DIENST AG, 21. APRIL 1953

Waffenstillstand und keine Koalition

Österreich bleibt vorerst auf dem Weg der Mitte / Raabs Regierungserklärung Von unserem E. B.- Österreich-Korrespondenten

Der neue österreichische Bundeskanzler Raab hat vor dem österreichischen Parla­ment die mit Spannung erwartete Regierungs­erklärung abgegeben, deren Punkte an Stelle des früheren Koalitionspaktes zwischen Volks­partei und Sozialisten treten sollten. Neben der Betonung des österreichischen Anspruches auf Freiheit und Souveränität behandelte Raab vor allem wirtschaftspolitische Fragen. An der oft allgemeinen, unverbindlichen Formulie­rung konnte man erkennen, daß zwischen den beiden Regierungsparteien durchaus keine Übereinstimmung in vielen Fragen besteht, sondern eigentlich eine Art Waffenstillstand an die Stelle der alten Koalition zwischen .....

Wie wärs mit Seide, meine Herren?

kung der Lohn- und Einkommensteuer, Erhö­hung des Lebensstandards der Beamtenschaft und Förderung des Mittelstandes, Verwal­tungsreform durch Verminderung der Verwal­tungsagenten und Übertragung bestimmter Verwaltungsaufgaben an die Länder. Kredite für die Landwirtschaft bei stabilen Agrarprei­sen. Der erhöhten innenpolitischen Bedeutung des Verbandes der Unabhängigen nach dem Ende des bisherigen Koalitionspaktes zwischen den Regierungsparteien entspricht das soziali­stische Einschwenken auf die Linie der Volks­partei mit der Forderung nach Aufhebung der politischen Ausnahmegesetzgebung. Diese ist bereits vom Nationalrat beschlossen worden, scheiterte aber bisher am Veto des Alliierten Rates.

Aus der Erklärung des Sprechers der Sozia­listen zu dem Regierungsprogramm geht her­

vor, daß die Sozialisten nur gezwungenerma­ßen und mit Vorbehalt der Durchführung des Kamitzplanes zugestimmt haben und bei Ge­legenheit zum Ausbrechen bereit sind. Para­doxerweise machte sich der sozialistische Spre­cher zum Vorkämpfer der freien Wirtschaft, indem er erklärte, der freie Wettbewerb müßte auch wirklich hergestellt werden, u. a. durch eine schärfere Bekämpfung kartellartiger Preisvereinbarungen. Als sozialistisches Nah­ziel wurde die Schaffung einer allgemeinen Volkspension bezeichnet, die weit über das of­fizielle Sozialprogramm der Regierung hinaus­geht. Der Sprecher der Volkspartei stellte demgegenüber die Notwendigkeit der Begün­stigung einer Kapitalsbildung heraus, ohne die Investitionen unmöglich seien. Investitionen im Wohnbau seien nicht viele zu erwarten, da die Mietengesetzgebung diese unrentabel ge­stalte. Allein aus diesen beiden Stellungnah­men zeigen sich verschiedene Reibungsflächen zwischen den Regierungsparteien. Erst die Praxis der kommenden Monate wird zeigen, ob die derzeitige Regierung arbeitsfähig sein wird.

Aus der Seidenstadt Krefeld kommt die Kunde, daß sich die deutsche Männerwelt nach fast hun­dert Jahren zum erstenmal in diesem Sommer wieder in rein seidene Gewänder hüllen kann. Der Krefelder Modering wird in Kürze im Zu­sammenwirken mit der deutschen Seidenindu­strie die ersten Herrenanzüge aus reiner Seide im modernen Stil auf den Laufsteg bringen. Zu­nächst werden Seidenanzüge in den Grundfar­ben grau und braun herausgebracht.

...

Volkspartei und Sozialisten getreten ist. Da der Sprecher der Unabhängigen sich absolut nicht zu einem gemeinsamen parlamentari­schen Programm mit der Volkspartei be­kannte, sondern für seine Fraktion sich vor­behielt, jeweils die Stimmen für jene Partei abzugeben, deren Antrag dem unabhängigen Parteiprogramm entsprechen würde, ist die ge­samte österreichische Innenpolitik in Fluß ge­kommen. Dem Verband der Unabhängigen, dessen Stimmen sowohl der Volkspartei wie den Sozialisten zu einer Mehrheit im Parla­ment genügen, kommt damit eine politisch weit höhere Bedeutung zu, als es der Zahl der Mandate entspricht oder als ihm eine Teil­nahme an der Regierung gebracht hätte. Der stellvertretende Parteiobmann Dr. Kraus be­tonte dies auch im Parlament mit sichtlicher Genugtuung.

Apis und Este

Prozeß gegen dieSchwarze Hand BELGRAD. Die Ermordung des österreich­ungarischen Thronfolgers Franz Ferdi­nand am 28. Juni 1914 in Serajewo, durch die der erste Weltkrieg ausgelöst wurde, wird nach fast 40 Jahren im Mittelpunkt eines Pro­zesses stehen, den Marschall Tito in den nächsten Wochen durchzuführen beabsichtigt. Der Prozeß gegen dieSchwarze Hand, eine Geheimorganisation serbischer Offiziere, de­ren Führer 1917 in Saloniki standrechtlich er­schossen wurde, soll, wie Radio Belgrad be­kannt gab, noch einmal aufgerollt werden.

Mit Blut hat dieSchwarze Hand, die kurz nach 1900 von dem Generalstabsobersten Dra- gutin Dimitrijevic genannt Apis gegründet wurde, die Geschichte des serbi­schen Nationalismus geschrieben. Ihr erstes Opfer war der serbische König Alexander aus dem Hause Obrenovic, der am 11. 6. 1903 im Konak von Belgrad von den jungen Offi­

zieren ermördet wurde. Dimitrijevic setzte dann die Karageorgeyic auf den Thron. Um die großserbischen Ideale, den Anschluß von Kroatien und Slowenien, zu erreichen, wurde Erzherzog Franz Ferdinand ermordet und da­mit der Weltkrieg ausgelöst. Es blieb dunkel, wieviel der damalige Kronprinz und spätere König A1 e x a n d.e r , der 1934 in Marseille ermordet wurde, von der Tätigkeit der Schwarzen Hand wußte, ob er ihr Vorgehen billigte. 1917 ließ er in Saloniki die Führer derSchwarzen Hand wegen einer angeb­lichen Verschwörung gegen ihn verhaften und nach einem Standgericht erschießen.

Dieser Prozeß soll nun, wie Radio Belgrad meldet, erneut aufgerollt werden, da neues Beweismaterial ein bisher geheim gehal­tener Brief, den einer der Erschossenen kurz vor seinem Tode einem Geistlichen übergeben hat in den Besitz der Regierung gelangt ist. Nur einer der Mitglieder derSchwarzen Hand ist heute noch am Leben und wird als Kronzeuge auftreten.

Kleine Weltchronik

Aus der Regierungserklärung des Bundes­kanzlers geht hervor, daß sich die Regierungs­parteien etwa auf folgender Linie getroffen haben: Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen bei Wahrung der Stabilität der Währung, energi­sche Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit, Sicherung der Währung durch Belassung der Budgetansätze 1952 ohne Ausgabenerhöhun­gen und durch Begrenzung des Kreditvolu­mens, Förderung des Exportes, Investitionen durch Anleihen und nicht mehr durch Budget­aufblähung, Ausdehnung der Altersversor­gung auf kleine Meister und Kaufleute, Sen-

Kanada als neue Heimat

Ostflüchtlinge können einwandern

GENF. Kanada wird in diesem Jahr voraus­sichtlich 165 000 Einwanderer aus Europa, darunter auch deutsche Ostflüchtlinge, auf­nehmen, teilte der Leiter des kanadischen Einwanderungsamtes, C. E. S. Smith, am Montag auf der Sitzung des zwischenstaat­lichen Komitees für die Einwanderung aus Europa in Genf mit.

Die Frage der Aufnahme der Ostflüchtlinge würde zur Zufriedenheit der deutschen und kanadischen Regierung geregelt werden. Das Problem ihrer Anerkennung als Flüchtlinge werde erschwert, so lange sie noch deutsche Staatsbürger seien. Kanada würde sie aber gerne aufnehmen, sagte Smith, wenn auch die deutsche Regierung sie als Flüchtlinge an­erkenne.

Nach Rom wegen Heroldsbach. Bamberg. Der Erzbischof vom Bamberg, Josef Otto Kolb, ist am Montag nach Rom abgereist, um mit den katholischen Würdenträgern die Frage der Ma- rien-Erscheinungen im oberfränkischen Herolds­bach zu besprechen. Wie mitgeteilt wurde, wird der Erzbischof auch bei einer für Donnerstag vorgesehenen Audienz beim Heiligen Vater dieses Problem zur Sprache bringen.

Die Hoffnung aufgegeben. Wattenscheid. Die Leitung der ZecheCentrum hat am Montag die Hoffnung auf Rettung der seit Samstag in 1000 m Tiefe verschütteten sieben Bergleute auf­gegeben. Die Bergungsarbeiten gehen unvermin­dert weiter.

Gespräch zwischen SPD und Kirche. Bonn. Vertreter der SPD und der Kirche versuchen zur Zeit, wie der SPD-Bundestagsabgeordnete Dr. Fritz Menzel in einer am Montag in Bonn ver­öffentlichten Verlautbarung erklärt,in offenen Aussprachen Mißverständnisse hüben wie drüben zu beseitigen undKlagen und Anklagen der einen wie der anderen Seite, die in der Ver­gangenheit liegen endgültig zu bereinigen.

Adenauer zum zwölften Male Großvater. Ham­burg. Gleich am ersten Tage nach der An­kunft des Bundeskanzlers von seiner Amerika­reise auf deutschem Boden erreichte ihn auf dem Bundesparteitag der CDU am Montag in Ham­burg die Nachricht, daß er zum zwölften Male Großvater geworden ist. Schon auf seiner USA- Reise hatte ihn in San Franzisko die Nachricht von der Geburt seines elften Enkels überrascht, der von den Eltern u. a. den Namen Franziskus erhielt.

Britisches Flugzeug nach Moskau unterwegs. London. Ein Transportflugzeug der britischen Luftstreitkräfte startete am Montag nach Mos­kau. Es soll die sieben ehemaligen Zivilinter­

nierten nach England bringen, die kürzlich In Nordkorea entlassen wurden. Unter ihnen be­findet sich der frühere britische Gesandte in Seoul, Holt.

Liberale Internationale und FDP. London. DieLiberale Internationale will auf ihrer ge­genwärtigen Jahrestagung in Manchester auch die Lage der Freien Demokratischen Partei Deutschlands besprechen. Es wird angenommen, daß Dr. Middelhauve als Vertreter der FDP Nordrhein-Westfalens Erklärungen zu den Vor­würfen abgeben wird, daß die FDP von Neonazis infiltriert sei.

Dänischer Luxusdampfer ausgebrannt. Har- wich. Sieben Stunden nach seiner Ankunft in dem britischen Hafen Harwich brannte in der Nacht zum Montag der 4000 t große dänische Lu­xusdampferKronprinz Frederick aus. Zehn Stunden wütete das Feuer in dem blendend wei­ßen Schiff, ehe es sich plötzlich auf die Seite legte und dann völlig kenterte.

Argentinisch - sowjetisches Handelsabkommen. Moskau. Der argentinische Botschafter in Mos­kau, Bravo, kündigte an, daß in Kürze einwich­tiges Handelsabkommen zwischen der Sowjet­union und Argentinien vermutlich in Buenos Ai­res unterzeichnet werde.

Neue Erdbeben in Iran. Teheran. Weitere heftige Erdstöße erschütterten auch am Sonntag­abend die nordostiranische Stadt Borgan, die am Samstag durch ein Erdbeben fast völlig zerstört worden ist. Obwohl eine ganze Anzahl weiterer Gebäude einstürzte, sind noch keine Verletzte oder Tote zu beklagen.

Stürme über Südteil der USA. Atlanta. Hef­tige Stürme, die in einigen Gebieten Orkanstärke erreichten, haben am Wochenende den Südteil der Vereinigten Staaten heimgesucht. Tausende von Häusern wurden abgedeckt oder zerstört, sieben Personen getötet und über 200 verletzt.

WIRTSCHAFT

Gutes Importgeschäft

Deutsche Handwerksmesse beendet

MÜNCHEN. Die 5. Deutsche Handwerksmesst in München ging am Sonntag nach elftägigei Dauer zu Ende. Wie die Messeleitung mitteilte, wurden rund 225 000 Besucher gezählt, darunter Einkäufer aus 48 Ländern. Das Exportgeschäft war gut, der Inlandsabsatz erheblich höher als im Vorjahr. Vor allem die Hauptgruppen Ma­schinen und Werkzeuge, Textil. Möbel. Innen­einrichtungen, Baustoffe. Hauswirtschaft und Kunsthandwerk berichteten über zufriedenstel­lende Abschlüsse.

Vergebliche Hoffnung

Vorerst keine Kinderbeihilfe

w-t. BONN. Die kinderreichen Familien mu^ sen für dieses Jahr ihre Hoffnung, eine staat­liche Kinderbeihilfe zu erhalten, endgültig be­graben. Die parlamentarischen Beratungen über die Einrichtung von Familienausgleichskassen, aus denen die Beihilfen gezahlt werden sollten, dauern zwar noch an. Aber da bisher weder unter den Regierungsparteien noch zwischen der CDU und der SPD eine Einigung über die Form der Kinderbeihilfen erzielt werden konnte und sich auch keine Einigung abzeichnet, erscheint es ausgeschlossen, daß das Gesetz noch vom jetzi­gen Bundestag verabschiedet werden kann.

Die SPD denkt an eine zentrale staatliche Aus­zahlung von Kinderbeihilfen, die CDU wünscht dagegen eine weitgehende Dezentralisierung in der Form, daß die Ausgleichskassen von den einzelnen Berufssparten eingerichtet werden. Da­bei wäre es aber beinahe unmöglich, freiberuf­lich Tätigen gleichfalls die Kinderbeihilfe zu­gute kommen zu lassen. Die weiter rechts stehen­den Parteien sehen die neue Ausweitung der Sozialgesetzgebung überhaupt mit Unbehagen.

Auf dem Stand von 1936

Außenhandelsvolumen der Sowjetzone

BERLIN. Zum Außenhandel der Sowjetzone stellt das Deutsche Institut für Wirtschafts­forschung in Berlin in seinem neuesten Lage­bericht fest, daß langfristige Handelsverträge gegenwärtig nur mit den Staaten des Ostblocks bestehen. Der Außenhandelsumsatz (Import und Export) im Rahmen dieser Abkommen wird für 1952 auf über fünf Milliarden Rubel veran­schlagt.

Seit der Währungsreform und mit Beginn der sowjetzonalen Volkswirtschaftspläne hätten sich Umfang und Richtung des Außenhandels stark verändert. Das Außenhandelsvolumen habe sich von Jahr zu Jahr erhöht und inzwischen eben­so wie die Industrieproduktion wahrscheinlich den Stand von 1936 erreicht. Es sei jedoch un­zureichend, wenn man berücksichtigte, daß die Außenhandelsabhängigkeit der Zone zugenom­men habe. Etwa vier Fünftel des Außenhandels der Sowjetzone seien 1951 auf den Austausch mit den Ostblockstaaten entfallen.

Höhere Einzelhandelsumsätze

BONN. Der Einzelhandel setzte im März im Durchschnitt 18 Prozent mehr um als im Fe­bruar, teilt das Statistische Bundesamt mit. Ge­genüber März des Vorjahres waren die Umsatz- werte um 9 Prozent und die Umsatzmengen um 14 Prozent höher. Hierbei sei jedoch zu beachten, daß diese beträchtliche Umsatzsteigerung in er­ster Linie auf die gesteigerte Einkaufstätigkeit in den in diesem Jahr früher liegenden Oster-, Konfirmations- und Kommunionstagen zurück­zuführen sei und insofern eine Vorverlagerung von April auf den März bedeute. Das zeitige Einsetzen dös Frühlingswetters dürfte ebenfalls zu einer Umsatzsteigerung geführt haben.

Firmen und Unternehmungen

STUTTGART. 19 Millionen DM Einlagenzuwachs bei den württembergischen Volksbanken. Die Ein­lagen bei den württembergischen Volksbanken ha­ben sich in den ersten drei Monaten dieses Jahres um 19 Millionen DM auf 295 Millionen DM erhöht. Davon entfallen 11 Millionen DM auf die Sparein­lagen. Im ersten Quartal 1952 hatte die Zunahme 7,5 Millionen DM betragen.

Zur Information

Sämtliche bisher in Nord- und Südbaden beste­henden Einzelhandelsverbände haben sich zu einem einzigenEinzelhandelsverband Baden e. V. zu­sammengeschlossen. Zum vorläufigen Präsidenten wurde Gustav Adler, Freiburg, zu seinem Stellver­treter Dr. Altschüler Heidelberg, gewählt.

CM UCBESR OMAN UNTER DER SONNE INDIENS wn /Evuta. Hünie/L

Copyright by Hamann-Meyerpress

durch Verlag v Graberg & Görg, Wiesbaden

(39. Fortsetzung)

Doktor Mylander sah ihn scharf an.

Agneta? fragte er und seine Stimme klang kalt.Was gilt Ihnen Agneta Angelius, Lager­ström?

Sven Lagerström setzte sich langsam wie­der hin, er sah plötzlich müde und beinahe alt aus

Sie haben recht, mich danach zu fragen, und ich weiß nicht, was ich antworten soll. Es würde keiner verstehen, was mir Agneta be­deutet Alles, Doktor Mylander, alles! In die­sen letzten zwei Nächten, als ich hier allein lag, als ich wußte, daß sie von mir gegangen war, da wußte ich auf einmal, daß ich bisher in einer Traurmve.lt gelebt habe. Britta ge­hörte in diese i raum weit. Ich habe sie nie gekannt, ich habe mir von ihr ein Bild ge­macht, wie sie in Wirklichkeit gar nicht ist. Sehen Sie, Doktor, ich wußte so wenig von Frauen, ich bin immer ein einsamer Mensch gewesen Und daun kam Britta, sie war so schön, so strahlend, so ganz anders als alles, was ich bis dahin erlebte. Ich sah in ihr was sich jeder Mann erträumt, und ich merkte nicht, daß ich einem Traumbild nachlief. Und dann kam das Erwachen. Brutal und plötzlich, ich fühlte mich betrogen auch von Agnetal

Ich glaubte keinem mehr, ich vergaß, daß ich ja selbst schuld daran war. wenn alles so kam Ich blieb hier ich ließ sie allein, und Agneta hat recht, wenn sie sagte, daß Britta ein unruhiges Herz hat. Die wirkliche Britta hat mir nie gehört, ich wollte ein Traumbild festhalten, und es ist mir zwischen den Fin­gern zerronnen.

Und nun denken Sie, daß Agneta Ersatz ein soll?

Sven Lagerström schüttelte den Kopt

Nein, Doktor, wie kann ein Mensch wie Agneta Ersatz sein? Sie ist die Frau, die für mich geschaffen wurde, die Frau, die ich brauche, die ich ersehne. Sie ist kein lockendes, verführendes Traumbild, kein Irrlicht Agneta ist für mich das Leben. Ich bin glück­lich, wenn sie bei mir ist, sie könnte mir Frau, Geliebte, Kameradin sein . . .

Er schwieg und stützte den Kopf in die Hand.

Sie haben viel wieder gutzumachen, Sven Lagerström! Doktor Mylander zündete sich eine Zigarette an, ohne Lagerström anzu­blicken

Ich würde für sie sterben heute, gleich, wenn es nötig wäre.

Nein, Sie sollen für sie und mit ihr leben! Und ich beneide Sie, Lagerström. Sehen Sie, ich bin ein alter Junggeselle, verknöchert, ein Rauhbein aber die einzige Frau, von der ich mir vorstellen könnte, sie zu lieben, das wäre Agneta Angelius. Nur leiderer lachte ein bißchen wehmütig,ja, leider habe ich nicht die allergeringsten Chancen . . .

Doch das letzte hörte Sven Lagerström nicht mehr. Er horchte wieder gespannt in die Nacht.

Doktor, ich fühle es, Agneta ist in Gefahr. Doktor, wissen Sie nicht, daß die Herzen zweier Menschen, die einander lieben, einander rufen können, über weite Räume hinweg?

Er sprang auf, und ehe Doktor Mylander es hindern konnte, war er zur Tür hinaus. Er lief über den Platz Im Mondschein streckten sich ihm die eisernen Arme der Brücke entgegen. Wie gebannt lief er auf sie zu, er spürte keine Müdigkeit, eine innere Stimme trieb ihn.

Ich komme. Agneta!

Am Fuße des großen Mittelpfeilers, dort wo der schmale Pfad aus dem Dschungel mündete, lag eine kleine, schlanke Gestalt

Sahib!

Sven Lagerström beugte sich nieder.

Gepar? Wo ist die Miß? Was ist ge­schehen?

Der junge Inder versuchte zu sprechen, aber seine von Durst zerrissene Kehle gab keinen Laut von sich.

Sven Lagerström setzte die Signalflöte an die Lippen. Wenige Sekunden später flammte der Platz im grellen Licht der Scheinwerfer.

Doktor Mylander zwang dem völlig er­schöpften Knaben ein paar Tropfen Whisky ein. Gepar erhob sich taumelte und konnte schließlich stehen. Und plötzlich kam auch die Sprache wieder, sie stürzte wie ein Strom, den keiner dämmen kann, über seine Lippen . . .

*

Fackeln lohten in der Nacht und warfen ihren glühenden Schein auf das riesige Götzen­bild der Durga. Die sieben Arme der Göttin standen wie ein Strahlenkranz um ihr Haupt. Ringsherum lagen zertretene Blumen, und zer­brochene Schalen, aus denen der Reiswein in trägen Strömen floß, bedeckten den Felsboden. Zu Tode erschöpft saßen die Männer auf den Felsblöcken, die überall verstreut lagen, und rauchten schweigend. Ihre harten, schwieligen Arbeiterfäuste hatten gute Arbeit geleistet In einer Ecke zusammengedrängt kauerten die Inder, die Hände auf dem Rücken zusammen­gebunden. Wie eine wächserne Maske sah das Gesicht des Anführers aus, er regte sich nicht, seine ausdruckslosen Augen starrten das rie­sige Götzenbild an. Durga hatte das Opfer nicht angenommen, sie hatten Durga nicht die­nen können, nun war ihr Leben nichts mehr wert. Nun würden sie durch hundert Leben wandern müssen, ehe sie Vergebung erhalten und ins Nirwana eingehen konnten. Sie wuß­ten, daß ihnen Gefängnis drohte, daß man sie nun einsperren würde, weil sie Durga das Menschenopfer bringen wollten. Kalt, höh­nisch unendlich fern lächelte das Götzenbild auf sie herab

Agneta Geliebte!

Sie schlug ihre dunklen Augen auf zu dem Mann, der sich über sie beugte. Noch zitterte ln ihr die Spannung der letzten Stunde nach, aber ein unendliches Glücksgefühl löschte die Bilder der Vergangenheit.

Ja, Sven?

Mir ist, als begänne mein Leben erst heute, erst jetzt, in dieser Stunde, in der ich dich in meinen Armen halten darf. Agneta, das Le­ben, das uns beiden gehören soll . . .

Sie zog seine Hand über ihre Augen.

Sag es noch einmal zu mir, Sven, flü­sterte sie.

Was soll ich sagen?

Sag Geliebte!

Er beugte sich ganz dicht zu ihr herab, seine Augen hielten die ihren gefangen.Geliebte du meine Geliebte! Jetzt weiß ich, daß du mir meine grausamen Worte verziehen hast.

Eine Hand legte sich auf seine Lippen. Laß unser Leben jetzt beginnen, Sven, nichts von der Vergangenheit hat darin Platz. Du hast mir das Leben heute zurückgegeben. Ich dachte, ich sollte sterben, ohne ein einziges Mal deinen Mund geküßt zu haben

Er riß sie an sich, seine Lippen gruben sich In ihren vollerblühten Mund. Sie trank sei­nen Kuß, und sie fühlte, daß Brittas Herz ihm nun nichts mehr bedeutete

Die Fackeln lohten, das Standbild der Göttin Durga glühte, als wäre es nicht aus kaltem Metall, sondern aus lebendem blü­hendem Fleisch. Die Göttin wuchs zu etwas Unfaßbarem, sie wurde die Urmutter die Riesin, in deren Schatten sich die Menschen wie hilflose, kleine Geschöpfe bewegten

Nie würde Agneta dieses Büd versessen

XV K a pit e

Leutnant Allan Meanwhile wart einen prüfenden Blick in den Spiegel, ehe er an die Tür seines Vorgesetzten pochte, der ihn zu einer kurzen Besprechung bestellt hatte. Er hatte keine Ahnung, worum es sich han­delte, aber ein bestimmtes Vorgefühl sagte ihm, daß die nächsten zehn Minuten nicht sehr angenehm für ihn sein würden Er konnte sich nicht erinnern, eine Nachlässig­keit im Dienst begangen zu haben, aber er gestand sich doch innerlich ein, daß er in der letzten Zeit wenig Interesse für seinen Beruf gezeigt hatte

Seine Gedanken waren so intensiv mit etwas anderem beschäftigt, daß er sich nicht genügend auf den nüchternen Garnisondienst konzentrieren konnte. Was war mit Prin­zessin Gobay geschehen?

(Fortsetzung folgt)