HEIMATBLATT FÜR STADT UND LAND

CALWER ZEITUNG

Verlagsort Calw

SO. APRIL /1. MAI 1953

ÜBERPARTEILICHE TAGESZEITUNG

9. JAHRGANG j NR. 99

Adenauer: Sdiuldenabkommen bedeutet Ende der Reparationen

14,3 Milliarden /Wiederherstellung des Vertrauens / Parlament wird zustimmen Drafilber icht unserer Bonner Redaktion

ITlaienglüch

Ein roacbfender Bau, eine reifende Saat,

Ein großes IDerh, das dem Ende nabt

IDer fdjafft und ftrebt, dem Ift es beraubt,

IDas das in fid) birgt an IDonne und £uft.

Aufn.: Näher

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Wir dürfen stolz sein

Von Anton Ha mm et

BONN. Bundeskanzler Dr. Adenauer, der die Zustimmungsgesetze zu den in London Unterzeichneten Schuldenabkommen im Bun­destag einbrachte, betonte am Mittwoch seine Überzeugung, daß die drei Westmächte keine weiteren Reparationsforderungen gegen die Bundesrepublik erheben würden. Im anderen Falle könne die Bundesrepublik ihre Ver­pflichtungen aus dem Schuldenabkommen nicht erfüllen. Adenauer erklärte, mit der Über­nahme der Verpflichtung zur Rückzahlung von insgesamt 14,3 Milliarden DM Vor- und Nachkriegsschulden stelle die Bundesrepublik das Vertrauen wieder her, das die Vorausset­zung für gute finanzielle Beziehungen zu an­deren Ländern sei.

In der Debatte, in der sich fast alle Abge­ordneten für die Grundsätze und Ziele der Schuldenabkommen aussprachen, äußerten mehrere Sprecher Bedenken, die ihren Grund ln dem Verlust des deutschen Auslandsver­mögens nach dem Kriege haben. Der CDU- Abgeordnete Dr. Kopf und die Vertreter der beiden anderen Koalitionsparteien wiesen auch auf mögliche Transferschwierigkeiten

hin. Für die Sozialdemokraten warf der Ab­geordnete Prof. Gülich die Frage auf, ob die Schuldenabkommen nicht die Möglichkeit der deutschen Wiedervereinigung verringerten. Der Bundeskanzler dränge sich dazu, in- der gegenwärtigen unübersehbaren Zeit der Bun­desrepublik außerordentliche Lasten aufzu­bürden, bevor die Situation Gesamtdeutsch­lands sichtbar sei. Die endgültige Haltung der SPD zu den Abkommen werde von den Be­ratungen in dem für diesen Zweck gebildeten 27köpfigen Sonderausschuß abhängen, an den die Entwürfe überwiesen wurden.

In dritter Lesung verabschiedete der Bun­destag ein Gesetz zur Änderung des Lasten­ausgleichsgesetzes,. nach dem die Begrenzung der Schadenssaldierung auf 150 000 DM bei der Vermögensabgabe aufgehoben wird. Der Ent­wurf eines Gesetzes über die Sozialgerichts­barkeit wurde nach der ersten Lesung an den zuständigen Ausschuß überwiesen. Das Gesetz sieht die Einrichtung von Sozialgerichten, Landessozialgerichten und von einem Bundes­sozialgericht vor und entspricht den Forde­rungen des Grundgesetzartikels 96

Es ist jetzt 63 Jahre her, daß Arbeiter ihre erste Maikundgebung abgehalten haben. Am 14. Juli 1889, dem hundertsten Jahrestag der Erstürmung der Bastille in Paris, hatte die soeben gebildete Sozialistische Internationale beschlossen, den 1. Mai künftig als arbeits­freien Tag zu begehen und an ihm der Welt ihre Forderungen durch Aufmärsche und öf­fentliche Versammlungen kundzutun. Die erste Maifeier bezeichnet nicht den Eintritt des Arbeiters in die Geschichte dieser lag in England, Frankreich und Deutschland schon Jahrzehnte zurück, aber sie war die erste öffentliche Dokumentation eines Willens, mit dem in der Außen- und Innenpolitik aller Länder fortan gerechnet werden mußte.

Für den Arbeiter, den Lohnempfänger der modernen Industrie, bedeutete der erste 1. Mai den Schritt aus der Fabrik auf die Straße, aus den Hinterhöfen der Großstädte auf die gro­ßen Plätze, auf denen bisher in Paraden und anderen feierlichen Akten nur der Staat seine Macht gezeigt hatte. Der Staat das war für den Arbeiter der Jahrhundertwende in Preu­ßen etwa das Dreiklassenwahlrecht, die feuda­len Privilegien, der Kommiß, das bürgerliche Kapital. Diesem Staat setzte er seine Forde­rungen entgegen: Allgemeines und gleiches Wahlrecht, Koalitionsrecht, Achtstundentag, materielle Sicherheit bei Alter und Invalidi­tät, Arbeitsschutz, Kinderschutz. Der Staat, nach marxistischer Ideologie der Hüter und Verteidiger der Klassenvorrechte, wurde zum Angriffsziel der Massen.

1918 brach dieser Staat in Deutschland zu­sammen, nicht an seinen ungelösten sozialen Problemen, sondern unter den Schlägen äuße­rer Feinde. Der neue Staat wurde kein Staat des Arbeiters, aber weithin mitbestimmt von seinen Bedürfnissen und Interessen. Aus dem Proletarier war ein Staatsbürger geworden, und mit der öffentlichen Verantwortung ver­wandelten sich Forderungen in Rechte und Rechte in Pflichten.

Nach der Entmündigung im Dritten Reich und der Diktatur der Siegermächte in den ersten Nachkriegsjahren wurde der Gedanke der Mitbestimmung im Betrieb zu einer Leit­idee der neuen Sozialgesetzgebung. Der 1. Mai 1953 sieht die Arbeitnehmerschaft im Besitz eines Betriebsverfassungsgesetzes, das die So­zialpartner in neuer Weise zusammenzufüh­ren vermag.

Es wird einige Zeit brauchen, bis sich die neuen Bestimmungen eingespielt haben und die Theorie im weiten Feld der täglichen Pra­xis ihre Eignung erwiesen hat. Es wird auch auf die Initiative der Betriebsvertretungen ankommen, ihre Chancen immer rechtzeitig zu erkennen und wahrzunehmen. Aber der Grundgedanke, unter Belassung der Haupt­verantwortung beim Unternehmer die Beleg­schaft an der Entwicklung des Betriebes maß­geblich zu interessieren, muß sich bewähren. Die neuen Beziehungen werden sich nicht im­mer friedlich entwickeln. Hier und dort wird es harte Kämpfe geben, bis Rechte und Pflich­ten auf beiden Seiten verläßlich abgesteckt sind. Aber Kapital und Arbeit sind von vorn­herein aus der Sphäre unfruchtbarer Antithe- tik gerückt, und das Betriebsklima ist nicht schon grundsätzlich den menschlichen Regula­toren entzogen.

Gibt es einen besseren Beweis für das na­türliche Aufeinanderangewiesensein von privater oder öffentlicherunternehmerischer Initiative und dem Arbeitswillen der Millio­nen, die Kraft, Können, Ausdauer und Fleiß einzusetzen haben, als unseren Wiederaufbau nach dem schlimmsten aller Kriege und der tiefsten aller Niederlagen? Es ist hart gear­beitet worden in diesen Jahren, in den Büros und Werkhallen, auf den Bauplätzen und Fel­dern, und kaum einem wurde etwas ge­schenkt.

Die neuen Werte, die Unternehmer und Ar­beiter zusammen geschaffen haben, sind da­her unser besonderer Stolz, und wenn außer dem Hochgefühl der Leistung an diesem 1. Mai 1953 unsere Herzen etwas bewegt, dann ist es der dringliche Wunsch nach einem ech­ten, dauerhaften Frieden, damit wir das, was wir uns unter so schweren Bedingungen neu erarbeitet haben, auch wirklich behalten dürfen.

Die Gewerkschaften zum 1. Mai

DÜSSELDORF. Der Deutsche Gewerk­schaftsbund erinnert in seinem Maiaufruf in diesem Jahr besonders eindringlich an die Maitage des Jahres 1933.20 Jahre sind ver­gangen, seit die Nazis durch die Vernichtung der Gewerkschaften die Macht an sich geris­sen haben. Noch einmal wird der unheilvolle Verlauf dieser Jahre mit allen seinen Folgen aufgezeigt und daran die Mahnung zur Wach­samkeit geknüpft:Wir rufen alle in Staat, Wirtschaft und in der Gesellschaft verant­wortlichen Kräfte auf, alles zu tun um Volk und Land vor einem zweiten 1933 zu bewah­ren. Mit berechtigtem Stolz weist der DGB auf seine bisher verwirklichten Ziele hin und erneuert gleichzeitig seine noch unerfüllten Forderungen, an erster Stelle die Einführung der 40-Stunden-Woche.

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Das Tauziehen um die Verträge

Vorerst wird Bundesratssitzung abgewartet / Regierungskrise in Hannover? Drahtbericht unserer Bonner Redaktion

bleiben werde, daß erst die nächste Bundes­ratssitzung am 8. Mai abgewartet wird, um zu sehen, ob durch wahrscheinliche Anträge einzelner Länderregierungen auf Zustimmung zu den Verträgen nicht eine politische Ent­scheidung falle, die auch die Klärung der rechtlichen Fragen erleichtern würde. Auch der CDU-Abgeordnete Kiesinger vertrat ge­genüber unserem Bonner Korrespondenten die Auffassung, daß die Weiterleitung der Rati­fikationsgesetze noch nicht zu erwarten sei.

Die Meinungen darüber, ob ein Zustim­mungsrecht des Bundesrats besteht, wie. von den Länderregierungen im vergangenen Jahr einmütig erklärt worden war, gehen in den Koalitionsparteien auseinander- Einig ist man sich jedoch darin, daß kein Bundesrats­beschluß über eine eventuelle Beteiligung an einem Gutachtenantrag herbeigeführt wer­den solle. Nach Auffassung der Koalitionspar­teien ist ein solcher Antrag unmöglich, nach­dem die Regierungsparteien in der Überzeu­gung, daß die Verträge mit der Verfassung übereinstimmen, die Ratifikationsgesetze in der dritten Lesung verabschiedet haben.

Unabhängig von der Frage der Haltung Maiers wird in parlamentarischen Kreisen der Bundeshauptstadt mit der Möglichkeit ge­rechnet, daß es in Niedersachsen zu einer Re­gierungskrise und einer Ausschaltung der SPD aus dem Kabinett von Hannover kommen kann, nachdem bekannt wurde, daß entspre­chende Verhandlungen zwischen den Bonner Regierungsparteien und dem BHE in Nieder­sachsen aufgenommen worden sind.

Ehard: Nochmals vor Bundesrat

MÜNCHEN- Der bayerische Ministerpräsi­dent Ehard (CSU) kündigte am Mittwoch in einer Ansprache über den Bayerischen Rund­funk an, er werde mit dafür sorgen, daß sich der Bundesratin nicht allzuferner Zeit er­neut mit den deutsch-alliierten Verträgen be­fassen müsse. Das Länderorgan werde dieser Entscheidung von weltgeschichtlicher Trag­weite, der es sich unter der Regie seines Präsidenten Maierentwunden habe, nicht ausweichen können.

Landesversammlung billigt Maier

Nur ein FDP-Abgeordneter brach aus /Grundgesetzänderung notwendig"

Drahtbericht unserer Stuttgarter Redaktion

BONN. Die Auseinandersetzung um das wei­tere Verfahren zur Ratifizierung der deutsch- alliierten Verträge ging auch am Mittwoch in sv 4e,c,. Bundeshauptstadt weiter. Nachdem Ver­alteter der Koalitionsparteien am Dienstag­abend von Bundespräsident H e u ß empfangen

Heuß und der Fahrstuhl

HAMBURG. Auf einen Blick über Hamburg vom 36 Meter hohen Philips-Turm, dem Zentrum der Hamburger Gartenausstellung, mußte Bundes­präsident Heuß am Mittwoch verzichten. Und das kam so:

Als Bürgermeister Brauer den hohen Gast einlud, den Fahrstuhl zur Plattform des Glas­gebildes zu besteigen, lehnte Heuß lächelnd ab: .Wissen Sie. ich bleib lieber unten. Bei solchen Geschichten wie Seilbahnen und Fahrstühlen habe ich kein Glück. Wenn ich drin bin, fahren die Dinger nie."

Schließlich ließ er sich doch überreden und stieg ein. Der Fahrstuhlführer drückte auf den Knopf und der Lift rührte sich nicht. Heuß stieg achselzuckend wieder aus. Aber kaum, daß swei andere Besucher den Fahrstuhl betreten hatten, sauste der Lift nach oben.

Heu/) lachte. Brauer schien leicht verlegen.

worden waren und am Mittwochnachmittag neue Fraktionssitzungen stattfanden, erklärte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU, Dr. Schröder, daß nach Auffassung der Koalitionsparteien die Hauptverträge nicht mehr der Zustimmung des Bundesrats bedürfen und folglichin angemessener Zeit an den Bundespräsidenten weitergeleitet wer­den sollten

Von maßgebender Seite der Regierung wur­de dazu erklärt, daß es voraussichtlich dabei

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ln der Kleiderkammer der Dienststelle Blank hängen die Uniformen, die für den künftigen Uropa-Soldaten in Erwägung gezogen werden. unser Bild zeigt eine Ausgehuniform. Noch f eb­en Rang- und Hoheitsabzeichen, und welche der Schlips haben soll, ist auch noch nicht entschieden Foto: Keystone

STUTTGART. Die Haltung der Landes­regierung von Baden-Württemberg bei der Behandlung der deutsch-alliierten Verträge im Bundesrat ist am Mittwoch von der Mehr­heit der Landesversammlung gutgeheißen worden. Der entsprechendeBilligungsantrag war von der SPD gestellt worden. Der na­mentlichen Abstimmung in der sich 62 Ab­geordnete der Koalition für den Antrag und 36 Abgeordnete der CDU und der Freie De­mokrat Dr. Hans Köhler, Schwenningen, als einziges Mitglied der Koalition dagegen aussprachen ging eine Regierungserklärung des Ministerpräsidenten Dr. Maier voraus.

Dr. Maier erklärte, der Antrag seines Lan­des im Bundesrat, die Entscheidung über die Verträge bis zum Vorliegen eines Gutachtens zu vertagen, werde mißverstanden. Der An­trag ziele darauf ab, einer erhöhten Einsicht mit sanftem Zwang den Weg zu ebnen. Das

gemeinschaftliche Gutachten wäreder erste Schritt zu einer Außenpolitik auf breiter Ba­sis, ohne welche wir auf die Dauer nicht aus- kommen.

Maier erwähnte, daß er den amerikanischen Hohen Kommissaren M c C 1 o y und C o n a n t und auch dem Bundeskanzler versichert habe, daß er, wenn die rechtliche Zulässigkeit der Verträge geklärt sei, ihnen zustimmen werde. Was Dr. Maier von dieser Zulässigkeit hält, wurde an anderer Stelle seiner Rede sicht­bar:Weitere Handhaben für die Einführung der Wehrpflicht sind im Grundgesetz nicht vorgesehen. Die Rechtsgrundlage für eine sol­che Maßnahme muß vielmehr erst geschaffen werden und zwar durch eine entsprechende Ergänzung des Grundgesetzes. Hierzu ist eine Zweidrittelmehrheit erforderlich. Der Streit sei deshalb entbrannt, weil die Bundesregie­rung darum habe herumkommen wollen.