UN-Vollversammiung in Zeitnot
Verzögerungen durch Präsidentenwechsel
NEW YORK. Der UN-Versammlung in New York ist schon wieder die Zeit knapp geworden. Hauptgründe dafür sind die schwierige Koreafrage und die Ungewißheit, die der Präsidentenwechsel in den USA mit sich bringt. UN-Delegierte erörtern bereits die Möglichkeit, daß Anfang nächsten Jahres eine Sondertagung der Vollversammlung einberufen werden muß
Churchi;l — Eisenhower
Großbritannien gegen Korea-Offensive?
LONDON. Premierminister Churchill hat gestern im Unterhaus die Hoffnung geäußert, so bald wie möglich mit dem künftigen amerikanischen Präsidenten Eisenhower zusammenzutreffen. Wenn diese Zusammenkunft stattfinde, könne er jedoch im Augenblick nicht sagen
Dieser Hinweis trifft mit Tokioter Meldungen zusammen, nach denen zuständige britische Kreise dort die Ansicht vertreten, daß Großbritannien sich einer neuen Offensive in Korea hartnäckig widersetzen werde, falls Eisenhower während seines Besuchs in Korea einen solchen Plan fassen sollte. Die Briten sind der Ansicht, daß der Krieg mit einer Offensive nicht beendet werden könne, daher aber nur längere Nachschubwege bis zum Jalu hingenommen und neue Truppen nach Korea geworfen werden müßten, die dann an anderen wichtigen Punkten fehlten.
Papa«os: üioßreinemachen
Säuberung der höchsten Stellen
ATHEN. Die neue griechische Regierung des Marschall Papagos ist gestern durch König Paul vereidigt worden. Gleichzeitig festigte sich die Vermutung, daß der neue Regierungschef mit einem Großreinemachen in den militärischen Führungsstellen beginnen wird.
Papagos hat fürs erste das Verteidigungsministerium selbst übernommen. Dazu verlautet, der Marschall wolle persönlich alle oppositionellen Kräfte in den höheren Kommandostellen ausmerzen, die nach seinem Rücktritt vom Oberbefehl 1951 durch die bürgerlich-liberale Regierung Plastiras-Veni- zelos dort eingeschleust worden waren. Vier der höchsten griechischen Offiziere haben nach Pressemeldungen, die von Kreisen des Verteidigungsministeriums bestätigt wurden, bereits ihren Abschied eingereicht.
Haü söui gei-Hoit zeit
BEAULIEU (Franz. Riviera). In der katholischen Kirche Sacre Coeur des Riviera-Ortes Beaulieu bei Nizza ist am Mittwoch der dritte Sohn des letzten Kaisers von Österreich, der 36jährige Erzherzog Felix von Habsburg, mit Prinzessin Anna-Eugen ie von Arenberg getraut worden. Der Bischof von Nizza, der in Anwesenheit der habsburgischen und arenbergschen Familien und zahlreicher hoher europäischer Fürstlichkeiten die Trauung vollzog, verlas den Segen Papst Pius’ XII. für das Paar.
Unter den Gästen sah man die Mutter des Erzherzogs, Kaiserinwitwe Zita, den habsburgischen Thronfolger Erzherzog Otto und die erzherzoglichen Geschwister des Bräutigams, die Eltern der Braut, Prinz und Prinzessin Robert von Arenberg, den Herzog und die Herzogin von Arenberg, das regierende Fürstenpaar von Liechtenstein, Prinz Henri de Ligne und Prinz Karl von Luxemburg.
Die 27jährige schlanke, brünette und blauäugige Braut, die ein Kleid von Dior mit Schleier aus 200jähriger ungarischer Spitze trug, war in einem roten Rolls-Royce vorgefahren. Sie ist auf Schloß Ellingen bei Nürnberg geboren, lebt aber in Belgien und ist Tierärztin. Sie hatte den Erzherzog vor zwei Jahren auf einer Gesellschaft in Bayern ken- nengelemt und sich ein Jahr später mit ihm verlobt.
Regierung wehrt sich gegen Angriffe
„Die kulturellen Fragen der Verfassung“ / Zur Kritik katholischer Stellen
STUTTGART. In einer 36seitigen Schrift „Die kulturellen Fragen in der Verfassung von Baden-Württemberg“, die von der Pressestelle des Stuttgarter Staatsministeriums herausgegeben wurde, nimmt die vorläufige Landesregierung erstmals umfassend Stellung zu der scharfen Kritik katholischer Stellen und Verbände am Verfassungsentwurf der Regierungsparteien. Im einzelnen weist sie die in zahlreichen Zuschriften und Resolutionen enthaltenen Behauptungen zurück, die durchweg völlig falsche Vorstellungen über den Verfassungsentwurf der Koalition erweckten und Befürchtungen aufkommen ließen, die nicht begründet seien. Viele Zuschriften, so wird betont, ließen erkennen, daß die Unterzeichner den Verfassungsentwurf überhaupt nicht gelesen hätten.
Ein größerer Abschnitt ist der Schulfrage gewidmet. Nach einem Überblick über die Entstehung der Schulartikel in der Württem- bergisch-badischen Verfassung von 1946 stellt die Regierung fest, daß man auch bei der Ausarbeitung der südbadischen Verfassung, als die CDU dort die absolute Mehrheit hatte, kaum etwas von Protesten gegen die „Simultanschule mit christlichem Charakter“ gehört habe. Auch sei nicht bekannt geworden, daß gegenüber der südbadischen Simultanschule das volle Elternrecht auf Bestimmung der Schulreform verlangt worden sei. Während des Abstimmungskampfes über den Südweststaat habe man auch nichts davon gehört, daß badischer- seits die südwürttembergischen Schulverhältnisse als erstrebenswert bezeichnet worden seien Man habe immer nur gehört, daß von Württemberg „nichts Gutes“ komme.
Die Frage des Elternrechts werde keinesf Us leicht genommen, es müsse aber darauf hingewiesen werden, daß die Schwierigkeiten in der
Erfüllung des sogenannten „vollen“ Elternrechts nicht in der Ausführung des Willens einer Elternmehrheit, sondern im Schutze der fast in jedem Ort vorhandenen Minderheit lägen.
Abschließend betont die Regierung, daß ihr es nur möglich sei, auch künftig mit den Kirchen in gutem Einvernehmen zu leben, wenn auch auf der anderen Seite „guter Wille und taktvolle Haltung bewiesen werden“. Leider seien bisher alle Bemühungen, daß der Kampf um die Verfassung sachlich geführt werde, ohne nennenswerten Erfolg geblieben. Es verstärke sich damit der „längst gewonnene Eindruck, daß der Kampf gegen die Verfassung weniger der Verfassung als dem Südwesri’"it und der Regierung gilt“.
CDU: Was wil! Dr. Maier?
STUTTGART. Die nordwürttembergische CDU hat am Mittwoch erneut die „unklare Haltung“ des Ministerpräsidenten von Baden- Württemberg, Reinhold Maier, zu den deutsch-alliierten Verträgen kritisiert.
Die auf dem Stuttgarter CDU-Parteitag erhobene und von Maier als unbegründet zurückgewiesene Forderung, er solle seine Meinung über das Vertragswerk bekanntgeben, könne nicht zurückgenommen werden. Sie richte sich nicht an die Landesregierung, sondern nur an ihn persönlich. Die CDU weist auf die Regierungschefs E h a r d (Bayern), Arnold (Nordrhein-Westfalen) und Kaisen (Bremen) hin, die „den Weg offenen und ehrlichen Bekenntnisses beschriften haben“. Es sei „einem verantwortungsbewußten Ministerpräsidenten in einer Frage von schicksalhafter Bedeutung einfach nicht erlaubt, die Bevölkerung über seine Haltung im unklaren zu lassen.
DIE MEINUNG DE« ANDERN
„Mißerfolg des Kanzlers“
Die Niederlage der Regierungsmehrheil bei der Abstimmung über die Termine der Ratifizierungsdebatte wird von der Pariser Morgenpresse als Sensation gewertet. Sie überschattet sogar die sehr ausführlichen Berichte über die Saardiskussion. Unter der fast einheitlichen Überschrift „Mißerfolg des Kanzlers“ heben die Blätter hervor, daß dieses Abstimmungsergebnis die erste pariamen- tarische Niederlage Dr. Adenauers auf außenpolitischem Gebiet bedeute und die Ratifizierung des gesamten Vertragswerks beeinflussen könne. Der konservative ., Figa- r o‘‘ schreibt:
„Die Abstimmung, die nach den eiligen Stellungnahmen vorgenommen wurde, ist sofort als eine Niederlage des Kanzlers Adenauer ausgelegt worden. Sie läßt auf jeden Fall einen gewissen Mangel an Zusammenhalt innerhalb der üblichen Regierungsmehrleit erkennen. Ist dieser Mangel an Zusammenhalt auf Meinungsverschiedenheiten über die Verträge selbst oder nur auf die Unzufriedenheit von Abgeordneten zurückzuführen, die ihre Entscheidung nicht vorbestimmen lassen wollen?“
... und was die Koalition dazu sagt
Vizekanzler Blücher erklärte, das Abstimmungsergebnis sei keine politische Entscheidung über das Schicksal der Verträge. Sie nehme das Ergebnis der Endabstimmung nicht vorweg.
Bundeswirtschaftsminister Erhard bezeich- nete das Abstimmungergebnis als „höchst bedauerlich“.
Bundestagspräsident Ehlers erklärte dagegen, seiner Meinung nach sei das Abstimmungsergebnis nur technisch begründet. Das Ergebnis sei nur mit Rücksicht auf die Ausschüsse so ausgefallen. Deshalb sei ihm keine große Bedeutung beizumessen. „Ich bin überzeugt, daß die Verträge bis Weihnachten ratifiziertsein werden.“
Der FDP-Abgeordnete Arthur S t e g n e r sagte ebenfalls, die Entscheidung sei nur mit Rücksicht auf die Ausschußarbeiten so ausgefallen.
Kleine Weltchronik
Nationalsozialistische Untergrundbewegung. Arnsberg. — Die wegen Verdachts der Vorbereitung zum Hochverrat und der Geheimbündelei verhafteten sieben Männer sind nach Mitteilung der Polizei führende Kräfte einer unter dem Namen „Bewegung Reich“ stehenden nationalsozialistischen Untergrundbewegung.
Journalisten für einheitliche Organisation. Düsseldorf. — Vertreter des Gewerkschaftsbundes und des deutschen Journalistenverbandes prüften die Möglichkeit zur Verwirklichung eines Beschlusses des Journalistenverbandes, der ein Zusammenwirken mit den Gewerkschaften wünscht. Die Schaffung einer einheitlichen Organisation der Berufsjournalisten wurde als notwendig und erstrebenswert bezeichnet.
Volkspolizei verwehrt Friedhofsbesuch. Berlin. — Viele 100 Westberliner wurden gestern durch Volkspolizei daran gehindert, die Gräber ihrer Angehörigen auf dem Waldfriedhof in Stansdorf, dem in der Sowjetzone gelegenen größten Berliner Friedhof, zu besuchen. Die für diesen Zweck ausgestellten Sonderpassierscheine wurden von den Volkspolizisten für ungültig erklärt.
Dibelius sprach in London. London. — Der Vorsitzende des Rats der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof D. Dibelius, hielt gestern auf Einladung der „Industrial Christian Fellowship“ in London eine Predigt.
England kürzt Fleischration. London. — In Großbritannien wird die Fleischration im Wert von 1,18 DM wöchentlich ab 30. November um ein weiteres Siebentel gekürzt. Für die bisherige Ration konnte die englische Hausfrau gerade noch zwei Hammelkotelette kaufen.
Pinay stellt wieder einmal Vertrauensfrage. Paris. — Der französische Ministerpräsident Pinay ist von seinem Kabinett ermächtigt worden, im Zusammenhang mit der von mehreren Parteien geforderten Erhöhung der Familienzulage die Vertrauensfrage zu stellen.
Bombenangriff auf Befehlsstelle. Seoul. — Alliierte Bomber zerstörten bei einem Luftangriff eine militärische Befehlsstelle und öllager 40 km vor dem Yalu-Fluß. Der Stabschef der amerikanischen Luftstreitkräfte, General Vandenberg, erklärte dazu, daß die amerikanischen Luftstreitkräfte auch jederzeit mit der Bombardierung von Zielen in der Mandschurei beginnen könnten, sobald die amerikanische Regierung ihre Politik in dieser Hinsicht ändere.
Spanten in der UNE. CO
PARIS. Spanien wurde gestern nachmittag auf der Vollversammlung in Paris mit 44 gegen 4 Stimmen bei 7 Enthaltungen in die UNESCO aufgenommen. Die 4 Gegenstimmen wurden von Mexiko, Uruguay, Jugoslawien und Burma abgegeben. Schweden, Dänemark, die Niederlande, Luxemburg, Norwegen, Israel und Indien enthielten sich der Stimme. Die Bundesrepublik stimmte der Aufnahme Spanien« zu. Die Delegationen von Korea, Kuba und Saudi-Arabien waren nicht anwesend.
Internationale Polarflugroute eröffnet
Am Mittwoch ist eine Maschine der Skandi- navischenSAS-Gesell- schaft, die „Arild-Vi- king“, in Los Angeles zu ihrem ersten Flug über den Pol gestartet. Die Flugstrecke bis Kopenhagen beträgt 9950 km. Dies bedeutet eine Ersparnis von 2500 km gegenüber der bisher betriebenen Fluglinie zwischen der Westküste Amerikas und Europa über New York—Gander (Neufundland). Am 26./27.
November findet auf der Strecke Los Angeles—Kopenhagen ein zweiter Probeflug statt. Die von den Douglas - Werken in Santa Monica für die SAS erbauten 14 Maschinen vom Typ „Arild-Viking“ können in der Standardklasse 52, in der Touristenklasse 81 Fahrgäste befördern. Unsere Karte zeigt die zentrale Stellung Thules im System der arktischen Luftstützpunkte der USA deutlich auf.
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New York
Copyright by Verlag v. Graberg & Görg, Wiesbaden
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(7. Fortsetzung)
Heinz war durchaus nicht begeistert von der Einladung, den Dank der alten Dame für den so liebenswürdigerweise gespendeten Blumenstrauß persönlich entgegennehmen zu sollen. Krankenzimmer, Krankenschwester, Krankenbett, Krankengeflüster, nein, dann schon lieber zum Zahnarzt. Aber der Brief war so flehend, daß man eine Gewissens- bebürdung zu befürchten hätte, falls man ausflüchtend ablehnte. Wenn es der alten Dame wirklich eine so große Freude bereitete, den Rosenspender kennenzulernen, dann mußte man ihr eben diese — vielleicht letzte — Freude machen.
Aber ein wenig beklommen war es Heinz doch zumute, als er die Treppe der Winter- schen Villa hinaufstieg. Es wäre ihm gar nicht unlieb gewesen, wenn er aus Rücksicht auf den Zustand der Kranken nicht vorgelassen worden wäre. Indessen öffnete Theres die Tür weit und ungewohnt gastlich vor ihm, und die Pflegerin kam ihm mit einem strahlenden Lächeln entgegen.
„So, das ist schön, daß Sie sich sehen lassen, Herr Walthari; Frau Winter hat schon wiederholt nach Ihnen gefragt. Sie glauben nicht, wie sehr sie sich freut, Ihre Bekanntschaft zu machen Ich werde Sie sofort anmelden.“
Sie schwebte weiß durch einen dämmerigen Gang, kam gleich wieder und meldete mit einladender Handbewegung:
„Frau Winter läßt bitten!“
Auf den Fußspitzen, höchste Rücksichtnahme erstrebend, ging Heinz in das Zimmer. Mit einer Verbeugung trat er zögernd näher, worauf Pepita ihr übliches aufgeregtes Geflatter begann.
„Mein lieber Herr Walthari,“ hörte er eine Stimme zwischen weißen Kissen aus einem Lehnstuhl, „bitte, lassen Sie mich ihre Hand drücken für ihre übergroße Liebenswürdigkeit, die mich tatsächlich zu Tränen gerührt hat Sie sind mir bitte nicht böse, daß ich Sie hierher bemüht habe, aber ich wollte doch den Menschen kennen lernen, der ein so liebes, gutes Herz hat,“ sagte die Kranke innig.
Herzlich und wiederholt drückte sie seine Hand. Heinz fühlte sich aber nicht so wohl dabei, denn er hatte das drückende Bewußtsein, einen Eindruck hervorgerufen zu haben, den er nicht verdiente.
„Aber, bitte, gnädige Frau,“ lehnte er ab, „die kleine Aufmerksamkeit ist nicht soviel Worte wert. Jeder andere hätte das auch genau so wie ich getan.“
„Ich schätze Ihre Bescheidenheit. Herr Walthari, aber ich weiß leider aus Erfahrung, was andere nicht getan haben. Doch daß ich an der Menschheit nicht ganz verzweifelte, das habe ich Ihnen ganz allein zu danken.“
Heinz fühlte wie ihm heiß wurde. Feierlichkeit lag ihm nicht am wenigsten die, in deren Mittelpunkt er stand. Das Gespräch stockte, eine Verlegenheitspause entstand, und als Abwehr tat Heinz, was jeder tut: er lächelte.
Dieses Lächeln aber war Balsam auf das wunde Herz der alten Dame. Daß ihr unbekannter Freund auch noch so hübsch war, daß er solch wunderschöne Augen hatte und so lächeln konnte, erschien ihr als eine ganz besondere Zugabe der Rosenspende. Weshalb es nicht verwunderlich war, daß sie sich näher für ihn interessierte
„Nun sagen Sie mir aber, Herr Walthari, durch wen Sie von mir erfahren haben. Woher wußten Sie, daß Sie einer alten, kranken Frau mit ihren herrlichen Rosen eine so große Freude machen konnten?“
Auf diese Frage war Heinz wohl gefaßt, und er hatte sich entschlossen, der Wahrheit entsprechend zu berichten, wenn auch in etwas gefälliger Form.
„Die wirtschaftlich schlechte Zeit hat mich aus meinem Beruf gedrängt, deshalb nahm ich Jede Arbeit an, die sich mir bot. Als Händ
ler mit einem Küchenartikel — vielleicht erinnert sich die Schwester an den Speckwürfelschneider Fixio — kam ich auch in ihr Haus. Ich bot meinen Apparat an, aber die Schwester bedeutete mir, daß die Dame krank und daher kein Bedarf sei.“
Heinz lächelte der Schwester zu. die sogleich antwortete: „Richtig, ich erinnere mich! Die Köchin war einkaufen gegangen, und ich konnte natürlich nicht über den Erwerb eines Küchenartikels entscheiden “
„Ich versuchte ihn auch nicht aufzudrängen,“ fuhr Heinz fort, „denn der Anblick einer Krankenpflegerin zwingt immer zur Rücksichtnahme. Außerdem machte ich mir so meine Gedanken, als ich die Treppe hinabging. Ich dachte, wenn es mir auch schlecht geht und die Geschäfte miserabel sind, so muß man doch Gott danken, wenigstens gesund zu sein."
„Das ist wahr, Herr Walthari,“ sagte die alte Dame, „was nützen Geld und alle Bequemlichkeit, wenn man nicht Herr seines Körpers ist! Was mich aber am tiefsten berührt, ist, daß Sie mir, obwohl es Ihnen schlecht geht, diese Freude machten. Und ohne mich zu kennen? Sie wußten ja gar nicht, ob ich dieses Opfer, das Sie sich damit. auferlegten, auch verdiene?“
„Darüber habe ich mir gar keine Gedanken gemacht Jeder, der krank ist, verdient es, daß ihm eine kleine Freude bereitet wird."
Der alten Dame standen die Tränen in den Augen „Nochmals recht vielen Dank!“ sagte sie und drückte Heinz die Hand „Ich werde Sie nicht vergessen, ich werde Sie bestimmt nicht vergessen!“
Frau Winter bemühte sich ihre Bewegung zu verbergen. Gesprochen wurde nicht mehr, und Heinz erhob sich, um sich höflich zu verabschieden.
„Lassen Sie wieder einmal von sich hören,“ sagte die Schwester an der Tür. Aber Heinz schwieg, denn der Besuch hatte ihn mehr ergriffen, als er sich gestehen wollte. —
Lange noch blieb die alte Dame still und gedankenverloren, bis sie plötzlich sagte:
„Schwester, sagen Sie, finden Sie es in Ordnung, daß meine Nichte Fränzi nicht einmal nach mir schaut, obwohl sie weiß, wie es mit mir steht?“
„Sie wird ein schlechtes Gewissen haben.“
„Sie wird mich überhaupt vergessen haben. Der Indianer ist ihr natürlich wichtiger. Daß ich das noch erleben mußte! Nichts bleibt mir erspart. Aber das hat sie von ihrem Vater, der mit vierzig, da andere Leute gescheit werden, eine Königsbergerin heiratete. Äsgerechnet eine aus Königsberg, als wenn hier in der Gegend keine Frau für ihn aufzutreiben gewesen wäre. Na. sie haben ja beide das Zeitliche gesegnet, und Toten soll man nichts nachsagen, aber gescheit war er nicht, als er das tat. Gott bewahre mich was die Frau für eine Küche geführt hat! Kaulquappensuppe und solche Sachen! Und wenn ihr Mann es nicht aß, dann sagte sie: ,Ich jeh wieder in me-ine He-imat!’ Und nun fängt die Fränzi auch mit solchen Extravaganzen an! Ja. ja, ich habe sie zu sehr verwöhnt, das war mein Fehler aber auch Fehler kann man wieder gutmachen. Ich weiß jetzt, was ich zu tun habe. Geben Sie mir bitte Papier und Feder, Schwester'“
Das Gewünschte wurde gebracht, und menr zu sich als zur Krankenschwester sagte Frau Winter: .
„Bestraft würde ich gehören, wenn icn Fränzis Leichtsinn und Selbstvergessenheit auch noch unterstützen wollte. Die Tugend gehört belohnt, nicht die Untugend. Der Mensch, der uns die letzte Freude macht soll unseren Dank empfangen und diese le 7 - Freude hat mir Franzi nicht gemacht. Von den anderen ganz zu schweigen “
Und dann schrieb sie. Rasch, sicher, ohne zu
zögern , *.
„Haben Sie Siegellack, Schwester? Es ist mein letztes Testament, verwahren Sie gut!“- ^
Es wird schief gehen, orakelte H°inz. doch ich selbst habe den Tag festgesetzt, ohne ° ara zu denken, daß es der erste Freitag im Mon Ist. (Fortsetzung folg 1 ’