„Auf Verrat steht der Tod“
Perfekte Verbrecher im Jugendalter > Die Panther-Bande kommt vor Gericht
tz- MÜNCHEN. Einzigartig in der Kriminalgeschichte der letzten Jahrzehnte steht der Kriminalfall der ,,Panther-Bande“ da, der vor dem Schwurgericht beim Landgericht München I am 11. Mai seine gerechte Sühne finden wird. Dieser Prozeß wirft ein bezeichnendes Licht auf die Folgen der geistigen, moralischen und materiellen Entwurzelung, die als Hinterlassenschaft des Krieges und auch der ersten Nachkriegszeit immer wieder gerade junge Menschen aus ihrer Bahn geworfen hat. Acht junge Männer werden vor Gericht erscheinen, die im Jahre 1951 die ganze bayerische Landeshauptstadt in panische Angst und Schrecken versetzten, die drei kaltblütige Morde auf dem Gewissen haben, und die eigentlich „gute, wohlhabende Bürger“ werden wollten. Um dieses Ziel zu erreichen — das ist das erschreckend Einzigartige und beinahe Umfaßbare an diesem Fall—, verbündeten sie sich zu Raub und Mord.
ln einem Lager fing es an Die Geschichte der Panther-Bande führt zurück in das Jahr 1944, als sich fünf der jetzt Angeschuldigten in einem KLV-Lager bei Aindling trafen und dort zunächst einen „Panther-Bund“ gründeten. Zunächst wollten sie mit noch einigen anderen nichts weiter, als gemeinsam „Indianer spielen“. Von der „einschlägigen Literatur“ beeinflußt, verfaßten sie ein „Panther-Statut“, das alle Mitglieder mit ihrem eigenen Blut unterzeichnen mußten. Hugo Werner, der jetzige Hauptangeklagte, wurde bald unbestritten als Führer dieses’ Bundes anerkannt, und die Lehrer ließen ihm seine „Marotten“, weil Werner der beste Schüler seiner Klasse war.
Im KLV-Lager hatten sie nichts Kriminelles angestellt, aber als sich die Mitglieder des „Panther-Bundes“ nach dem Krieg in München wieder trafen, lebte er, diesmal als „Panther-Bande“, wieder auf. Sie zogen gemeinsam auf Raub und kamen — von den
Amerikanern verurteilt — 1946 erstmals gemeinsam ins Kittchen. Dann allerdings entwickelte Bandenchef Werner sein Organisationstalent und machte die Bande zu dem „schlagkräftigen Instrument“, das sie bis zur Verhaftung der jungen Verbrecher war-
Bürgerliche Ziele
An einer entlegenen Stelle des Englischen Gartens in München setzte man sich hinter Büschen zum ersten „Forum“ zusammen und einigte sich auf ein von Werner festgelegtes Statut, in dem als Ziel der Bande folgendes angegeben ist: „Erreichung eines sicheren, alle Mitglieder zufriedenstellenden Lebensstandards, unter Zuhilfenahme aller gesetzlichen und ungesetzlichen Mittel“. Das heißt mit anderen Worten: Die Bande wollte solange Raubzüge unternehmen, bis etwa 1,5 Millionen Mark zusammengebracht wären, die dann in geeigneter Weise angelegt werden sollten, um jedem Bandenmitglied zu gestatten, sich in Wohlhabenheit niederzulassen. Jedes Mitglied der Bande sollte am „Gewinn“ gleichmäßig beteiligt werden. Der einäugige und einarmige Richard Schaider zum Beispiel, der wegen seiner Körperbehinderung zu keinem „aktiven Einsatz“ herangezogen werden
konnte, brauchte, um seine Pflicht gegenüber dem Bund zu erfüllen, nur jeweils geeignete „Operationen“ auskundschaften. Seine Stellung als Kassenbote bei einer Transportgesellschaft kam ihm dabei sehr zustatten.
Jede einzelne Unternehmung wurde aufs genaueste vorbereitet und geplant. Dazu traf man sich alle zwei Monate bei einem „Forum“ im Englischen Garten. Bei solchen Gelegenheiten wurde auch an früheren Unternehmungen Kritik geübt, um gemachte Fehler später zu vermeiden. Bandenchef Werner war, das „vollkommene Verbrechen" im Auge, streng darauf bedacht, daß alle Bandenmitglieder einem Beruf nachgingen, damit niemand durch Müßiggang auffiele.
Fememorde
„Auf Verrat steht der Tod“, heißt es im Artikel 3 des Panther-Statuts, und tatsächlich waren zwei der drei Todesopfer Werners Mitglieder der Bande. Unmittelbar nach dem ersten Einbruch glaubte Werner, dem Bandenmitglied Albrecht Sticht nicht mehr trauen zu können; man begab sich deshalb in eine Ruine, und Hermann Kluge erledigte Sticht auf Werners Befehl durch Genickschuß. Alois Lechhart wurde von Werner eigenhändig erschossen, da er es war, der die übrigen Bandenmitglieder nach einem Einbruch verpfiffen hatte.
Daß Werner bei seinen Unternehmungen auf „Nummer Sicher“ gehen wollte, zeigt schon
Taucher-Tragödie im Mondsee
Dramatische Rettungsaktionen für Unterwasser-Jäger erfolglos
Bei dem piept ’s wohl, dachte sich der Berliner Polizist, als er diesen jungen Herrn erblickte. Es ist ein Berliner Student von der Kunstakademie, der sich seine eigene Fühjahrsmode erdachte.
SALZBURG. Der Mondsee wurde vor einigen Tagen zum Schicksal des von seinen vorjährigen Unterwasser-Jagden im Mittelmeer her bekannten 22jährigen Salzburger Studenten M a- c h a t a. Kurz nachdem er in der von ihm gegründeten Salzburger Unterwasser-Forschungsgesellschaft über die „Wunder der Unterwasserjagd“ einen Vortrag gehalten hatte, beschloß er, mit seinem aus Studenten bestehenden Tauchertrupp erstmals einen großen Tauchversuch im Mondsee zu unternehmen, um einen neuen Kälteschutzanzug und das dazugehörige Sauerstoffgerät zu erproben, die ihm von Gönnern zur Verfügung gestellt worden waren.
Nach sachgemäßer Überprüfung, ob alles in Ordnung sei, stürzte sich der begeisterte Unterwasser-Jäger nachmittags an dem steil abfallenden Ufer bei Plomberg in die eiskalten Fluten des Sees. Wenige Augenblicke später tauchte er wieder auf und verlangte die Befestigung von mehreren Gewichten an seinem Anzug, um besser unter Wasser schwimmen zu können. Bei einem erneuten Versuch, in eine Tiefe von etwa 25 m zu gelangen, riß er plötzlich an der Signalleine. Auf dieses Alarmzeichen hin versuchten seine Kameraden, ihn an dem dünnen Seil hochzuziehen. Das Seil riß jedoch, und der Taucher verschwand in der Tiefe des Salzkammergut-Sees. Einer seiner Kameraden sprang sofort ins Wasser, um Hans Machata zu retten. Wegen der Kälte und der schlechten Was- tersicht mußte er jedoch den Versuch aufgeben.
Dann begann ein dramatischer Wettlauf mit Tode. Der Tauchertrupp alarmierte die Feuerwehren von Salzburg und Linz, die in rascher Fahrt nach etwa einer Stunde am Unfallort eintrafen. Aber auch die Feuerwehren konnten mit ihren für diesen Zweck ungeeigneten Geräten nichts ausrichten, und ihre mitgebrachten Taucher mußten die bei Fackelschein unternommenen Tauchversuche ebenfalls bald aufgeben. Inzwischen war auch der Oberkommandierende der amerikanischen Streitkräfte in Österreich, General H a y s, von der Tragödie im Mondsee verständigt worden. Er veranlaßte, daß sofort mit einem Militärflugzeug amerikanische Taucher mit modernsten Bergungsgeräten aus Heidelberg an der Unglücksstelle eintrafen. Obwohl bis zum andern Morgen fieberhaft nach dem verunglückten Unterwasser-Jäger gesucht wurde, konnte
seine Leiche nicht gefunden werden. Nachdem das amerikanische Hauptquartier weiteres Tauchgerät mit dem Flugzeug gesandt hat, sollen die Sucharbeiten fortgesetzt werden, jedoch besteht nur noch die Aussicht, den Verunglückten, der als einer der lebensprühendsten und tatenfrohesten Studenten Österreichs galt, als Leiche zu bergen.
Bunter UlM-Sptepei
108 Vorstrafen
ULM. Durch die Schuld eines 76 Jahre alten Landstreichers brannte einem Landwirt aus Langenau, Kreis Ulm, ein Strohschober nieder. Der rüstige Greis hatte in dem Schober übernachtet, morgens sein Pfeifchen angezündet und das Streichholz achtlos weggeworfen. Er hat sein ganzes Leben auf der Landstraße verbracht. Zu den 108 Vorstrafen, die er dabei angesammelt hat, wird sieh nun die 109. gesellen, diesmal wegen fahrlässiger Brandstiftung. Gerade jetzt, wo es auf den Sommer zugeht . . .
Kleine Verwechslung
FRANKFURT. Ein Professor fuhr von Frankfurt nach München. Der Gelehrte war Altphilologe und sprach kein Englisch. Außerdem war er schwerhörig. Ihm gegenüber saß ein Soldat der US-Armee, der fleißig seinen Gummi kaute und sein Gegenüber freundlich betrachtete. Das dauerte wohl eine halbe Stunde so, und unserem Professor wurde es allmählich unbehaglich. Da raffte er sich auf und sagte: „Sie werden entschuldigen, aber erstens verstehe ich kein Englisch und zweitens bin ich sehr schwerhörig.“
Verreist...
LINZ. Die Kunden einer Linzer Wohnungsvermittlerin wunderten sich, daß vor dem Büro wochenlang eine Tafel mit der Aufschrift „Bin verreist!“ hing. Da sie um die von ihnen eingezahlten Beträge bangten, gingen sie zur Polizei, wo sich herausstellte, daß die Geschäftsfrau nicht gelogen hatte. Sie war tatsächlich verreist, und zwar ins Gefängnis, wo sie bereits wegen umfangreicher Wohnungsbetrügereien saß.
Wer kennt das Kind?
“ Der heute etwa 12jäh- / rige Junge wurde 1945 &>* '*■ in Ostpreußen verwun- det aufgefunden. Ein Soldat nahm sich de- Kindes an, und beid- kamen nach Insterburin ein Lazarett. De: Auffindungsort desKna ■ ben soll Fischhausei, gewesen sein, und der Knabe soll sich selbst Gotthard genannt haben. Es ist fraglich ob es sich um den Voroder Zunamen des Kindes handelt. Er ist noch vollkommen ahnungslos. Wir fanden lediglich eine Frau, welche bestätigte, daß der Knabe damals im Lazarett immer Gotthard genannt wurde. Da diese Frau mit dem Knaben gemeinsam eine schwere Zeit durchgemacht hat. brachten wir beide wieder in Verbindung. Blaugraue Augen, blqnde Haare. Mitteilungen erbeten unter Nr. 516a an den Kindersuchdienst des Deutschen Roten Kreuzes in Hamburg-Altona. Allee 125—131.
die Tatsache, daß er vier geplante Überfälle abgeblasen und auf später verschoben hat, bis günstigere Voraussetzungen bestanden hätten. So nahm er von einem Überfall auf den Geldtransport des Arbeitsamts Abstand, weil kurz vorher Diebe in der Staatsbank einen Tresor des Arbeitsamts unter den wohlwollenden Augen des unaufmerksamen Portiers ausgeräumt hatten. Ein Überfall nach Wildwest- Manier auf die Verkehrsbank, der 100 000 DM erbringen sollte, wurde deshalb nicht durchgeführt, weil nicht rechtzeitig ein Kraftwagen zur Flucht aufgetrieben werden konnte- Ein Überfall auf die Geldtransporte des Fußballtotos wurde abgeblasen, weil die nötigen Beobachtungen zu kostspielig waren.
Kleine und große Coups
Man wollte also erst einige kleinere „Coups“ landen. Am 30. Januar 1951 wurde also der Zigarrenhändler G a ß n e r überfallen. Kurz darauf sollte ein größerer Schlag ausgeführt werden: Zwei „Panther“ stiegen in eine Taxe, ließen sich in einen Wald fahren und raubten dort unter vorgehaltener Pistole den Wagen Der Taxifahrer mußte versprechen, erst nach
Freude an kleinen Dingen kann den grauen Alltag erheblich verschönen. Jede Frau freut sich über schwanweiße Wäsche, ohne grauen Schimmer - „Wäsche ohne Schleier“, erzielt durch Dr. Thompson’s Schwan-Pulver im roten Paket zu 40 Pf. Doppclpaket 75 Pf.
11 Uhr zur Polizei zu gehen, und wurde laufen gelassen. Dieser Wagen schuf die Möglichkeit zu dem Überfall auf den Kassenboten P1 e n a g 1 vor dem Münchner Hauptzollamt, der gleich anschließend am hellichten Vormittag auf offener Straße durchgeführt wurde. Plenagl erhielt einen Schuß durch den Bauch, und die jugendlichen Räuber flüchteten in dem gestohlenen Wagen. Am 14. Oktober erfolgte der nächste Coup: Eine Pension beim Filmgelände in Geiselgasteig wurde überfallen und dabei sämtliche anwesenden Personen in den Keller gesperrt. Gleich anschließend wurde der Onkel eines Bandenmitglieds, der Gärtner Augustin, überfallen und erschossen. Ein paar Tage später waren alle Panther hinter Schloß und Riegel- Augustins braver Neffe hatte in einem Bandenmitglied seinen Cousin erkannt.
Ein geklönter Monat
Sternenvorschau für Mai
Noch immer erinnern einige Wintersternbilder, nämlich kleiner Hund, Zwillinge und Fuhrmann, am Westhimmel an den überwundenen Winter, der sich jedoch in den drei Eisheiligen manchmal noch recht unangenehm bemerkbar macht. Auch der Löwe und die Wasserschlange stehen nun im Westsektor des Himmels, und die Jungfrau mit Spika steht zwar im Meridian, aber nicht sehr hoch über dem Horizont. Über ihr, zwischen Löwe und Bootes, finden wir ein Sterngewirr mit seltsamem Namen „Haar der Berenice“, ein Sternbild, das an das Dankesopfer einer antiken Königin erinnert, die ihr herrliches Haar aus Freude über die gesunde Rückkehr ihres Mannes Energetes aus dem siegreichen Feldzug gegen Asien der Göttin Venu s auf den Altar hingab. „Coma“ ist berühmt durch seine Spiralnebel. Arktur im Bootes und die Krone rücken immer früher abends hoch in den Süden herauf. Im Osten kommen nun schon wieder Leier und Schwan empor, die den nahenden Sommer verkünden. Am Morgenhimmel erscheint bereits das vollständige Sommer-Dreieck mit Wega, Deneb und Atair, den Hauptsternen von Leier, Schwan und Adler.
Eines der reizvollsten Sternbilder des nördlichen Himmels ist die Krone, die in diesem Monat kulminiert. Das Sternendiadem ist kein großes aber sehr auffälliges Bild, das zwischen Bootes (Ochsentreiber) und Herkules liegt; besonders schön hebt sich der zarte Reif in mondlosen Nächten vom schwarzen Samt des Nachthimmels ab. Gemma, ein Stern 2. Größe, glänzt tatsächlich wie ein Edelstein nahe der Mitte des Sternenreifs. Der Hauptstern Gemma »st zum Auffinden eines herrlichen Kugelhaufens wichtig. Ziehen wir von ihm zur Wega, dem bläulichsilbern funkelnden Hauptstern in der Leier eine Gerade und halbieren diese Gerade, so steht nahe diesem Halbierungjjmnkt der Kugelhaufen M 13, der hellste und größte aller Kugelsternhaufen. Er gehört zum Sternbild Herkules. Wenn naan seinen Ort genau kennt, ist es möglich, ihn in mondlosen Nächten mit bloßem Auge aufzu- flnden.
Die Krone ist ein so einprägsames Sternbilö
und steht an so sichtbarer Stelle, daß die Sternsagen bis in graue Vorzeit zurückreichen. Bauern und Schiffern war es stets ein Zeichen des Zeitenwandels und der Ortsorientierung. Ende Mai kulminieren auch der Ochsentreiber, der im Umriß entfernt mit dem Orion oder einem Kinderdrachen vergleichbar ist, und der große Wagen.
Die Sonne macht im Mai schon auffällig längere und höhere Bögen. Ihre Morgen- und Abendweiten liegen schon beachtlich weit gegen Norden. Wer das Höhersteigen der Sonne an der
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Verkürzung des Mittagschattens registrieren will, der messe täglich um 12 Uhr die Schattenlänge eines Stabes bis zur Sommersonnwende.
Der Mond hat am 6. Mai sein letztes Viertel erreicht, am 9. Mai durchschreitet er den Himmelsäquator, kommt gleich danach in Erdnähe und ist am 13. Mai Schwarzmond. Am 20. hat er sein erstes Viertel, durchschreitet am 22. wiederum, jedoch in Erdferne, den Äquator und am 28. ist dann Vollmond.
An Planeten ist der Maihimmel überraschend arm, was gegenüber der Planetenanhäufung der vergangenen Monate besonders auffallend ist. Die meisten werden vom Sonnenlicht überstrahlt, ziehen sich also in den Taghimmel hinein. Merkur bleibt unsichtbar. Venus hatte den Abendhimmel am 10. April verlassen. Um die Monatswende glänzt sie zum ersten Male wieder als
Morgens'ern, wenn auch nur für kurze Zeit. Bis zum 31. Mai wächst der Aufgangsvorsprung der Venus vor der Sonne um etwa 24 Minuten, ist also relativ gering. Das hängt mit der zunehmenden Aufhellung des Osthimmels durch die Sonne zusammen, denn der Morgenstern kann nur bis etwa 45 Minuten vor Sonnenaufgang beobachtet werden. Mars und Jupiter sind in den Sonnenstrahlen verschwunden. Nur Saturn beherrscht noch den Nachthimmel und zwar steht er in der Jungfrau. Am 24. hat er den Hauptstern Spika erreicht. Doch auch seine Sichtbarkeitsdauer geht zurück. Während er Anfang Mai noch die ganze Nacht bis zum Morgen am Himmel steht, geht er am Monatsende schon um 2 Uhr unter. Dr. S. Knecht
Die Gesdiidrte vom Chinalack
Von Elisabeth von Heyking
Auf dem Schiff hörte man endlose Debatten über die Zukunft Chinas, über „offene Tür“ und „Interessensphären“, über Aufteilung und die Ansprüche der einzelnen Länder. Was aber in Pekinger Kreisen nur leicht angedeutet wurde, das sprachen diese Reisenden mit brutaler Offenheit aus. Man sah sich da plötzlich der bSte humaine gegenüber, wie sie wirklich ist: stets erscheint ihr der eigene Anteil zu klein, der des anderen zu groß. Mit harmloser Naivität wurde da enthüllt, was jedes einzelnen Herzenswunsch war: für sich selbst abgeschlossene und möglichst große Interessensphären, bei dem Nachbarn dagegen ein möglichst offenes Scheunentor. Mich stimmen diese Debatten unendlich traurig, denn sie eröffnen für die Zukunft häßliche Aussichten. Es waren ja nur einzelne Leute, die da redeten, zumeist einflußlose, unbedeutende Menschen, aber aus ihren Worten konnte man doch auf den allgemeinen Geist der Zeit schließen, mit seiner Skrupellosigkeit, seiner Abhängigkeit vom Erfolg, seiner Grausamkeit gegen alles auf Erden, was sich nicht wehren kann.
Haben Sie, lieber Freund, je von Charles William O’Doyle gehört, anders auch „Chinalack- O’Doyle genannt Dieser oOfache Millionär, der heute an der Spitze der größten Eisenbahnen steht, der Bergwerke, Schiffe und Ländereien, groß wie ein Königreich, besitzt, hat seine Laufbahn vor Jahren als Apothekergehilfe in San
Francisco begonnen. Charles W. legte den Grund zu seinem Vermögen durch einen wahrhaft genialen Einfall. Er hatte in San Francisco Gelegenheit, die Chinesen zu beobachten, die damals noch massenweise frei nach Kalifornien ein- wandem durften und ebenso massenweise nach ihrem Tod in großen, schweren Holzsärgen nach Kanton befördert wurden. Chinesen glauben ja mm einmal, nur im eigenen Lande regelrecht begraben werden zu können. Aber die schweren Holzsärge und der teure Transport verschlangen oft alles, was sich der Tote während Jahren erspart hatte, zum großen Ärger der bezopften Erben. Da erfand Charles W. einen eigenen Lack, den er zuerst an allerhand toten Tieren ausprobierte. Damit bestrichen, konserviert sich jeder Tote monate-, ja jahrelang; er dörrt vollkommen aus, wird hart wie Stein und erscheint, als sei er mit einer gelben Lederhaut überzogen. Charles W. nahm ein Patent auf seinen „Chinalack“, und damit bestrichen legten nun Tausende toter Chinesen den Weg nach Kanton zurück. Die teuren, nach chinesischem Muster in San Francisco verfertigten Holzsärge waren erspart und der Preis der Überfahrt bedeutend verringert, denn man konnte nunmehr die toten Chinesen wie Sardinen in irgendeinem Schiffswinkel fest aufeinanderpressen und unterstauen, und sie kamen vollkommen unversehrt daheim an. Dies war die Grundlage der O’Doyleschen Millionen..
(Aus: „Briefe, die ihn nicht erreichten“, dem
Bestseller vor fünfzig Jahren).
Kulturelle Nachrichten
Rund 25 000 Besucher haben im Vorjahr _in 15 Vorstellungen die Aufführungen des „Käth- chens von Heilbronn“ erlebt. Auch in diesem Jahr bringt die Käthchenstadt in der Zeit vom 1.—18. Juli ihr Festspiel im eindrucksvollen Rahmen des Deutschordenshofes zur Aufführung.
Prälat Dr. theol. et phil. Rupert S t o-r r, deT Dekan des Rottenburger Domkapitels, durfte am 27. April seinen 70. Geburtstag begehen. Lange Jahre war er der Herausgeber der „Rottenburger Monatsschrift“. Vor allem aber hat er sich durch mehrere grundlegende Werke einen angesehenen Namen unter den katholischen Bibelerklärern gemacht.