SOOWESTDEUTSCHE CHRONIK
Kurze Umschau
An einer abschüssigen Stelle stürzte beim Ak- kerwalzen in der Nähe von Uttenweiler, Kreis Saulgau, der Traktor um und begrub den 41 jährigen Fahrer unter sich. Der Unglückliche, dem der Brustkorb eingedrückt wurde, starb im Krankenhaus in Riedlingen.
Ein Heidelberger Arzt fand am Sonntag bei einem Verkehrsunfall auf der Autobahn bei Bruchsal den Tod. Seine Frau wurde schwer verletzt. Als ein Pkw eine Parkstelle unvorschriftsmäßig verließ, wollte der Arzt ausweichen, wobei sein Wagen ins Schleudern kam und sich überschlug.
Im Rhein geendet hat der Sonntagsausflug eines 15jährigen Mannheimer Jungen mit seinem Freund auf der Beiwagenmaschine des Vaters. Auf dem Rheindamm der Friesenheimer Insel verlor der illegale Fahrer die Gewalt über seine Maschine und fuhr den steilen Damm hinab in den Rhein, aus dem er sich ebenso wie sein Beifahrer schwimmend ans Uufer retten konnte. Das Motorrad müßte von der Feuerwehr aus dem Strom geborgen werden.
Auf einen Baum geprallt ist ein 43jähriger Mann mit seinem Motorrad in Unterglottertal bei Freiburg. Er war auf der Stelle tot. Sein Beifahrer mußte mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus gebracht werden. — Ebenfalls auf einen Baum gefahren sind mit ihrem Motorrad zwei Brüder am Sonntagabend auf der Straße Breisadi-Burkheim im Landkreis Freiburg. Die beiden waren sofort tot.
Wie wird das Wetter?
Aussichten bis Mittwochabend: Tagsüber heiter, trocken und warm. Tagestemperaturen bis 20 Grad ansteigend, nachts bis nahe 0 Grad zurückgehend, in gefährdeten Lagen leichte Bodenfröste. Schwache, von Nordost nach Südost drehende Winde.
Rottenburg feierte Priesterjubiläum des Bischofs
Bischof Dr. Leiprecht: Katholiken und Protestanten werden Zusammenhalten
Rottenburg. Wie vor kurzem am Tag der Kon- Rottenburger Gemeinderat mit Bürgermeister sekration von Weihbischof Wilhelm Sedlmeier Adis an der Spitze und von vielen kirchlichen verschönte strahlendes Frühlingswetter das Fest und weltlichen Organisationen begleitet. Tau- des Silbernen Priesterjubiläums von Bischof Dr. sende bildeten Spalier.
Leiprecht, das über das Wochenende in Rottenburg begangen wurde.
Am Samstagabend war auf dem festlich geschmückten und illuminierten Marktplatz eine großeMenschenmenge erschienen, um den Zapfenstreich der Bürgerwache und die Serenade zu Ehren des Jubilars mitzuerleben. Der Bischof selbst und die beiden Weihbischöfe Dr. F i - scher und Wilhelm Sedlmeier, ferner Staatspräsident a. D. Dr.
Gebhard Müller, Justizminister a. D. Bey- e r 1 e und zahlreiche andere Gäste beteiligten sich an diesem volkstümlichen Abend. Bürgermeister Adis überreichte dem Bischof als Ehrengeschenk der Stadt den Notenband einer Tonschöpfung von Musikdirektor Karl Bengel, der Hymne „Treue-
f elöbnis“, die anschlie- end von der Stadtkapelle uraufgeführt wurde.
Am Sonntagmorgen zelebrierte der Bischof im Dom ein Pontifikalamt. Auf dem Weg vom Bischöflichen Palais zum Dom und zurück wurde er von den Weihbischöfen, dem Domkapitel, dem
Aus Nord Württemberg
93 Personen vor dem Ertrinken gerettet
Heilbronn. Der Landesverband Württemberg der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft veranstaltete am Samstag und Sonntag in Heilbronn »eine diesjährige Jahreshauptversammlung. Der Landesvorsitzende, O. Zimmermann (Stutt-
S art), und die anderen Mitglieder des Vorstan- es wurden in ihren Ämtern bestätigt. In einer Feierstunde am Sonntagvormittag gab Zimmermann einen Rechenschaftsbericht des Landesverbandes für das abgelaufene Jahr. Nach seinen Ausführungen konnten im Berichtsjahr 93 Pertonen aus Wassernot gerettet werden. Es wurden 15 811 Freischwimmer- und 8117 Fahrten- »chwimmer-Prüfungen abgelegt, ferner 3630 Gruppenscheine, 485 Leistungsscheine und 799 Jugendscheine ausgegeben. Zimmermann erklärte, eine wichtige Aufgabe sei es, auch die Frauen für das Rettungsschwimmen zu interessieren.
Landeskonferenz der Naturfreunde
Geislingen/Steige. Hier ist am Wochenende die württembergische Landeskonferenz des Touri- »tenvereins „Die Naturfreunde“ abgehalten worden. An der Tagung nahmen 170 Delegierte und
der zweite Vorsitzende der Bundesleitung, Ek- k e r t, teil. Der Landesvorstand mit Emil Birkert an der Spitze wurde wiedergewählt. Die Delegierten nahmen gegen die Absicht Stellung, die Naturfreundehäuser für Sowjetzonenflücht- linge zu beschlagnahmen. Eine Entschließung wendet sich dagegen, daß Wanderwege zu Fahrstraßen, und daß Berggipfel durch Skilifts zu „Vergnügungsstätten naturfremder Reisender“ gemacht werden. Die Delegierten wollen besonders die Bildungs-, Jugend- und Kindergruppenarbeit fördern.
Der Konferenz hatten die Regierungspräsidenten von Nord- und Südwürttemberg, der Deutsche Gewerkschaftsbund und die Bruderorganisation in Holland Begrüßungsschreiben übermittelt.
Pinoniertreffen in Ulm
Ulm. Die ehemaligen süddeutschen Pioniere, deren Truppenteile in Württemberg, Baden, Bayern und in der Pfalz stationiert waren, treffen sich am 6. und 7. Juni in Ulm. Zweck de» Treffens ist vor allem die Klärung von Vermißtenschicksalen. Anmeldungen mit Angabe des Feldtruppenteils an den Verein ehemaliger Pioniere. Ulm-Söflingen, Meinlohsirnße 13. erbeten.
Der Bischof wird durch die festlich geschmückte Stadt zum Dom geleitet.
Foto: Deyhle
Den äußeren Höhepunkt bildete am Sonntag- naehmiltag eine Feierstunde in der überfüllten Rottenburger Festhalle, bei der das innige Verhältnis der Rottenburger Bevölkerung zum Bischof besonders sprechenden Ausdruck fand. Bischof Dr. Leiprecht dankte für die große Anteilnahme der Bevölkerung und der ganzen Diözese in herzlichen Worten, wobei er auch einen Gruß an die evangelischen Brüder richtete. Katholiken und Protestanten würden Zusammenhalten und sich nicht, wie dies zum Teil gewünscht werde, sich gegeneinander ausspielen lassen. In diesem Zusammenhang sprach der Bischof auch seinen Dank an den evangelischen Landesbischof D. Haug aus für die Worte, die dieser vor einigen Tagen in Stuttgart über die Bedeutung der Bekenntnisschule gesprochen hat. Er sei dem evangelischen Landesbischof dafür von Herzen dankbar. Protestanten und Katholiken hätten das gemeinsame Ziel, das Abendland zu erhalten und den christlichen Glauben zu sichern. Der Feierstunde wohnten auch die Mutter und die Geschwister von Bischof Dr. Leiprecht h°i
Rhomben sollen werben
Herrenalb. Am Samstag und Sonntag führte der Schwarzwaldverein seine diesjährige Hauptausschußtagung in Herrenalb durch. Oberforstrat Dr. Schweigier, Freiburg, der als stellvertretender Präsident des Schwarzwaldvereins den Vorsitz führte, konnte unter den Vertretern von rund 60 Ortsgruppen des gesamten Schwarzwaldes mit besonderer Freude auch den Vertreter der im Entstehen begi iffenen Ortsgruppe Kehl begrüßen.
Als Hauptziele des Vereins, der am 31. Dezember 1952 18 595 zahlende Mitglieder umfaßte, wurden die Instandsetzung der Wegmarkierungen, der Bau und die Instandhaltung von Wanderheimen sowie die Gewinnung der Jugend für den Wandergedanken herausgestellt. Hauptvereinswegwart T ü c h 1 e wies darauf hin, daß jede als Wegmarkierung angebrachte Rhombe zugleich auch eine Werbung für den Schwarzwaldverein darstelle. Mit Sorge und Beunruhigung wird das Vorgehen der Länder beobachtet, die bei der Einweisung von Ostzonenfiüchtlingen auch vor den Wanderheimen, die hervorragendem Maß der Ertüchtigung der Jugend und der Pflege des Heimatgedankens dienen, nicht haltmachen. Im Verlauf der Tagung wurden die neu ausgearbeiteten Vereinssatzungen diskutiert und nach geringfügigen Abänderungen angenommen. Den Ausklang der Tagung bildete eine landschaftlich reizvolle Fahrt zum Teufelsmühleturm, an dem zur Zeit Umbauarbeiten ausgeführt werden, die eine Hebung der Aussichtsplattform um 8 Meter zum Ziel haben.
Mit Pulvermächer ins Ruhrgebiet
Stuttgart. Eine in die Mergentheimer Tracht gekleidete junge Schwäbin wurde am Montag vom Landesverkehrsverband Württemberg in Stuttgart auf eine 14tägige Rundreise durch das Bundesgebiet entsandt, um bei allen größeren Reisebüros für das Reise- und Bäderland Baden- Württemberg zu werben. Bei ihrer Verabschiedung in Stuttgart versicherte der Vertreter des badisch - württembergischen Wirtschaftsministeriums, Ministerialrat S e i f r i z , daß sein Ministerium bestrebt sei, alle Voraussetzungen schaffen zu helfen, um das neue Bundesland Baden- Württemberg zu einem wirklichen Reise- und Bäderland zu machen.
Als besonderes Reisepräsent hat die junge Schwäbin, die einmal zu der Gruppe der sieben Schwabenmädel gehörte, einige Flaschen Stette- ner Pulvermächer und Schwarzwälder Kirschwasser mitgenommen, um die westdeutschen Reisebüros auch mit diesen edlen Tropfen des Schwabenlandes vertraut zu machen. Hauptziel der Werbeaktion des Landesverkehrsverbandes Ist das Ruhrgebiet.
Aus Süd Württemberg
Quer durch den Upert
„Ehrenvolle“ Erwähnung Weltrangliste des Boxsports
Die National Boxing Association hat am Montag die neueste Ausgabe ihrer Weltrangliste des Boxsports veröffentlicht, in der Europameister Heinz Neuhaus im Schwergewicht und der deutsche Meister Gerhard Hecht im Halbschwergewicht „ehrenvolle“ Erwähnung finden.
„Schumann-Debatten“
Stürmische ADAC-HanptVersammlung
Ein überraschendes Ende nahm die vierte Hauptversammlung des ADAC-Gaues Württemberg am Sonntag ln Stuttgart. Bereits vor dem Versammlungslokal wurden Flugblätter verteilt, in denen eine Rehabilitierung des früheren Gauvorsitzenden Hans Schumann gefordert wurde. Schon bei der Abgabe der Rechenschaftsberichte zeigte sich, daß die Versammlung in zwei Lager gespalten war, von denen die Schumann-Anhänger sich recht stimmgewaltig bemerkbar machten. Nach zahlreichen gegenseitigen Vorwürfen forderte schließlich ein Mehrheitsbeschluß der Versammlung, daß der frü
here Gauvorsitzende Har.s Schumann gerufen werden solle, um einige Fragen zu beantworten. Dem Gesamtvorstand wurde die Entlastung verweigert. Als man neue Wahlen vornehmen sollte, war die Zeit wegen der zahlreichen „Schumann-Debatten“ so weit vorgeschritten, daß das Lokal schließlich geräumt werden mußte, um einer anderen Veranstaltung Platz zu machen. Eine neue Hauptversammlung wird nun vom ADAC-Gau Württemberg einberufen werden müssen.
Guter Schwimmnachwuchs
Das hervorstechendste Merkmal der Jugend-Prüfungskämpfe des DSV in der leider schlecht besuchten Düsseldorfer Halle ist, von den ebenso erfreulichen einzelnen Spitzenleistungen zunächst abgesehen, die überraschende Leistungsdichte in beiden Altersklassen; bei den Mädchen sogar noch deutlicher als bei den Jungen. Es ist offensichtlich gelungen, in allen Jahrgängen eine solide breite Basis aufzubauen. Im Brustschwimmen der Klasse B belegte die Reutlingerin Bockmeier den 1. Platz.
Vorläufige Totogewinne
West-Süd-Block: Zwölferwette: 1. Rang Je 53 536 DM, 2. Rang Je 1075 DM, 3. Rang je 75 DM; Zehnerwette: 1. Rang je 2800 DM 2. Rang Je 116 DM, 3. Rang je 11 DM.
2000 Schülcrarbeiten
Reutlingen. Im Spendhaus in Reutlingen er- öffnete am Freitag der Reutlinger Dichter und Kunsterzieher Dr. Gerd G a i s e r eine Ausstellung mit über 2000 Einzel- und Gemeinschaftsarbeiten von Schülern sämtlicher Reutlinger Volks-, Mittel- und Höheren Schulen. Die Ausstellung, die bis zum 3. Mai geöffnet ist, zeigt zeichnerische, malerische und handwerkliche Arbeiten von Mädchen und Knaben verschiedener Altersstufen
400 FrerndenbcUen mehr ais 1952
Freudenstadt. Durch den Wiederaufbau und die Wiederinstandsetzung bisher zweckentfremdeter Betriebe stehen in der Sommersaison Freudenstadt 400 Fremdenbetten mehr zur Verfügung als im letzten Jahr. Dabei wirkt sich vor allem aus, daß Anfang Mai das neben Lindau einzige Posterholungsheim Württembergs mit annähernd 70 Betten eröffnet wird. Bisher waren in dem geräumigen Haus französische Dienststellen untergebracht. Am 1. Juni eröffnet außerdem das bis vor einiger Zeit noch von Besatzungstruppen belegte Sanatorium Hohenfreuden- Stadt mit 40 Betten. Insgesamt hat Freudenstadt danach im Sommer einschließlich der Privatzimmer 2400 Betten. Dies entspricht 70 Prozent der Vorkriegszeit
Neue Schulen
Biberach. Nach einer Bauzeit von IV« Jahren ist am Stadtrand von Biberach der erste Bauabschnitt einer neuen Schulanlage fertiggestellt
Klassen der katholischen Volksschule und die gewerbliche Berufsschule aufnehmen. Bei der Einweihungsfeier am Sonntag betonte Kultusminister Dr. Schenkel, daß die Volksschule die Grundlage der gesamten Volksbildung sei.
Auch die mit einem Aufwand von 750 000 DM in Tettnang neu erbaute Friedrich-Schiller- Volksschule ist am Samstag eingeweiht worden. Mit der Fertigstellung dieses Baus ist die Schulraumnot in Tettnang behoben. Beim Festakt überbrachte Kultusminister Schenkel die Glückwünsche der Landesregierung
Regierung für Rentenerhöhungen
Ravensburg. Arbeitsminister Hohlwegler hat am Wochenende in einer Besprechung mit Vertretern der Kriegsopfer in Ravensburg erklärt, die Regierung des Landes Baden-Wür‘- temberg werde sich nach wie vor mit Nachdruck für Rentenerhöhungen einsetzen. Das Arbeitsmi- nisteTium sehe es als seine vornehmste Aufgabe an, alles zu tun, was die Notlage der Kriegsopfer und Sozialrentner lindern könne
Vorwitziges Spiel mit Pulver
Wangen. Ein 17 Jahre alter junger Mann versuchte in Wangen etwa 200 Gramm Schwarzpulver zu entzünden, das er in einer alten Konservenbüchse entdeckt hatte. Das Pulver fing nicht gleich Feuer, und so wollte der Vorwitzig« nachsehen, was eigentlich damit los sei. In dem Augenblick, als er sich über die Konservenbüchse beugte, explodierte das Pulver. Der junge Mann trug erhebliche Verletzungen im Gesiebt davon
Stuttgarter Ooer In Paris
Mit Wagners „Meistersinger" und Mozarts „Figaro“ haben das Ensemble und das Orche- •ter der Stuttgarter Staatsoper eine Woche lang in dem Privattheater „Champs Elysöes“ ln Paris gastiert. Die zwei Werke gelten als typisch deutsch und wurden gerade deswegen von der Pariser Direktion gewählt. Es ist nicht zuviel behauptet, wenn man feststellt, daß die fünf Vorstellungen, die nahezu ausverkauft waren, alle französischen Freunde der deutschen Ooer »ngezogen haben, ein Publikum also, das eine völlig andere Zusammensetzung hat als das der großen Oper, des Mittelpunkts der französischen Musikbühne. Wie in Gesprächen während der Pausen zu erfahren war, kannten die meisten der Besucher die Werke im Original, *us Schallplatten oder von Bayreuth her. Das deutsche Textbuch zu den Meistersingern, vor •Ilern in den Händen der Jugend, war keine Seltenheit, und ohne Gefahr konnte man sogar philologische Fragen über das Hans-Sachs-Deutsch •rörtern. Die Aufgeschlossenheit für ein tieferes Verständnis war bei dieser Hörerschaft stärker •ls bei einer durchschnittlichen Aufführung in Deutschland. Die Spannung und Gebanntheit ließ “ keinem Augenblick nach, es war nicht Wohlerzogenheit und Geduld wenn selbst in dem lehrhaften ersten Akt der Meistersinger, der liegen seiner Längen und Wiederholungen auch bei uns oft nicht ohne Widerstand hingenom- wird, die Aufmerksamkeit bis zum letzten Akkordschlag auf einer fast verzauberten Höhe “heb. Kein Zweifel, von dieser Hörerschaft wird Wagner ln einer Weise geschätzt, die schon an Liebe grenzt, und die sich der Einmaligkeit des Oeutschen Gastgeschenke« bewußt war.
Wenn nun doch ein Boulevard-Blatt — war oas einzige unter einem halben Dutzend — von Iw un< ^ Fehlern Wagners geschrieben
bat. dann ist das von den französischen Freunden als journalistischer Snobismus nur mit KODfschütteln beantwortet worden „Le Monde“ “üd „Le Figaro“, die führenden Blätter, bezeugen einhellig, daß sich die Schatten Bayreuths tv t) “ le »Champs Elyeöes" verlängert haben.
Rezense nten hielten es für angebracht, den ayreuther Standard der Stuttgarter Oper zu
zusprechen und von einer „perfection“ zu schreiben, an der der Schöpfer selbst nichts auszusetzen gehabt hätte.
In der französischen Denkweise ist Stuttgart eine Provinzstadt. Kein Wort faßt darum die Bewunderung, daß das Ensemble einer deutschen Provinz eine Leistung bietet, die kaum von einer Metropole erwartet werden darf. In weitem Abstand, so schreibt „Le Figaro", verglichen mit dem Stuttgarter Ensemble, ordnen sich französische Provthztheater ein, ob sie nun in Marseille, Lyon oder Bordeaux Opern aufführen. Und man zieht daraus die unbequeme Folgerung, daß die Deutschen mehr für die Kultur tun als die Franzosen, und wer wollte sie tadeln, meint „Le Monde“, wenn sie Ihre Überlegenheit auf diesem Teil der Kultur in der Hauptstadt der Franzosen voll zur Geltung bringen? Nebenbei gesagt: die Überlegenheit hat die Stuttgarter Oper ungedeckte 30 000 DM gekostet, aber imvornherein hat man die Gastspiele unter das Zeichen des kulturellen Austausches und des Zusammengehörigkeitsgefühles zwischen Deutschen und Franzosen ln Sachen einer gemeinsamen Tradition gestellt.
Indessen Ist die Aufführung der Meistersinger unbewußt auch an Standard-Aufführungen der Großen Oper zu Paris gemessen worden. Zugrundegelegt wurde ein Wagner-Ideal, das bei uns und insonderheit bei dem Stuttgarter Musikdirektor Ferdinand Leitner, der Vergangenheit angehört Nicht die äußere Brillanz, nicht das konzertmäßige Musizieren, nicht die ekstatischen Offenbarungen des Orchesters hörten die Franzosen, sie stellten fast mit einer Art von bewunderndem Schock fest, daß unter Leitner kammermusikalisch zurückhaltend, glasklar durchsichtig unter Rücksichtnahme auf das Melos der Sänger — trotz sehr ungünstiger Lage de s Proszeniums. mit höchster Einfachheit und dramatischer Harmonie in den Bindungen der Groß-Pe- rioden musiziert worden ist. Man hat willig das Neue des unromantischen Stiles der Stuttgarter Aufführung anerkannt, obwohl man es nicht gewöhnt war und hat es auch verstanden, daß die VIelzüngigkeit der orchestralen Stimmen und
die Wechsel der Farbmischungen des Klanges langsamere und schwerere Zeitmaße bedingte, die der geistigen und seelischen Vertiefung der singenden Charaktere dienten Man hat begriffen, inwiefern die Kurve des Musikdramas ständig nach oben geht und als Steigerung erst dann zur Wirkung kommt, wenn das Orchester das Crescendo und Diminuendo des Rhythmus vollkommen beherrscht ausführt. Die aufmerksamsten Hörer merkten dann auch, daß der dritte Akt die Mitte und das Zentrum des Ganzen ist, in dem die poetische Idee des Stückes vom Vorspiel bis zum Tumult der Festwiese auf höherer Ebene die zwei ersten Aufzüge wiederholt und zu Ende führt. Man verdankte der Stuttgarter Oper diese Erkenntnis und sprach sie auch aus.
Der singende Darsteller ist zu seinem vollen Rechte gekommen, da das Orchester das aussagt. was der Sänger verschweigt und der Gesang weit über den bloßen Sprechgesang oder die Wiederholungen der Motive hinaus, seine eigene Domäne hat. in die ihn das Orchester einführt. So wurde vor allem von der Rezension die Einheit von Wort und Ton in der Darstellung des Hans Sachs, von Wilhelm Schirp mit letzter Hingabe geboten, des Beckmesser von Gustav Neidlinger. dessen gewaltige Stimmfülle und dessen weit über das buffone Element hinausgehende dämonische Gegenspielernatur bewundert wurde, das Evchen von Lore Wißmann und die Reinheit des Tenortimbre von Wolfgang Windgassen (Walter Stolzing) — typisch französisch rechnete man Windgassen zu den Baritonen — die edle Würde Veit Pogners von Otto von Rohr mit allem Nachdruck hervorgehoben. Die ungezierte und ungestellte Natürlichkeit des Chores ln der Prügelszene und auf der Festwiese Ist gleichfalls als besonders deutsch und wagnerisch empfunden worden.
Mozart war von jeher für die Franzosen ein Problem, mit dem sie nie recht fertig wurden. Sie spielen ihn meistens zwischen Cimarosa und Rossini. Ihre Vernünftigkeit müht sich vergebens mit der Mischung von opera seria und opera buffa. mit der Mischung von empfindsamster Lyrik, der rezitativischen Halbmusik, den dramatisierten Kanzonen, Liedern, Duetten, Sextetten und Ensembleszenen des Figaro. In der Darstellung der wst
aber das Problem gelöst, eine durchgängige, frisch musizierte Einheitlichkeit war das Kennzeichen der Aufführung. Wiederum war alles auf die Darstellung und den Sänger ausgerichtet. Beaumarchais erklang ins allgemein Menschlich« verwandelt und getragen von einer Musik, die all« Schattierungen der Liebe wie aus einer Fontäne im Garten zu Versailles in den nächtlichen Park strahlt. Die Klagen der Gräfin (Trude Eip- perle), der verliebte Narzismus des Cherubin (Lore Wißmann), die polternde Rache und di« Blamage des Grafen (Karl Schmitt-Walter) auf der Ebene der feudalen Standespersonen harmonierten und konstrastierten vollendet zu der schlauen Beweglichkeit der Susanne (Rita Streich) und zu dem alle Intrigenfäden zusammenhaltenden prachtvoll gelöst und sonor singenden Figaro Gustav Neidlingers. Eine buffone Figur, die, hätte sie statt des Beaumarchais der Hof Ludwigs XVI. gehört, den König keinen Kopf gekostet haben würde. Mozarts Musik hätte dieses Stück blutiger Weltgeschichte vielleicht verhindert. Dr E. M.
Kulturelle Nachrichten
Mitte Mai wird im Kristall-Palast des Madrider Retiro-Parkes eine Internationale Kunstgewerbe-Ausstellung eröffnet, an der auch deutsche K'instler teilnehmen. Zahlreiche Preise sind vorgesehen, unter anderem zehn Groß-Preise, zehn Ehrenpreise, zwölf Ehren-Diplome erster Klasse, ebensovieie zweiter Klasse und fünfzehn dritter Klasse; außerdem fünfzig Geld-Preise ln Höhe von je 5060 Peseten mit einer Medaille erster Klasse. 55 Geldpreise mit je 2000 Peseten und einer Medaille zweiter Klasse und einige Spezialpreise in Höhe von 15 000 Peseten
In der Juristischen Fakultät der Madrider Universität hat Professor Dr. Hans Karl Nippe r d e y von der Universität Köln eine Gastvorlesung über das deutsche Betriebsgesetz abgehalten. die über den Hörsaal hinaus in der Tagespresse ein lebhaftes Echo gefunden hat. In der Philosophischen Fakultät geben Professor Hermann Trlmborn. Bonn, und Dozent Helmut Petri. Frankfurt, einen Zyklus von Vorlesungen. Prof. Trimborn wurde von der spanischen „Academia de Historla“ zum korrespon-
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