HEIMATBLATT FÜR STADT UND LAND

CALWER ZEITUNG

DIENSTAG, 30. SEPTEMBER 1952

ÜBERPARTEILICHE TAGESZEITUNG

8. JAHRGANG / NR. 18»

Für friedliche Zurückdrängung der Sowjetunion auf alte Grenzen

Debatte derKleineuropäer und derGroßeuropäer in Straßburg

STRASSBURG. Die Beratende Versamm­lung des Europarats bat sich gestern in Straß­burg einstimmig für eine Politik der friedli­chen Zuriickdrängung der Sowjetunion auf Ihre Vorkriegsgrenzen und für eine Gemein­schaft aller Völker Vorkriegseuropas ausge­sprochen.

Die 132 Abgeordneten der 14 Mitgliedstaa­ten bekannten sieb zu dieser Konzeption durch die Annahme eines Berichts des Sonderaus­schusses für die im Europarat nicht vertrete­nen Nationen. Darin wird erklärt, daß sich die geschichtlichen und natürlichen Grenzen Europas vom Mittelmeer bis zur sowjetischen Vorkriegsgrenze im Westen erstrecken und daß der Europarat stets zur Aufnahme derjenigen europäischen Staaten bereit sei, die heute noch durch den sowjetischen Eisernen Vorhang ab­getrennt sind.

Anschließend legte der britische Konserva­tive A m e r y der Beratenden Versammlung die von ihm und dem französischen Soziali­sten M o 11 e t ausgearbeitete Neufassung des britischenEden-Planes zur Zusammenfas­sung der europäischen Zweckgemeinschaften im Europarat zur Annahme vor. Die Versamm­

lung kam damit zu dem Kernthema der poli­tischen Straßburger Schlußdebatte.

Der von Amery und Mollet ausgearbeitete Vorschlag wird von denKleineuropäern als Bremse für die Zweckgemeinschaften, von sei­nen' Anhängern als die einzige Lösung zur Ordnung des Straßburger Instanzenwirrwarrs betrachtet. Ehe er jedoch wirksam werden könnte, muß er von der Beratenden Versamm­lung des Europarafes mit Mehrheit, vom Mi­nisterrat des Europarates einstimmig, von al­len 14 Mitgliedsregierungen, von der Hohen Behörde, vom Ministerrat und von der Ver­sammlung der Montanunion angenommen werden.

Der Vorschlag koppelt die Zweckgemein­schaften (Montanunion und EVG) mit dem Eu­roparat in der Weise, daß die Europaratsmit­glieder in den ersteren alsVollmitglieder, assoziierte Mitglieder oderBeobachter mit- wirken und jederzeit als Vollmitglieder bei­treten können. Die Parlamentarischen Kör­perschaften der Zweckgemeinschaften sollen in Straßburg zusammengefaßt werden und keine Abgeordneten aufnehmen dürfen, die nicht auch Europaratsdelegierte sind.

Europäisierung der Saar auf Probe?

Die Hintergründe für die Absetzung der geplanten Bundestagsdebatte

Drahtbericht unserer Bonner Redaktion

BONN. Nach den letzten Besprechungen des Bundeskanzlers mit den Vertretern der an der Saar nicht zugelassenen deutschen Par­teien haben _sjdj. Regierung und die CDU- Traktion in Bonn für eine Verschiebung der für . Mittwoch angesetzten Saardebatte des Bundestages ausgesprochen.

In diplomatischen Kreisen der Bundeshaupt­stadt wird für die Vertagung die Erklärung gegeben es bestehe offensichtlich die Mög­lichkeit, das Einverständnis der drei deutschen Parteien an der Saar für einevorläufige EüfopsisierniiS zu erhalten. Wenn sich diese Erwartung erfülle, dann würde Aussicht be­stehen, daß in den angekündigten Bespre­chungen zwischen Staatssekretär H a li­ste i n und Außenminister S c h u m a n die Voraussetzungen für die Zulassung dieser Parteien und für die Verschiebung der Land­tagswahlen an der Saar geschaffen werden können. Aus diesen Gründen sei es nicht zweckmäßig, die Saarfrage im Bundestag zu diskutieren, bevor die jetzt bestehenden Mög­

lichkeiten der deutsch-französischen Gespräche voll ausgeschöpft seien.

In Kreisen der deutschen Saarparteien wird hierzu erklärt, jyenn die Entwicklung den gekennzeichneten Verlauf nehmen sollte, dann sei es selbstverständlich, daß es sich nur um eine vorläufige Europäiiserung handle, die das Volk an der Saar oder ein freigewähl­ter Landtag erst dann beurteilen werde, wenn sich in der Praxis das Wesen dieser Europäisierung gezeigt habe.

Wehner zu Gespräch bereit

BONN. Bundestagsabgeordneter Herbert Wehner, der auf dem sozialdemokratischen Parteitag in Dortmund von rüssisch-französi- schen Beziehungen gesprochen hatte, die der Aufrechterhaltung einestrügerischen Status quo dienten, hat dem Bundeskanzler in einem Brief seine Bereitschaft zu einem Gespräch zugesagt. Dr. Adenauer hatte Wehner ge­beten, ihm das Material für seine Behauptung zur Verfügung zu stellen.

Wahlkampf mit Tiefschlägen

Republikaner: Truman plant Zensur / Truman: Eisenhower ist ahnungslos

WASHINGTON. Der republikanische Sena­tor Frank C a r 1 s o n wirft Präsident Truman letzt vor, für die letzten Wochen des Wahl­kampfesEinschüchterungsmaßnahmen ge­gen jenen Teil der Presse zu planen, der sich mit Vorliebe mit der Enthüllung von Korrup­tionsfällen in der demokratischen Verwaltung beschäftigt.

Nach den Informationen des Senators, soll das amerikanische Justizministerium angewie- »en werden, in bestimmten Fällen von Zei­tungen redaktionelle Unterlagen unter Straf­androhung einzufordem, um sie durch von Truman ernannte Beauftragte eingehend prü­fen zu lassen.

Präsident Truman seinerseits hat gestern

Nicht vor 1. November

Mieterbund zu den Mieterhöhungen

KÖLN. Der Deutsche Mieterbund macht darauf aufmerksam, daß auf Grund der Ver­ordnung über die Erhöhung der Altmieten frühestens vom 1. November dieses Jahres an Mieterhöhungen vorgenommen werden kön­nen. Die Mieten der Altbauwohnungen Wohnraum, der vor dem 1. April 1924 bezugs­fertig wurde erhöhten sich auch nicht auto­matisch um 10 Prozent. Die Verordnung gebe dem Vermieter lediglich das Recht, zu _ der preisrechtlich zulässigen Grundmiete einen Zuschlag in Höhe von 10 Prozent zu fordern. Stelle der Vermieter diese Forderung, dann werde der Zuschlag von dem Zeitpunkt an fällig, zu dem der Mietvertrag kündbar wäre also frühestens vom 1. November 1952 an.

Keine Sprengkammern

PFORZHEIM. Der CDU-Bundestagsabgeord- nete Gottfried Leonhard hat den Bundes­kanzler in einem Schreiben gebeten, sich bei den französischen Behörden mit allem Nach­druck gegen den Einbau von Sprengkammern zur Wehr zu setzen. Durch die Sprengvorbe- reitungen entstehe bei der Bevölkerung der Eindruck, als ob Europa im Schwarzwald und Am Rhein verteidigt werden solle.

einen seiner schwersten Angriffe gegen den republikanischen Präsidentschaftskandidaten, General Eisenhower, gerichtet. Der Präsi­dent erklärte, Eisenhower werde von zahl­reichen Interessengruppen vorgeschoben, um dunkle Machenschaften zu decken. Eisenhower habe sein ganzes Leben in der Armee ver­bracht und habe keine Ahnung, was im Lande vorgehe.

Der demokratische Präsidentschaftskandidat Adlai Stevenson machte sein Versprechen wahr, seine Einkommensteuer-Veranlagungen zu veröffentlichen. Aus seiner Erklärung geht hervor, daß er in den Jahren 1942 bis 1951 einschließlich ein Bruttoeinkommen von etwa 21 Millionen DM hatte. Beinahe die Hälfte davon zahlte er in Form von Einkommen­steuer zurück.

Nach monatelangen Vorbereitungen fuhr am Samstag zum erstenmal die Einschienen-Schnell­bahn derKölner Verkehrsbahnstudien-Gesellschaft auf der Versuchsstrecke in der Fühlinger Heide bei Köln. Zur Lösung der immer komplizierter werdenden Verkehrsverhältnisse versu­chen die deutschen Eisenbahningenieure H i n s k e n und Holzer den Bau einer für den Nah- und Fernverkehr geeigneten Blitzbahn, die mit Flugzeuggeschwindigkeit auf einer einzigen Schiene fahren soll. Der einschienige Bahnkörper ruht auf Zementsockeln. Die elektrisch betriebenen Stromlinienwagen sind in ihrer Längsachse bis etwa zur halben Höhe eingeschnitten und ge­wissermaßen um den Bahnkörper gestülpt. Die zu beiden Seiten des Fahrbalkens herunterge­zogenen Teile der Fahrzeugkarosse sollen Nutzlast aufnehmen, während der über dem Lauf­werk liegende Teil für den Personenverkehr vorgesehen ist. Unser Bild zeigt die zur späte­ren Verwirklichung im Maßstab 1:2,5 gebaute Versuchsbahn bei ihrem ersten Start. Die Bahn fährt gerade mit über 100 km/st durch eine Kurve des hier etwa 45 Grad geneigten Bahnkörpers.

Bemerkungen zum Tage

Fusion auf der Rechten?

hf. Seit dem Sommer 1951 wird immer wie­der die Frage des Entstehens einer großen Rechtspartei diskutiert. Neugründungen, aus denen diese Partei hervorgehen sollte, blieben erfolglos, und die zur politischen Rechten zäh­lenden Parteien stehen im Kampf um die Wähler in Konkurrenz. Nachdem das Grün­dungsfieber auf der nationalen Rechten ab­geklungen ist, haben jedoch die letztgenann­ten Parteien die Chance, eines Tages zu der großen Rechtspartei zu werden. Allein ist we­der die Deutsche Partei noch die FDP dazu in der Lage. Es lag also nahe, daß sich einzelne Politiker und Gruppen der beiden Parteien immer wieder mit der Möglichkeit einer Fu­sion befaßten. In Nordrhein-Westfalen sind die entsprechenden Gespräche am weitesten vorangekommen, und das von Middelhauve (FDP) ausgearbeiteteDeutsche Programm ist schon eine recht weitgehende Lösung vom bisherigen Kurs der FDP/DVP zugunsten ei­ner Gemeinsamkeit von Deutscher Partei und FDP. Auch in Hessen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein besteht bei maßgebenden FDP-Leuten durchaus die Bereitschaft, die Bildung einerFreien Deutschen Partei zu unterstützen. Wenn es trotzdem zu einer Fu­sion vorerst nicht kommen wird, so hat das seinen Grund in der Höhe des dann unver­meidlichen Preises. Er würde darin liegen, daß nur ein Teil der FDP/DVP diese Fusion mit­macht, während der andere Teil selbständig bleiben und vielleicht das Erbe der früheren Staatspartei" antreten würde. Diese Partei würde die Gruppen zusammenfassen, die in den Namen Maier, Blücher und Schäfer zum Ausdruck kommen. Eine solcheStaatspartei würde derFreien Deutschen Partei vor al­lem die konservativen der rechts stehenden Wähler nehmen. Der Nachfolgepartei von

Naguib: Aegypten bleibt Monarchie

Der General trägt Kampf gegen Wafd in die Öffentlichkeit

NEW YORK. Der ägyptische Ministerpräsi­dent, General Naguib, hat in einem Rund­funkinterview versichert, daß das Land eine Monardiie bleiben werde. Sobald wie mög­lich sollen Neuwahlen stattfinden, und inner­halb von fünf Jahren würden etwa 300 000 Hektar Land, das bisher den Paschas gehört habe, neu verteilt werden.

Ägypten bemühe sich ferner um eine Ver­besserung seines Gesundheitswesens und werde unter allen Umständen seine Armee entspre­chend den Verteidigungsbedürfnissen erwei­tern. Der Beitritt Ägyptens in ein westliches Nahost-Kommando werde noch erwogen.

Das ägyptische Kabinett hat in der Nacht zum Montag in einer mehrstündigen Sitzung einen Gesetzentwurf zur Neugestaltung der ägyptischen Wirtschaft verabschiedet. Im An­schluß daran verließ General Naguib Kairo, um während einer dreitägigen Reise durch das Nildelta in mehreren größeren Städten zur Bevölkerung zu sprechen. Diplomatische Kreise glauben, daß Naguib damit die erste

Runde im Kampf gegen die mächtige Wafd- Partei eröffnen wird, die ihre Auflösung durch ihren Widerstand offen herausgefordert hat

Der Konflikt zwischen der ägyptischen Re­gierung und der Wafd-Partei hat sich inzwi­schen weiter zugespitzt. Auf den Beschluß der Partei, sich dem neuen Gesetz über die Re­organisierung aller ägyptischen Parteien nicht zu fügen und Mustafa N a h a s, dessen Ent­lassung gefordert worden war, in ihrem Vor­stand zu behalten, antwortete der ägyptische Propagandaministei' R a d 1 a w mit schweren Beschuldigungen gegen den Wafd.

Schacht lobt Naguib

HAMBURG. Nach seiner Rückkehr aus Kairo sprach sich der frühere Reichsbank­präsident Dr. Hjalmar Schacht gestern in Hamburg sehr anerkennend über das Bemü­hen der ägyptischen Regierung um soziale, wirtschaftliche und kulturelle Reformen aus. General Naguib habe nach seiner Ansicht alle Fäden in der Hand.

FDP und DP bliebe dann nur der mehr na­tionalistisch als national, mehr radikal als konservativ orientierte Wählerkreis. Und selbst in diesem Bereich würden dieFreien Deut­schen noch in Konkurrenz mit den zahlrei­chen Splitterparteien stehen, und sich mit all den Grüppehen auseinandersetzen müssen, die auf den Pfaden der SRP nach einem Heil su­chen. Es dürften gerade diese Überlegungen sein, die im Direktorium der Deutschen Par­tei und in den Führungsgremien der FDP/DVP immer wieder zur Zurückstellung der Fusion geführt haben und auch weiter führen wer­den. Es besteht daher kein Grund, die Bedeu­tung von Fusionsgesprächen in einzelnen Län­dern zu überschätzen. Alles, was aus ihnen herauskommen wird, dürften Abmachungen über örtlich begrenzte Wahlbündnisse der bei­den Parteien sein.

Wasser auf die Mühlen

sh. Zuerst war es streng geheim, dann ging es über die Rotationspressen und die Rund­funkwellen. Und heute flattern die Flugblät­ter in jedes Haus eines Schwarzwaldtals und schreienRettet die Heimat rettet das Le­ben! Was liegt vor? Der Einbau von Spreng­kammern in Straßen und Wege dieses Tales wirkte alarmierend. Denn mit den Verkehrs­verbindungen sind Wasser- und Stromversor­gung für Tausende von Menschen zerstört, wenn an der vorgesehenen Stelle gesprengt wird. Gemeindevertreter protestieren, Abge­ordnete und Fraktionen richten Anfragen und Anträge an die Regierung. Die Bauarbeiten aber schreiten fort und werden, bevor eine dieser Bemühungen zu einem Erfolg führt, beendet sein. Wer Ohren hat, der hört, und wer Augen hat, der sieht. Wer aber Erinne­rungsvermögen besitzt, dem steigt beim Be­trachten dieser fatalen Angelegenheit der pe­netrante Geruchverbrannter Erde in die Nase. Es ist der gleiche Geruch, der, wenn er einem angeklagten deutschen Befehlshaber anhaftete, in Nürnberg und vor anderen Tri­bunalen so sehr strafverschärfend ins Gewicht fiel.

Wir können es bei den Gegnern von gestern nicht erzwingen, daß sie uns heute als Brü­der und Freunde behandeln. Selbst wenn die­ses Gestern sieben und mehr Jahre zurück­liegt. Wir können auch nicht von ihnen ver­langen, daß sie unserer Existenz zuliebe ihre strategische Konzeption ändern, die sie sich im Streben nach eigener Sicherheit zurecht­gemacht haben. Aber vielleicht können wir ihnen, aus eigenen Erfahrungen schöpfend, empfehlen, über den materiellen Waffen die Imponderabilien des menschlichen Herzens nicht gering zu achten, über den taktischen Erwägungen nicht die psychologischen zu ver­nachlässigen, über den Faktoren Pulver, Stahl, Atomenergie usw. usw. nicht den Fak­tor Mensch zu vergessen. Eine Bevölkerung in Panikstimmung ist bei allen Verteidigungs­maßnahmen ein beunruhigendes Element, und man sollte sich daher hüten, noch weiter Wasser auf die Mühlen der Panikmacher zu gießen und damit viele, denen es wirklich und vorbehaltlos nur um Heim und Heimat zu tun ist, in ihre Lager zu treiben.