HEIMATBLATT FÜR STADT UND LAND
CALWER ZEITUNG
DONNERSTAG, 6. NOVEMBER 1952
ÜBERPARTEILICHE TAGESZEITUNG
8. JAHRGANG / NR. 218
Der 4, November brachte politischen Erdrutsch in USA
Dwight D. Eisenhower wird neuer Präsident
Stevensons Niederlage schon wenige Stunden nach WahSschluß klar / Mehr Stimmen für Eisenhower als je für einen Präsidenten
NEW YORK. Das amerikanische Volk hat sich für General Eisenhower als neuen Präsidenten der Vereinigten Staaten entschieden. In einem „Erdrutsch“ von lange nicht erlebtem Ausmaß warf es mit einer Rekordbeteiligung an den Wahlen vom Dienstag alle Vorausberechnungen um und gab Eisenhower in mehr als drei Vierteln der 48 Bundesstaaten so eindeutige Stimmenmehrheiten, daß die Niederlage des demokratischen Kandidaten, Gouverneur Stevenson, schon wenige Stunden nach Beginn der Auszählung feststand. Stevenson war der erste, der am Mittwoch 07.44 Ohr Deutscher Zeit, dem neuen republikanischen Präsidenten der USA in einem Telegramm zum Siege gratulierte.
Nach dem letzten Stand der Auszählungen entfielen auf General Eisenhower bereits mehr Stimmen, als jemals in einer Wahl für einen _ amerikanischen Präsidenten abgegeben wurden. Für Eisenhower wurden bei Redaktionsschluß 27 952 235 Stimmen gezählt; für Ste- | venson 22 686 836. Eisenhower hat damit den Rekord überboten, den Präsident Roosevelt bei seiner Wahl 1936 mit 27 751 597 Stimmen erzielte.
Schon die ersten Auszählungsergebnisse lie- I ßen erkennen,daß Eisen- ! hower die als ungewiß geltenden großen Staaten New York, Penn- sylvanien, Kalifornien, Ohio und Illinois auf •einer Seite hatte. Damit war der Ausgang entschieden. Praktisch hat Eisenhower den Demokraten den gesamten Norden der USA entrissen und selbst im traditionell demokrati-
V izepräsident Nixon
sehen Süden, wo er Florida und Virginia gewann, einen tiefen Einbruch erzielt. Der Übergang eines Teiles der Gewerkschaften und der farbigen Minderheiten zu Eisenhower muß die demokratische Niederlage vervollständigt haben.
Mit frenetischem Jubel wurde Eisenhower in seinem Wahlhauptquartier im Ballsaal des
Wer wird Außenminister?
NEW YORK. John Foster D u 11 e s, der außenpolitische Berater des zum neuen USA- Präsidenten gewählten Generals Eisenhower, hat die größten Aussichten, in einer Regierung Eisenhower den Posten des Außenministers zu übernehmen. Neben ihm werden noch der frühere Marshallplan-Administrator Faul Hoffman und der New Yorker Gouverneur Thomas D e w e y genannt.
Hotels Commodore in New York gefeiert, als er mit Stevensons Telegramm in der Hand ins grelle Licht der Scheinwerfer trat und sekundenlang mit tiefernstem Gesicht nach den ersten Worten rang: „Demut und Stolz erfüllen mich....“ In der sofort einsetzenden feier
Hartes Kennen um Kongreßsitze
NEW YORK. Bei den Wahlen zum amerikanischen Repräsentantenhaus, deren Ergebnis bei Redaktionsschluß noch nicht ganz ausgezählt war, haben die Republikaner sich einen, allerdings geringen, Vorsprung gesichert. Sie verfügen über 199 Sitze, die Demokraten über 189. Ferner wurde ein Unabhängiger gewählt. 46 Sitze standen noch aus.
Im Senat hatten die Republikaner nach dem Stand bei Redaktionsschluß 43 Sitze, die Demokraten 42. Über zehn der insgesamt 96 Senatssitze war noch nicht entschieden. Die Republikaner führen im Kampf um die rest-
Entscheidungsmacht des Parlaments
Blank: Disziplinarordnung und Militärstrafrecht künftig nicht reaktionär
Drahtbericht unserer Bonner Redaktion
BONN. Auf der Bonner Bundespressekonferenz meinte der Sicherheitsbeauftragte der Bundesregierung, der CDU-Abg. Blank, gestern, daß in seiner Dienststelle lediglich Vorplanungen erfolgten, aber die Entscheidungen Über das „innere Gefüge“ der deutschen Kontingente bei den Körperschaften des Parlaments lägen. Das gelte auch von der Disziplinarordnung und dem Militärstrafrecht, über die gegenwärtig im Pariser Interimsausschuß ein ratifikationsbedürftiges Abkommen zwischen den EVG-Partnern ausgehandelt werde.
Nur wenn dieses Abkommen nicht zustande komme, sei eine nationale Regelung dieser Fragen notwendig, wobei er als Abgeordneter die Versicherung abgebe, daß der deutsche Bundestag keine reaktionäre Disziplinarordnung und auch kein reaktionäres Militärstraf- reeht billigen würde.
In seiner Dienststelle, so sagte Blank weiter, seien sich die „alten Soldaten“ zum Beispiel darin einig, daß es künftig keine Freiheitsstrafen, also keinen „Bau“ mehr geben dürfe. Darüber, daß den Soldaten künftiger deutscher Einheiten das aktive Wahlrecht zugebilligt werde, sei man sich ebenfalls einig. Blank bestätigte, daß neben dem Entwurf des Freiwilligengesetzes auch das generelle Rekrutierungsgesetz vorbereitet würde. Mit beiden Gesetzen würden die staatsbürgerlichen Freiheiten für die Soldaten nur soweit eingeschränkt werden, wie es militärisch unbedingt notwendig ist.
Saarfrage wird erörtert
Um Festlegung der deutschen Haltung
hf. BONN. Nachdem der Bundeskanzler erneut die Vertreter der an der Saar nicht zugelassenen deutschen Parteien empfangen natte, wird bei den zuständigen Stellen der Bundesregierung sowohl die Haltung gegen- n ^n Saarwahlen am 30. November als uch die Frage der Erörterung des deutschen Baarmemorandums vor dem Ministerkomitee «es Europarates weiter geprüft.
Für die Auswahl der höheren Offiziere, sagte Blank, gelte schon heute vom Dienstrang eines Obersten ab die ausschließliche Entscheidungsmacht des Bundeskabinetts. Auf Vorschlag des Bundeskanzlers solle ein 12- bis lököpfiger Ausschuß aus früheren Soldaten aller Dienstgrade und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens gebildet werden, der später die Bewerber überprüfen wird.
liehen Stille erklärte Eisenhower dann, er werde die ihm auferlegte große Verantwortung nie leicht nehmen. Dann verlas er das Telegramm seines geschlagenen Rivalen und seine Antwort. Sie war ein vertrauensvoller Appell an die politischen Gegner, nun den Parteienstreit zu vergessen und die Reihen zur gemeinsamen Arbeit für eine bessere Zukunst zu schließen.
Mit General Eisenhower wurde sein Stellvertreter Senator Richard Nixon zum Vizepräsidenten der Vereinigten Staaten gewählt.
Die Gründe für den Sieg
WASHINGTON. Zahlreiche Faktoren haben zu dem Wahlsieg Dwight David Eisenho- w e r s beigetragen, aber es sind nach der in Washington allgemein vorherrschenden Auffassung in erster Linie drei Gründe, die die Wähler mehr als alles andere im Sinne der Republikaner beeinflußt haben:
1. Der Koreakrieg, den die amerikanische Bevölkerung in irgendeiner Form zu einem Abschluß gebracht haben möchte;
2. das Problem „Kommunismus in der Regierung“, das akut wurde, als Alger Hiss vor einem Kongreßausschuß des Meineids überführt wurde, und das sich durch die republikanischen Anklagen, andere Regierungsbeamte seien zu sanft gegenüber den Kommunisten und zu kompromißbereit gegenüber der Sowjetunion, immer mehr verschärfte, und
3. das Problem „Korruption in der Verwaltung“, das offen zutage trat, als verschiedene Steuereinnehmer und Justizbeamte wegen Bestechlichkeit angeklagt werden mußten. Diese Vorgänge ermöglichten es Eisenhower, von „Mißständen in Washington“ zu sprechen und die Amerikaner aufzufordern, die gegenwärtige Regierung zu stürzen. Diese Punkte gaben ihm die Grundlage für die wirksamste Wahlparole der Republikaner: „Es ist Zeit für einen Wechsel“,
Lieber West Point ins Weiße Haus
Von Hermann Henne'
liehen zehn Sitze in fünf Staaten, die Demokraten ebenfalls in fünf Staaten. Den 96. Senatssitz hat Senator Wayne Morse inne. Er gehörte früher der Republikanischen Partei an, schied aber während des Wahlkampfes aus und bezeichnet sich jetzt als Unabhängiger.
Von den neugewählten 30 Gouverneuren von den Bundesstaaten sind: Republikaner 18 (Führung in zwei weiteren Staaten). Demokraten 8 (Führung in zwei weiteren Staaten). (Bis zur Neuwahl hatten 15 der 30 Staaten republikanische, die anderen 15 demokratische Gouverneure.)
Amerikas künftiger Präsident, der am 20. Januar 1953 feierlich vereidigt werden wird, heißt Dwight D. Eisenhower. Ein Soldat, ein General. Zeit seines Lebens Militär, wird Eisenhower nun auf den verantwortungsvollsten Platz gestellt, den die nichtkommunistische Welt zu besetzen hat. Eisenhower ist kein Politiker, noch weniger ein Diplomat. Seine persönliche Ehrenhaftigkeit, sein Sendungsbewußtsein und sein gewiß vorhandener gesunder Menschenverstand vermochten in den letzten Wochen nicht über einen Mangel an politischer Erfahrung und politischem Taktgefühl hinwegzutäuschen.
„Sehnsucht nach den ruhigen Tagen der Ardennen-Schlacht“. so hat eine europäische Stimme Eisenhowers schwierige Situation im Wahlkampf — gefangen zwischen seinen Erklärungen von 1945 und denen von 1952, zwischen Taft und Stevenson eingeklemmt — gewiß nicht schlecht kommentiert. Die Wahl wurde trotzdem für ihn ein überwältigender Sieg. Der Nationalheld des zweiten Weltkrieges hat über den unbekannten, vielleicht zu intellektuellen, vielleicht zu klaren und wahren Gouverneur von Illinois triumphiert. Der Wahlkampf war in der Tat zu kurz, um von Eisenhower verloren zu werden.
Mit einem gewissen Recht wird in Westeuropa festgestellt, daß sich die Grundzüge der amerikanischen Außenpolitik mit dem Ende der demokratischen Herrschaft im Weißen Haus nicht ändern werden. Amerika ist durch den kommunistischen Druck — ob es nun will oder nicht — zur Verteidigung seiner Außenstellungen, des Gürtels rings um den sowjetischen Machtbereich, gezwungen. Amerika ist auch durch Trumans wirtschaftliche und militärische Hilfsprogramme, durch die völkerrechtlichen Verpflichtungen der USA, durch ein Netz von Verträgen derartig festgelegt, daß mit einem jähen Bruch nicht gerechnet werden kann. Das darf aber
Der Präsident und seine Gattin „Mammie"
nicht zu der Annahme verleiten, daß nun alles beim Alten bliebe. Acheson wird gehen. Der nächste Verteidigungsminister heißt vielleicht McCloy, das Amt für gemeinsame Sicherheit erhält vielleicht Clay. Das wissen wir alles noch nicht. Fest steht jedoch, daß der Amerikaner in Eisenhower nicht, wie es den Europäern scheinen mag, den bisherigen Chef der Nato-Streitkräfte in Europa, sondern den Kandidaten der republikanischen Partei gewählt hat. Das bedeutet in der Innenpolitik ein Abgehen von Roosevelts und Trumans New Deal und Fair Deal, von der, wie es Eisenhower ausdrückt, „sozialistischen Illusion“. Das bedeutet, was für uns wichtiger ist, eine neue Haltung Amerikas in bestimmten außenpolitischen Schlüsselfragen. Kein Bruch, aber eine starke Modifizierung. Die Republikaner haben nicht umsonst jahrelang Achesons „unsichere und schwankende Politik“ aufs heftigste angegriffen. John Förster Dulles hat eine neue Konzeption entworfen.
Die alten isolationistischen Begriffe haben, soweit sie, wie gängige Münzen, noch im Gebrauch sind, bei ihm veränderte Bedeutung gewonnen: Der Kommunismus wird nicht nur, wie es angeblich die Truman-Regierung tat, „eingedämmt“, sondern „zurückgedrängt“. Allerdings soll dies mit friedlichen Mitteln geschehen. Die Republikaner wollen die Abmachungen von Yalta und Potsdam widerrufen. Sie wollen das Schwergewicht der amerikanischen Politik in den Fernen Osten verlegen. Aber auch dort — wie in Europa — sollen die unterstützten Völker möglichst rasch auf eigene Füße gestellt werden, um amerikanische Kräfte freizumachen. Auf eine einfache Formel: Die Macht Amerikas, die sich bisher in der ganzen Welt verzettelte, soll zusammengefaßt und, von kommunistischer Zersetzung und bürokratischer Korruption befreit, in die politische Waagschale geworfen werden, um Moskau das Gesetz des Handelns, das es jahrelang besaß, zu entreißen.
Wohl noch nie in der Geschichte wurde ein amerikanischer Wahlkampf in Deutschland verfolgt, wie dieser. Wenn die Bundesrepublik selbst gewählt hätte, hätte das Interesse nicht größer sein können. Mit Recht, denn das westdeutsche Schicksal wird existentiell vorerst und für lange nicht mehr am Rheinufer in Bonn entschieden werden. Wir halten hier die Gedanken von Dulles für genial. Aber wir empfinden, so nahe am Eisernen Vorhang, auch fast körperlich, daß sie zu ihrer Verwirklichung eines Genies bedürfen.
Größere Aktivität bedeutet größeres Risiko. Wie will Eisenhower den Krieg in Korea beenden? Mit der Atombombe vielleicht?
Eisenhower hat die Auseinandersetzung in Europa nicht nur gegen Hitler, sondern gegen den Deutschen schlechthin geführt. Er hat diesen Krieg als Kreuzzug angesehen. Er hat Divisionen von Gefangenen, nachdem alles entschieden war, den Russen ausgeliefert. Er hat den Russen Berlin überlassen und bei jeder Gelegenheit — damals — seine Sympathien für die Sowjets betont.
Auch andere Leute haben sich geirrt. Aber es wäre für uns heute beruhigender, wenn Eisenhower nicht zu denen gehört hätte, die all das taten und vertraten, was Amerika nun mühselig berichtigen muß. Wir hoffen, daß dem Eisenhowerschen Kreuzzug in Europa und seinem Wahlkreuzzug kein dritter mehr folgen wird. Von dem Präsidenten der ersten Macht der Welt wird viel erwartet, was mit der Qualifikation der Kriegsschule vc o West Point noch nicht gewährleistet er- sc ieint.