HEIMATBLATT FÜR STADT UND LAND

CALWER ZEITUNG

MONTAG, 12. JANUAR 1953

OBERPARTEILICHE TAGESZEITUNG

9. JAHRGANG/NR. S

Paris: Ueber die Verträge wird mit Bonn neu verhandelt

Nach Vorlage bei der Nationalversammlung / Alle Termine offen

Der CDU-Abgeordnete von Brentano und Professor Fernand D ehousse (Belgien) sind die beiden Männer, die den Hauptanteil an der Ausarbeitung des Entwurfs einer europäischen Verfassung tragen Unser Bild zeigt von Brentano (links) und Professor Dehousse während einer Beratungspause der am Samstag beendeten Ses­sion derad hoc"-Versammlung im Europahaus in Straßburg Foto: Keystone

PARIS. Aas zuständigen Kreisen wird am Samstag bekannt, daß Frankreich die Ver­handlungen über eine Revision des EVG- Ver­trages beginnen zu können hofft, sobald das Vertragswerk der Nationalversammlung zuge­leitet ist. Die wesentlichsten Verhandlungen würden mit der Bundesrepublik geführt werden. Der neue französische Kabinettscfaef Mayer hat bereits angekündigt, daß man die Verträge (EVG- und General vertrag) ohne Ver­zögerung der Kammer überweisen werde. Ein Termin und die Natur der französischen Än­derungswünsche sind indessen noch nicht be­kannt.

Ein Gewährsmann versicherte, die Regierung selbst werde erst nach den ersten Ausschuß­sitzungen Klarheit darüber gewinnen, welche Konzessionen sie machen müsse, um die Rati­fizierung zu erreichen. Dann erst könnten die Vorschläge für die von Mayer erwähntenZu­satzprotokolle abgefaßt werden. (Um die Zu­stimmung der Gaullisten für seine Investitur zu erhalten, hatte Mayer Verhandlungen über gewisse Zusatzprotokolle zugesagt. Die Gaul­listen sind der Ansicht, daß der Vertrag über die Verteidigungsgemeinschaft nur dann an­nehmbar ist, wenn die französische Armee kei­nem internationalen Oberkommando unter­stellt wird.) Wann die Nationalversammlung die Verträge behandelt, ist noch völlig offen. Das Haushaltsbudget und die Steuerreform dürften Vorrang vor den Verträgen haben. Darüber hinaus läßt sich nach Ansicht von Be-

Ein Treffen Adenauer Bidau*t?

Bonn möchte sondieren / Hintergründe des Pariser Kurswechsels

BONN. Während der französische Hochkom­missar Frangois Poncet, der am Sams­tag kurz vor seiner Abreise noch von Bundes­präsident Professor H e u ß empfangen wor­den war, in Paris die ersten Besprechungen mit dem neuen französischen Außenminister führte, wurde in diplomatischen Kreisen der Bundeshauptstadt von der Möglichkeit eines Treffens Adenauer Bidault gespro­chen.

Der Wunsch nach einer solchen Zusammen­kunft sei nicht nur auf seiten des Bundes­kanzlers. sondern auch bei Bidault und ande­ren französischen Ministern vorhanden. In Bonner Regierungskreisen wird betont, daß so­wohl zur Klärung der gegenwärtigen Situa­tion, als auch zur Schaffung klarer Ausgangs­punkte für etwaige neue Verhandlungen ein

solches Gespräch wünschenswert wäre. Es gehe dabei zum einen um die weitere Behandlung oder Abänderung des EVG-Vertrages und zum anderen um die Saarfrage.

In diesem Zusammenhang haben in politi­schen Kreisen Bonns aus Paris kommende In­formationen Besorgnis erregt, nach denen hin­ter den französischen Abänderungswünschen zum EVG-Vertrag ein Veto der führenden französischen Militärs stehen soll, die der An­sicht sind, daß eine Aufspaltung der französi­schen Armee in nationale Kontingente für den Übersee-Einsatz und in europäische Kontin­gente für die EVG nicht möglich ist, da eine solche Zweiteilung nach Ansicht der fran­zösischen Militärs die Grundlagen und den Zusammenhalt der französischen Armee ge­fährden würde.

Dr. Maier: DerSchwarze Peter

Kritik am Bundeskanzler / Pfleiderer:Schwere Polizei ist besser

Drahtbericht unserer Stuttgarter Redaktion

STUTTGART. Auf einer Versammlung der FDP/DVP in Grunbach im Remstal haben Ministerpräsident Dr Maier und der Bun­destagsabgeordnete Dr. Pfleiderer am Sonntag beachtenswerte Ausführungen zur außenpolitischen Situation gemacht. Dr. Maier, der Vorsitzende des Bundesrats, er­klärte, wenn es zu keinem Gutachten des Bundesverfassungsgerichts über die deutsch­alliierten Verträge komme, so werde sich sehr wahrscheinlich keine Mehrheit im Bundesrat für diese Verträge ergeben. Der Bundeskanz­ler habe im parlamentarischen und diplomati­schen Spiel denSchwarzen Peter gezogen und er sitze auf ihm fest Die Opposition, der Bundesrat und auch Teile der Bonner Koa-

256 Koreaner ertrunken

Schiff vom Wirbelsturm erfaßt

PUSAN Mit 256 Personen an Bord ist das 140 Tonnen große südkoreanische Passagier­schiffChang Yung Ho in der Nacht zum Samstag im Wirbelsturm vor Pusan gekentert und binnen Sekunden gesunken Nur vier Passagiere, der Kapitän und zwei Matrosen konnten sich in Sicherheit bringen, alle an­deren Fahrgäste und Besatzungsmitglieder werden vermißt. Wie das südkoreanische Ver­kehrsministerium bekannt gibt, besteht keine Hoffnung mehr, daß sie die Katastrophen­nacht überlebt haben

Der Dampfer versah regelmäßig den Dienst zwischen Pusan und dem 160 Kilometer ent­fernten Yosu an der Südküste Koreas. We­nige Meilen vor der Hafeneinfahrt von Pusan geriet der Dampfer in den SturmDer Wind warf das Schiff wie einen Korkball herum im nächsten Ausenbb'ck lag ich auch schon im Wasser und die .Chang Yung Ho war ver­schwunden, sagte der Kapitän nach seiner Rettung.

lition wollten nicht mehr recht mitspielen, weil sie Angst davor hätten, selbst denSchwar­zen Peter zu ziehen Die Bundesrepublik be­dürfe aber einer aktiven Außenpolitik, das hieße, es müsse ein anderes Spiel begonnen werden.

Dr. Pfleiderer gab der Frage der Wieder­vereinigung Deutschlands gegenüber den Bon­ner Verträgen den Vorrang. Er empfahl, den EVG-Vertrag abzuändern, oder ganz auf ihn zu verzichten Frankreich wäre bereit, im Falle es seine nationale Armee behalten darf, den Weg für die Aufstellung einer schweren deutschen Polizei freizugeben Dies habe sich aus Gesprächen ergeben, die er im Dezember in Paris gerade mit den politischen Kreisen geführt habe, die heute einen starken Ein­fluß auf die französische Politik ausübten. Frankreich sei nicht bereit zu ratifizieren Da­mit sei auch die deutsche nationale Sicherheit in Frage gestellt. Wir müßten mit den Be­satzungsmächten so schnell wie möglich daran­gehen, eine schwere Polizei aufzustellen, die den Vergleich mit der Volkspolizei aushalte.

obachtem noch nicht absehen, ob die Regie­rung Mayer von Bestand sein wird.

Politische Beobachter glauben im übrigen, daß Mayer nicht unbedingt auf seiner Erklä­rung bestehen werde, einer Ratifizierung des EVG-Vertrages müsse die Klärung des künf­tigen Status der Saar vorausgehen. Sie halten es für möglich, daß er dem Beginn der EVG- Revisionsverhandlungen zustimmen wird, so­bald sich in der Saarfrage eine befriedigende Lösung an bahnt.

Amerikanische Ungeduld

Wiley warnt Deutschland und Frankreich

WASHINGTON. Der künftige Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses des USA- Senats. Senator Alexander Wiley, wies am Samstag darauf hin, daß eine Verzögerung der Ratifizierung des EVG-Vertrags durch Deutsch­land und Frankreichnicht nur das ganze empfindliche Gewebe der westeuropäischen Zusammenarbeit gefährden könne, sondern auch nochandere ernste Folgen haben kann.

fCf/lürnberg holt Mieder auf

Endlich hat es beim 1. FC. Nürnberg wieder einmal geklappt: Der BC Augs­burg wurde mit 2:5 Toren geschlagen nach Hause geschickt. DerClub ist damit vom drittletzten wieder auf den zehnten Tabellenplatz der Oberliga Süd vorgerückt. Eintracht Frankfurt sicherte sich durch einen 2:1-Sieg über Bayern München weiterhin unangefochten die Spitze. Die Fürther bewiesen auch beim VfB. Stuttgart ihre derzeitige Stärke und nahmen dem Deutschen Meister mit 2:2 einen Punkt ab. Auch im Rück­spiel kamen die Stuttgarter Kickers beim KSC Mühlburg mit 3:6 unter die Räder und verscherzten sich den An­schluß an die Spitzengruppe. Die bei­den Tabellenletzten, 1860 München und Ulm 46, trennten sich in München 2:2- Unentschieden.

Hoher württembergischer Boxsieg In Stuttgart kam die Amateurbox­staffel von Württemberg zu einem kla­ren 16:4-Sieg über die nordbadische Aus­wahl, die den Vorkampf in Weinheim mit 12:8 gewonnen hatte.

West-Süd-Block: 102020012101

(ohne Gewähr)

Bemerkungen zum Tage

Das Pariser Karussell

hr. Auf der 2. Seite dieses Blattes veröffent­lichen wir heute auszugsweise einen Leitarti­kel der halboffiziösen Pariser ZeitungLe Monde, der mit entwaffnender Naivität for­dert, die deutsche Beteiligung an einer euro­päischen Verteidigung vom Mißerfolg neuer Verhandlungen mit dem Kreml abhängig zu machen. Welch eigenartige Verwirrungen al­lein das papiermäßige Vorhandensein von ein paar deutschen Divisionen an der Seine her­vorzurufen vermag! Unseres Erinnerns sind die Dinge doch so gelaufen: Nach monatelan­gen an den Sowjets gescheiterten Viererbe­sprechungen im Pariser Palais Marbre Rose, nach dem kommunistischen Überfall auf Süd­korea kamen die Amerikaner und auch wenigstens offiziell die europäischen De­mokratien zu dem Schluß, daß durch Ver­handlungen ohne entsprechende militärische Anstrengungen von den Sowjets nicht mehr zu erreichen sei als unverbindliche Phrasen, Vetos und neueheiße Fronten. Man be­schloß in Washington, um wenigstens die Lage in Europa zu stabilisieren, die Bewaffnung Westdeutschlands. Doch das erregte die fran­zösischen Gemüter, und Monsieur Pleven, der im Augenblick wieder einen Ministersessel innehat, offerierte die sogenannte Europa­armee. Voilä, das Problem war gelöst. Europa würde aus eigener Kraft verteidigt werden, die GIs könnten über kurz nach Hause gehen. Im übrigen würde man sich mit dem Ver­handeln ja Zeit lassen. Nachdem jedoch die allzu tüchtigen Militärexperten den unverbind­lichen Reden der Politiker ziffernmäßige For­men gegeben hatten, stellte man in Frank­reich fest, daß Westdeutschland doch zu einer Armee kommen würde. Es war leider nicht bei der ins Riesenhafte vergrößerten Frem­denlegion unter französischem Oberkomman­do geblieben. Die Widerstände wuchsen. Doch es sollte daraufhin nur noch schlimmer kom­men. Als Echo auf den Widerstand gegen die Europäische Verteidigungsgemeinschaft kam nämlich ein republikanisches Volksgemurmel von jenseits des Atlantik, man könne ja, wenn die Franzosen plötzlich gegen die von ihnen selbst vorgeschlagene Verteidigungsgemein­schaft seien, wieder zu dem ursprünglichen Plan einer deutschen Armee im Rahmen des Atlantikpaktes zurückzukommen.

Und damit ist dieser kleine Rückblick genau an dem Punkte angelangt, an dem wir heute stehen. Man will in Paris nicht die EVG, man will aber noch weniger eine selbständige deut­sche Armee. Aber die Alternative ist durch die Entwicklung nun einmal gestellt es schei­nen .uns angesichts der französischen Abhän-

Dr. Schuberth Sonderbotschafter

BONN. Bundespräsident Theodor H e u ß hat am Samstag den Bundespostminister Dr. Hans Schuberth beauftragt, die Bundesrepublik bei den Feierlichkeiten zur Einführung des neuen deutschen Kardinals, Erzbischof Dr. Wendel, als Sonderbotschafter beim Va­tikan zu vertreten Da noch kein deutscher Botschafter beim Vatikan ernannt worden ist, hat sich das Bundeskabinett schon am Freitag mit der Ernennung eines Sonderbotschafters für eine zeitweilige diplomatische Vertretung beschäftigt Dr Schuberth ist gestern schon nach Rom geflogen.

Wie von zuständiger Stelle verlautet, haben die diplomatischen Vertreter beim Vatikan nicht die Aufgabe, neue Kardinale beim Papst

gigkeit von der amerikanischen Hilfe keine anderen Wege für Paris offenzustehen. Der von derLe Monde gestartete Versuchsballon mit den Viermächteverhandlungen wird plat­zen, es sei denn, die Amerikaner wären zu dem Ergebnis gekommen, dieses Europa sei zu schlecht, um dauernd dafür gute Dollars zu opfern, es sei denn um es ungeschminkt auszudrücken, die neue republikanische Re­gierung Eisenhower würde Westeuropa zugun­sten der Sowjets abschreiben. Wenn wir in Australien oder in Südafrika säßen, hätten wir vermutlich für das Pariser politische Ka­russell ein mokantes Lächeln. 300 Luftlinien­kilometer vom eisernen Vorhang ist uns wahr­lich nicht darnach zumute.

Jetzt noch einen Außenminister?

hf. Der Fraktionsvorsitzende der FDP, Dr. Schäfer, hat die Forderung seiner Partei nach Ernennung eines Außenministers erneuert. Wir sind von dieser Erklärung überrascht. 1951 und 1952 wäre es noch ein Politikum gewesen, wenn sich der Bundeskanzler entschlossen hätte, nicht selber auch noch das Außenmini­sterium zu übernehmen. Wir sind sicher, daß eine solche Entscheidung, die Adenauers Ein­fluß auf die Außenpolitik ja nicht verringert hätte, manche Rückschläge in der Politik ver­hindert und die praktische Arbeit des Aus­wärtigen Amtes gefördert hätte. Aber zur rechten Zeit wurde aus der Aufgabenstellung unseres neuen Außenministeriums die richti­ge Konsequenz nicht gezogen. Jetzt, relativ kurze Zeit vor den Neuwahlen, würde ein neuer Außenminister nur noch die Rolle eines Statisten spielen und weder auf die Orga­nisation und die Arbeit desAA noch auf die Außenpolitik wesentlichen Einfluß nehmen können. Kein qualifizierter Politiker oder Be­rufsdiplomat würde sich bereit erklären, eine solche Rolle zu übernehmen. Und für die Besetzung mit einem Mann, der unbedingt noch vor Ende der Legislaturperiode Außen­minister werden möchte, ist diese Stelle zu wichtig. Es wird darum erst die Aufgabe der aus den Neuwahlen hervorgehenden Regierung sein, dem Außenministerium und der Außen­politik einen Chef zu sehen

vorzustellen oder einzuführen. Die diplomati­schen Vertreter der Herkunftsländer der neuen Kardinale repräsentieren jedoch das Staats­oberhaupt und ihre Regierung bei den Feier­lichkeiten und Empfängen anläßlich des Kar­dinalskonsistoriums.

NeueApostolische Verfassung

ROM. Papst Pius XII. hat am Samstag eine neueApostolische Verfassung verkündet, in der die Bedingungen für den Empfang des Allerheiligsten abgeändert werden. Die neue Verfassung gibt den Bischöfen auch das Recht, die Abhaltung von Messen nach 16 Uhr zu ge­nehmigen. Der Heilige Vater erklärte, die Ver­fassungsreform sei durch die moderne Ent­wicklung notwendig geworden.

mm

Der größte Ozeanriese der Welt, dieQueen Eli­zabeth, befindet sidi zurzeit im Trockendock in Southampton. Eine Armee von über 2000 Mann arbeitet an der alljährlichen Überholung de s Schiffes, die bis zum 11. Februar beendet sein soll

Foto: Keyston«