MITTWOCH, 5. NOVEMBER 1952

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Für den Radiohörer

Staat

Wahlmänner

Republikanisch (B)f Demokratisch (S)T

Alabama 11

Arizona 4

Arkansas 8

California 32

Colorado 6

Connecticut 8

Delaware 3

Florida 10

Georgia 12

Idaho 4

Illinois 27

Indiana 13

Iowa 10

Kansas 8

Kentucky 10

Louisiana 10

Maine 5

Maryland 9

Massachusetts 16

Michigan 20

Minnesota 11

Mississippi 8

Missouri 13

Montana 4

Nebraska 6

Nevada 3

New Hampshire 4

New Jersey 16

New Mexico 4

New York 45

North Carolina 14

North Dakota 4

Ohio 25

Oklahoma 8

Oregon 6

Pennsylvania 32

Rhode Island 4

South Carolina 8

South Dakota 4

Tennessee H

Texas 24

Utah 4

Vermont 3

Virginia 12

Washington 9

West-Virgina 8

Wisconsin 12

Wyoming 3

An Hand dieser Tabelle können Sie, wenn Sie die Ergebnisse einzelner Staaten am Radio ab­hören, sich selbst ein Bild machen, wie die in der ganzen Welt mit Spannung erwartete Wahl in Amerika vermutlich ausgehen wird. Die Stim­menzahlen in den einzelnen Staaten sind gleich­gültig, es kommt nur darauf an, ob die demo­kratische oder die republikanische Partei stärker ist: Dann sind sämtliche Wahlmänner des be­treffenden Staates auf den demokratischen Kan­didaten Stevenson oder den republikani­schen Kandidaten Eisenhower festgelegt. 264 Wahlmännerstimmen muß der künftige Prä­sident erreichen. Es genügt, wenn sie in die letzte Spalte ein E (Eisenhower) oder ein S (Stevenson) eintragen.

Nochmals: Worum es seht

NEW YORK. Das amerikanische Volk wählte nicht nur seinen Präsidenten, sondern auch das Repräsentantenhaus, ein Drittel des Se­nats und in 29 Staaten außerdem den Gpu- verneur. Um die 34 neu zu besetzenden Sitze des Senats bewerben sich 93 Kandidaten. Der bisherige Senat bestand aus 49 Demokraten, 46 Republikanern und einem Unabhängigen. Die 432 Sitze des Repräsentantenhauses ver­teilten sich bisher auf 230 Demokraten und 200 Republikaner (restliche Sitze vakant oder unabhängig). In beiden Häusern des Kon­gresses verfügten die Demokraten demnach bisher über die Mehrheit. An der Spitze von 25 Staaten standen republikanische Gouver­neure. 23 Staaten hatten demokratische Gou­verneure.

Für die Wahlen am Dienstag ließen sich 75 579 785 Wahlberechtigte eintragen. Erwar­tete Wahlbeteiligung: Rund 55 Millionen. Ins­gesamt wären über 96 Millionen Amerikaner zur Wahl berechtigt gewesen Bei den Wahlen von 1948 entfielen auf Truman (Demokrat) 24 105 812 Wählerstimmen, auf Dewey (Repu­blikaner) 21 970 065. Truman gewann damals 303 der 531 Wahlmännerstimmen, Dewey 189 und Thurmond (abtrünnige Demokraten der Südstaaten) 39.

500000 Mark in der Aktentasdie

Der Frankfurter Bankprozeß gegen Klibansky und Genossen

FRANKFURT. Im Frankfurter Prozeß ge­gen leitende Persönlichkeiten derJüdischen Industrie- und Handelsbank wurde die Ver­nehmung des angeklagten Bankkassierers Sieg­fried Fröhlich abgeschlossen. Fröhlich wer­den fortgesetzte Untreue, Beihilfe zur gesell­schaftlichen Untreue und zu Devisen- und Kon­kursvergehen durch Duldung der Entnahme von Millionenbeträgen aus der Kasse und Ver­buchung fiktiver Debitoren zur Verschleierung illegal transferierter Sperrgelder vorgeworfen.

Auf die Frage des Staatsanwalts nach dem Verbleib der riesigen Barentnahmen erwiderte Fröhlich, die Herren der Bank hätten immer große Geldbeträge in ihren Schubladen gehabt und oft 500 000 Mark in der Aktentasche ab­transportiert. In der Bank seien auch laufend

andere Geschäfte gemacht worden. Mit der Kor­respondenz seien Muster und Warenproben ein­gegangen. Die Sperrmarkeinzahlungen hätten den größten Teil der Kreditoren ausgemacht. Freie Einzahlungen seien unbedeutend gewesen.

Bis zum 26. Juli 1950 seien die Barentnahmen des ins Ausland geflohenen Geschäftsführers Leopold Heitner auf 3,350 Millionen Mark an­gestiegen. Man habe ihm dann am 26. Juli zur Ausbuchung der in die Kasse gelegten Bons drei Quittungen über 4,2 Millionen Mark Kre­dit an das Lager Föhrenwald gegeben. Diese Kreditaktion zur Bevorschussung von Haftent­schädigungen der jüdischen DPs im Lager Föh­renwald sei eingroßaufgelegter Schwindel gewesen, was damals schon der Kreditsachbe­arbeiter erkannt habe.

Schmuggler und Zuchthäusler

Die Zeugen im Burkert-Prozeß

WEIDEN. Im Mordprozeß gegen den Zoll­assistenten Hans Burkert vor dem Weide- ner Schwurgericht sagte der 49jährige Berg­mann Gustav Zuber aus, der Burkert auffal­lend ähnliche sieht und bereits zweimal unter dem Verdacht verhaftet wurde, den Zollassi­stenten August Bolz in Mammersreuth er­schossen zu haben. Burkert verbüßt eine ^jäh­rige Zuchthausstrafe, zu der er 1947 verurteilt wurde. Das Verfahren wurde jetzt wieder auf­genommen.

Zuber kam im April 1946 auf der Flucht aus tschechischer Gefangenschaft nach Mammers­

reuth und bestritt seinen Lebensunterhalt, wie er selbst zugab, mit Schmuggelgeschäften. Diese Aussage bestätigte sein ehemaliger Mietherr und Namensvetter, Johann Zuber, der wegen Brandstiftung eine Zuchthausstrafe verbüßt. Er erklärte, er würde seinen Namensvetter Gu­stav niemals in Schutz nehmen, da dieser ihn in seinem Brandstiftungsprozeß stark belastet habe.

Eine überraschende Aussage machte Johan­nes Frau, Ida Zuber. Sie erklärte, sie habe zwei Regenumhänge besessen. Den einen aus grauem Stoff habe Gustav Zuber mehrmals be­nutzt. Nach Aussagen der Hauptbelastungszeu­gen sprang der Täter mit einer dunklen Pele­rine aus dem Fenster des Mordzimmers.

Kleine Weltchronik

CDU gegendeutsch-sowjetische Freundschaft". Stuttgart. Die südwestdeutsche CDU hat gestern die Bevölkerung des Landes Baden-Würt­temberg aufgerufen, im Interesse der Erhaltung der jungen deutschen Demokratie die Veran­staltungen derGesellschaft für deutsch-sowjeti­sche Freundschaft zu boykottieren. Die Gesell­schaft will im November einenMonat der deutsch-sowjetischen Freundschaft veranstalten.

Der Vertreter des Regierungspräsidenten. Tü­bingen. Als ständiger Vertreter des Regie­rungspräsidenten von Südwürttemberg wurde Ministerialrat a. D. Dr. Karl Storz von der Lan­desregierung bestellt. Dr. Karl Storz wurde 1897 in Ochsenberg, Kreis Heidenheim, geboren und war zuletzt beim Innenministerium Tübingen tä­tig.

Wirth reist nochmals. Freiburg. Der ehe­malige Reichskanzler Dr. Joseph Wirth will heute wieder nach Ostberlin abreisen, um an einer Internationalen Konferenz zur Lösung der deut­schen Frage teilzunehmen.

Todesstrafe für zwei US-Soidaten. Augsburg. Das Oberste Kriegsgericht der 43. amerikanischen Infanteriedivision verurteilte gestern in Augs­burg zwei farbige Soldaten zum Tode. Sie wur­den für schuldig befunden, in der Nacht vom 20. auf 21. Oktober 1952 in Hohenlinden, Landkreis Ebersberg, den Arzt Dr. Helmut Jäger nieder­geschlagen und danach seine Frau und die Haus­gehilfin vergewaltigt zu haben.

Sektsteuerermäßigung in Kraft. Bonn. Das Schaumweinsteuergesetz ist im Bundesgesetzblatt vom 3. November verkündet worden und bereits in Kraft getreten. Danach wird die Sektsteuer für die 0,75-Liter-Flasche von 3 DM auf 1 DM herabgesetzt und für kleinere und größere Fla­schen nach dem Inhalt berechnet.

Mittel für Lehrlingsausbildung gefordert. Bonn. Rund fünf Millionen DM für die Lehrlings­ausbildung im Handwerk forderte gestern der Präsident des Zentralverbandes des deutschen Handwerks, Richard Uhlemeyer. Insgesamt bil­det das Handwerk im Bundesgebiet etwa 425 000 Lehrlinge aus.

König von Schweden soll vermitteln. Bonn. Die Arbeitsgemeinschaft deutscher Friedensver­bände hat König Gustaf VI. Adolf von Schwe­

den um Vermittlung im Ost-West-Konflikt gebe­ten, teilte Prof. Siegmund-Schultze gestern in Bonn mit.

Lastenausgleich auch für Sowjetzonenflücht­linge? Bonn. Der Bernd der vertriebenen Deut­schen hat über seine Bundestagsabgeordneten einen Initiativ-Gesetzentwurf über Ausgleichs­leistungen an Sowjetzonenflüchtlinge eingebracht Der Entwurf sieht vor, daß Sowjetzonenflücht­linge bei Vermögens Verlusten die gleichen Lei­stungen erhalten sollen wie die Vertriebenen auf Grund des Lastenausgleichsgesetzes (ausge­nommen Hauptentschädigung und Entschädigungs­rente).

15 Jahre Zuchthaus für Klagges. Braunschweig.

Das Braunschweiger Schwurgericht verurteilte gestern den ehemaligen NS-Ministerpräsidenten von Braunschweig, Dietrich Klagges, zu 15 Jah­ren Zuchthaus. Das Schwurgericht setzte mit diesem Urteil das Strafmaß für Klagges neu fest, nachdem es ihn am 5. April 1950 nach dem Kon- trollratsgesetz Nr. 10 wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit zu lebenslänglichem Zucht­haus verurteilt hatte.

Blutiger Zusammenstoß in Südafrika. Johan­nesburg. Gegen Beamte, die Mieten erheben wollten, gingen in Johannesburg Neger mit Stei­nen und Wurfgeschossen vor. Die Polizei mußte von der Schußwaffe Gebrauch machen und tö­tete drei Personen.

Pawelke stiftet ägyptischen Kriegsopfern. Kairo. Der deutsche Botschafter in Ägypten, Dr. Günther Pawelke, will seine Pension, die er als ehemaliger Luftwaffenofflzier bezieht, einem ägyptischen Fonds für Soldaten stiften, die im Palästinakrieg schwer verwundet wurden.

Dänischer Admirals-Sohn in Korea gefallen. Washington. Niels Iver Qvistgaard, der einzige Sohn des Befehlshabers der dänischen Verteidi­gungsstreitkräfte, Admiral Qvistgaard, ist als Obergefreiter beim amerikanischen Marine-Korps in Korea gefallen.

Säuberung im jugoslawischen Politbüro. Agram.

Der frühere Vorsitzende der jugoslawischen Volksfront und Mitglied des Politbüros der KP Jugoslawiens, Blagoje Neskovic, ist von seiner Partei fallen gelassen und aller Parteiämter ent­hoben worden. Als Grund werden ideologische Abweichungen Neskovics angesehen.

DIE MEINUNG DER ANDERN

Jugoslawien und der Westen

Die Rede Titos vor dem kommunistischen Parteikongreß in Agram ist in London mit gedämpftem Optimismus aufgenommen wor­den. Trotzdem ist in der Presse Jugosla­wien neben den U SA-Wahlen das wichtigste außenpolitische Thema. Der liberaleM au­ch e st e r Guardian schreibt:

In ihrer gegenwärtigen Gefahr und Isolierung erkennen einige jugoslawische Kommunisten di» Notwendigkeit für größere Solidarität mit den Sozialisten im Westen, aber das kann, wie Tito vorsichtig sagte, nicht ganz durchgeführt werden. Es gibt noch zu viele Meinungsverschiedenheiten überwesentliche Probleme ... Jugoslawien ist noch immer ein Polizeistaat, der in seinen Ge­fängnissen Menschen gefangen hält, die verfrüh­ter Sympathien mit dem Westen schuldig sind. Es ist noch immer ein Land, aus dem Menschen illegal flüchten müssen. Niemand kann sagen, wie es sich entwickeln wird.

Ernste Folgen

Das deutsch-israelische Wiedergutmachungs- abkommen beschäftigt noch immer die Presse der Araberstaaten. Besonders kritisch sind nach wie vor die ägyptischen Zeitungen. So schreibt das bedeutende Kairoer BlattA l Balag h:

Nachdem Deutschland die Freundeshand der Araber ausgeschlagen hat und im Begriff steht, mit Israel eine .Ehe auf Gedeih und Verderb, aber mit zweifelhaftem Ausgang* einzugehen, wird es an den Folgen dieses für die Araber un­verständlichen Verhaltens schwer zu tragen ha­ben. Das Paradoxe an dieser .Mischehe* ist. daß die umworbene Braut Israel von dem aufdring­lichen Freier nur das Brautgeld einheimsen will, auf ihn selber aber dankend verzichtet.

Eine Urabstimmung?

FDP-Zentrale zur Krise im Südwesten

hf. BONN. Wie gestern in Vorstandskreisen der FDP erklärt wurde, wird sich der Bundes­vorstand am 9. November mit der Frage de* Zusammenschlusses der FDP-Verbände in Ba­den-Württemberg befassen Das gegenwärtige Nebeneinanderbestehen zweier Landesver­bände sei politisch unvertretbar und stehe im Gegensatz zu den Satzungen der Partei.

Um auch hinsichtlich des Delegationsrechts klare Verhältnisse zu schaffen, wird in Vor­standskreisen der FDP auch von der Mög­lichkeit einer ArtUrabstimmung in den südwürttembergischen Kreisverbänden gespro­chen. Die Bundestagsabgeordneten der FDP/ DVP nehmen gegenüber den Beschlüssen des Stuttgarter Landesvertretertags und des Sig­maringer Landesvertretertags keinen einheit­lichen Standpunkt ein

Lausen zur Schulfrage

STUTTGART. Der SPD-Abgeordnete in der Verfassunggebenden Landesversammlung, Willi Lausen, bezeichnete in einer Delegierten­versammlung der SPD des Kreises Stuttgart, die christliche Gemeinschaftsschule als die einzig mögliche Schulform in Baden-Württem­berg. Lausen sagte, die SPD, der es mit der christlichen Gemeinschaftsschule sehr ernst sei, werde sich nachdrücklich für diese Schul­form einsetzen.

Lausen berichtete, daß er in der letzten Un­terredung über die Regierungsbildung an den CDU-Abgeordneten Dr. Gebhard Müller die Frage gerichtet habe, wie denn verfahren werden solle, wenn in einer Gemeinde bei­spielsweise 40 Kinder katholisch und zehn evangelisch seien. Dr. Müller habe erklärt, daß die protestantischen Kinder entweder in die benachbarte evangelische Schule oder, was sich auch bewährt habe, in die katholische Schule ihres Ortes gehen sollten. Als er dar­aufhin geäußert habe, daß dies mit dem El­ternrecht nichts mehr zu tun habe, habe Dr. Müller erwidert, man könne auf kleine Grup­pen keine Rücksicht nehmen.

ROMAN VON H. P LARSEN

Copyright by Dr. Paul Herzog. Tübingen durch Verlag v. Gräber» & Görg, Wiesbaden

(35. Fortsetzung)

Eine sehr interessante Theorie, sagt Hopf­ner anerkennend,nur schade, daß alles noch Theorie ist. Es schwebt alles noch in der Luft. Was wirklich vorhanden ist, ist eine Perlmutt­scheibe, die Dr Aiwa gehört, zwei Tote, der Beweis, daß für den ersten Mord Zyankali, für den zweiten eine Pistole verwendet wurde ... Und wie erklären Sie sich die ausgeplün­derte Brieftasche des toten Dr. Aiwa? fragt Hans Burgdorf

Ja, Berndt zuckt die Acnsem.vielleicht

hat der Mörder gehofft, darin etwas von dem erpreßten Gelde wiederzufinden .

Eine Möglichkeit. gibt Hopfner zu, aber ehe wir nicht eine greifbare Spur haben, die zu dem Mörder führt, können wir noch lange auf solche Weise Rätsel raten. Irgend­wie müssen sie immer aufgehen, ohne daß wir damit den Fall lösen können

Und dann schließt er ab:Ich werde jetzt alle Rücksichten, die ich bisher geübt habe, fallen lassen und ohne jedes Ansehen der Per­son die Leute vernehmen, auch die Damen, die mit Burgdorf Berührungspunkte gehabt haben. Die Oeffentlichkeit verlangt mit Recht schleunigst die Aufklärung dieser Untaten Da fällt eben jede Rücksicht

Damit ist die Besprechung zu Ende. Hans Burgdorf ist mit diesem Ergebnis sehr zufrie­den. Es ist auf alle Fälle ein Schritt vorwärts. Er verabschiedet sich und geht nach Hause, in der Hoffnung, Dora noch anzutreffen, die er heute überhaupt noch nicht gesehen hat.

Hopfner, mit Energie geladen für den kom­menden Tag, macht sich einen Plan für sgin Vorgehen zurecht. Er notiert sich die Namen zweier Damen, die er jetzt verhören wird: Frau Therese Gonterberg und Frau Luzie Ber­ger. Vielleicht, dgrikt er, habe ich damit schon

zu lange gewartet. Aber als er diesen Ent­schluß gefaßt hat, ist das Schicksal plötzlich bereit, ihm entgegenzukommen.

Der junge Provisor Herbert Schellmann hat eine Woche lang in einem heftigen Gewissens­konflikt gelebt. Seine Zusammenkünfte und Spaziergänge mit seiner Braut Susanne haben darunter ziemlich gelitten, denn Schellmann war manchmal wie geistesabwesend und hat Susanne vernachlässigt. Sie hat es wohl ge­merkt, und da sie nicht glaubt, daß seine Liebe zu ihr nachgelassen hat, dazu ist sie viel zu jung und aufrichtig gewesen, muß seine Un­ruhe und Unaufmerksamkeit natürlich andere Gründe haben.

Als sie sich heute treffen, hat sich das Mäd­chen vorgenommen, ihn zur Rede zu stellen. Und sie tut es auch gleich, nachdem sie sich auf dem so wohlvertrauten Wege begrüßt haben und sie mit Erschrecken feststellt, wie blaß er aussieht

Herbert, fragt sie sehr liebevoll,du bist in den letzten Tagen ganz verändert gewesen. Bist du krank oder was ist eigentlich los? Liebst du mich nicht mehr? Dann sag es! Aber Susanne! Er sieht sie ganz erschrok- ken an.Wie kannst du überhaupt so etwas denken . Aber es ist gut, daß du fragst. Ich muß mit jemandem sprechen, du bist vielleicht der einzige Mensch, der mir raten kann.

Er spricht so eindringlich, daß sie aufhorcht. Sie fühlt, daß er sich lange mit etwas herum­gequält hat. Also ist es ihre Sache, ihm zu Hilfe zu kommen. Das ist selbstverständlich.

Und nun erzählt er ihr noch einmal von dem Giftschrankschlüssel, von seinem Gespräch mit Frau Gonterberg, das so unentschieden und bedrückt verlaufen ist, von dem verschwun­denen Zyankali und von seiner Schuld daran: denn er hat ja den Schlüssel steckenlassen. Aber darf er denn, nur um seine eigene Unachtsamkeit zu verbergen, womöglich die Aufklärung eines Mordes verhindern?

Susanne ist nun doch etwas bedrückt davon, daß Herbert selbst auf so unangenehme Weise in die Sache verwickelt ist Du, sagt sie zuerst noch ein bißchen fassungslos,ich glaube, der Dr. Burgdorf ist wirklich mit Zyankali vergiftet worden. Ich

dächte, Vater hätte so etwas gesagt, aber ich will es nicht beschwören.

Da habe ich mir ja was Schönes einge­brockt ... Herbert geht unruhig und aufgeregt neben dem Mädchen. Aber Mädchen wissen in solchen Dingen oft schneller einen Rat als Männer.

Ich werde dir einmal etwas sagen, Su­sanne kann recht entschieden sprechen,du kommst heute mit herauf zu uns und sprichst mit Vater über die ganze Geschichte. Das. ist die beste Lösung, wenn du dich ihm anver­traust. Darauf hättest du längst selbst kommen können. Vater ist ja kein Unmensch, und viel­leicht ist er dir sogar dankbar für den Hin­weis. Denn mir ist es die ganzen Tage so vor­gekommen, als wenn sie bei der Polizei auch ihre Sorge mit der Sache haben und nicht vor­wärtskommen. Also komm, wir gehen gleich nach Haus.

Da gibt es keinen Widerspruch. Herr Berndt ist eben auch erst vom Büro heimgekommen und ist noch etwas durcheinander von dem aufregenden Tag. Er ist ein stiller, ruhiger Mann, etwas verschlossen, aber in seiner Art gutmütig und vor allem ehrlich in allen Din­gen, die es wert sind, ernsthaft betrachtet zu werden.

Susanne spricht ihn gleich an:

Vater, ich habe Herbert mitgebracht. Er hat mit dir über eine wichtige Sache zu reden.

Sie verläßt sofort das Zimmer, und die bei­den Männer bleiben allein.

Berndt sieht seinen künftigen Schwieger­sohn aufmerksam an:Siehst nicht besonders gut aus, mein Junge. Also, was ist los?

Und nun kommt der stille, arbeitsame Kriminalassistent Berndt doch noch zu einem kriminalistischen Erfolg. Was der Junge ihm erzählt, das ist ja der erste Fingerzeig in die­ser dunklen Geschichte, das ist ja die lang ge­suchte Spur, der greifbare Faden, der zu dem Täter führen muß.

Ich muß dir einen großen Vorwurf machen, Herbert, sagt er, nachdem der junge Provisor seinen Bericht beendet hat,den Vorwurf, daß du mir das alles nicht längst erzählt hast. Wir zermartern uns die Köpfe über die Geschichte und du hast mit dem verschwundenen Gift­

schrankschlüssel schon von Anfang an den Schlüssel in der Tasche. Unverantwortlich, dein Schweigen! Wenn du eher gesprochen hättest, mein Junge, dann wäre vielleicht die­ser Dr. Aiwa am Leben geblieben. Das muß ich dir schon sagen. Und er berichtet dem bestürzten Schellmann von dem Mord an Dr. Aiwa.

Du hast dich sehr spät, schließt er das Gespräch,zu der einzig vernünftigen Hand­lung entschlossen, die du tun konntest, aber hoffentlich noch nicht zu spät, um den Täter zur Verantwortung zu ziehen

Sie sitzen eine Weile schweigend. So, denkt Berndt, ich war doch in der Apotheke und habe den Gonterberg gefragt, ob Gift fehlt. Und er hat gesagt: kein Milligramm. Warum hat er mir das Verschwinden des Zyankali verschwiegen? Ist denn der Mann verrückt? Oder stimmt da schon was nicht? Das kann ich mir gar nicht denken. Das ist wahrschein­lich bloß diese lächerliche Angst vor dem Skandal oder was sie sonst in ihrer Ehrbar­keit fürchten. Sie überlegen sich gar nicht, welche Folgen solche Feigheit haben kann. Bloß, um sich einigen lästigen Fragen zu ent­ziehen, lügen sie und machen sich außerdem noch selbst verdächtig. Es ist unglaublich ...

Die Sache ist für dich erledigt, sagt Berndt laut zu seinem Schwiegersohn,ich glaube nicht, daß dir einer aus deiner Unachtsamkeit einen Strick drehen wird. Vorkommen soll so was ja eigentlich nicht, und du siehst, was daraus entstehen kann. Aber wenn jetzt der Mörder gefaßt wird, wird man dich wohl un­geschoren lassen ..

Bei diesem Trost beruhigt sich Herbert Schellmann schnell etwas, und da nun auch Susanne wieder erscheint und heiter den Tisch zum Abendbrot deckt, bessert sich die Stim­mung zusehends Es ist ihm, als ob er eine schwere, drückende Last losgeworden sei

Berndt überlegt, ob er nicht sofort noch den Kriminalrat von dem neuen, bedeutsamen Ge­schehnis in Kenntnis setzen soll. Aber Hopfner hat ja sowieso für den nächsten Morgen die Vernehmung der Frau Gonterberg in Aussicht genommen. Er wird ihn vorher unterrichten.

(Forts, folgt)