HEIMATBLATT FÜR STADT UND LAND
CALWER ZEITUNG
DIENSTAG, 13. JANUAR 1953 ÜBERPARTEI IICHE TAGESZEITUNG 9. JAHRGANG / NR. 9
Monnets großer Tätigkeitsbericht erfährt im Montanparlament Kritik
Sozialdemokratie: Zu optimistisch / Dr. Preusker: Kohlenzwangsexport muß fallen
Auf Grund des Grenz-, Zwischenfalles. der steh in der Heiligen Nacht in Berlin-Frohnau ereignete und in dessen Verlaul der Westberliner Ober Wachtmeister Herbert Bauer ermordet wurde werden nunmehr deutschalliierte Patrouillen für den Grenzschutzdienst eingesetzt Unser Bild zeigt eine solche Streife an der Berliner Zonen grenze.
Foto: Keystonf-
Kollektivismus behindert Europa
Von Prot. Dr. Wilhelm Rö p ke . Gent
STRASSBURG. Der Präsident der Hohen Behörde der Montanunion, Jean M o n n e t, hat am Montag dem in Straßburg tagenden Montanparlament den Bericht über die bisherige fünfmonatige Tätigkeit und die kommenden Aufgaben der Organisation vorgelegt. Er forderte darin eine Mehrerzeugung von 6 bis 8 Millionen Tonnen Stahl und mindestens 35 Millionen Tonnen Kohle innerhalb der Gemeinschaft in den nächsten vier bis fünf Jahren, eine Steigerung des allgemeinen Lebensstandards durch Ausweitung des Marktes, eine Verbesserung der Lage der Arbeiterschaft und den Bau von mindestens 50 000 bis 60 000 neuen Arbeiterwohnungen jährlich.
In der nachfolgenden Debatte wurde zum Teil lebhafte deutsche Kritik an dem Bericht der Hohen Behörde laut. Für die deutsche Sozialdemokratie bezeichnete ihn Dr. Joachim Schöne als „zu optimistisch“ Er beanstandete vor allem, daß die Hohe Behörde anscheinend verschiedene Ausgangspositionen für den
VATIKANSTADT. In einem Geheimen Konsistorium ernannte Papst Pius XII. am Montag 24 neue Kardinale, unter ihnen Erzbischof Dr. Wendel von München, und füllte das Kardinalskollegium damit wieder auf die volle Zahl von 70 Mitgliedern auf.
Das Geheime Konsistorium war der Auftakt für vier Tage dauernde Zeremonien feierlichen Gepräges, zu denen 16 der neuernannten Kardinale in die Ewige Stadt gekommen sind. Sechs der nichtanwesenden Kardinale erhalten die Symbole ihrer Würde aus den Händen der katholischen Staatsoberhäupter ihrer Länder. Erzbischof S t e p i n a c von Zagreb und der polnische Erzbischof Wy- s z y n s k i, die ebenfalls zu Kardinalen erhoben wurden, konnten nicht nach Rom kommen. Ihre Ernennnung wird aber dadurch nicht beeinträchtigt.
Das Geheime Konsistorium begann im freskengeschmückten Konsistoriensaal des Vatikans, als Papst Pius in seiner Robe aus weißer Seide den Saal betrat und der Präfekt des päpstlichen Zeremoniells, Monsignore Enrico Dante, mit der traditionellen Formel „Extra omnes“ (Alle hinaus) alle aus dem Saal verwies, die nicht zur Teilnahme zugelassen sind.
Der Papst, der auf einem erhöhten Thronsessel Platz genommen hatte, eröffnete das Konsistorium mit einer Ansprache an die mit ihm allein anwesenden alten Kardinäle, in der er die Lage der katholischen Kirche schilderte. Am Schluß seiner Ansprache verlas er die Namen der neuen Karinäle und richtete an die Anwesenden die Frage „Quid vobis vi- detur?“ (Was dünkt Euch?). Die Kardinäle nahmen ihre roten Käppchen ab und bekundeten ihre Zustimmung durch stummes Neigen des Hauptes.
Als das Konsistorium geschlossen war, eilten Sonderkuriere in drei schwarzen Limousinen des Vatikans zu den in kirchlichen Ge-
Conant Hoher Kommissar
NEW YORK. Der künftige amerikanische Präsident Eisenhower hat den Präsidenten der Harvard-Universität, Dr. James Bryant C o n a n t, am Montag als Nachfolger D o n n e 11 y s zum Hohen Kommissar der Vereinigten Staaten in der Bundesrepublik nominiert
Der 59jährige hat sich seit Jahrzehnten auf dem Gebiet der Verteidigungsforschung und als Pädagoge einen Namen gemacht und wurde von der amerikanischen Regierung wiederholt mit amtlichen Missionen betraut Er studierte Chemie, wurde 1929 Professor an der Harvard-Universität und 1933 ihr Präsident. Während des ersten Weltkrieges war er Major im Heer (Abteilung Gaskriegführung), zu Anfang des zweiten Weltkrieges leitete er die Kommission, die in Großbritannien die wissenschaftlichen Fortschritte der Verteidigungsforschung studierte. Von 1941 bis 1946 war er Vorsitzender des Nationalen Forschungsausschusses für Landesverteidigung. Er gehört c’em Beratungsausschuß der amerikanischen Atomenergiekommission an. Zahlreiche naturwissenschaftliche Abhandlungen haben ihn über die Grenzen seines Landes bekannt gemacht. Conant ist Inhaber von fünf Doktor- ti'°!n.
Das Auswärtige Amt der Bundesrepublik hieß den künftigen Hohen Kommissar am Montag „herzlich willkommen“. Weitere offizielle Kommentare wurden vorläufig nicht gegeben
Eintritt der einzelnen Länder in den gemeinsamen Markt vorschreiben wolle und darüber nur unvollständige Angaben mache Eine solche Abstufung werde nach Ansicht der SPD zu „untragbaren Verzerrungen“ führen.
Der FDP-Abgeordnete Dr. Preusker begrüßte zwar den Bericht Monnets als den hoffnungsvollen Auftakt zu einem gemeinsamen Markt ohne neue dirigistische Maßnahmen. Er deutete aber an. daß deutscherseits erwartet werde, man werde von der im Schuman- planvertrag vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch machen, gewisse „politisch begründete“ wirtschaftliche Entscheidungen der letzten Jahre rückgängig zu machen.
In diesem Zusammenhang nannte er die alliierte Entflechtungspolitik im deutschen Kohlenbergbau und die Kohlenzwangsexporte Es sei eine schwere Hypothek für den Beginn des gemeinsamen Marktes, daß die Bundesrepublik für teures Geld 7,1 Millionen Tonnen amerikanische Kohle kaufen mußte, während sie gleichzeitig 9,1 Millionen Tonnen deutsche Kohle billig zu exportieren hatte.
bäuden wartenden neuen Kardinälen, um ihnen die Urkunden mit ihrer Ernennung zu überbringen.
Dr. Wendel im „Germanicum“
VATIKANSTADT. Der Erzbischof von Mün- chen-Freising, Dr. Joseph Wendel, nahm seine Ernennungsurkunde in dem im 16. Jahrhundert gegründeten deutsch-ungarischen Kolleg entgegen, das eines der ältesten in Rom ist. Zunächst sollte das Dokument im amerikanischen Kolleg überreicht werden. Davon konnte aber abgesehen werden, weil Bundespräsident H e u ß Bundespostminister S c hübe r t h als Sonderbotschafter für die Dauer des Konsistoriums zum Vatikan entsandt hatte. Unter den zahlreichen Ehrengästen und den deutschen Pilgern herrschte darüber allgemeine Freude.
Wir müssen uns daran erinnern, daß zu Beginn der dreißiger Jahre, als die sogenannte große Depression begann, ein radikaler Wandel eingetreten ist in den hauptsächlichen Zielen und in den Methoden der Außenhandelspolitik der europäischen Nationen. Bis zu diesem Zeitpunkt, d. h. bis zur großen internationalen Zahlungskrise des Jahres 1931, war das Ziel des ökonomischen Nationalismus so gut wie überall ein ganz bestimmtes und begrenztes gewesen, nämlich, den einzelnen Produzenten je nach den Bedingungen des einzelnen Produktionszweiges Schutz zu gewähren vor einer Konkurrenz auf ihrem Markte. Diesem Ziel des Produzentenschutzes von Fall zu Fall entsprach die überlieferte Methode dies'er Außenhandelspolitik, die Methode der Einfuhrzölle, -d. h. die Methode, an der Grenze eine Steuer zu erheben, die im übrigen den internationalen Handel und Verkehr als solchen frei ließ, ihn weder durch Einfuhrkontingente noch vor allem durch Zahlungshemmungen, d. h. durch Devisenzwangswirtschaft und Außenhandelsmonopole des Staates behinderte.
Darin tritt nun mit der Krise des internationalen Wirtschafts- und Zahlungsverkehrs
des Jahres 1931 jener radikale Bruch ein, von dem ich gesprochen habe. Statt Einzelschutz der Produzenten beginnt nunmehr ein anderes, umfassenderes Ziel in den Vordergrund zu treten. Nicht die Konkurrenzfähigkeit einzelner Produzenten oder einzelner Branchen steht nunmehr im Vordergrund, sondern der Schutz der Volkswirtschaft als Ganzes, insbesondere das Gleichgewicht der Zahlungsbilanz, von dem in den hochentwickelten europäischen Ländern vor 1914 überhaupt nicht und dann in den zwanziger Jahren nur am Rande die Rede gewesen war. Das war die neue umfassende Aufgabe, und dieser Aufgabe gemäß entwickelte sich nun eine neue Ordnung der Außenhandelspolitik, das System der kollektivistischen Abschließungsmaßnahmen. Dieses System fand und findet noch immer in einer Maßnahme seine unerläßliche Krönung, nämlich in der Devisenzwangswirtschaft.
Dieses System ist in Europa wie auch in großen Teilen der übrigen Welt bis heute das beherrschende, und darüber müssen wir uns mit aller Energie klar werden. Wir müssen das deshalb, weil die ganze heutige Diskussion um die europäische Wirtschaftsintegration durch nichts so sehr verwirrt wird, wie durch die Gewohnheit, diese Umwälzung, die inzwischen stattgefunden hat, in der internationalen Handelspolitik ungenügend zu beachten. Man übersieht, daß es sich sowohl um das Problem des Protektionismus wie um das Problem des kollektivistischen Isolationismus handelt. Man vergißt, daß der eigentliche Kampfplatz, auf dem Freiheit und Fesselung des internationalen Handels miteinander ringen, seit langem verlegt worden ist, nämlich dorthin, wo es sich nicht um Zolltarife, sondern um die Maßnahmen dieser kollektivistischen Abriegelungspolitik handelt, um Kontingente, um staatliche Außenhandelsmonopole, vor allem um die Devisenzwangswirtschaft, und was damit zusammenhängt Wir sind alle gewiß bescheiden genug geworden, um dem Himmel auf den Knien zu danken, wenn uns die Gnade beschert würde, daß wir zurückgeworfen würden auf jenen Stand der internationalen Handelspolitik, wie er im Jahre 1929/1930 in Europa und in der Welt bestand, und wenn wir von der erdrückenden Last dieser oberen der zwei Schichten befreit würden.
Wir müssen also sehr intensiv den Gedanken ins Auge fassen, den ich mit folgendem Satz formulieren möchte Wenn es gelänge, wenigstens den Zustand wieder herzustellen, wie er vor dem Einbruch des kollektivistischen Isolationismus bestanden hat. so wäre das Problem der wirtschaftlichen Integration Europas, so wie es sich heute stellt, als ein nicht länger aufschiebbares und dringendes Problem tatsächlich gelöst, unbeschadet des Abzugs an Gesamtrationalität der europäischen Wirtschaft, den der durchschnittliche Stand der Schutzzollpolitik von 1930 weiterhin bedeuten würde.
Aber, indem ich das ausspreche, fühle ich mich veranlaßt, sofort etwas hinzuzufügen. Wir werden uns auf die Dauer ganz gewiß nicht, wenn wir die wirtschaftliche Integration Europas anstreben, mit dem Stand des Protektionismus von 1930 zufrieden geben, sondern eine Reform anstreben müssen. Aber noch mehr. Es ist damit zu rechnen, daß in allen europäischen Ländern mit allen Kräften versucht werden wird, in dem Maße, wie ein wirklicher Abbau der kollektivistischen Maßnahmen. von denen ich spreche, erfolgt, d. h. in dem Maße, wie man eine „Liberalisierung“ durchführt, einen Ausgleich zu finden durch entsprechend erhöhte Schutzzölle. Wir werden von jetzt ab wachsam sein müssen gegenüber den Tendenzen, jene Zollmauern, wie sie damals 1930 bestanden, und wie.sie uns heute vergleichsweise harmlos erscheinen, ins Ungemessene zu erhöhen
Adenauer hä*t am EVG-Vertrag fest
„Unter keinen Umständen Verzögerung“ / Ratifizierung vor Neuverhandlung
Drahtbericht unserer
BONN. Bundeskanzler Dr. Adenauer erklärte am Montag in Bonn, daß die deutsche Bundesregierung am Vertragswerk über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft fest- halten und unter keinen Umständen eine Verzögerung der Ratifizierung der Verträge zulassen werde. Die Verträge seien von sechs europäischen Regierungen unterzeichnet und der Deutschlandvertrag von dem britischen Unterhaus und dem amerikanischen Kongreß schon ratifiziert „An diesen Tatsachen geht man nicht ohne weiteres vorbei ‘ Zur französischen Haltung zum EVG-Vertrag meinte der Bundeskanzler, keine Regierung könne sich von dem Vertragswerk so einfach lossagen.
Die Verträge müßten so schnell wie möglich von allen ratifiziert werden, um die Hoffnung Stalins auf eine Zerplitterung des Westens zunichte zu machen. „Jede Woche und jeder Monat Verzögerung stärkt die Hoffnung des Kremls, daß seine Politik letzten Endes doch Erfolg haben wird“, erklärte der Kanzler bei der ersten Veranstaltung des Deutschen Presseklubs in Bonn
Neue Verhandlungen zwischen den EVG- Partnem über Zusatzprotokolle und Erläuterungen zum Vertragswerk dürfen nach Auf-
Taft macht Außenpolitik
„Alle Innenpolitik abhängig“
WASHINGTON. Der republikanische Fraktionsführer im Senat, Taft, wird auf eigenen Entschluß im Außenpolitischen Senatsausschuß als vollberechtigtes Mitglied mitar- beiten und aktiv in die Gestaltung der amerikanischen Außenpolitik unter Eisenhower eingreifen.
Wie Taft in einer Fernsehsendung bekanntgab, wird er zu diesem Zweck seinen Sitz im Finanzausschuß aufgeben. Er begründete seinen Entschluß damit, daß in dem neuen Budget Trumans von 78,5 Milliarden Dollar 58 Milliarden für außenpolitische Zwecke vorgesehen seien Die Lösung aller innenpolitischen Projekte sei mit der „gewaltigen Last der Kriegsausgaben verknüpft".
Oertlidie Angriffe
SEOUL. Die längere Ruhe an der koreanischen Front wurde am Montagmorgen durch
Bonner Redaktion
fassung des Bundeskanzlers die Ratifizierung nicht verzögern. „Die Ratifizierung muß vorher erfolgen, und die neu verhandelten Protokolle müssen später zusätzlich behandelt werden.“ Nach Auffassung Dr. Adenauers werden sich diese neuen Verhandlungen nur auf nebensächliche Fragen beziehen Er teilte mit, daß nach französischer Ansicht die Saarfrage mit der EVG-Ratifizierung nicht gekoppelt werde.
Industrie bleibt unter Kontrolle
BONN. Das alliierte Abkommen vom April 1951 über die Kontrolle der Kapazitäten wichtiger Zweige der nichtmilitärischen deutschen Industrie bleibt in Kraft, bis die französische Nationalversammlung und der Bundestag den Deutschlandvertrag und den EVG-Vertrag ratifiziert haben. Die alliierte Hohe Kommission gab am Montag bekannt, daß die alliierten Hohen Kommissare im Namen ihrer Regierungen ein entsprechendes Änderungsabkommen beschlossen haben. Großbritannien und Frankreich haben damit, wie bekannt wird, einen amerikanischen Vorschlag abgelehnt, das Abkommen vom April 1951, das am 1. Januar 1953 abgelaufen ist. nicht zu verlängern.
heftige Angriffe der Kommunisten unterbrochen. die in einer Gesamtstärke von 1200 Mann im Mittelabschnitt gegen die alliierten Stellungen vorgingen. Nach stundenlangen Kämpfen wurden die Angreifer an allen Punkten zurückgeworfen.
Saar-Abstimmung I960
Ein Vorschlag Schröders
FRANKFURT Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU^CSU im Bundestag, Dr Gerhard Schröder, befürwortet eine Volksabstimmung im Saargebiet im Jahre 1960, in der die Bevölkerung über ihr politisches Schicksal entscheiden soll. In einer von der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ am Montag veröffentlichten Erklärung Schröders heißt es. die von dem neuen französischen Ministerpräsidenten angekündigte Verknüpfung einer Saarlösung mit den Westverträgen gebe der deutschen Politik Anlaß, das Saarproblem von neuem grundsätzlich zu durchdenken.
Kardinalskollegium wieder vollständig
Feierliche Ernennung der Würdenträger / Ohne Stepinac und Wyszynski