MONTAG, 12. JANUAR 1953

DIE MEINUNG DER ANDERN

Vereinigung vor Wiederbewaffnung

Die einflußreiche Pariser Abendzeitung Le Mond e sieht in ihrem Leitartikel vom Samstag den besseren von zwei möglichen Wegen der französischen Außenpolitik nach Schumans Abgang darin, eine Wiederbewaff­nung Deutschlands in jeder Form überhaupt zu vertagen, bis neue Viermädi tverhandlun- gen über eine Wiedervereinigung Deutsch­lands stattgefunden haben:

Eine von den vorgesehenen Fesseln Ireie deut­sche Armee würde naturgemäß stärker zum Mi­litarismus, zum Nationalismus, und zu irredenti- stischen Träumen neigen. Im atlantischen Gene­ralstab. wo das amerikanische Übergewicht schon so stark ist, würden ihre Führer die Waagschale in gefährlicher Weise zugunsten abenteuerlicher Lösungsversuche belasten. Wenn die famoseNeu­orientierung der Politik nur darin bestehen sollte, im Namen des französischen Interesses die Europa­armee zugunsten der Wehrmacht aufzugeben, so wäre sie heller Wahnsinn .. . Fordern wir aber, daß das Grundproblem Europas, die deutsche Einheit, endlich in Verhandlungen zwischen den Großmächten direkt angepackt wird, und machen wir die Frage der deutschen Wiederbewaffnung und der Verteidgungsgemeinschaft von einem Fehlschlag auf diesem Gebiet abhängig, so blei­ben wir unserer europäischen Linie treu Denn es ist keine wirklich haltbare Föderation möglich, solange eines ihrer Glieder zweigeteilt ist und an seine nationale Einheit ebensosehr denken wird, wie an seine Integration in den Bund . . .

Die «reda-Flüchtlinge

Bonn prüft holländische Vorstellungen

hf. BONN. Nachdem einer der sieben aus dem holländischen Zuchthaus Breda entflohe­nen als Kriegsverbrecher verurteilten Häft­linge in Bonn den FDP-Bundestagspräsiden- ten Dr. M e n d e aufgesucht und ihn um Un­terstützung seiner Bemühungen um Asyl als politischer Flüchtling gebeten hatte, ist die Bundesregierung gegenwärtig damit beschäf­tigt, holländische Vorstellungen wegen dieser Flüchtlinge zu prüfen.

Die rechtliche Lage ist für die Bundesregie­rung deshalb nicht einfach, weil das Grund­gesetz die Gewährung von Asyl an politische Flüchtlinge aus dem Ausland vorsieht und es umstritten ist, ob die aus dem holländischen Zuchthaus entflohenen Häftlinge als politische oder kriminelle Fälle gewertet werden müssen.

Lettow-Vorbeck

Freundliche Aufnahme in Südafrika

JOHANNESBURG. General a. D. von L e t - tow-V orbeck, der frühere Kommandeur der deutschen Schutztruppe in Ostafrika, ist bei seiner Ankunft in Johannesburg am Wochen­ende von der südafrikanischen Öffentlichkeit sehr freundlich empfangen worden Die Zei­tungen beider Richtungen berichteten in gro­ßer Aufmachung von seinem Eintreffen, und selbst Deutschland ausgesprochen feindlich ge­genüberstehende Blätter bekunden Sympathie für denHelden von Ostafrika, dessen Freundschaft mit dem verstorbenen Feldmar­schall Smuths hervorgehoben wird. Lettow- Vorbeck wurde am Samstag von der Witwe des Marschalls in Pretoria empfangen.

Verstärkter Abtransport

BERLIN. Der Abflug von Flüchtlingen aus Westberlin soll sofort von etwa 400 Personen täglich auf 700 bis 800 erhöht werden, kün­digte der Bundesbevollmächtigte in Berlin, Heinrich V o c k e 1, nach seiner Rückkehr aus Bonn an. Damit soll der Überhang von etwa 6000 Flüchtlingen, die schon auf westdeutsche Länder verteilt sind und auf ihren Abtrans­port warten, beseitigt werden.

Die Richtlinien sind fertig

Straßburger Zwischenbilanz / Saarproblem wieder ausgeklammert

WIRTSCHAFT

Textilmesse in Hannover

STRASSBURG. Mit dem Entschluß, noch in diesem Jahr eine wirklich starke, in ihren Entscheidungen von nationalen Rücksichten freieEuropäische Regierung der sechs Schu- manplanstaaten zu schaffen, hat die Straß­burgerad hoc-Versammlung am Samstag die dreieinhalbtägige erste Lesung des Ver­fassungsentwurfs für die geplante Europäi­sche Politische Gemeinschaft (EPG) beendet.

Mit einer Reihe von Empfehlungen für die weitere Arbeit beauftragte sie den Verfas­sungsausschuß unter Dr. von Brentano (CDU), den endgültigen Entwurf des europäi­schen Verfassungswerkes Anfang März zur zweiten und letzten Lesung vorzulegen, damit er anschließend von den Außenministern der sechs Staaten gebilligt und den Parlamenten zur Ratifizierung zugeleitet werden kann.

Einer Entscheidung in der zwischen Frank­reich und Deutschland stehenden Saarfrage vorzugreifen, lehnte die Versammlung ab. Sie verwies einen Antrag der saarländischen Ver­

treter, die Saar schon jetzt als ein selbständi­ges Mitglied der geplanten Europäischen Po­litischen Gemeinschaft zu behandeln, auf Vor­schlag des deutschen CDU-Abgeordneten Her­mann K o p f an den Verfassungsausschuß.

Das wichtigste Ergebnis der ersten Lesung war eine über den Entwurf des Ausschusses hinausgehende Stärkung der künftigen euro­päischen Exekutive gegenüber den nationalen Sonderinteressen der EPG-Mitgliedstaaten. Nach dem Willen der Versammlung sollen Exekutivrat und Ministerrat der EPG, die zu­sammen dieEuropäische Regierung bilden, nicht gleichberechtigt nebeneinanderstehen, sondern der Exekutivrat soll allein die parla­mentarisch kontrollierte Handlungsvollmacht haben. Sein Präsident (Regierungschef) soll vom Senat, der europäischen Ersten Kammer, und nicht von den Außenministern bestimmt werden. Nur ein Mißtrauensvotum des Senats und der Zweiten oder Völkerkammer soll den Exekutivrat stürzen können.

HANNOVER. In Hannover wurde am Sonntag die 8 Hannoversche Textilmesse eröffnet, auf der 310 Aussteller aus dem Bundesgebiet und West­berlin sowie aus der Schweiz und Holland ver­treten sind. Das Angebot umfaßt Herren- und Damenoberkleidung. Baumwoll- und Leinen­waren. Haushaltswaren und Leinenwäsche. Wirk­waren und Strickereien. Tepniche Gardinen, Kurz- und Modewaren. Bei der Damenoberbeklei­dung stellt Westberlin ein sehr starkes Kontin­gent. Die Textilmesse findet lebhaftes Interesse, wie schon die Ausgabe von 36 000 Einkäuferaus­weisen zeigt.

Die Preise für Textilmeterware liegen rund elf Prozent und die der Fertigwaren um rund 20 Prozent unter denen des Vorjahres.

Weitere Liberalisierung

BONN. Die Bundesregierung hat dem europä­ischen Wirtschatfsrat in Paris eine weitere Libe­ralisierung der deutschen Einfuhren aus OEEC- Ländern von bisher 80,9 auf 84,4 Prozent ange­kündigt. In einem Memorandum an die OEEC betont die Bundesregierung, daß sie sich zu die­sem Schritt entschlossen habe, obgleich das Schutzbedürfnis der deutschen Landwirtschaft und auch von Teilen der Textilindustrie eine weitere Liberaliserung sehr erschwere

Sdiwierigabern 5 dit hoffnungslos Conant Nachfolger Donnellys?

WASHINGTON. Maßgebliche Mitglieder des Wehrausschusses im amerikanischen Reprä­sentantenhaus erklärten, daß der Kongreß auf eine rasche Klärung der Koreafrage drängen werde, wenn der neue Präsident Eisen- h o w e r dies nicht tun sollte. Eine Umfrage bei sechs republikanischen Mitgliedern und vier Demokraten zeigte, daß die Mehrheit das Korea-Problem fürschwierig, aber nicht hoff­nungslos hält.

Der Abgeordnete Short (Republikaner) sagte, er rechne mit EisenhowersLösung". Andernfalls werde der Kongreß die Initiative ergreifen. Sein Parteifreund C o 1 e äußerte, der Ausschuß sei entschlossen, irgendeine Lö­sung zu finden, statt den Krieg in eineun­gewisse Zukunft fortdauern zu lassen.

' WASHINGTON. Die Wahl Eisenhowers für einen künftigen amerikanischen Botschaf­ter in Deutschland ist, wie gut unterrichtete Kreise in Washington äußerten,mit an Si­cherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf den Rektor der Harvard-Universität, James Conant, gefallen. Conant wird im allgemei­nen als der fähigste Anwärter für diesen Po­sten bezeichnet. Er leitet die Harvard-Univer­sität seit 1933.

Die Nennung Conants als zukünftiger USA- Botschafter in Deutschland kam überraschend, nachdem in letzter Zeit in den meisten Speku­lationen die Namen William D r a p e r s , Ge­orge K e n n a n s und Robert Murphys ge­nannt worden waren.

Kleine Weltchronik

CDU will Oppositionspolitik verschärfen. Karls­ruhe.. Die Landesvorstände und der Fraktions­vorstand der CDU in der Verfassunggebenden Versammlung von Baden-Württemberg haben auf einer mehrtägigen Konferenz in Karlsruhe beschlossen, ihre Oppositionspolitik zu ver­schärfen.

BDJ in Mainz neu konstituiert. Mainz. Der in Hessen aufgelöste Bund Deutscher Jugend (BDJ), dessen Bundesvorstand bisher in Frank­furt tätig war, hat sich in Mainz auf Bundes­ebene neu konstituiert. Der bisherige Vorstand wurde einstimmig wiedergewählt.

Bundesanleihe kommt gut an. Bonn. Wie das Bundesflnanzministerium bekanntgab, sind von der Bundesanleihe 1952, die auf 500 Millio­nen DM begrenzt ist, bereits 400 Millionen DM fest untergebracht worden.

Prinz Adalbert beim Auswärtigen Amt. Bonn. Der deutsche Botschafter in Spanien, Prinz Adalbert von Bayern, ist zu Besprechungen mit dem Auswärtigen Amt in Bonn eingetroffen.

Franzosen gegen Verdächtigung derFAMO. Bonn. Das französische Hohe Kommissariat wandte sich am Samstag gegentendenziöse Mel­dungen, nach denen die von den französischen Streitkräften in Deutschland verwendeten Hilfs­verbände deutscher Arbeitskräfte die Werbung für die Fremdenlegion begünstigen.

Mit dem Hubschrauber nach Helgoland. Frank­furt. Der Verkehrsausschuß Bremerhaven plant einen Hubschrauberverkehr mit Helgoland, da andere Flugzeuge auf der Insel nicht landen können und vorläufig auch keine Möglichkeit be­steht, Helgoland mit Wasserflugzeugen anzuflie- gen.

Heuß erinnert an dieDankspende. Köln . Bundespräsident Heuß hat die Bevölkerung der Bundesrepublik aufgerufen, dieDankspende des deutschen Volkes durch weitere Spenden zu

fördern und so diefehlende halbe Million DM noch aufzubringen, die zu einer würdigen Ge­staltung der Dankesaktion für die großzügige Hilfe des Auslandes in den ersten Nachkriegs­jahren erforderlich sei.

Streikdrohung im Bergbau. Bochum. Der Hauptvorstand der Industriegewerkschaft Berg­bau hat auf einer Sitzung am Samstag beschlos- s, zum 19. Januar einen Streik im Kohlenberg­bau auszurufen, falls bis zu diesem Zeitpunkt keine Einigung über die von der Gewerkschaft geforderte Verkürzung der Schichtzeiten für Un­tertagearbeiten von 8 auf 7 1 /« Stunden erzielt wird.

Theo Mackeben gestorben. Berlin. Der Kom­ponist Theo Mackeben ist am Samstag im Alter von 56 Jahren an einem Herzschlag gestorben. Madeeben ist besonders durch seine Musik zu zahlreichen Filmen und Operetten hervorgetreten.

Schacht und Ludwig. Hamburg.' Der frü­here Reichsbankpräsident Dr. Hjalmar Schacht hat am Samstag zu der Eintragung der offenen HandelsgesellschaftSchacht und Ludwig mit dem Sitz in Aumühle (Schleswig-Holstein) er­klärt, er habe seinen Plan zur Errichtung eines Bankhauses in Hamburg noch nicht aufgegeben und würde Hamburg nur ungern den Rücken kehren.

Pinay wieder Kleinstadtbürgermeister. Paris. Frankreichs populärster Ministerpräsident der letzten Jahre, Antoine Pinay, ist in seine kleine Heimatgemeinde Saint Chamond im Loiretal zu­rückgekehrt, um sich endlich wieder seinem lange vernachlässigten Amt als Bürgermeister zu wid­men.

Mau-Mau-Morde und kein Ende. Nairobi. In der britischen Kronkolonie Kenia, die durch den Terror der Mau-Mau-Organisation beun­ruhigt wird, wurden am Samstag wieder zwei Eingeborene ermordet aufgefunden.

Getreideschau in Biberach BIBERACH. Das Regierungspräsidium Tübin­gen veranstaltet in Zusammenarbeit mit dem Landwirtschaftsamt in Biberach am 25. Februar in der Biberacher Turnhalle eine große Getrei­deschau. Neben den Getreideerzeugern des Kreis­gebiets werden Saatgutzüchtereien. Mälzereien und Brauereien ihre Produkte ausstellen. Während der Schau werden namhafte Gelehrte über land­wirtschaftliche Forschungsarbeiten und -ergeb- nisse sprechen.

Honigüberschuß verursachte Preiseinbrüche BREMEN. Die Honigeinfuhr und die Lage des Honiggroßhandels des Bundesgebiets haben sich 1952 im Vergleich zum Vorjahr völlig gewandelt. Während 1951 und das Frühjahr 1952 noch im Zeichen anhaltender Knappheit standen, war im vergangenen Sommer bereits ein erheblicher Überhang zu verzeichnen, der zu großen Preis­einbrüchen führte. Der Honigimporthandel ver­anschlagt die Einfuhen 1952 um etwa 60 Prozent höher als im vorangegangenen Jahr.

Landwirtschaftliche Brennerei DORTMUND. Der Bundesverband deutscher Kornbrenner in Dortmund wandte sich am Sams­tag gegen eine Änderuig des Begraffs der land­wirtschaftlichen Brennerei. Nach der Regierungs­vorlage zur Änderung des Branntweinmonopol­gesetzes sollen als landwirtschaftliche Brennereien nur noch Betriebe anerkannt werden, die 90 Pro­zent der in der Brennerei verarbeiteten Roh­stoffe auf eigenem Grund und Boden erzeugen. Der Bundesverband erklärt demgegenüber, agrar- und ernährungswirtschaftliche Gesichtspunkte er­laubten es keiner Brennerei mehr, die zur Aus­nutzung ihres Brennrechtes erforderlichen Roh­stoffe zu 90 Prozent auf eigenem Boden anzu­bauen. Er tritt daher für die Beibehaltung der derzeitigen Regelung ein. wonach eine landwirt­schaftliche Brennerei dadurch charakterisiert wird, daß sie fremde Rohstoffe ankaufen darf, jedoch die in der Brennerei anfallende Schlemoe restlos im eigenen Viehstall verfüttern und der durch die Schlempefütterung bedingte Mehranfall von Dünger auf eigenem Grund und Boden ver­wertet werden muß

Zur Information

Die Bank deutscher Länder teilt als Konsortial­führerin für die Bundesanleihe mit daß da» Zeichnungsgeschäft auf die fünfprozentige Bundes­anleihe bisher günstig verlaufen ist.

Die Stahlerzeugung in Europa einschließ­lich der Sowjetunion hat im Jahre 1952 mit 109 Mil­lionen Tonnen 10 Millionen Tonnen mehr als 1951 einen neuen absoluten Höchststand erreicht, geht aus dem neuesten Vierteljahresbericl t der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (ECE) hervor. Die Bundesrepublik ist an die­ser Produktion mit 15,8 Millionen Tonnen beteiligt.

VON HARALD BAVWtGARTEN

Copyright by Carl Dunker-Verlag

durch Verlag v. Graberg & Görg, Wiesbaden

(16. Fortsetzung)

Ein Freund? wiederholte Kornay und wurde hellwach. Dieser Mann, der ihm un­sympathisch gewesen war, bildete eine große Gefahr. Er störte alle seine Pläne, er konnte das vernichten, was er haben mußte die Frau, die ihn aus seiner Pechsträhne heraus­reißen sollte.

Hängt er etwa mit Ihrer Reise zusammen, Michaela? Sie haben wenig von sich hören lassen, als sie in Lugano waren. Eine einzige, kitschige Ansichtskarte! Handelt man so an einem Freund?

Sie schwieg lange. Es hatte eine Zeit ge­geben, da sie Nik ihr ganzes Vertrauen schenkte. Aber nun war eine Mauer da, über d e sie niemand hinwegzublicken erlaubte. Hinter dieser schützenden Mauer waren sie und Stefan. War die große einmalige Liebe ihres Lebens.Verlangen Sie nicht mehr von mir, Nik, ich kann Ihnen keine Antwort dar­auf geben

Wenn er etwas nicht vertrug, so war es Widerstand. Frauen waren für Nikolaus Kor­nay etwas, das man nahm, wenn man sie begehrte.

Mit ganz neuen Augen sah er Michaela an. Sie wies ihn zurück. Sie baute eine Schranke um sich. Was fiel ihr ein? Er war ihr Freund, ihr Berater, ihr Direktor, der sie zu einer großen Schauspielerin machen wollte. Es kränkte seine Eitelkeit, daß er ihr auf einmal so gleichgültig war. Der Mann in ihm fühlte sich beleidigt.

Wie ein Funke aufblitzt, wenn Stahl gegen Stahl klirrt, sprang jäh die Leidenschaft in ihm auf, eine unbezwingbare Gier, sie ganz zu besitzen. Sie war schön, jung und tat

unnahbar. Aber sie log. Sicher war sie nicht allein in Lugano gewesen, sondern mit diesem Menschen. Zweifellos war sie seine Geliebte. Wie hätte er sie sonst so vertraulich auf der Bühne begrüßen können.

Er schlug den Kragen seines Mantels hoch und fing mit erzwungener Heiterkeit an zu plaudern.Warum stehen wir eigentlich hier noch im Regen herum? Fahren wir nach Hause. Wir werden irgendwo in der Stadt gemütlich zusammen essen . .

Nebeneinander gingen sie auf den Wagen zu, der sie hergebracht hatte. Als er den Schlag öffnete um sie einsteigen zu lassen, sagte sie:Seien Sie nicht böse, wenn ich Sie bitte, mich nach Hause zu fahren. Ich bin heute eine schlechte Gesellschafterin.

Schade. Aber ganz wie Sie wünschen, Michaela. Er setzte sich neben sie und ließ den Motor anspringen.

Während der Fahrt sprachen sie beide nicht. Ihre Gedanken kreisten um den glei­chen Menschen, umgaben ihn mit den Strö­men ihrer Gefühle, die so weit voneinander entfernt waren, wie schwarz und weiß, gut und böse.

^ ^ ^

Der, an den sie dachten, saß zu dieser Stunde in seinem nüchternen Amtszimmer auf dem Polizeipräsidium, und vor ihm in einer gehörigen Entfernung stand ein schmächtiger, dürrer Mann, namens Otto Gunkel, er trug einen grauengrünen Anzug, der ihm zu weit war. Sein Hals war dünn und zu lang. Ein starker Adamsapfel hüpfte beim Sprechen, eine minderwertige, eingedrückte Nase und eine runzelige Stirn mit blau ge­äderten Schläfen.

Seine wasserhellen Augen blinzelten ängst­lich über den Rand der Brille hinweg. Im Ganzen machte er den Eindruck eines kleinen Spießers und versuchte auch jetzt krampfhaft, die:en Anschein aufrecht zu erhalten und zu verstärken.

Nehmen Sie sich einen Stuhl, Herr Gun­kel, sagte Stefan Garrian mit der unend­lichen Geduld, die er aufzubringen imstande

war, wenn er glaubte, dadurch zum Ziele zu kommen.

Otto Gunkel gehorchte mit einer krieche­rischen Verbeugung. Er rieb sich die Hände und zog an den Gelenken, daß sie knackten.

Garrian beobachtete ihn amüsiert. Ueber- tünchte Ehrbarkeit, hinter der sich ein gerie­bener Gauner verbarg, war für ihn immer eine komische Sache.Also Sie bleiben bei Ihrer Aussage. Sie hatten den Auftrag, die Münzen in Holland an Sammler zu verkau­fen. Sie waren sozusagen Kommissionär.

Ganz richtig, Herr Kriminalrat, lispelte Gunkel,so war es.

Ich bin nicht Kriminalrat, nennen Sie mich einfach Doktor, sonst werde ich Sie noch zu oft verbessern müssen. Also weiter! Sie be­haupten nicht zu wissen, daß die Mün-en gefälscht sind?

Gefälscht, Herr Doktor? Solch alte, ehr­würdige Münzen? Denen sieht man doch die Echtheit von weitem an. Bedauernd wiegte er den Kopf.Da hat es also schon damals in Olims Zeiten Münzfälscher gegeben.

Die Münzen sind heutige Fälschung. Die Patina ist künstlich. Der Goldgehalt ist auf das Gramm richtig.

Na also wenn der Goldgehalt . . be­gehrte Gunkel auf.

Unterhalten wir uns nicht darüber. Er­klären Sie mir endlich wahrheitsgemäß, wie Sie in den Besitz der Münzen gekommen sind. Ich glaube Ihnen kein Wort Ihrer gestrigen Auszage.

Gekränkt schob Gunkel die Unterlippe vor. Aber sie stimmt aufs Haar, Herr Doktor! Wenn einem die Menschen bloß was glauben würden. Aber was unsereiner ist, der mal ne kleine Strafe bekommen hat, der wird gleich als Lügner angesehen. Das istne Ungerech­tigkeit, Herr kriminalrat.

Also ich glaube es Ihnen, Herr GunkeL Aber sagen Sie, würden Sie selbst die Ge­schichte glauben, wenn sie Ihnen einer in der Kneipe erzählt?

Gunkel rückte mit dem Oberkörper und schubste dadurch seinen Stuhl näher an den Schreibtisch Garrians.Nun reden Sie mensch­lich, Herr Doktor. Ha würde ich denken,

der will mich auf den Arm nehmen. Aber sehen Sie, das ist die Falle in der ich stecke. Ich erzähle die Wahrheit und die klingt so komisch, daß jeder denkt, der lügt wie Bohnenstroh

Garrian überflog das Aktenstück.Sie be­kamen also eines schönen Tages so sagten Sie aus einen Brief. Sie möchten für einen Münzensammler eine Kommission machen. Arbeit hatten Sie nicht und Geld auch nicht. Sie waren erfreut.

Hocherfreut, Herr Rat, denken Sie mal, so ne schöne Reise und zweiter Klasse und alle« frei und zehn Prozent vom Verkauf . . Garrian lachte, seine weißen Zähne blitzten. Dazu noch ein Verkauf, der gänzlich unkon­trollierbar war.

Nee, nee. bestimmt nicht. Die Quittungen mußte ich vorlegen.

Sie wußten doch, daß Sie kein auslän­disches Geld einführen durften, wie? Treuherzig blickte Gunkel durch die dicken Brillengläser.Ueber so was hab ich nie nach­gedacht, Herr Doktor

Na schön Sie gingen also auf den Vor­schlag ein. Treffpunkt im Hinterzimmer einer Kneipe in der Ackerstraße.

Ja, da wartete ich abends um zehn Uhr. Und da kam der Mann. Gunkel wischte sich mit dem Taschentuch die feuchten Lippen ab. Aber es war nicht der richtige. Herr Doktor, das kann ich beschwören. Der richtige, den ich erst später kennenlernte, der hatte 'ne ganz andere Stimme. Zu mir kam son kleiner Dicker. Sah fast aus wie ein Bulle.

Wie einer von der Polizei?

Gunkel grinste.Richtig, so'n Stiernackiger. Ich kriegte einen tüchtigen Schreck. Ich war vorsichtig, das kann ich sagen.

Also hatten Sie bereits damals Mißtrauen gegen die Ehrlichkeit des Geschäftes.

Ich habe schlechte Erfahrungen gemacht. Herr Rat, seufzte Gunkel.

Garrian klappte die Akte zu.Vorläufig haben Sie nichts Neues erzählt. Was wollte de« Mann, der wie ein Bulle aussah?

Fortsetzung folgt 1

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