Februar 1VL7
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Mil äen illustrierten Unterhaltungsbeilagen „Zeierftunaen" unä „Unsere Heimat"
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Nk. 46
Gegründet 1827
Freitag, den 25. Februar 1S27
Fernsprecher Nr. 29
101. Jahrgang
England eine friedliebende Macht
„Internationale Eiseubahnpottzei- im Saargebiet
Englische Note an Rußland
Tatzlsspiegel
In dem Hotel io San Remo, in dem zurzeit Dr. Slrese- mann wohnt. hat sich nach Havas gleichzeitig auch der frühere englische Botschafter in Berlin, Lord d'Abernon, 24 Stunden aufgehalken.
Nach einer Moskauer Meldung soll in Litauen ein Gegenstoß der christlichen Demokraten gegen die neue Fas- zistcnhcrrschast in Vorbereitung sein.
Die englische Regierung hat in Washington bekannt gegeben, sie beabsichtige ein Kriegsschiff an die Westküste von Nikaragua zu senden. Die amerikanische Regierung hat diese „Einmischung in amerikanische Angelegenheiten" mit sehr gemischten Gefühlen ausgenommen.
In Washington sind wieder Gerüchte in Umlauf, der Skaatssekretür des Auswärtigen, Kellogg, werde ..aus Gesundheitsrücksichten" in Bälde zurücktreten.
Aus Kanton wird gemeldet, in Schanghai befinden sich 7000 Mann und in Hongkong 13 000 Mann englische und indische Truppen.
Die Farbige Internationale
Vom 9. bis 14. Februar hat in Brüssel ein „Kongreß gegen koloniale Unterdrückung und Imperialismus" getagt. Unter den rund 200 Vertretern, die dazu erschienen waren, und den annähernd 100 Rednern, die dabei öffentlich gesprochen haben, gehörte die Mehrzahl außereuropäischen Rassen an. Zum erstenmal in der Geschichte haben sich hier Vertreter so verschiedener Völkerschaften zu einer Veratustg zusammengefunden, wie es Inder und Mexikaner, Japaner und Senegalneger, Aegypter und Brvsilier, Araber und Indonesier, Perser und Koreaner sind, umrahm! von den Freunden, die ihre politischen Wünsche unter den Weißen haben. Dieser Kongreß war wahrscheinlich der internationalste, den es je gegeben hat. Aus dem Kongreß ist zum Schluß ein „Bund gegen Imperialismus und für Nationale Unabhängigkeit" hervorgegangen, der satzungsgemäß „alle Organisationen, Parteien, Gewerkschaftler und Personen angehören dürfen, die einen ernsten Kampf führen gegen kapitalistische und imperialistische Herrschaft, für das Selbstbestimmungsrecht aller Nationen, für die nationale Freiheit aller Völker, für die Gleichberechtigung aller Klassen und Menschen". Diese Liga, die ihren Sitz in Paris haben soll, wird von einem neunköpfigen Vorstand geleitet, dem vier europäische K o m m u n i st e n oder Radikalsozialisten und je ein Nationalist aus Indien, Afrika, China, Südamerika, Indonesien angehören.
Es handelt sich hier im Grunde um die Gründung einer Internationalen der Farbigen, den Versuch, die Kräfte zu organisieren, die sich aus den in ihrer Selbstbestimmung beschränkten außereuropäischen Völkerschaften zu einer Bewegung gegen ihren gemeinsamen Gegenspieler, die imperialistischen Mächte der Erde, im besonderen gegen England, Frankreich, die Vereinigten Staaten und Japan, herausholen und nutzbar machen will. Der Schauplatz, mit dem sich die Jnternannoale befaßt, ist Außereuropa, die K räfl e, die sie wecken und dienstbar macken will, liegen im Nationalismus der unterdrückten farbigen Völkerschaften. Dazu kommt aber noch ein entscheidender Faktor, der Moskauer Bolschewismus. Amtlich war Moskau nicht in Brüssel vertreten, es ist auch der neuen Gründung fernqeblshben. Tatsächlich aber hat ein Vertrauensmann von Moskau, der deutsche Kommunist Münzenberg, diesen Kongreß zustande gebracht, tatsächlich gehören zumindest vier Mitglieder des Vorstands der neuest Internationale dem Kommunismus an, tatsächlich soll und wird dieser Zusammenschluß auch den Zielen Moskaus dienen.
In der „farbigen" Entschließung heißt es: „Proletariat und Bourgeoisie, ausgebeutete Klassen und ausbeutende Klassen sind nicht bloß zwei soziale Kategorien, gültig nur innerhalb eines Staats und einer Volkswirtschaft, sondern sie sind gleichzeitig der Ausdruck für den Gegensatz, der einheitlich die ganze Welt durchzieht: Es gibt proletarische und bourgeoise Nationen, ausgebeutete und ausbeutende Nationen aus der Erde; soziales Proletariat und nationales Proletariat gehören zusammen, um gemeinsam den Kampf gegen die Bourgeoisie und die ausbeutenden Nationen zu führen."
In der neuen Internationale gehen Nationalismus und Kommunismus ein Bündnis miteinander ein, .zwei Jdeen- mächte, die sich in ihrem Wesen und ihren Endzielen wie Feuer und Wasser zueinander verhalten, die aber glauben, sie könnten, um ihrer nächsten Ziele willen, ein Stück Wegs Zusammengehen. Der Nationalismus mill Befreiung von der Fremdherrschaft, der Bolschewismus Zerschlagung der w i r t s ch a f t l i che „ G r u n d- lagen, aus denen die großen Mächte der Welt, seine Feinde, beruhen. Jeder von beiden rechnet damit, sich des andern entledigen zu können, sobald sein eigenes Ziel erreicht ist. Die Chinesen, Inder, Koreaner, die in Brüssel saßen, gehören in ihrem Vaterland persönlich den besitzenden Klassen an, und sie dürften nach der Vertreibung der fremden Unterdrücker kein Interesse daran haben, die sozialen Unterschiede bei sich zu Hause aufzubebcn; die Moskauer aber würden, aebörte erst einmal Asien wirklich den
London, 24. Febr. Dem russischen Geschäftsträger in London wurde gestern eine scharfe Note der britischen Regierung übergeben. Die Note stellt fest, daß die Sawstr- regierung in Moskau durch die Vereinbarung vom 4. Juli 1923 sich förmlich verpflichtet habe, in keiner Weise Personen oder Körperschaften zu unterstützen, die Unzufriedenheit oder revolutionäre Bewegungen innerhalb des britischen Reichs hervorzurufen versuchen. Mehrmals habe die Sowjetregierung auf Verletzungen dieser Vereinbarung Hinweisen müssen. ' Es sei k e i n e B e s s e r u n g m ö g l i ch, solange die gegenwärtigen Herrscher der Sowjetunion, namentlich die Mitglieder des sogenannten Politischen Büro s, das die wirklich beherrschende Macht in Rußland sei, dabei beharren, öffentliche Aeußerungen zur Schwächung Großbritanniens oder zugunsten einer Weltreoolution machen. Trotz amtlicher Versicherungen, die Sowjetregierung wünsche freundschaftliche Beziehungen zu England, haben die Moskauer Vertreter an dem Verleumder ngsseld- zug gegen Großbritannien teilgenommen. Tschi- tscherin und viele seiner Amtsgenossen leiden an dem Irr - w ahn, Großbritannien schmiede Verschwörungen gegen Rußland. Die englische Regierung müsse aber Rußland daraus aufmerksam machen, daß die Fortsetzung dieser russischen Handlungen die A u f h e b u n g d e s H a n d e I s - a b k a in in e n s und die L e s u n g der diplomatischen Beziehungen unvermeidlich nach sich ziehen würde. Tschirscherin habe am 0. Dezember v. I. ni einer Rede :n Berlin die e n g l i s ch e P o l i t i k g e g e n ü b e r P e r s i e n in das ungünstigste Licht gestellt — ein Beiirsiel von vielen
Asiaten, dort bald ihre europäische Auffassung vom Klassen- kampf wieder einzusühren versuchen und gerade gegen die Schichten und Personen Vorgehen, die sich heute mit ihnen verbrüdern.
Die neue Internationale bedeutet nicht schon, daß die Kräfte, die sich in Außereuropa gegen die landfremden Unterdrücker richten, zu einer gemeinsamen Tat zuiammen- geschlossen werden. Es handelt sich noch nicht um eine Bewegung, sondern erst um eine Anregung. Das bemerkenswerteste praktische Ergebnis war ein Uebereinkommen, in dem sich einige Tninescn und Inder für ihre Organisation zur Zusammenarbeit verpflichteten. Es ist klar, daß die Ereignisse von China ihre Schatten auch auf die Kolonialgebiete werfen und, gelänge es wirklich China und Indien, sich aus der Befehdung zu lösen, in der England sie bisher gegeneinander ausgespielt hat, manches müßte sich in Asien ändern. Aber ob wir das noch erleben werden? Jedenfalls verdienen diese Dinge von der deutschen Außenpolitik beachtet zu werden. Wir sind auch eine „ausgebeutete Nation", sogar, wenn inan berücksichtigt, daß unsere Ausbeuter alles andere als einen höheren Zivilisationsstand als wir, diejenige, die in der ungeheuerlichsten Form aus- aebeutet wird; man braucht ja nur an unser Verhältnis zu Polen zu denken. Aber wir sind nicht in der gleichen Lage wie Moskau und seine Freunde: Wir hätten etwas zu verlieren in eznem solchen Kampf, und zurzeit mehr zu verlieren als wir gewinnen könnten: unsere nationale Kultur, die Grundlagen, aus denen die wirtschaftlichen Werte erstehen, von denen wir leben wollen. Das bedeutet aber nicht, daß wir uns einer Bewegung der Kolonialvölker widersetzsn sollen. Die guten Erfolge unserer bisherigen Thinapolitik zeigen, wie raffem es sein kann, das nicht zu tun. Bedeutet das aus der andern Seite, daß wir, wenn wir die Möglichkeit kolonialer Erwerbung finden, ablohnen sollen? Diese Frage läßt sich wohl nur so beantworten, daß nser Verhalten von der gegebenen Lage abhäugen müßte.
Deutscher Reichstag
Berlin, 24. Februar.
Bei der Fortsetzung der zweiten Lesung deS Haushaltplans für 1927 ergreift AeichSjustizminister Dr. Hergt das Wort und erklärt in Beantwortung der kommunistischen Interpellation, die eine Amnestie für die wegen Abtreibung Berurteilten verlangt, eine Rundfrage bei den Ländern habe ergeben, daß die verhängten Strafen zum weitaus größten Teil an der unteren Grenze des Strafmaßes bleiben. Bon dem Gnadenrecht hätten die Länder weitestgehend Gebrauch gemacht. Darnach liege für eine Amnestie kein Bedürfnis vor. Weiler lehnt der Minister den sozialdemokratischen Antrag, das Reichsgericht von allen Sachen erster Instanz (Hochverrat) zu entlasten, ab, weil das die Rechtseinheii stören würde. Auch die Wiederherstellung der Schwurgerichte bekämpft er. Alle Länder, mit Ausnahme Hamburgs, hätten sich für das erweiterte Schöffengericht ausgesprochen.
Abg. Brodaus (Dem.) erklärt, das Mißtrauen aller Republikaner in die Rechtsprechung sei nicht künstlich in bas Bolk hineingetragen worden. An der Unabhängigkeit der Richter dürfe man nicht rMeln, entpolitisieren dürfe man sie aber auch nicht. Die Wiedereinführung der Schwurgerichte lehne er ab.
anderen derartigen Reden und Zeitungsartikeln. Die englische Regierung erwarte, daß die Sowjetregierung, wenn ihr an der Erhaltung der bisherigen Beziehungen etwas gelegen sei, von ihrer bisherigen englandfein blichen Propaganda abgehe und daß sie ersehe, daß die Ursache einer Verschlimmerung der beiderseitigen Beziehungen nicht bei England, einer den Frieden liebenden Macht, liege.
Auf die Antwort Moskaus darf man gespannt sein.
Die Besetzung des Laargebicks
Genf, 24. Febr. Frankreich unterhälk trotz des wiederholten Widerspruchs des Landcsrats des Saargebiets rechtswidrig immer noch eine Besatzung im Saargebiet. Die völkerkundliche Regierungskommission hat nun folgenden Vergleichsvorschlag gemacht: Frankreich zieht dem Namen nach die Besatzung zurück, läßt aber 300 Mann als „internationale Eisenbahnpolizei" zurück, die einer zu schaffenden Eisenbahnkommission unterstellt würden, um
Den Durchgangsverkehr der französischen Truppen aus und nach dem eigentlichen besetzten Gebiet zu sichern. — Ätz Reichsregierung soll zu dem Vorschlag ihre Zustimmung gegeben haben. Es ist aber nicht einzusehen, warum den Franzosen gestattet sein soll, fortdauernd die geschlossenen Verträge zu verletzen und entgegen der ausdrücklichen Bestimmung, daß das Saargebiet nicht besetzt werden darf, dort dennoch eine Besatzung zu unterhalten, .md wäre es auch nur unter dem Namen einer „Eisenbahnpolizei". Verträge haben doch nur einen Sinn, wenn sie für alle Vertragschließenden verbindlich sind.
Abg. Hampe (Deutsch-Hannoveraner) wendet sich scharf gegen Brodaus, der als deutscher Richter mit seinen Ausführungen seme eigene Hand beschmutzt habe. Er fordert die Wiedereinsetzung der Schöffengerichte an Stelle der Einzelrichter, lehnt jedoch die Wiedereinführung der Schwurgerichte ab. Die RechtSanwaltSgebührenermäßigung sei zu weir gegangen.
Weiterberatung Freitag 3 Ilhr.
Neuestes vom Tage
Kompromiß im Arbeitszeitnotgesetz?
Der Gesetzentwurf zur Abänderung der Arbeitszeitverordnung, der am 16. Februar vom Reichskabinetl verabschiedet worden ist, ist nun dem Reichsrat vorgelegt wor. den. Da das Gesetz nur vorläufiger Art ist, bis zu der endgültigen Stellungnahme Deutschlands zum Washingtoner Abkommen die Frage geregelt wird, und da ferner eine eilige Erledigung des Entwurfs geboten erscheint, glaubte die Reichsregierung den Reichswirtschaftsrat nicht mit dem Entwurf befasst» zu sollen.
Es ist kein Geheimnis, daß sich innerhalb des Reichs, kabinetts eine Minderheit gegen den Entwurf ausgesprochen hat. Innerhalb der Regierungsparteien ist der Widerstand gegen den Entwurf noch größer als im Kabinett. Eine Einigung über den wichtigsten der strittigen Punkte (Aushebung des Artikels 11 Ziff. 3 der Verordnung vom Dezember 1923 über die Zulässigkeit freiwilliger Mehrarbeit) hat unter den Regierungsparteien nicht erzielt werden können. Die dem Entwurf günstig gesinnten Kreise haben sich bemüht, zu verhindern, daß aus freiwilliger Mehrarbeit erzwungene Bdehrarbeit werden könnte. Auch in diesem Punkt ha. man eine Wortfassung, die allen Regierungsparteien zusagte, nicht gefunden.
Da die Mehrheitsverhältnisse im Reichstag für -en Entwurf ganz unsicher sind, wird die Reichsregierung es darauf cnrkommen lassen müssen, ob der Sozialpolitische Ausschuß des Reichstags, der den Gesetzentwurf bearbeiten wird, das Gesetz so abändert, daß die Regierungsparteien sich dafür -insetzen können. Der Weg hier,zu wären Anträge, deren Inhalt und Form die Regierungsparteien wohl ohne Unterbrechung weiterbehandeln werden. Nach der jüngst angenommenen, bei aller Mäßigung dach sehr entschiedenen Entschließung wichtiger wirtschaftlicher Verbände, die sich gegen das unbedingte Verbot jeglicher Mehrarbeit wenden, nimmt man in Reichstogskreisen an, daß ein Ausbleib mit beiderseitigen Zugeständnissen, ein sogenannter Kompromiß, getroffen werde.
Entwurf eines Berussousbildungsgesehes
Berlin, 24. Febr. Das Reichskabinett hat in seiner gestrigen Sitzung den Entwurf eines Berufsausbildungsge- 'etzes verabschiedet. Der Entwurf regelt die Berussausbildung Jugendlicher mit Ausnahme derjenigen, die in der Landwirtschaft beschäftigt werden. Vorgesehen ist weitgehende berufsständige Selbstverwaltung auf der Grundlage der Gleichberechtigung der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer.