DONNERSTAG, 20. NOVEMBER 1952

Politiker sollten ein Aquarium haben

Statt Pillen Betrachtung der schönen Fische

In Amsterdam ist soeben eine Weltföderation der Aquarienliebhaber gegründet worden. Die Liebhaberei desMikrokosmos im Glaskasten breitet sieh in der alten und neuen Welt im­mer mehr aus, und gegen die Hast und Hetze unserer Zeit empfehlen viele Ärzte die Be­schäftigung mit einem Aquarium.

BONN.Auch hier könnte ein Aquarium hellen, meinte kürzlich ein mir bekannter Arzt, als er bei einem Besuch in Bonn einer recht stürmisch verlaufenen Plenarsitzung des Bundestags beigewohnt und im Gespräch mit Abgeordneten erfahren hatte, daß seit Be­stehen des deutschen Parlaments 22 Politiker ein Opfer der hektischen Hast und Überarbei­tung geworden sind.Sehen Sie, meinte der Medizinmann,wie besänftigend würde es wir­ken, müßten die Politiker, wenn sie nach heißer Redeschlacht zum Hammelsprung antreten und jwischeen den Ja-, Nein- und Enthaltungstüren iu wählen haben, in der' Wandelhalle an einem Aquarium vorüber, worin etwa die kleinen Verliehen küssenden Guramis die Lippen aneinander gepreßt ihre anmutigen Spiele leigten!

Aber nicht nur für die Bonner Politiker, auch für die Politiker in der Welt draußen hatte der ärztliche Besucher dieses Rezept parat, weil er nämlich die Gewaltigen dieser Welt über die UNO vielleicht verpflichten möchte, täglich einen Teil ihrer kostbaren Zeit zur Pflege, Wartung und Betrachtung eines Aqua­riums zu verwenden.

Was Bonn anlangt so scheint es auf dem besten Weg zu sein, denn ein Bonner Aqua­rienhändler sagte mir soeben, daß sein Kun­denkreis enorm gewachsen sei. seitdem der Bund in Bonn ist. Die vielen nach Bonn ge­kommenen Berliner haben ihre Aquarien mit- febracht, denn in Berlin war die Aquarien- Sebhaberei immer groß im Schwang, ebenso wie im Ruhrpott, wo seit eh und je das Herz des Kumpels unter dem geschwärzten Rock für die Tiere schlägt Heute beschäftigen sich viele auch in anderen Teilen Deutschlands mit demMikrokosmos im Glaskasten, der Je nach Geschmack eine indische Reisland- ichaft, ein Stück Amazonasstrom oder einen

Ausschnitt vom Mississippi ins Zimmer zau­bert. Gehörte ein Aquarium früher zum schön­sten Zeitvertreib, so verordnen neuerdings manche Ärzte statt Pillen ein Aquarium, weil

Aus dem Züchter-Aquarium werden die Zierfische in isolierte Transport­behälter gesetzt und per Expreß an die Händler und Liebhaber verschickt

Foto: Ockhardt

die Beschäftigung mit ihm ein recht wirk­sames Beruhigungsmittel für angegriffene Nerven sein kann.

Ich selbst kann das sehr gut verstehen,

s, ich täglich vor meinem Fischbecken

stehe und dem Geschwader der fünf Segel- flosser folge. Drei größere sind es und zwei kleine. Sie sind ganz Würde, wenn sie auch manchmal aus ihrer Bedachtsamkeit auf­schrecken können und mit angelegten Segeln nach vorne schießen. Sofort aber haben sie sich wieder gefangen und sind wieder in Haltung erstarrt, sind eben Segelflosser, die Könige der Aqua­rienfische. Dagegen zeigen die prächtig phosphoreszierenden Neon- oder Kolibri- Fische, die vom obe­ren Amazonas stam­men und erst 1935 zum erstenmal in Peru gefangen wur­den, eine quickleben­dige Gemütsart. Von gleißender Pracht ist auch der kornblumen­blaue Schleierkampf- flsch aus Siam, der in einen Zustand pras­selnder Erregung ge­rät, wenn er sich hoch­zeitlich fühlt oder ein anderes Männchen seiner Art erblickt. Dann sträuben sich seine Schleierflossen, die Kiemenhaut plus­tert sich zu einer Halskrause, und den ganzen Fisch über­glüht ein Feuerwerk farbiger Flammen. Er möchte sich auf den Rivalen stürzen, um ihm die Flossen zu zerfetzen. Er würde es auch tun und ihn mit Püffen und Stößen traktieren, wenn ihn die Glaswand nicht hinderte.

Heinz Ockhardt

Das Lindauer Franklin-Institut

Rendezvous zwischen Weltwirtschaft und Kunst

Von unserem KR.-Korrespondenten

Hupengeheul gegen Autodiebe

LINDAU. Unter der Patent-Nummer 836 001 wurde eine neue Sicherungsvorrichtung gegen Autodiebstahl des Lindauer Konstrukteurs Hans Fries gesetzlich geschützt. Bei dieser Erfindung tritt eine Alarmvorrichtung in dem Augenblick ln Funktion, wenn ein Dieb bei dem parkenden Auto die Handbremse lösen will. Die Hand­bremse aber muß jeder betätigen, der mit einem Auto wegtahren will. Das bei unberechtigtem Zugriff ertönende Hupengeheul endet erst, wenn «in Druckknopfschalter bedient wird, der auf Wunsch des Autobesitzers an einer beliebigen, versteckten Stelle des Wagens angebracht wer­den kann. Gleichzeitig brennt eine Sicherung %b, so daß der Wagen aus eigener Kraft ohne Zfihdstrom nicht mehr abfa"hren kann.

LINDAU. Das Franklin-Institut Lindau hat bekanntgegeben, daß neuerdings ein Teil des wissenschaftlichen InformationsdienstesIsis (International Scientific Information Service) von Zürich nach Lindau übernommen worden ist. In Lindau stehen eine Universitäts- schriften-Abteilung und das Wirtschaftsarchiv zur Verfügung. Weiteres Material, vor allem die von der früheren Schiller-Akademie über­nommenen Bestände des Schiller-Archivs, soll demnächst nach Lindau überführt werden, wenn hier die nötigen Räume ausgebaut sind.

Der InformationsdienstIsis (sprich Aisis) wurde unter der Initiative der Franklin-In­stitution 1931 mit dem Sitz in Bern gegrün­det. Er sammelt seitdem Material zahlreicher

Universitäten, Bildungsanstalten, Akademien und gelehrter Gesellschaften. Alle Angaben über Geschichte, Origanisation, Lehrpersonal und Studienbedingungen dieser Einrichtungen sind aus dem Archiv zu entnehmen, ferner die laufenden Lehrpläne. Die Institute, die lau­fend ihr Material zur Verfügung stellen, rei­chen von Argentinien über Südafrika bis Au­stralien und von den Vereinigten Staaten und Kanada über Westeuropa bis China, Japan, Indien und Burma.

Nach dem Waffenstillstand am Ende des zweiten Weltkriegs machte sich die Isis um die Auffüllung der schwer angeschlagenen deutschen Bibliotheken verdient. Vom Frank­lin-Institut Konstanz aus wurde eine Aufnah-

Beerdigung eines Schiffs HOEK VAN HOLLAND. Der Anfang No­vember in einem schweren Sturm bei Hoek van Holland gesunkene 6000-t-FrachterFau- stus soll entgegen früheren Plänen nicht ge­sprengt, sondernin die Tiefe geschickt wer­den. Weil das Sprengen des Wracks zu lange dauern und zuviel kosten würde, hat man sich am Montag entschlossen, den Grund, auf dem das Schiff in zehn Fuß Tiefe liegt, aufzuspren- gen und das Wrack in die Sprenggrube nach­rutschen zu lassen.

me der großen Bücherverluste durchgeführt. Schweizerische und amerikanische Blätter veröffentlichten die Verlustlisten. Ausländische Helfer, vor allem die Schweizer Bücherhilfe, stellten Bücher und Zeitschriften in großen Mengen zur Verfügung. Druckschriften im Wert von über einer Million Schweizerfranken konnten kostenfrei an deutsche Bibliotheken verteilt werden.

Eine zusätzliche Abteilung der Isis .si das wirtschaftswissenschaftliche Archiv. Es umfaßt' die fachlichen Publikationen der wirtschafts­wissenschaftlichen Fakultäten der an Isis be­teiligten Hochschulen, außerdem zahlreiche technisch-wissenschaftliche Fachzeitschriften und periodische Schriften der Industrie, die teils den Charakter von Forschungszeitschrif­ten, teils den von Hauszeitschriften haben.

Die Hauptaufgabe der Franklin-Institution mit ihren europäischen Zweigstellen in Zü­rich, Paris. Lindau und Innsbruck ist die Popularisierung der Kunst und Wis­senschaft. Sie geschieht durch allgemeinver­ständliche Veröffentlichungen, durch Vorträge und Ausstellungen. In Lindau sind jetzt zahl­reiche Arbeiten der bildenden Kunst zusam­mengetragen, die einen typischen Ausschnitt mindestens aus dem süddeutschen Kunst­schaffen bieten. Dem Besucher aus Übersee soll die Schau eine Rundreise zu den ver­schiedenen Ateliers und Salons ersparen. Von den beteiligten Künstlern werden biographische Daten und Selbstzeugnisse, in Niederschrift und auf Tonband, auf bewahrt; sie stehen dem Forscher und Kunststudenten zur Verfügung.

Vom 10 bis 30. November hat das Institut im Lindauer Museum eine SonderschauDie Radierung aufgebaut. 29 namhafte deutsche, österreichische und schweizerische Radierer und Kupferstecher, die alle demVerein für Originalradierung angehören, zeigen rund 90 Blätter; 50 weitere Originalarbeiten liegen im Institut zur Einsichtnahme auf.

Das Institut in Zürich und Lindau ist das Nachfolgeuntemehmen der Schillerakadmie, die 1926 in München unter Mitwirkung von Ger- hart Hauptmann, Ricarda Huch, Heinrich Wölfflin, Hans Pfitzner und Richard Strauß gegründet worden ist. Der jetzige Lindauer Leiter, Prof. Hermann Leicht, war damals beteiligt. In Amerika lernte er späterprak­tisch zu sein. Zu den heutigen Mitgliedern gehören u. a. Heinz Hilpert, Rudolf Hart­mann, München, und der Züricher Intendant Hans Zimmermann.

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Durch Beschluß des Vorsteherrats der Württembergischen Lan- dessparkasse wurden die Grundbestimmungen der Anstalt ge­ändert. Das Innenministerium Baden-Württemberg hat diese Änderungen mit Erlaß v. 22. 10. 1952 AZ. VI 441/35, geneh­migt. Die geänderte Fassung der Grundbestimmungen wird durch Aushang in den Kassenräumen der Hauptstelle der Württembergischen Ländessparkasse in Stuttgart, Kanzlei­straße 25, und der Zweigstelle in Tübingen, Neue Straße 8, in der Zeit vom 1. bis 8. Dezember 1952 zur öffentlichen Kennt­nis gebracht.

Stuttgart den 15. November 1952

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