HEIMATBLATT

FÜR STADT UND LAND

CALWER ZEITUNG

DONNERSTAG, 13. NOVEMBER 1952 ÜBERPARTEILICHE TAGESZEITUNG 8. JAHRGANG /NR. 224

Kanzler warnt vorEuropastreik wegen der Saar-Schwierigkeiten

Am Israel-Abkommen wird festgehalten / Nachteile nicht entscheidend

Das sind Krieger uom Stamme der Kikugu, in deren Gebiet in Kenia die Mau-Mau-Bewegung be­sonders viele Anhänger besitzt. Die britische Kolonialregierung geht gegenwärtig mit allen Mitteln gegen diese afrikanische Terrororganisation vor t die sich die Vertreibung der Weißen zum Ziel gesetzt hat. Täglich werden Verhaftungen gemeldet. Foto: dpa

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BONN. Bundeskanzler Dr. Adenauer warnte gestern davor, den europäischen Zu- lammenschluß wegen der Schwierigkeiten in der Saarfrage zu verzögern. Er wiederholte gleichzeitig, daß die kommenden Saarwahlen keine freien Wahlen seien und der daraus her­vorgehende Landtag für die deutsche Seite keine demokratische Vertretung der Saarbe- / völkerung sein werde. Erneut versicherte Dr. Adenauer, daß die Bundesrepublik trotz der arabischen Proteste am Israel-Abkommen fest- halten werde.

Dr. Adenauer teilte mit, daß er dem fran­zösischen Außenminister am 16. Oktober so­fortige Sachverständigengespräche über wirt­schaftliche Saarfragen angeboten habe. Er habe gleichzeitig darauf hingewiesen, daß der völ­kerrechtliche Status des Saargebietes erst in einem Friedensvertrage endgültig geregelt werden könne.

Zu den Spannungen mit den arabischen Staaten sagte Dr. Adenauer, daß vor allem das eigene Gewissen zum Wiedergutmachungs­abkommen mit Israel gezwungen habe. Es wäre beschämend, in diesem Entschluß schwan­kend zu werden, nur weil wirtschaftliche Nach­teile angedroht würden.Es gibt Höheres als gute Geschäfte^ denn wir wollen ein anderes Deutschland als das Deutschland Hitlers. Da

Deutschland keine kriegswichtigen Güter nach Israel liefern wolle greife es in den ara­bisch-israelischen Konflikt nicht ein.

Berg:Eine Goodwill-Mission

Schwere Besorgnisse der Industrie

KÖLN. Der Präsident des Bundesverbandes der deutschen Industrie, Fritz Berg, hat Bundeskanzler Dr. Adenauer in einem Brief vorgeschlagen, möglichst bald eine Goodwill-Mission" in die arabischen Staaten zu entsenden. Sehr ernst seien die Besorg­nisse über die künftige Entwicklung des deut­schen Exports nach dem arabischen Raum, der unter schwersten Bedingungen angelau­fen sei.

DGB: Ohne ernste Folgen

KÖLN. Das offizielle Organ des Deutschen Gewerkschaftsbundes,Welt der Arbeit, hat in seiner neuesten Ausgabe die Entscheidung der Bundesregierung begrüßt, an dem Wie­dergutmachungsabkommen mit Israel trotz aller Einwände der arabischen Länder festzu­halten. Gleichzeitig hat das DGB-Organ die Auffassung vertreten, daß der von den ara­bischen Ländern angedrohte Boykott deut­scher Waren für die Bundesrepubliknicht allzu ernste Folgen haben würde.

STUTTGART. Die Stuttgarter Landesver­sammlung hat sich gestern in einer Sonder­sitzung mit den beanstandeten Vorgängen bei der Bürgermeisterwahl in Schriesheim befaßt. Die Tribünen waren auffallend stark besetzt. Schriesheimer Bürger waren in Omnibussen gekommen, um sich das Urteil der Regierung anzuhören.

Die vier Fraktionen haben, wie man weiß, die Wiederwahl des nationalsozialistischen Bürgermeisters Fritz Urban, nachdem die­ser sich gegenüber dem von den drei großen Parteien gemeinsam unterstützten Kandida­ten Dr. Schneider durchgesetzt hatte, zum Gegenstand einer Interpellation gemacht, worin der Verdacht geäußert wurde, es handle sich bei der Freien Wählervereinigung, die Urban als Kandidaten aufgestellt hatte, um eine getarnte SRP-Organisation mit rechts­radikalen Absichten. Aus der Antwort der Regierung ging nun hervor, daß dieser Ver­dacht nicht zutrifft,daß vielmehr offenbar die Mehrheit der Wähler aus örtlichen Grün­den dem eingesessenen vor dem auswärtigen Kandidaten den Vorzug gegeben hat.

Ein Ausweg muß

ts. Die moralische Verpflichtung zur Wie­dergutmachung des an den Juden in Deutsch­land begangenen Unrechts wurde von der Mehrheit der Abgeordneten des Bundestages anerkannt. Sie billigten durchaus die Schritte der Bundesregierung in dieser Richtung. Bun­deskanzler Adenauer erwartete sicherlich, daß nach dem Abschluß des deutsch-israe­lischen Vertrages die Juden eine versöhn­lichere Haltung, gegenüber der Bundesrepu­blik einnehmen würden. Nun das war ein Trugschluß. Fand schon die Unterzeichnung in einer mehr als frostigen Atmosphäre statt, bei der sich die jüdischen Partner nicht einmal zu einem konventionellen Händedruck entschlie­ßen konnten, so hat sich an dieser eisig kon­sequenten Ablehnung jeglicher Annäherung bislang aufch nichts geändert. Wiedergutma­chung ja! Vergessen nein! Dabei wird es vorerst auch bleiben, denn keine der zahl­reichen Gruppen, Verbände und Organisatio­nen des Staates Israel tritt für Vergessen und Verständigung ein, abgesehen von einigen weitsichtigen Politikern, die es aber kaum wagen können, offen zu sprechen. Selbst nicht ein Ben Gurion oder eine Persönlichkeit wie der verstorbene Chaim Weizmann.

Den mohammedanischen Staaten innerhalb der Arabischen Liga können wir kaum den Vorwurf machen, daß sie ihre Bedenken und Einwände gegen das Abkommen nicht recht­zeitig in Bonn zum Ausdruck gebracht hätten. Der Bundesregierung andererseits kann man den Vorwurf nicht ersparen, das mehr als heiße Eisen der Wiedergutmachung nicht mit Feingefühl gehandhabt zu haben. Man hätte die gegenüber dem Staate Israel geradezu mi­mosenhafte Empfindlichkeit der Araber in Rechnung stellen müssen. Die Bundesregie­rung tat das offenbar nicht. Entgegen den Ratschlägen der im Orient tätigen Wirtschaft­ler und Kaufleute.

Über die Ansicht, den Staat Israel gewis­sermaßen als Rechtsnachfolger der aus Deutschland geflohenen oder in Deutschland umgekommenen Juden anzusehen, kann man geteilter Meinung sein. Zweifellos stellt Israel ja nicht die Gesamtheit der Juden dar. Wahrscheinlich hätten wir Deutsche uns bes­ser aus der Affäre gezogen, wenn wir die UN

Zur Begründung der Großen Anfrage hatte der Sprecher sämtlicher Fraktionen, der Ab­geordnete Dr. Haußmann (FDP/DVP), die Schriesheimer Bürgermeisterwahl so darge­stellt, als stände die Demokratie auf dem Spiele. Er bezeichnete Schriesheim als ein Symptom, einenVersuch der alten Natio­nalsozialisten, auszuprobieren, wie weit sie die Regierung und die Volksvertretung her- ausfordem könnten.

Die Regierungserklärung zeigt die Tendenz, die Angelegenheit nicht zu dramatisieren. Die Erhebungen des Innenministeriums hätten keinen Anhaltspunkt dafür ergeben, daß es sich bei der Freien Wählervereinigung um eine Tamorganisation der SRP handle.

Bedenklich sei jedoch ein anderer Vorgang. Eine bisher nicht festgestellte Personengruppe habe den Wahlkampf dazu benutzt, vor dem Hause des Schriesheimer Abg. Schlosser das Horst-Wessel-Lied zu singen. Der Gene­ralstaatsanwalt sei beauftragt worden, das Ermittlungsverfahren gegen bisher unbekann­te Personen einzuleiten und festzustellen, ob es sich um Rechtsradikalisten handle.

gefunden werden

als Mittler und Treuhänder eingeschaltet hät­ten, so wie es die arabischen Staaten wünsch­ten und es den geschädigten Juden nur Recht hätte sein können.

Wenn deutscherseits auch, den arabischen Wünschen entsprechend, einige Sicherheits­klauseln in das Abkommen aufgenommen wurden, die beispielsweise den Weiterverkauf gelieferter Waren verhindern sollen, so ist doch nicht zu bestreiten, daß der Staat Israel wirtschaftlich, und damit indirekt auch mili­tärisch, eine Stärkung gegenüber den arabi­schen Nachbarstaaten erfährt. Daß diese wie­derum eine derartige Stärkung als Bedrohung und Gefährdung der eigenen Sicherheit an- sehen, ist verständlich. Um so mehr, als Israel den Arabern gegenüber keinerlei ver­söhnliche Haltung zeigt. Im Gegenteil.

Die Kündigung von Handelsabkommen zwi­schen Staaten der Arabischen Liga und der Bundesrepublik und die Anullierung bereits laufender Aufträge wäre ein recht empfind­licher Schlag für unseren Außenhandel. Die Bundesregierung täte gut daran, die erste hef­tige Reaktion der Araber nicht auf die leichte Schulter zu nehmen in der Hoffnung auf eine gelegentliche Bereinigung. Wir können nach Fortfall der osteuropäischen Märkte und des Balkanmarktes auf keinen Fall auch noch auf die Absatzgebiete des vorderen und mittleren Orients verzichten. Märkte, die groß, auf- nahme- und ausbaufähig sind für Fertigwa­ren aller Art, Maschinen und Elektroartikel. Bei der Mentalität der Araber oder besser der Mohammedaner schlechthin können wir uns die bestehenden Sympathien aber schnell und nachhaltig verscherzen, wenn es den lien deutschen Diplomaten nicht bald geling ie Lage zu entspannen.

US-Handelsminister in Bonn

Um amerikanische Investierungen

BONN. Der amerikanische Handelsminister Charles S a w y e r wurde gestern von Bun­deskanzler Adenauer zu einer Unterre­dung über Handelsfragen empfangen. Sawyer, der am Mittwochmittag von Paris in der Bun­deshauptstadt eingetroffen war, hatte eben­falls eine Besprechung mit Bundeswirtschafts­minister Erhard und Finanzminister S c h ä f- f er.

Sawyer erklärte in Bad Godesberg, die von ihm geführte Kommission wolle in Gesprä­chen mit deutschen und amerikanischen Wirt­schaftlern das Problem amerikanischer Kapi­talinvestierungen in Deutschland erörtern. Außerdem würden im Sinne des Auftrags von Präsident T r u m a n auch Fragen des soge­nannten Punkt-Vier-Programms zur Sprache kommen. Sawyer betonte, daß der zukünftige USA-Präsident, General Eisenhower, über Zweck und Ziel der Mission unterrichtet sei und ihre Arbeit sicherlichmit Sympathie" verfolge.

Plastiras oder Papagos

Parlamentswahlen in Griechenland

ATHEN. Die griechische Bevölkerung wählt am kommenden Sonntag ein neues Parlament. Der Ausgang der Wahlen wird darüber ent­scheiden, ob die gegenwärtige Regierungskoa­lition derFortschrittlichen Union der Mitte unter General Plastiras und Ministerprä­sident V e n i z e 1 o s weiter im Amt bleiben wird oder die Macht an die rechtsradikale Sammlungsbewegung des griechischen Volks­helden Marschall P a p a g o s abtreten muß. Dem Block der demokratischen Linken, die kommunistische Parolen ausgibt, wird kaum eine Chance zugeschrieben.

Von Grand auf verändert

Araber können auf westliche Noten verweisen / UN soll entscheiden Drahtbericht unserer Bonner Redaktion

BONN. Die drei Westmächte hätten in No- titu den arabischen Staaten nicht nur erklärt, daß das deutsch-israelische Wiedergutma­chungsabkommen ausschließlich eine Angele­genheit der Bundesrepublik sei, sondern sie hätten die arabische Auffassung bestätigt, daß der Staat Israel nicht als Rechtsnachfolger der in Deutschland verfolgten Juden angese­hen werden könne. Diese Feststellung steht Im Mittelpunkt eines Memorandums, das die noch in Deutschland weilende Delegation der Arabischen Liga der Bundesregierung über­reichte und gestern den Abgeordneten des Bundestags zustellen ließ.

Unter Zitierung von Noten der USA, Groß­britanniens und Frankreichs an die arabischen

Maier erneut: Gefahr von rechts

Umwälzungen bei einem Rückschlag /

STUTTGART. Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg und Bundesratspräsident, Reinhold Maier, hat auf einem Presseemp­fang der FDP erneut vor derGefahr von rechts gewarnt. In seinen im Hinblick auf den am 20. November beginnenden FDP-Par- teitag in Bad Ems sehr aufschlußreichen Aus­führungen sagte Maier, es würdengewaltige Änderungen der politischen Auffassungen Platz greifen, wenn Westdeutschland einen wirtschaftlichen Rückschlag erlebte.

Es bestehe die Gefahr, daß sich dann eine nationale Rechte bilden würde,die schließ­lich von den Radikalen hinweggerissen wird.

^ neue Londoner Oberbürgermeister Sir Rupert Kut.t, Bere winkt aus der schwarz-goldenen Ln»a fl ** er er um Montag die traditionelle

lisrh <1 'a i/or ~ Sflow " durch die Straßen der eng- ken^ n au P tstadt anjührte und sich der Bevöl- toeis? 1 * ZUm ersten Male zeigte. Der Oberbürger- ter von London wird jedes Jahr neu gewählt

Foto: AP

Staaten erklärt das Memorandum bestimmt, daß die Bundesregierung in eigener Initiative 'mit Israel das Abkommen abgeschlossen habe und es folglich auch ausschließlich der Bundes­regierung zuzuschreiben sei, wenn die von der Arabischen Liga abgeiehnte Ratifizierung des Vertrags die gesamten deutsch-arabischen Beziehungen von Grund auf verändern sollte.

Am Schluß des Memorandums wird der Vorschlag gemacht, die Generalversammlung der Vereinten Nationen über die umstrittenen Fragen des deutsch-israelischen Wiedergut­machungsabkommens entscheiden zu lassen. Wörtlich heißt es:Es wäre dies der gegebene Weg, die Freundschaft zwischen Deutschland und den sieben arabischen Staaten zu retten.

Eine Art Stuttgarter FDP-Programm

Der Ministerpräsident bezog sich dann auf seine vor vier Wochen vor einem kleinen, in­ternen Kreis württembergischer Unternehmer gehaltene Rede, die man im Hinblick auf die kommenden Auseinandersetzungen in Bad Ems alseine Art Stuttgarter Programm betrach­ten könne, und wenn man wolle, auch als einenschwäbischen Gruß (Götz von Berlichin- gen) an alle diejenigen in unserer Partei, die im Rechtsgalopp irgendwohin traben wollen.

In seiner damaligen Rede, die nicht veröf­fentlicht worden war, hatte Maier vorpoli­tischen und sozialpolitischen Scharfmachern von links und rechts gewarnt. Ein vernünf­tiger Ausgleich zwischen den deutschen demo­kratischen Parteien sei das einzige Rezept für die Abwehr einer neuen antidemokratischen Rechtsbewegung.

Lokalpolitik kein Neonazismus

Schriesheimer Bürgermeisterwahl als Thema einer Sondersitzung Drahtbericht unserer Stuttgarter Redaktion