SODWESTDEUTSCHE CHRONIK

Die Gewerbeaufsicht soll verstärkt werden

Zwei neue Ämter geplant / In Baden-Württemberg jährlich mehr als 80 000 Arbeitsunfälle

Stuttgart. In der Abteilung Arbeitsschutz des badisch-württembergischen Arbeitsministeriums ist man bestrebt, die Organisation der Gewerbe­aufsicht in Baden-Württemberg zu verstärken. Es gibt in Baden-Württemberg gegenwärtig fünf Gewerbeaufsichtsämter, und zwar in Stutt­gart für Nordwürttemberg, in Karlsruhe für Nordbaden, in Freiburg für Südbaden und in Tübingen und Sigmaringen für Süd- württemberg-Hohenzollern. Sie müssen insge­samt 150 000 Betriebe mit 1.5 Millionen Arbeit­nehmern betreuen Dafür stehen dem staatlichen Arbeitsschutz zurzeit 61 Revisionsbeamte zur Verfügung. Im Zug der Personalvermehrung der Gewerbeaufsichtsämter ist vorgesehen, das Amt in Stuttgart in zwei Ämter für Nordwürttemberg aufzuteilen Für Nordbaden soll neben Karlsruhe auch ein Gewerbeaufsichtsamt in M a n n h e i m errichtet werden.

Nach einer Übersicht des Arbeitsministeriums werden den Gewerbeaufsichtsämtern in Baden- Württemberg jährlich 80 000 Unfälle gemeldet, während sich in Wirklichkeit bedeutend mehr ereignen.

Frauenverbände wollen Zusammenschluß

Stuttgart. Anläßlich einer Schulungstagung am 14715. November, die vom Landesverband Würt­temberg des Deutschen Frauenrings in Stuttgart

abgehalten wird, wollen sich die drei südwest­deutschen Landesverbände zum Landesverband Baden-Württemberg des Deutschen Frauenrings zusammenschließen.

Keine Orgien auf der Gutenhalde

Stuttgart. Im Bürkle-Kreditprozeß erklärte am Montag der Hauptangeklagte Willy B ü r k 1 e, daß die Gerüchte um Orgien auf derGuten­halde durch die von den Amerikanern lange vor der Währungsreform veranstalteten Feste entstanden seien, an denen außer ihm kein Deutscher teilgenommen hätte.Die Amerikaner hatten eine kindliche Freude an Feuerwerken und bengalischer Beleuchtung, fügte Bürkle hinzu

Wegen Arzneimittelfälschung verurteilt . Stuttgart. Zum erstenmal seit Kriegsende hatte sich vor einem Stuttgarter Gericht ein Apotheker wegen Arzneifälschung zu verantworten. Die in der Apotheke mittätige Frau war auf den Ge­danken gekommen, neue hochwertige Arznei­mittel mit minderwertigeren anderen Fabrikaten aus der Reichsmarkzeit zu vermischen. Eine Ge­hilfin machte fleißig mit. Der 51jährige Apotheker aus Stuttgart erhielt vier Monate Gefängnis und 500 DM Geldstrafe, seine Frau drei Monate 15 Tage Gefängnis und 500 DM Geldstrafe, die Gehilfin eine Geldstrafe von 150 DM.

Aus Südwürttemberg

Vorsicht bei dicken Krawatten!

ah. Wenn Sie künftig mit Herren zu tun haben, bei denen sich die Krawatte etwas auffällig bauscht, dann seien Sie in Ihren Äußerungen fein vorsichtig! Es ist nicht schön, wenn man Immer vorsichtig sein muß, auch geht dabei leicht die Wärme des Kontakts, die nachbarliche Unbe­fangenheit verloren. Man weiß das aus dem Dritten Reich, und unsere Landsleute im Osten wissen es seither noch viel besser.

Droht uns hier im Westen nun eine ähnliche Gefahr? Von seiten des Staates wohl kaum, aber vielleicht von seiten eines kleinen Käst­chens, das man in einer reißfesten Rocktasche tragen kann. Durch ein Mikrophon nimmt es alle Geräusche der Umgebung auf, den Zugpfiff, das

Mit der Zeit gehen, ist seit 75 Jahren der Grundsatz bei Dr. Thompsons Schwan-Pul­ver im roten Paket. DurchGewebe-Elixier verstärkt und Intensiv-Lichtbleiche wäscht es heute schonender denn je und noch weißer schwanweiß kostet aber doch nur 40 Pf.

Miauen einer Katze, Ihren Husten und natürlich auch das, was Sie sprechen, falls Ihr Organ dem Mikrophon nahe genug kommt. Man kann das Mikrophon unter der Krawatte oder, bei Damen, unter der Bluse tragen, so daß der Gesprächs­partner gar nicht weiß, daß da außer dem Ge­genüber noch ein Apparat zuhört, der alles, was man von sich gibt, konserviert und so oft wiederkäut, wie man will.

Was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen, heißt es. Der tröst­liche Spruch findet jetzt seine akustisch-techni­sche Ergänzung. Normalerweise wird diese nicht weniger tröstlich sein, denn, das Gerät ist natür­lich nicht zum Abhören von staatsfeindlichen Äußerungen, Verleumdungen und Beschimpfun­gen erfunden, die man später einem Gericht Vor­spielen lassen kann, sondern für Reporter und Geschäftsleute, die das besprochene Band nach­her ihrer Sekretärin geben, damit sie das Ge­spräch unter Auslassung von Husten-, Nies-, Schneuz- und andern Geräuschen auf Schreibpa­pier überträgt. Aber wie gesagt, man kann auch anders Den Gerichten empfehlen wir vorsorg­lich, ebenso wie den Lügendetektor auch das Magnetophongerät (Abbildung Seite 3) als Beweis­mittel abzulehnen.

Durch Kurzschluß brach in einer mechanischen Werkstätte in Liggersdorf, Kreis Sigmaringen, ein Brand aus, dem die Kraftwagenfahrzeughalle zum Opfer fiel. Der Schaden beträgt etwa 5000 DM.

Die ausgeraubte Registrierkasse mit Süßwein übergossen haben Einbrecher in einem Cafehaus in Wangen, um die Fingerabdrücke zu verwi­schen.

Ein Großparkplatz wird im Zentrum von Ba­den-Baden angelegt. Er kann nach seiner Fertig­stellung im Frühjahr rund 200 Fahrzeuge auf­nehmen.

Von einem Herzschlag getroffen wurde der Bürgermeister von Ketsch im Landkreis Mann­heim nachts auf dem Heimweg von einer Ver­anstaltung.

Auf einen unbeleuchteten Anhänger aufgefahren ist ein läjähriger Motorradfahrer bei Laufenburg (Hochrhein). Er starb wenige Stunden später an seinen schweren Verletzungen. Der Anhänger gehörte zu einer Zugmaschine, die nachts auf der Straße stehen gelassen wurde, weil der Treibstoff ausgegangen war.

Schlachtviehmarkt Stuttgart

Dienstag, 11. November

Auftrieb: 150 Rinder, 834 Kühe, 202 Bullen, 101 Ochsen, 364 Färsen. 1140 Kälber, 1677 Schwei­ne. 43 Schafe. Preise: Ochsen a 8394, b 68 bis 82, Bullen a 8594, b 7584, Kühe a 6470, b 5160, c 3846, d bis 37, Färsen a 90103, b 7585, Kälber a 136144, b 120134, c 100 bis 115, d bis 95. Schafe nicht notiert. Schweine a, bl, b2 und c 132135, gl 108118, g2 bis 105. Marktverlauf: Fettvieh gefragt, sonst lang­sam; Kälber ruhig, geräumt; Schweine lebhaft, geräumt.

DRK sammelt für Sowjetzonenflüchtlinge

Tübingen. Der Landesverband Württemberg- Hohenzollern des Deutschen Roten Kreuzes hat seine Kreisverbände gebeten, die Bevölkerung zu einer Hilfsaktion für die rund 14 000 Sowjet­zonenflüchtlinge aufzurufen, die gegenwärtig in den Westberliner DRK-Lagern und -Heimen le­ben. Das Rote Kreuz bittet um Spenden jeder Art. Gebraucht werden vor allem Kleider, Sdhuh- werk, Kinder- und Bettwäsche sowie Decken. Die Spenden werden von allen DRK-Geschäftsstellen entgegengenommen. Sie sollen den Flüchtlingen noch zu Weihnachten zugestellt werden.

Die ehemalige 101. Jäg e rdivision trifft sich erst­mals am 3-/4. Januar 1953 in Offenburg. Anmel­dungen und Anschriften sollen an das Rathaus Offenburg gerichtet werden unter dem Vermerk 101. Jägerdivision.

Ihren Brandwunden erlegen ist eine 77jährige Frau in Reutlingen-Ohmenhausen, deren Kleider beim Kochen plötzlich Feuer gefangen hatten. Bis die Nachbarn zu Hilfe eilten, stand die alte Frau, der es nicht mehr gelungen war, sich ihrer brennenden Kleider zu entledigen, in hellen Flammen.

Ein junger Mann aus Göppingen, der we­gen einiger Einbruchdiebstähle zu vier Monaten Gefängnis verurteilt worden war, wurde zum Strafvollzug vergeblich erwartet. Die Polizei suchte mehrere Tage lang nach ihm. Dann stellte er sich selbst und tat recht erstaunt, als man ihm sagte, daß man schon seit Tagen nach ihm fahnde. Auf die Frage, warum er sich nicht zur rechten Zeit im Gefängnis ein gefunden habe, gab er die entwaffnende Antwort:Ich habe den Termin vergessen.

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Als ein Kaminfeger in Renchen (Baden) an das Haus einer bettlägerigen Frau kam, um dort seinen schwarzen Beruf auszuüben, wurde ihm nicht aufgetan Er fand einen andern Ein­gang und schloß nachher aus Rache die Frau in ihr Zimmer ein. Diese mußte schließlich durch ein Fenster klettern, um wieder in Freiheit zu kommen. Das Gericht verurteilte ihn wegen Freiheitsberaubung zu SO DM Geldstrafe. Er legte aber dagegen Berufung ein und erschien zur Verhandlung in seinem schwarzen Habit und mit rußigem Gesicht. Das Gericht diktierte ihm dafür extra eine Ordnungsstraße von 50 DM zu.

VdK will Südwest-Zusammenschluß Tübingen. Am Samstag tagte die VdK-Arbeits- gemeinschaft Südwest und befaßte sich mit dem Zusammenschluß der Kriegs- und Arbeitsopfer ln einem Landesverband Baden-Württemberg des VdK. Es bestand volle Einmütigkeit, daß die bisherige gemeinsame Arbeit und Geschlossen­heit im neuen Bundesland durch einen einheit­lichen Verband verstärkt werden soll, zu dessen Bildung die organisatorischen Vorarbeiten in Kürze aufgenommen werden sollen.

Handwerkskammer Reutlingen bleibt zuständig Reutlingen. Für den Bereich des Regierungs­bezirks Südwürttemberg-Hohenzollern bleibt die Handwerkskammer Reutlingen solange zuständig, bis die neue Bundeshandwerksordnung voriiegt. Dies teilte der Syndikus der Handwerkskammer, Eberhardt, in Reutlingen mit. Eine Neugliederung der Handwerkskammerbereiche in Baden-Würt­temberg sei erst dann möglich, wenn über den endgültigen Verwaltungsaufbau im neuen Bun­desland Klarheit herrsche.

Neues Jugendheim der Diözese Friedrichshafen. Das neue, bei Friedrichshafen gelegene Jugendheim der Diözese Rottenburg, das dem heiligen Don Bosko geweiht ist, wurde am Samstag durch den Bischof von Rot­tenburg, Dr. Carl Joseph L ei p recht, seiner Bestimmung übergeben. An der Feier nahm auch die Familie des Herzogs von Württemberg teil.

Als beim Gericht in Tettnang das Verfah­ren gegen einen Verkehrssünder aufgerufen wurde, erhob sich von der Anklagebank nicht der Angeklagte, sondern sein Freund. Dem er­staunten Gericht erklärte er. der Angeklagte stehe von Angst zitternd hinten im Gerichtssaal, deshalb sei er für ihn in die Bresche gesprungen und habe auf der Anklagebank Platz genommen. Das Gericht gab sich zwar mit der Stellvertre­tung nicht zufrieden, erlaubte aber dem Freund des Angeklagten, als Beistand ebenfalls auf der Anklagebank Platz zu nehmen.

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Das Kirchweihfest in MühlhausenlEnz (Kreis VaihngenlEnz) endete für einen wackeren Zecher mit einem vielbelachten Abenteuer. Auf dem späten Heimweg verwechselte er einen Misthaufen mit seinem Bett. Sorgsam zog er sich die Schuhe aus, stellte sie neben die Miste und legte sich dann in den Kleidern in das vermeint­liche Bett Morgendlichen Passanten fielen zuerst die einsam dastehenden Schuhe auf. worauf sie erst den Schläfer auf dem Dunghaufen entdeck­ten. Sie weckten ihn auf und brachten ihn in sei n richtiges Schlafzimmer.

Aus Baden

Salto über einen Lkw

Weinheim. Auf einer Straße bei Weinheim fuhr ein amerikanischer Lkw, in dem zwei angetrun­kene Soldaten saßen, auf der linken Fahrbahn. Als sie mit einem Motorrad zusammenstießen, flog der Motorradfahrer in hohem Bogen über den Lastwagen weg. Dabei hatte er die Geistes­gegenwart, sich während des Flugs zu drehen, so daß er hinter dem Lkw unverletzt mit beiden Füßen auf die Erde kam. Die beiden Amerikaner wurden festgenommen.

Reb tot Jäger verletzt

Pforzheim. Während der Hubertus-Treibjagd der Pforzheimer Jägervereinigung am Samstag drang eine Kugel glatt durch ein Reh hindurch und traf einen in einiger Entfernung stehenden Jäger. Das Reh war sofort tot, der Jäger wurde am Kiefer erheblich verletzt.

Hochwasser in Säckingen

Säckingen. Durch die tagelangen Regenfälle kam es in der Nacht zum Dienstag in Säckingen zu umfangreichen Überschwemmungen. Keller, Straßen und Gärten, standen teilweise bis Diens­tagmittag unter Wasser.

Wie wird das Wetter?

Aussichten bis Donnerstagabend: Am Mittwoch wechselnd jedoch meist stärkere Bewölkung mit nur noch vereinzelten Regenschauern. Tagestem­peraturen kaum über 5 Grad ansteigend, abflau­ende nordwestliche Winde In der Nacht zum Donnerstag verbreitet leichte, in ungünstigen Lagen mäßige Fröste. Am Donnerstag nach vor­übergehender Auflockerung wieder erneut Ein­trübung mit nachfolgenden Regenfällen. Etwas milder als bisher.

Quer durch den Sport

Frankreich schlägt Irland mit 3:1

Die Französische Fußballnationalelf schlug ge­stern im Pariser Colombes-Stadion die irische Na­tionalvertretung vor 60 000 Zuschauern mit 3:1 To­ren. Zur Halbzeit führten die Franzosen, die, wie gegen Deutschland, wieder mit einer prächtigen Leistung aufwarteten, bereits mit 2:1.

Kurz berichtet

Auf der kleinen Neustadter Schanze fand am ver­gangenen Wochenende bereits das erste Skisprin­gen dieses Winters statt bei dem Weiten zwtschec 26 und 30 Metern erzielt wurden.

Bei der Mittelmeerrundfahrt lag nach der dritten Etappe in Tarent Radweltmeister Heinz Müller, Schwenningen, als bester Deutscher auf dem 41

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Platz vor Matthias Pfannenmüller, Hubert Schwar­zenberg und Jupp Sauerborn.

Der DFB hat die Namen von 51 Spielern bekannt­gegeben, die für die Auswahlspiele am 19. Novem­ber (Bußtag) gegen das Saarland ln Bad Homburg und gegen Berlin (ln Berlin) in die engere Wahl gezogen wurden. Darunter befinden sich vom VfB Stuttgart Bögeleln, Baltinger Waldner und Bles- sing.

Der badische Mannschaftsmeister im Amateur­boxen beendete seine Jugoslawienreise nach zwei Niederlagen mit einem hohen 13:5-Sieg in Fiume gegen denBoks-Klub-Radnik".

Totoquoten

West-Süd-Block: Zwölferwette: 1 Rang Je 11 054.« DM, 2. Rang je 560.40 DM, 3. Rang je 45.50 DM: Zehnerwette: 1. Rang Je 420.90 DM, 2. Rang Je H.M DM 3. Rang Je 2.40 DM.

Nord-Süd-Block: Elferwette: 1 Rang Je 5184-5* * DM, 2. Rang Je 243 DM, 3. Rang Je 26.30 DM; Nord­deutsche Achterwette: 1. Rang je 160.50 DM 2. Rani je 8.10 DM.

Kurze Umschau im Lande

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Picasso als Meister der Graphik

Die Ausstellung des graphischen Werkes von Pablo Picasso im Württembergischen Kunstver- ein Stuttgart bietet den bislang umfassendsten Überblick über diesen wichtigen Zweig seines Schaffens. Fast ein halbes Jahrhundert einer bei­spiellos großartigen Entwicklung rollt in diesen Blättern vor uns ab. Wollte man sich daraus ein Bild der Gesamtpersönlichkeit machen, so würde man freilich scheitern. Die großen künstlerischen Entscheidungen im Leben des Meisters fielen nicht in der Graphik, auch nicht in der Plastik, sondern in der Malerei. Erst seit dem Ende des letzten Krieges haben die graphischen Arbeiten einen Umfang angenommen, der eine solche Ausstellung überhaupt ermöglicht. Sind diese meist in der Auflage von 50 Exemplaren ge­druckten Lithographien nunNebenprodukte einer einzigartigen Fruchtbarkeit oder kommt Ihnen im Werke Picassos eine selbständige Be­deutung zu? Und welche Stellung nimmt der Künstler in der Geschichte der abendländischen Graphik überhaupt ein?

Die Ausstellung beginnt mit den Kaltnadelar­beiten von 1905, dem Jahre der durch Rilkes 5. Duineser Elegie besonders bekanntenSaltim- banques; für die artistische Präzision der Seil­tänzer bei der Arbeit ist in diesen Radierungen ein vollendet adäquater technischer Ausdruck ge­funden. In derheroischen Periode des Kubis­mus hat die Graphik bezeichnenderweise eine ge- rlnSf Roll® spielt. 1923, zur Zeit der engsten Annäherung an eine klassische Haltung im Sinne ▼on Ingres, erreichte das lithographische Schaf- fep in feinen Steinzeichnungen antikischer Frauen bei der Toilette den ersten Höhepunkt Auch eine größere Folge von Radierungen aus dem Jahre 1927. die als Schmuck einer Ausgabe von Bal­zacsChef doeuvre inconnu Verwendung fan­den. berunen auf der scheinbar mühelosen Si­cherheit haarscharfer Konturierung. Dieses Ver­fahren wird zur unübertrefflichen Kunstform in dem Zyklus der OvidschenMetamorphosen von 1930 ausgestaltet: die berühmten Flaxmanschen Homer-Illustrationen sind hier mit modernen

Die Ausstellung im Württ. Kunstverein Stutt­gart, Schellingstraße 6. ist bis 7. Dezember werk- tags von 1017, sonntags von 1113 Uhr ge-

Mitteln wtederbelebt. Eine charakteristische An­wendung fand die Radierung vor altem 1935 in dem sehr großen Blatt derMinotauromachie: Es ist das tiefsinnige Ergebnis zahlloser grübeln­der Versuche, mit dem Zeichenstift und Tusche dem untergründigen Zeitgeschehen sinnbildlichen Ausdruck zu geben.

1945 hat Picasso die Lithographie für sich neu entdeckt und sich ihren verschiedensten techni­schen und künstlerischen Möglichkeiten für Mo­nate mit dem ihm eigenen Enthusiasmus hinge­geben. Er erzielte nicht nur durch ungewohnte Mittel wie die Verbindung von Scherenschnitt mit dem Umdruck auf Stein neuartige Wir­kungen. sondern weitete mit ungeheurer geisti­ger Intensität dieses Gebiet bis an die äußersten Grenzen aus. Von den stärksten flächigen Schwarz-Weiß-Kontrasten bis zu den subtilsten Abstufungen der Töne drang er gewissermaßen bis in den letzten Winkel der Technik vor. la er hat geradezu schulbeispielhaft mit Vorliebe die­selben Vorwürfe etwa seine kleine Eule oder die Tauben in den entgegengesetzten Tonarten variiert. Oder er hat einen Vorzug des Steins, durch Abschleifen Korrekturen vornehmen zu können, systematisch ausgenutzt, um in den ein­ander ablösendenZuständen den ganzen Vor­gang der malerischen Abstrakt'on darzulegen, wie etwa in dem berühmtenStier oder der Gruppe zweier Mädchen Schließlich war ihm die graphische Technik besonders willkommen um sich wie er es gerne tut spielend mit histo­rischen Kunstwerken, z B. Cranachs Bathseba- Bild. auseinanderzusetzen.

Für den Snanier Picasso besitzt aber die Kunst des Schwarz-Weiß noch eine tiefere Bedeutung. Wie die span^che Malerei des 17. Jahrhunderts die größten Meister eines düsteren Helldunkels, einen Zurbaren oder Ribera, und im 18 Jahr- lundert in Gova ein Genie der Graphik hervor­gebracht hat. so ist für den Kn'nvjsten Picasso der radikalste Farbkontrast eine Versuchung d'e ihm im Blute Hegt. Das zeigen viele Gemälde oder seine neuesten Bildwerke deren Rronze- güsse er in Schwarz und Weiß hema* Vor altem aber kommt diese Npigung natürbch dem gra­phischen Work zugute wo in der großen ..Krö*e" von 1949 die unh» ; m!rhe S''h<uiß' :v,koit des Tieres mit den lithogranbiscben Mitteln eine Verbindung ein®e»angen ist die fn ihrer Prall- heit und vielschichtigen Ausdruckskraft so über­

wältigend auf keine andere Weise zustande ge­kommen wäre, ln der Entbindung dieser Kräfte liegt die wesentlichste Rechtfertigung <>es graohi- schen Meisters Picasso. W. B.

Die Wandlungen des Sozialismus

Hendrik de Man, ein Internationaler, aber nicht der seit dem ersten Weltkrieg zusammengebro­chenen marxistischen Internationale, vielmehr ein gewandelter, geläuterter Sozialist von umfas­senden Erfahrungen und Erkenntnissen, sprach vorgestern im Rahmen der Veranstaltungen des Büros für Heimatdienst vor einem erfreulich vollen Auditorium. Wir kennen ihn alle als den Verfasser derPsychologie des Sozialismus (1925) und des BuchesVermassung und Kulturzerfall (2 Auflage 1952). als den Hochschullehrer in Frank­furt. den belgischen Minister und jetzigen Emi­granten in der Schweiz. Die Bedeutung de Mans beruht darauf, daß er kein Dogma hat, daß er denkender, vernünftiger Sozialist ist. daß er aus seinen Enttäuschungen kein Ressentiment macht, daß er in der Wandlung das Wesen des westeuro­päischen Sozialismus sieht. Fünfzig Jahre Sozia­lismus hieß das Thema dessen, der um die Jahr­hundertwende in Leinzlg radikaler Marxist war. noch bei Karl Lamprecht studiert hatte im August 1914 den Zusammenbruch der marxisti­schen Internationale erlebt hatte, in seiner Arbeit bei den Trade-Unions in England und den Ge­werkschaften in Amerika hellsichtig wurde für d ! e Falschheit der marxistischen Hauotthese als ob die Revolution beim kapitalistisch fortge­schrittensten Proletariat mit vorherbestimmter Zwangsläufigkeit ausbrechen müßte, daß über­haupt das Proletariat des Marxismus iemals eine Mehrheit bildpn könne: er merkte, daß es über- haunt kein internationales Klassenbewußtsein gibt, sondern nur. national abgetönte K'assenver- tretungen ia nicht einmal das. wenn man an den angelsächsischen Sozialismus denkt Hendrik de Man hat unerschrocken und aufrecht aus seinen Erfahrungen die Ri'anz. ppzn"en Der Soziabsmus ist überhaupt kein wissenschaftlich belegbares Rnr'-m von Voraussagen und Ana'vsen. sondern ein Glaube eine Idee und keine Ideologie N : cht das wisspnscbaf ff: chp Svstcm auf d : p Prärie an­gewandt bestimmt sein Gesicht sondern das Mit­tel. das er braucht, um zur Macht zu knmm"n Dies gilt vor allem für die Arbeit der deutschen

Sozialdemokratie während der sogenannten Wei­marer Republik. Hier wurde gezeigt, daß der Sozialismus wohl den Staat, für den er arbeitete, umwandelte, aber auch umgekehrt hat der Staat, der den Sozialismus aufnahm, diesen nach seinem Willen geändert. Es ist ein Prozeß der Absorp­tion und Reabsorption und wesentlich vom Men­schen aus zu verstehen Idee und Umwelt gehen einen Kompromiß ein und das ist nur natürlich und psychologisch auch richtig. Anders kann in) Zeitalter der Vermassung und der Nationalstaa­ten überhaupt Sozialismus nicht wirksam wer­den. Gleichwohl hat die deutsche Sozialdemokra­tie bis 1933 Fehler gemacht: Sie hat sich nicht von ihrer alten marxistischen These der Allein­vertretung der Industriearbeiterschaft gelöst, sie hat es versäumt das Angestelltenproblem (Steh­kragenproletariat) und das Arbeitslosenoroblem im Emst in Angriff zu nehmen und kam deswe­gen im Kampf mit dem Nationalsozialismus nie aus einer schwachen Verteidigung heraus. Der alte Fatumseedanke des Marxismus hat ihre Ak­tivität gelähmt.

Heute Ist der Sozialismus a priori gezwungen sich überwölben zu lassen von Organisationsfor­men wie dem Bürokratismus der Funktionäre, von Machtnositionen, wie dem Einbau in die onr- lamentarische Demokratie Dadurch wird di* Idee, ständig zum Kamof aufgefordert, entweder verflochtet oder gestärkt ie nachdem Wir Sozis' listen, meinte de Man zum Schluß müssen taote Absolved nehmen von allen Utnnlen und Irircnen- ähnlichen Weltanschauungen und im Kamof fu den Sozialismus uns bewähren durch sozialoo - tische und politische Entscheidungen innerha eines Staatsgpfüoes. Nicht gegen die Errungen* Schäften aus der heroischen Zeit Ire '014 sonde in deren bewußter Fortführung im Rahmen d e großen Parteien und im Sinne der ständigen Ver­besserung und Ordnung der Gesellschaft. en> '

Von der T,nndpstinir>prsitnt

Der em. o. Professor für Deutsches und KiT cbenrecht an der Universität Tübingen Dr Erich Feine ist für das Wintersemes 1952'53 mit der kommissarischen Vertretung durch den Tod von Professor Dr Heinrich 5 1 tei.s eriediPten Profi ;sur für Deutsches deisrpoht an der Universität München beanftM» worden.