren die jubelnden Kinderstimmen, auf die er stolz war und um derentwillen er sich mühte?

Er nahm alle Kraft zusammen, schlug einen Purzelbaum und fuhr mit dem Kopf gegen die hölzerne Rampe, daß ihm das Blut aus der Nase sprang. Dünnes Gelächter schwoll aus und verebbte sofort wieder. Da wußte er auf einmal klar und un­erbittlich. daß er alt. verbraucht war. Daß es jetzt bergab gehen würde. Daß das Elend der Landstraße auf ihn wartete. Tom und Tom hatten ansgespielt.

Die Zuschauer klatschten, der Direktor wirbelte geschmeichelt den Schnurrbart und verneigte sich immer wieder Der Pint­scher machte schön, wackelte mit dem tütenbemützte» Kops und heimste seinen Anteil ein. Der Clown war verschwunden.

Während der Stallmeister ärgerlich nach ihm klingelte, stand Tom in der Garderobe vor seinem Koffer und wühlte aufgeregt in den bunten Sachen herum. Fand, was er suchte und steckte es mit scheuer Handbewegung in die Tasche. Fast schien es, als habe er sich jetzt ein wenig beruhigt. Seine Augen glänzten, als er hoch ausgercchtet zurückging.

Bor der Tür blieb er einen Augenblick stehen und betrachtete wehmütig die große, schwarze Zahl und die weiße Karte dar­unter. Dann löste er vorsichtig die Reißnägel und ließ beides achtlos zu Boden fallen.

An dem knurrenden Stallmeister vorbei aina er in die

Manege und beugte sich dort einen kurzen Augenblick zu seinem Hund herab. Er strich ihm sanft, wie um Verzeihung bittend, über das Fell, dann reckte er sich empor und rief laut:Herr Stallmeisters"

Der Feiste glaubte, es käme einer der üblichen Späße, ging widerwillig zu ihm hinein und antwortete ebenso laut:Nun, was soll ich?"

Wissen Sie schon das Neueste?"

Nein, was denn?"

,Zch bin arbeitslos! Was meinen Sie, was ich jetzt tue?"

Das weiß ich nicht." Und halblaut und giftig setzte er hin­zu:Betteln gehen wahrscheinlich."

Tom blieb ungerührt. Er wiederholte laut:Betteln gehen? Falsch! Was noch?"

Ins Armenhaus denn!"

Auch nicht! Probieren Sie's noch einmal!"

Der Feiste wurde unruhig. Er wußte nicht, wo das hinans sollte. >Ja, dann weiß ich's nicht. Sag es uns doch!"

Jetzt mache ich den besten Witz meines Lebens. Stallmeister: Ich schieße mich tot!"

Tom griff schnell in die Tasche, die Hand fuhr empor, der Schuß krachte. Entsetzte Diener sprangen zu, faßten den sinken­den Clown und trugen ihn hinaus.

Die Menge jubelte und klatschte. Sie fand, die Aufregung sei ungewöhnlich natürlich gespielt. Je kopfloser die Galonnier- ten da unten herumliefen, desto vergnügter wurde sie.

In der Garderobe hatten sie Tom auf ein schnell zusammen­gerücktes Lager gebettet. Irgend jemand hatte die Visitenkarte an der Tür wieder befestigt, weil er glaubte, daß sie herab- gesallen sei. Der Pintscher saß am Kopfende am Boden und leckte die herabhängende Hand seines toten Herrn. Sie hielt noch immer festumkrampft den Revolver. Man hatte in der Eile vergessen, ihn fortzunehmen...

Sonnenrätsel

Katastrophenmöglichkeiten unserer Erde.

Von Godsried Rooms.

Der berühmte Physiker Tyndall hat einige interessante Seiten seines Werkes der überragenden Bedeutung der Sonne sür alles Leben auf Erden gewidmet. Da gibt es ungeheure Fragen, or­deren Beantwortung alles, was auf Erden lebt, abhängig ist wird die Sonne, diese Quelle unseres Daseins, uns in ewiger Unveränderlichkeit ihren Wärmestrom spenden? Was wiird- aus uns, aus den Tieren und Pflanzen werden, wenn z. B. dir. Sonnenwärme Nachlassen, wenn sie sich wie die Planetenve>- krusten" würde? In kurzer Zeit wurde unsere schöne Erde in ein unermeßliches, in ewigen Bahnen weiterkreisendes Grab verwandelt sein. Was. wenn die Sonne auf einmal ausslammen und zweimal stärker als jetzt wärmen würde? Planeten und neue Sterne" lehren uns, daß es derartige Katastrophenmox- lichkeilen gibt. Fragt man die Astronomen, so werden wir viel-' llrlackeu sür ein solches Aufslammen auf.'.äblen bören: Gleicb-