SÜDWESTDEUTSCHE CHRONIK
Die Wissenschaft vom blauen Dunst
Das Tabakforschungsinstitut in Forchheim ist das einzige in Westdeutschland
ek. Forchheim. Im weiten Rheintal, wenige Kilometer von Karlsruhe entfernt, liegt die Gemeinde Forchheim. Eine prächtige Kastanien- Allee führt nach dem östlichen Ortsteil mit seinem berühmten Tabakforschungsinstitut, seinen wissenschaftlichen Laboratorien, wohlseoflegten Zucht- und Versuchsfeldern sowie Einrichtungen für die natürliche und künstliche Trocknung des Tabaks. Hier ist das einzige Tabakforschungsinstitut des Bundesgebiets. 1936 wurde es zur Reichsanstalt für Tabakforschung erhoben, und in diesem Jahr ist es Bundesforschungs-Anstalt geworden. Die erfolgreiche Entwicklung des Institutes zu seiner heutigen internationalen Bedeutung für den Tabakbau ist der unermüdlichen Forschungsarbeit und vorbildlichen Leitung durch Professor Dr. Dr. h. c. Paul K o e n i g zu danken.
Der Orient, die Amerikaner und die westindischen Inseln hatten sich den Weltmarkt erobert, und 23 große Forschungsinstitute verstärkten ihre Position. Während der Inflation begannen im Reichstag die Debatten über den Tabakabsatz, weil der Zusammenbruch des deutschen Tabakbaus drohte, Absatzschwierigkeiten und Preisstürze eingetreten waren. Führende Männer des Tabakbaus erkannten damals, daß nur durch die Arbeit eines für den Tabakbau bestimmten Forschungsinstituts in der Qualität der deutschen Tabake Fortschritte erzielt werden könnten. Schon in den ersten Jahren nach der Gründung erbrachte die Arbeit des Instituts Leistungen von Weltgeltung. Züchter, Chemiker und weitere hervorragende Mitarbeiter der Foro<*”->'»-stelle gingen als begehrte Fächle-' ' Welt.
Um die Qualität des deutschen Tabaks zu steigern, Brand, Geschmack und Aroma zu verbessern, war eine jahrelange, intensive Bearbeitung in Züchtung und andern Teilgebieten der Tabakkultur notwendig. „Wenn man Glück hat“, meint
Professor Koenig, „beträgt die Dauer für die Züchtung einer neuen Tabaksorte 6 bis 8 Jahre,“ Auch die Neuzüchtung einer Kreuzung verlangt nicht nur große Erfahrung und langes Experimentieren, sondern auch jahrelange Auslesearbeit, bis die Einheitlichkeit des Sortentyps gewährleistet ist. Die Anerkennung der neu gezüchteten Sorten beansprucht für die Echtheit und Leistungsprüfung eine weitere Zeit von 2 bis 3 Jahren.
Untersuchungen des Instituts über die geeignete Fruchtfolge des Tabaks und die Anwendbarkeit verschiedener Schädlingsbekämpfungsmittel, die Ausgleichung schlechter klimatischer Bedingungen durch künstliche Beschattung und Beregnung sind von großer Bedeutung für den deutschen Tabakbau. Zur Verbesserung des Ta
baks werden die Fragen der Ernte im richtigen Reifestadium, der Trocknung und Fermentation laufend überprüft. Die Heißluft-Trocknung von Virgin-Ta'oaken durch die Arbeiten in Forchheim ist zu großen praktischen Erfolgen geführt worden, so daß diese Tabake in ihrer Farbe den Original-Virginies von Sumatra oder Java nicht mehr nachstehen. Der Anbauerfolg des deutschen Tabakbauers ist damit gesteigert worden.
Die Ergebnisse der Forschungsarbeit des Instituts werden laufend in Fachzeitschriften des In- und Auslands veröffentlicht. Außerdem besteht ein reger Erfahrungsaustausch mit ähnlichen Instituten in Europa und Übersee und eine enge Zusammenarbeit mit den Tabakbauvereinen und -verbänden wie auch mit der Tabakindustrie. Die Förderung des Tabakbaus bedeutet die Verbesserung vieler mittel- und kleinbäuerlicher Betriebe, die Erhaltung einer sicheren Rohstoffquelle und die Intensivierung der Bodenbenutzung überhaupt.
Aus Nordwürttemberg
Präsident Dr. Ströbele f
Stuttgart. Der Präsident des Bauernverbandes Württemberg-Baden, Dr. Franz Ströbele, ist am Sonntag in Stuttgart im Alter von 73 Jahren gestorben. 1879 in Ochsenhausen, Kreis Biberaeh, als Sohn eines Gutsbesitzers geboren, studierte er Landwirtschaftswissenschaft in Hohenheim. In Anerkennung seiner großen Verdienste als Organisator des gesamten landwirtschaftlichen Versuchs- und Beratungswesens wurde er 1927 zum Dr. phil. e. h. ernannt. Bei Wiedererrichtung der landwirtschaftlichen Berufsorganisation für Württemberg-Baden wurde er 1947 zum Präsidenten gewählt. Im Jahre 1951 siedelte er nach Stuttgart über, wo er sich ausschließlich seinem Amt als Präsident des Bauernverbandes Baden- Württemberg widmete.
Aus Baden
An der Bergstraße reifen Zitronen Weinheim. An der Bergstraße herrscht zurzeit „herbstlicher Frühling“. Trotz des Regens und der Gewitterschauer der letzten Tage brechen an der „Riveria Deutschlands“ an vielen Stellen die Blüten der Obstbäume zum zweitenmal auf, und viele Ziersträucher öffnen ihre Blütenknospen. Besonders die Forsythien stehen in wundervoller Blüte. Auch Zitronen reifen in diesen Tagen, so daß die Bergstraße ihrem Namen als wärmstes Gebiet Deutschlands alle Ehre macht.
40 Hunderassen
Baden-Baden. 270 Hunde von 40 verschiedenen Rassen waren am Sonntag in der internationalen Rasseausstellung in Baden-Baden zusammen, um als vierbeinige Stars die Bewunderung eines interessierten und tierliebenden Publikums entgegenzunehmen. Vom Brüsseler Zwerggriffon bis zum ausgewachsenen Bernhardiner war so ziemlich alles vertreten. Als den schönsten Hund der Ausstellung kürten die Besucher den Hetzhund des Züchters Dr. Vollmer, Offenburg.
Grundfragen der Demokratie Bretten. Eine Tagung der Landesarbeitsgemeinschaft der Bürgerausschüsse führte über das Wochenende die Delegierten der Kreisbürgerausschüsse Nordwürttembergs und Nordbadens zu einer Aussprache über Grundfragen der Demokratie und der Gemeindearbeit zusammen, Kultminister a. D. Bäuerle wies in seinem Referat über Grundfragen der Demokratie und die staatsbürgerliche Haltung des einzelnen darauf hin, daß Freiheit ohne Ordnung Anarchie, Ordnung ohne Freiheit Diktatur sei. Nur wo Freiheit und Ordnung zusammen gegeben seien, könne eine Demokratie bestehen.
Auf eine Anregung dqs Innenministers wurde eine Denkschrift zur künftigen Gemeindeordnung vorbereitet. Das Inhaltsverzeichnis wurde den Delegierten übergeben, damit darüber in Bürgerversammlungen diskutiert werden kann. Auf diese Weise soll der Bürgerschaft Gelegenheit gegeben werden, durch Vorschläge und An
regungen an der künftigen Gemeindeordnung selbst mitzuarbeiten.
Herbstwoche der Stadt Lahr
Lahr. Am Sonntagnachmittag eröffnete Regierungspräsident Dr. W ä 1 d i n auf einer Bauernkundgebung in der Stadthalle die Herbstwoche der Stadt Lahr. Diese Woche, sagte Dr. Wäldin, habe ihren Zweck erreicht, wenn sie dazu beitrage, die Menschen in der Stadt und auf dem Land einander näher zu bringen.
Mehr als 2500 Wohnungen Freiburg. Mit einem Aufwand von rund 35 Millionen Mark wurden in Südbaden in deh ersten sieben Monaten dieses Jahres 2577 Wohnungen fertiggestellt. Dabei lag der private Wohnungsbau mit 1522 Wohnungen an der Spitze. Von den gemeinnützigen Wohnungsbauunternehmungen wurden 750, von Behörden und öffentlichen Körperschaften 305 Wohnungen errichtet.
Durch Schreckschußpistole getötet Lörrach. In dem vor der Weinernte gesperrten Rebgelände von Fischingen bei Lörrach wurde ein Traubendieb durch einen Schuß aus einer Schreckschußpistole getötet. Der 39 Jahre alte Mann war von Flurhütern beim Traubendiebstahl beobachtet worden. Nach ihrer vergeblichen Aufforderung eine Geldbuße zu zahlen, entspann sich zwischen den Wachmännern und dem Traubendieb eine Schlägerei, bei der der 39jährige Dieb durch einen Schuß getötet wurde.
Schlesier schließen sich zusammen
Stuttgart. Die Schlesierorganisationen der früheren Länder Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern haben sich am Sonntag in Stuttgart zu einer „Landsmannschaft Schlesien, Landesgruppe Baden-Württemberg“ vereinigt. In den Landesteilen Südbaden, Nordbaden, Südwürttemberg und Nordwürttemberg werden Bezirksgruppen gebildet. In den Vorstand der Landesgruppen wurden Heinz Fritsche, Sigmaringen, als Vorsitzender, die vier Vorsitzenden der Bezirksgruppen als Stellvertreter sowie ein Geschäftsführer und mehrere Referenten gewählt. Der Bundessprecher der Landsmannschaft, D. Hausdorff, berichtete über die Einigungsbestrebungen der verschiedenen Vertriebenen- organisationen.
In drei Entschließungen stellten sich die Delegierten hinter die Beschlüsse von Bad Kissin- gen, die als Basis für die Gründung eines einheitlichen Bundes aller ostdeutschen Landsmannschaften bezeichnet werden. Von der Bundesregierung wird verlangt, daß die Landsmannschaft künftig zu allen gesamtdeutschen und die deutschen Ostgebiete betreffenden Beratungen hinzugezogen wird.
Richtfest bei Porsche
Stuttgart. Die Porsche-Werke in Stuttgart- Zuffenhausen, deren früheres Werk noch beschlagnahmt ist und die bisher in einer Behelfsunterkunft produzierten, feierten am Freitag, nach der Rückkehr von Ferry Porsche aus den USA, das Richtfest ihres Neubaus, der unmittelbar neben dem alten Werk mit zunächst 1800 qm Produktionsfläche errichtet worden ist. Ende Oktober soll die Produktion aufgenommen werden.
Neue Berufs- und Meisterschule
Stuttgart. Mit einem Aufwand von 4 600 000 DM wird die im Krieg zerstörte Gewerbliche Berufsund Meisterschule in Cannstatt neu erbaut. Sie soll aus mehrgeschossigen Gebäudeteilen bestehen, die unter anderem 22 Lehrsäle und 12 Werkstätten für den praktischen Unterricht in den verschiedenen Berufszweigen enthalten werden.
Landespreishüten der Schafzüchter Göppingen. In Heinlngen, Kreis Göppingen, fand am Sonntag das Landespreishüten der beiden württembergischen Landesverbände der Schafzüchter statt. Sieben Schäfer aus dem ganzen Land hatten sich für dieses Landespreishüten qualifiziert. Sieger wurde der Schäfer S c h m o h 1 aus Roßfeld, Kreis Crailsheim, mit seinem Hund „Nora“.
Kurze Umschau im Lande
Obstpreise in Tettnang
Musch A 12—12.70, B 8—9; Schweikheimer A 12, B 8: Flandern A 12, B 8; Danziger A 15—16, B 10 bis 11; Kaiser Wilhelm A 14—16; Lebet A 9—11, B 7—8; Landsberger A 14—16; Kardinal A 14—15; Jubiläum A 14—15; Gellerts Butterbirne A 20—22; Pitmaston, Lukas A 14—17.
Mit einem Omnibus zusammengestoßen ist in Oberkirch, Kreis Offenburg, ein Pkw. Der Fahrer des Pkw .wurde lebensgefährlich verletzt, seine Ehefrau getötet.
Sechs Meter tief abgestürzt ist in Reutlingen bei der Erstellung eines Gipsergerüstes ein 66 Jahre alter Gipsermeister. Er erlitt einen tödlichen Schädelbruch.
In den Dolomiten vermißt wird der zweite Prediger der Evangelischen Gemeinde in Reutlingen, Siegfried M ü r 1 e. Man vermutet, daß er beim Abstieg in einen Schneesturm geriet und abstürzte.
Mit Kopfverletzungen und zahlreichen Knochenbrüchen wurde am Sonntag die Leiche eines 41 Jahre alten Mannes unter der Neckarbrücke
in Nürtingen aufgefunden. Der Mann ist vermutlich von der sieben Meter hohen Brücke abgestürzt.
Fahrerflucht beging der Lenker eines Pkw im Kreis Calw, nachdem er ein Mädchen angefahren und verletzt hatte.
Bei Nacht in ein Schlafzimmer eingedrungen ist in Kreßbronn, Kreis Tettnang, ein Elektroschweißer. Er hat von einem Nachttisch einen Geldbeutel mit 193 DM gestohlen. Inzwischen wurde er festgenommen.
An einer Hauswand zu Tode gequetscht wurde ein 23 Jahre alter Schlosser von einem Kokswagen in Freiburg, als er auf dem Gleiskörper stand und sieh mit einem Arbeitskameraden unterhielt.
Den Sohn und sich selbst erschossen Weinheim. Während eines heftigen Familienstreits erschoß der 47jährige Weinheimer Georg Stephany seinen 24jährigen Sohn mit einer Pistole. Der Vater, der stark betrunken war, verletzte sich darauf durch einen Kopfschuß tödlich. Der Sohn war der Haupternährer der Familie. Das Motiv der Tat wird in einem jahrelangen Familienzerwürfnis vermutet.
Aus Südwürttemberg
Jubiläums Wanderung zum Römerstein
Urach. Zum 40. Geburtstag des Alb vereinsturms auf dem Römerstein (Münsinger Alb) wanderten am Sonntag über 2000 Mitglieder des Schwäbischen Albvereins aus allen Teilen Württembergs. Der Vorsitzende des Schwäbischen Albvereins, Direktor Fahrbach, gab bekannt, daß seit 1912 600 000 Menschen den Römerstein bestiegen. Der •Obmann des Ermsgaus, Bürgermeister Gerstenmaier, Urach, betonte, die große Beteiligung an den Veranstaltungen des Schwäbischen Albvereins zeige, wie tief dieser im Volk verwurzelt sei.
Brandstiftung als Racheakt Ehingen. Im Juni brannte das Wirtschaftsgebäude eines Bauernhofes in Sauggart, Kreis Ehingen a. D. ab. Es hat sich nun "herausge- stellt, daß ein Flüchtling, der in den Bauernhof eingewiesen wurde, als Racheakt für angebliche Schikanen des Bauern den Hof angesteckt hat. Es war ein Schaden von 15 000 DM entstanden.
20 Jahre Grifforschungslnstitut Ehingen. Das bekannte Institut für Griffor- schung kann in diesen Tagen auf sein 20jähriges Bestehen zurückblicken. Das in Karlsruhe gegründete private Forschungsinstitut befindet sich heute in Rechtenstein, Kreis Ehingen, und wird auch heute noch von seinem Gründer, Friedrich H e r i g, geleitet. Die aus dem Institut hervorgegangenen Griffe für Instrumente, Handwerkzeug und Maschinen bringen nicht nur eine Leistungssteigerung, sonderh vermindern auch Unfälle, Ermüdung und Berufskrankheiten. Die Leitung des Instituts beschloß die Stiftung einer Herig-Medaille. Sie soll jährlich an drei erfolgreiche Grifftechniker verliehen werden.
Wie wird das Wetter?
Vorhersage bis Mittwochabend; Am Dienstag anfangs noch heiter, später aufkommende Bewölkung und leichte Regenfälle. Tageshöchsttemperaturen um 15 Grad. Am Mittwoch wieder stärkere auffrischende Südwestwinde und unbeständig. _
Quer durch den Spart
Storch wirft Hammer 60,77 m weit
Bei Rasensportkämpfen in Karlsruhe warf Silbermedaillengewinner Karl Storch, Fulda, den Hammer 60,77 Meter weit. Er überbot damit den von ihm gehaltenen Rekord um 1,14 Meter und blieb nur um 48 cm hinter dem Weltrekord, den kürzlich der Norweger Strandly aufgestellt hatte, zurück. Ob Storchs Leistung vom DLV als neuer Deutscher Rekord anerkannt werden kann, steht im Augenblick noch nicht fest.
Kempa schießt 12 Tore
Im Vorrundenspiel zur Pokalrunde des Deutschen Handbailbundes besiegte Süddeutschland in Has- loch die Elf von Südwestdeutschland mit 17:10 Toren. In diesem Treffen zeigte sich der Nationalmittelstürmer Kempa als überragender Spieler, denn er schoß allein 12 Tore. Die Süddeutschen führten bis zum Wechsel zwar knapp mit 6:5 und mußten sich kurz danach auch noch den Ausgleich gefallen lassen, doch dann zogen sie auf und davon.
Vorläufige Gewinnquoten West-Süd-Block: Zwölferwette: 1. Rang 18 352 DM,
2. Rang 765 DM. 3. Rang 70 DM. Zehnerwette: 1. Rang 4620 DM, 2. Rang 155 DM, 3. Rang 18 DM.
Kurz berichtet
Bei den internationalen Leichtathletikwettkämpfen in Bukarest lief die Berlinerin Ursula Jurewitz die 800 Meter in der neuen deutschen Rekordzeit von 2:14,8 Minuten.
Bei der Internationalen Sechstagefahrt, der schwersten und größten Zuverlässigkeitsprüfung für Motorräder haben die Zweizylinder Adler M 250 ganz hervorragend abgeschnitten. Im Verhältnis zu allen gestarteten deutschen Fabrikaten errang Adler die meisten Goldmedaillen (75®/o>. Hätte Klaus Krämer am letzten Tag nicht kurz vor dem Ziel noch durch einen Reifendefekt Zeit verloren, so wären alle vier Adler als einzige Marke überhaupt strafpunktfrei geblieben.
Romane und Erzählungen
Streifzug durch die Herbst-Neuerscheinungen
Die langen Winterabende sind nicht mehr gar so fern, wie wir es beim Schein der herbstlichen Sonne glauben möchten. Bald kommt die Zeit, in der wir gern einmal wieder nach Romanen und Erzählungen greifen, um uns in dem Leben umzutun, von dem wir selbst immer nur ein Teilchen kennen. Was in den genannten Büchern abgebildet und gespiegelt wird, ist nicht das ganze Leben, aber es sind Ausschnitte. Diese Bücher unterhalten und sicher wird der Leser nach Jahr und Tag wieder nach ihnen greifen.
Der Bertelsmann-Verlag in Gütersloh bereicherte die Reihe seiner Volksausgaben zu 3.85 DM um zwei bedeutende Romane des französischen Realismus. In Emile Zolas Roman „Ein Blatt Liebe“ knüpft sich ein Schicksal, das sich im Laufe eines einzigen Jahres erfüllt. Die Pariser Salons mit ihren Stuckrahmen und Plüschportieren spielen dabei mit, wenn drei junge Menschen, eine Witwe, ein verheirateter Arzt und ein Kind, das eifersüchtig auf seine Mutter ist, ihren Weg gehen. „Pariser Heirat“ von Alphonse Daudet ist unter anderem Titel „Fro- mont jun. und Riesler sen.“ jener berühmte Ho- man aus dem Pariser Geschäftsleben, der neben dem ..Tartarin aus Tarascon“ den Ruf seines Verfassers machte. Auch dieser Roman endet tragisch, bezeichnend für die fln de siöcle-Stim- mung Daudets, der mit Zola — in diesen Tagen gedenken wir seines 50. Geburtstages — eng befreundet war. Der gleiche Verlag stellt uns eine moderne spanische Schriftstellerin vor, deren Namen matf sich merken sollte: Carmen Laforet. „N a d a“ (316 S., 9.80 DM) heißt der Roman. „Nada“ bezeichnet im Spanischen „nichts“ und dieses „nichts" ist das Urteil der jungen Generation über die ältere. Mit dem Eugenio Nadal- Literaturpreis ausgezeichnet stellt dieser Roman nicht nur ein gewichtiges Zeugnis der spanischen Erzählerkunst dar, sondern auch den Beweis eines starken Talentes, einer großen Hoffnung der Zukunft.
Ein lustiger Roman ist Georg von der Vrings neues Buch „Diebstahl von Piantaeon“. erschienen im Piper-Verlag in München (191 S.. J.50 DM). Man sehe sich nur diese teils würdigen, teils komischen Männer und ihre oftmals recht
klugen Frauen an. Dann versteht man, warum dieses Buch einen zumindest schmunzeln läßt.
Einen Schwarzwald-Roman schrieb Otto Heinrich Klingele: „W er in den Wäldern wohnt“, Verlag Herder, Freiburg. 254 S„ 8.80 DM. In ihm geht es um das Schicksal zweier Menschen, die in ihrer Ehe schweren Gefahren ausgesetzt sind, nach langen inneren und äußeren Irrwegen aber wieder zusammenfinden. Von Kapitel zu Kapitel mit mehr Anteilnahme erlebt der Leser die Welt dieses urwüchsigen Volksro- manes. Der Schwarzwald und seine Menschen begegnen uns darin so leibhaftig und lebenswahr wie Hansjakob.
Die Taschenbücher haben sich seit ihrem ersten Erscheinen auf dem deutschen Büchermarkt wie ihre amerikanischen Vorbilder im Dschungel der Kioske und Magazine als Vorposten der wertvollen Unterhaltung und oftmals der guten Literatur bewährt. Der Kreuz-Verlag in Stuttgart bringt nun auch „Pockets“ heraus; sie nennen sich „D ie Feuerschiff-Bücher“, die sich zumindest kein junger Mensch entgehen lassen sollte. Preis (1.95 DM). Aufmachung und Umfang ähneln den schon bestehenden Taschenbuchserien, von denen sie sich nur im Inhalt unterscheiden. Es sind Abenteuerbücher, farbig und spannend geschrieben. Die beiden ersten Titel „Die Hegenhölle von Motumotu“ und „Drei Rätsel um Napoleon“ versprechen unterhaltsame Stunden.
Abschließend sei noch für die Freunde des historischen Romans ein Buch genannt, das Beachtung verdient: Erich Galdiner „Aibrecht Dürer“ (Der Maler der deutschen Seele). Schweizer Druck- und Veriagshaus. Zürich 1952, 293 S.. 11.50 DM — Auslieferung in Deutschland. C. Meyer, Frankfurt, Mainzer Landstraße 15 Galdiner gibt ein sehr lesenswertes und farbiges Mosaik der Zeit Aibrecht Dürers. Nürnberg. Venedig und die Niederlande bilden den Hintergrund dieses genialen Malerlebens. Aus der Fülle der B'lder wird die Gestalt des großen Künstlers dem Gedächtnis fest eingeprägt, was den Vorteil dieses erstaunlichen Romanes ausmacht.
_ wn.
Das Biberacher Wielandmuseum, das bedeutende Erinnerungen an das Leben und Wirken Christoph Martin Wielands enthält, Ist um 128 Wielandbriefe bereichert worden.
Kulturelle Nachrichten
Marie Hamsun, die Frau des im vorigen Jahre verstorbenen norwegischen Dichters, beginnt heute eine Vortragsreise durch Westdeutschland. Frau Hamsun spricht über Leben und Werk Knud Hamsuns.
Als „Buch des Monats“ wurde von der literarischen Zeitschrift „Neue literarische Welt“ auf der Frankfurter Buchmesse Werner Bergen- gruens Roman „Der Großtyrann und das Gericht“ verkündet.
Das Kuratorium der Internationalen Paracelsus-Gesellschaft hat beschlossen, einen Preis für natur- oder geisteswissenschaftliche Arbeiten zu stiften, die mit dem Leben oder der Lebenszeit des Paracelsus in Beziehung stehen.
Eine „Physikalische Gesellschaft in der Deutschen Demokratischen Republik“ ist in Berlin gegründet worden. Dem Vorstand gehören u. a. die Professoren See- liger, Greifswald; Rompe, Berlin; Frühauf, Dresden; und Möglich, Berlin, an.
In Nehren, Kreis Tübingen, wurde am 28.9. am Geburtstage des „Als-ob“ -Philosophen Hans Vaihinger eine Gedenktafel enthüllt. Vaihinger. Begründer der Kant-Gesellschaft und erster Herausgeber der Kant-Studien, war am 25. September 1852 in Nehren geboren worden.
Das erste Originalhörspiel des mit dem Goethe- Preis ausgezeichneten Dichters Carl Zu c k - m a y e r, „K aninchento d“. sendet der Südwestfunk am 14. Oktober. Das Spiel ist aus der im Sommer dieses Jahres gegründeten Hörspiel- Gemeinschaftsproduktion der Sender Südwestfunk, Radio Bremen und Bayerischer Rundfunk hervorgegangen.
Neue Funde auf Cypern
Britische und amerikanische Archöologen haben ln den Ruinen der Stadt Enkoml auf Cypern, die aus der Bronzezeit stammt, einen sensationellen Fund gemacht. Sie bargen eine beschriftete Tafel aus gebranntem Lehm, die aus der Zeit um 1300 vor Christus stammt. Es Ist dife erste ihrer Art, die je auf Cypern gefunden wurde. Ihre
Das Alter der Erde
Von Jean Cocteau
Die Erde dürfte viel jünger sein, als allgemein angenommen wird, und denjenigen, die es lieben, zu zerstören und aufzubauen, bleibt noch geraume Zeit, um Strophen und Katastrophen zu ersinnen. Uns dünkt die Erde alt. An einem Menschenalter gemessen, dürfte sie nicht älter sein als sechzehn Jahre. Es ist das Alter der Gymnasiastenstreiche und der Schlägereien ln den Schulhöfen. Zweifellos befand sie sich zur Zeit der Pharaonen im Alter der Sandkuchen am Meeresstrand; zur Zeit der griechischen Philosophie in dem Alter, in dem man seinen Eltern Fragen zu stellen beginnt. Es wird unser Glück sein, uns nicht mehr auf der Erde zu befinden, wenn sie ins Alter der Vernunft tritt. Denn das ist das lichtloseste Alter.
Aus der literarischen Zeitschrift „Welt und Wort“
Zeichen bestehen aus gradlinigen Strichen und sind bisher noch nie entziffert worden. Abdrücke der Platte werden von den Archäologen untersucht.
Außer der wertvollen Tafel konnten die Forscher große Mengen Geschirr und besonders gut erhaltene Stücke der mykenlschen Kultur auf Cypern ausgraben, die aus dem Ende des 13. Jahrhunderts vor Christus stammen.
Bewegliche Plastik
Der Württembergische Kunstverein zeigt gegenwärtig in den Räumen der Württembergischen Staatsgalerie in der Neckarstraße eine Wanderausstellung des amerikanischen Bildhauers Alexander Calder. Die beweglichen, farbigen Drahtplastiken Calders sind Beispiele moderner, unrealistischer Bildnerei, die ganz aus der Be- wegung entsteht und durch die Bewegung (me- dianischer Antrieb oder Luftzug) za einem geistreichen Formen- und Linienspiel wird, das nichts „bedeuten“ soll. Calder. der 1898 in Philadelphia geboren wurde, ist einer der bedeutendsten der über die USA hinaus bekannt gewordenen amerikanischen Gegenwartskünstler.