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Verlagsort Calw

HEIMATBLATT

FÜR STADT UND LAND

CALWER ZEITUNG

DIENSTAG, 12. MAI 1953

ÜBERPARTEILICHE TAGESZEITUNG

9. JAHRGANG / NR. 108

Vertagt Bundesrat doch wieder die Behandlung der Verträge?

SPD-Kiage läuft / Entscheidung hängt von Stuttgart ab Drahtbericht unserer Bonner Redaktion

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tri c k (links), bisher britischer Hoher Kom­missar in Deutschland, ist zum ständigen Staats­sekretär im Foreign Of­fice ernannt worden. Sein Nachfolger im höchsten politisch-diplo­matischen Amt der bri­tischen Besatzungsbehör­den in Deutschland ist Sir Frederik Hoyer Miliar, 53 Jahre alt. der als Experte iti Fra­gen der NATO und auch der britischen Politik gegenüber den Vereinig­ten Staaten gilt. Seinem Studium in Oxford schloß sich eine Tätig­keit an der britischen Botschaft in Washington an. 1950 übernahm er den Posten des zweiten britischen Vertreters bei der NATO.

Foto: dpa

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Bemerkungen zum Tage

BONN. Entsprechend dem Beschluß des Parteivorstandes der SPD haben am Montag 147 Bundestagsabgeordnete unter der Füh­rung der SPD-Fraktion beim Bundesverfas­sungsgericht die vorsorgliche Normenkon- trollklage eingereicht. Die Klage beantragt die Feststellung, daß der Generalvertrag und der EVG-Vertrag einschließlich ihrer Zusatzver­träge mit der gegenwärtigen Fassung des Grundgesetzes nicht übereinstimmen. In der Begründung der Klage heißt es, daß dieser Schritt der Antragsteller notwendig geworden ei, da neben der Bundesregierung jetzt auch der Präsident des Bundesrats die Auffassung vertrete, daß die Verträge nicht der Zustim­mung des Bundesrats bedürfen.

Von maßgebender sozialdemokratischer Seite wird nicht bestritten, daß es einer der Zwecke dieser Klage sei, das Zustimmungsrecht des Bundesrats von Karlsruhe bestätigt zu be­kommen. Das würde geschehen, wenn das Verfassungsgericht die Klage alszum gegen­wärtigen Zeitpunkt unzulässig bezeichnen würde, weil der Bundesrat noch nicht end­gültig Stellung genommen hat. Würde Karls­ruhe die Klage < annehmen und damit zum Ausdruck bringen, daß nach seiner Meinung die Verträge nicht der Zustimmung der Län­der bedürfen, dann würde die Normenkon- trollklage mit dem Ziel der Klärung der ver-

LONDON. Premierminister Churchill hat sich am Montag zur Eröffnung der großen zweitägigen außenpolitischen Debatte des bri­tischen Unterhauses in einer Regierungserklä­rung für eine Konferenz der Großmächte aus­gesprochen, die ohne große Verzögerung ab­gehalten werden sollte. Churchill betonte, ein derartiges Gespräch sollte nicht durch eine lange Tagesordnung behindert werden, son­dern in einer informellen und privaten At­mosphäre, unter Umständen in völliger Abge- »chlossenheit, stattfinden.

Der Premierminister fuhr fort, die Deutsch­landfrage sei das wichtigste Problem in Eu­ropa. Großbritannien werde zu seinen gegen­über der Bundesrepublik eingegangenen Ver­pflichtungen stehen, auch wenn es bestrebt sei, mit der Sowjetunion zu einem freundschaft­lichen Übereinkommen zu gelangen. Die Deutschland einschließende Europäische Ver­teidigungsgemeinschaft müsse in naher Zu­kunft verwirklicht werden

KAIRO. Der amerikanische Außenminister Dulles und der Leiter des Amtes für die gemeinsame Sicherheit, S t a s s e n , trafen am Montagnachmittag in Kairo mit dem ägyp­tischen Ministerpräsidenten N a g u i b zusam­men. Ihr zweitägiger Besuch in Kairo, der ersten Station ihrer Blitztour durch den Na­hen und den Mittleren Osten, fällt mit der neuen Krise der britisch-ägyptischen Bezie­hungen in der Suezkanalfrage zusammen.

Dulles, der die ihm von vornherein zuge- »chriebene Vermittlerrolle abgelehnt hat, er­klärte bei der Ankunft nur. er hoffe,zur Aufklärung einiger Mißverständnisse beitra­gen zu können. Im übrigen komme er als Ler­nender, um einen Weg zu finden, die Zusam­menarbeit zwischen den Vereinigten Staaten und Ägypten zu stärken, die unerläßlich für

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!Das Fährschiff ,.Deutschland" mit seinen 4120 BRT eine der größten und modernsten Eisen­bahnfähren Europas, wurde jetzt zwischen Gro- senbrode und Gjedser auf der dänischen Insel Falster in Dienst gestellt Unser Bild zeigt die Deutschland" auf ihrer Jungfernfahrt am 9. Mai, an der auch Bundespräsident H e u 0 teil­nahm. ' Foto: AP

fassungsrechtlichen Fragen des Inhalts der Verträge zur Entscheidung stehen.

In Kreisen des Bundesrats wird es ange­sichts dieser neuen Situation als fraglich an­gesehen, ob die Ländervertretung sich am Freitag, wie vorgesehen, mit den Verträgen befassen wird. Die Haltung der baden-würt­tembergischen Regierung und vor allem des Ministerpräsidenten Rein hold Maier wurde in der Bundeshauptstadt als entscheidend für das Stattfinden oder die Vertagung der auf Freitag angesetzten Bundesratssitzung ange­sehen, nachdem in Niedersachsen eine Ände­rung der Regierung von den Bonner Koali­tionsparteien und dem BHE nicht vor dem 20. Mai, dem Termin der nächsten Landtags­sitzung in Hannover, erzwungen werden könnte.

Kaier beriet mit SPD-Ministern

STUTTGART. Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Dr. Reinhold Maier, traf am Montag im Staatsministerium in Stuttgart mit den SPD-Ministem seines Ka­binetts zusammen. Nach Abschluß der Bespre­chungen. an denen später das ganze Kabinett teilnahm, wurde lediglich bekanntgegeben, daß sich der Ministerrat mit der in der Sitzung des Bundesrates am 15. Mai einzunehmenden Haltung befaßt habe.

Auf Frankreich übergehend, erklärte Chur­chill, die militärische Position der Franzosen sei derart, daß sie in der englisch-sprechen­den Welt ernstliche Besorgnis auslösen könnte nicht so sehr wegen ihrer Auswirkungen auf Europa, sondern wegen der Rückwirkun­gen auf die französische Lage und die Politik Frankreichs in weiter entfernt liegenden Ge­bieten, die die Franzosen verteidigen wollen. Frankreich zögere, seinen Streitfall in Indo­china vor die UN zu bringen, weil die mei­sten UN-Mitglieder keine Kolonien hätten und daher die Dinge anders beurteilen.

Großbritannien lädt ein

LONDON. Großbritannien hat die Außen­minister-Stellvertreter der Sowjetunion, der Vereinigten Staaten und Frankreichs zu neuen Viermächtebesprechungen über den öster­reichischen Staatsvertrag eingeladen, die am 27. Mai in London beginnen sollen.

den Frieden und die Sicherheit der ganzen Welt sei.

Dulles und seine Begleiter wurden auf dem Flugplatz von dem ägyptischen Außenmini­ster Dr. F a u z i und den beiderseitigen Bot­schaftern empfangen. Anschließend konfe­rierte Dulles mit dem amerikanischen Bot­schafter C a f f r e y. Am Abend empfing er den britischen Botschafter Sir Ralph Ste­venson und anschließend Ägyptens 13köp- figen Revolutionsrat.

Adenauer in Paris

PARIS. Bundeskanzler Dr. Adenauer ist am Montag zur Sitzung des Ministerrates der Montanunion und Besprechungen mit franzö­sischen Regierungsmitgliedem in Paris einge­troffen. Außenminister B i d a u 11 und der französische Hohe Kommissar Francois Pon­cet begrüßten den Kanzler auf dem Flug­hafen.

Blücher und Erhard

LONDON. Vizekanzler Blücher und Bun­deswirtschaftsminister Dr. Erhard trafen am späten Montagnachmittag auf Einladung der britischen Regierung in London ein. Blü­cher und Erhard sind zu Verhandlungen mit Vertretern des britischen Schatzamtes, insbe­sondere mit Schatzkanzler Butler, über Wirtschafts- und Währungsfragen nach Lon­don gekommen und werden voraussichtlich am Mittwoch nach Deutschland zurückkehren.

Kompromißlösung gefunden

STRASSBURG Der politische Ausschuß der Beratenden Versammlung des Europarates hat sich am Montag hinsichtlich des umstrit­tenen Artikels 103 des Verfassungsentwurfs für eine Europäische Gemeinschaft auf einen Kompromiß geeinigt, der eine Abstimmung in

Unnötige Bindung

hr. In Straßburg erhitzten sich die Gemü­ter der europäischen Grundgesetzgeber über die Frage, ob die Bundesrepublik mit für Gesamt­deutschland verbindlicher Wirkung Ver­pflichtungen eingehen könne. Es handelte sich um den Artikel 103 des Entwurfs eines euro­päischen Statuts, in dem es heißt:Wenn ein Mitgliedstaat die Hoheitsgewalt über ein Ge­biet wiedergewinnt, das am 31. Dezember 1937 zu seinem Staatsgebiet gehörte, werden diese Statuten ipso facto für dieses Gebiet verbind­lich sein.

Die deutsche Sozialdemokratie hält diesen Artikel mit dem Grundgesetz wegen seines vorläufigen Charakters nicht für vereinbar. Carlo Schmid hat sogar schon mit einer Klage beim Verfassungsgericht in Karlsruhe gedroht. Die Vertreter der deutschen Regierungspar­teien dagegen sind anderer Ansicht. Die Bun­desregierung, so sagen sie, sei die einzige le­gale deutsche Regierung und deshalb befugt, für alle Deutschen, auch für die 18 Millionen, die gegenwärtig in Unfreiheit leben zu spre­chen.

Das klingt gewiß sehr schön. Staatsrechtlich freilich ist diese Argumentation problematisch. Die Bundesregierung kann zwar gegen den von der Pankower Regierung abgeschlossenen Oder-Neiße-Vertrag, den sie für Gesamt­deutschland als unverbindlich ansieht, einwen­den, daß die SED-Gewaltigen nicht vom Volke gewählt, sondern von der russischen Besat­zungsmacht in ihre Positionen eingesetzt wor­den und deshalb zum Abschluß eines derarti­gen Vertrages gar nicht legitimiert gewesen seien. Die Bundesregierung kann aber schlecht für sich in Anspruch nehmen, heute und hier zu wissen, was die 18 Millionen Deutschen jenseits des Eisernen Vorhangs, wenn sie ihren Willen frei ausdrücken könnten, zu der Europäischen Politischen Gemeinschaft sagen würden. Eine freigewählte gesamtdeutsche Volksvertretung wird vielleicht ganz andere Mehrheitsverhältnisse haben als diejenigen, von denen die Regierung in Bonn getragen wird. Wir halten es auf alle Fälle für ausge­schlossen, daß Bonn ein künftiges Gesamt­deutschland, das noch gar nicht existiert, heute schon und in unwiderruflicher Weise festlegen kann.

Aber das mag dahingestellt bleiben. Viel entscheidender ist eine andere Überlegung.

der Versammlung über die Berechtigung der Bundesregierung, namens der Sowjetzone zu sprechen, umgeht. Bei einigen Enthaltungen nahm der Ausschuß einen Antrag des CDU' CSU-Abgeordneten S e m 1 e r an, die Ver­sammlung solle dem heute in Paris zusam­mentretenden Ministerrat der Montanunion empfehlen, den Artikel unter Berücksichti­gung der gegen ihn erhobenen Bedenken zu prüfen

Vietnam protestiert

SAIGON. Die vietnamesische Regierung hat am Montag gegen die Abwertung des Piästers durch Frankreich protestiert, die ohne vor­herige Unterrichtung Vietnams erfolgt sei und dem Lande große innere Schwierigkeiten be­reite. Die französische Regierung hatte sich dazu entschlossen, den Piaster von 17 auf 10 Francs abzuwerten, um einen zum Skandal gewordenen schwarzen Rücktransfer von Francs aus Indochina zu unterbinden, an dem zu Lasten Frankreichs jährlich über eine Mil­liarde DM verdient wurden.

Der vietnamesische Ministerpräsident Nguyen van Tarn wies darauf hin, daß die unmit­telbare Folge der Abwertung eine sofortige Steigerung der Preise sei. Er kündigte Preis- kontrollmaßnahmen an. weil sonstverhee­rende Folgen zu erwarten seien.

Die Europäische Politische Gemeinschaft soll doch den Unterbau für die europäische mili­tärische Gemeinschaft abgeben, und sie soll ein Gegengewicht gegen den kommunistischen Machtblock werden. Wie kann man nur anneh­men, daß dieser Machtblock je daran denken wird, ohne daß er im Kriege besiegt ist, da» halbe Deutschland freizugeben, wenn er von vornherein weiß, daß der von ihm geräumt« Teil dazu dienen wird, das Lager seiner Geg­ner zu verstärken

Wir haben uns oft genug in diesem Blatt« mit denen auseinandergesetzt, die grundsätz­lich gegen die europäischen Bindungen sind, weil sie in ihnen eine Blockierung der deut­schen Wiedervereinigung sehen. Wir glauben wohl, daß die Bundesrepublik sich von der europäischen Aufgabe, die sich den alten Na­tionen dieses Kontinents stellt, nicht ausschlie­ßen kann noch darf, aber trotzdem: es bleibt unverständlich, warum man ohne Not darauf besteht, Bedingungen in das Statut einzu- bauen, die nur denen unter unseren Partnern zum Vorteil gereichen können, die an einer Verewigung der deutschen Spältung interes­siert sind.

DeT iaische Mann

cc. Aus Straßburg wird gemeldet, daß Prinx Bernhard der Niederlande, der Prinzgemahl der klugen, nicht nur in Holland verehrten Königin Juliane, als aussichtsreichster Kandi­dat für den Posten eines europäischen Flücht- lingskommisars betrachtet wird, den der Eu­roparat auf seiner letzten Sitzung geschaffen hat. Nach dem leider viel zu oft mißachteten Grundsatzprincipiis obsta wollen wir un­sere Bedenken gegen diese Wahl sofort anmel­den. Es mag sich wohl im Europarat eine Mehrheit für den Prinzen finden, und wir sind auch voll und ganz einverstanden, daß der europäische Flüchtlingskommissar ein Nichtdeutscher sein soll. Da aber die weitau» größte Mehrzahl der Flüchtlinge, die wir heut« in Europa haben, Deutsche sind, darf unsere» Erachtens die Wahl auch nicht auf einen Mann, fallen, der bei vielen Deutschen persona non grata ist. Prinz Bernhard hat sich politisch gegen sein ehemaliges Vaterland entschieden. Man mag anführen, daß damals Hitler in Deutschland am Ruder war, wie ja viele ihr« Gegnerschaft gegen Deutschland als Feind­schaft nur zu Hitler getarnt haben. Dann müßte man aber auch Johannes Hoffmann entschuldigen, der dieselben Gründe für sein« damalige Gegnerschaft gegen sein angestamm­tes Heimatland ins 'Feld führt, aber heute, acht Jahre nach Hitlers Tod, unverändert anti­deutsche Politik treibt. Prinz Bernhard hätt« sich damals Zurückhaltung auferlegen sollen, was ihm nicht besonders schwer hätte fallen dürfen, zumal er als Mitglied der königlichen Familie der Niederlande gar nicht vor der Notwendigkeit stand, durch öffentliche Äu­ßerungen in die Tagespolitik einzugreifen. Ne­ben Prinz Bernhard ist bisher M Spaak ge­nannt worden, gegen den solche Bedenken nicht bestünden. Aber wir verstehen über­haupt nicht, warum für das geplante Amt Per­sönlichkeiten vorgeschlaaen werden, die mit der Flüchtlingsfrage nach dem zweiten Welt­krieg keine Berührung hatten. Wäre es nicht besser, für diesen Posten jemanden vorzu­sehen. der nicht erst jetzt als gutbezahlter Flüchtlingsbeamter sich von Amts wegen mit den Heimatvertriebenen befaßt sondern einen der Männer, die nach 1945. nur ihrem heißen Herzen folgend, aus privater Initiative smh für das Los der Unglücklichen eingesetzt ha­ben? Ein Name steht hier allen voran, der des Norwegers Odd Nansen, der nach 1945 d^e Tradition seines großen Vaters fortsetzte. Warum hört man seinen Namen oder den eines anderen um die Flüchtlinge verdienten Man­nes nicht aus Straßburg?

Churchill für Großmächtekonferenz

Deutschland wichtigstes Problem / Besorgnis über Frankreichs Militärposition

Dulles konferiert mit Naguib

Mit Stassen auf Blitztour durch den Nahen Osten /Nur als Lernender