MONTAG, 2 9. SEPTEMBER 1952
Bemerkungen zum Tage
Philosoph zweier Kontinente
wn. Mit George Santayana ist einer der eigenartigsten Philosophen der letzten Jahrzehnte von uns gegangen. Spanier und Katholik von Geburt, Schüler von Deussen, dem er seine Liebe zu Schopenhauer dankte, und Paulsen, der ihn zu der Ethik des Griechentums und zu Spinoza hinführte, knüpfte er einerseits an den Pluralismus an, andererseits aber auch an den Idealismus, wie er zu Anfang des Jahrhunderts wieder auflebte. Als Rationalist begann der nunmehr verstorbene Denker, den man einen Materialisten und Skeptiker nannte. Mit seiner Hinwendung zu Platon aber war ihm das Denken — wie es heißt — „kein Instrument des Handelns, sondern ein Schauplatz bildhaft gewordener Erfahrung“. Die religiöse Frage erhielt nun für ihn neuen Wert. Im Vorbilde Christi sah Santayana das Vorbild einer freien Geisteshaltung, die sich im Glanz des Pluralismus erfüllt. Das ist die Lehre von der Vielgestaltigkeit der Wirklichkeit, die sein Vorgänger auf dem Harvarder Lehrstuhl, William James, vertreten hatte, in der Fortbildung des katholischen Platonikers. Mit den Worten Santayanas: „Geist hat sein Wesen in der unerhört vielfältigen Bestimmung, den Raum Gottes widerzustrahlen. Christus, der selbst Gott ist, spiegelt Gottes ganzen Glanz.“ Santayana war Philosoph in des Wortes ureigenster Bedeutung, der seine Klarheit in dem Versuch einer Zusammenfassung zu finden sich bemühte. Eine Schule hat dieser europäisch - amerikanische Metaphysiker nicht gebildet, ganz ohne Einfluß auf das gegenwärtige Europa ist Santayana aber nicht geblieben.
West-Polizei zuständig
Sowjetische Beschwerde zurückgewiesen
BERLIN. In einem Schreiben an den Vertreter der sowjetischen Kontrollkommission A. M. Rassadin stellt der amerikanische Stadtkommandant, General Mathewson, erneut fest, daß die Westberliner Polizei für die Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung auch auf dem Gelände der Eisenbahn (die den Sowjetzonenbehörden untersteht) verantwortlich ist. Mathewson protestierte damit gegen ungesetzliche und unzuläßliche sowjetische Übergriffe in Westberlin und wies zugleich eine sowjetische Beschwerde über die Festnahme von drei ostzonalen Eisenbahnern durch die Westberliner Polizei zurück. Die drei Eisenbahner hatten eine Westberliner Eisenbahnangestellte in den Sowjetsektor verschleppen wollen.
Zwei betrunkene sowjetische Soldaten gaben am Samstag mehrere Schüsse auf zwei Angehörige des Westberliner Interzonengrenzdienstes in der Nähe von Kohlhasenbrück, an der Grenze zwischen dem amerikanischen Sektor und der sowjetischen Zone, ab. Niemand wurde verletzt.
Alarmbereitschaft in Kairo
Wafd macht Front gegen Naguib
KAIRO. In der ägyptischen Hauptstadt wurden gestern die Wachen vor den Regierungs- cuid anderen wichtigen Gebäuden angewiesen, -«Stahlhelme zu tragen und Bajonette aufzupflanzen. In einigen Teilen Kairos waren die Polizeiposten bereits am Samstag durch Panzerwagen verstärkt worden.
Die nationalistische Wafd-Partei hatte am Samstag offen die Auflösung der Regierung General N a g u i b s durch das Parlament gefordert. Als Höhepunkt des gegenwärtigen erbitterten Kulissenkampfes zwischen Regierung und Partei beschloß der Wafd Vorstand einmütig, entgegen den neuen Gesetzen dem Innenministerium keine Einzelheiten über die Parteiorganisation zuzuleiten und Mustafa N a h a s die Führung der Partei zu belassen, bwohl Naguib dessen Rüdetritt gefordert hatte.
Sicherheit für alle Europäer
Straßburger Versammlung für wirtschaftliche und strategische Solidarität
ROMAN
LARS
STRASSBURG. Die beratende Versammlung des Europarates forderte am Samstag eine gemeinsame Garantie für die Sicherheit aller an der Europaverteidigung teilnehmenden Nationen. Die Atlantikpaktorganisation wurde aufgefordert, die Versicherung abzugeben, daß alle Länder Westeuropas einschließlich der Bundesrepublik das gleiche Recht auf Schutz ihres Territoriums im Fall einer sowjetischen Aggression haben.
Die Versammlung nahm mit 67 gegen zwei Stimmen bei acht Stimmenthaltungen eine Resolution des Holländers J. J. F e n s an, in der die Notwendigkeit einer „wirtschaftlichen und strategischen Solidarität“ aller westeuropäi
schen Länder unterstrichen wird. Der Stimme enthielten sich alle sechs schwedischen Delegierte, eine der beiden ablehnenden Stimmen wurden von dem deutschen Sozialdemokraten Jakob Altmaier abgegeben.
Auf Antrag des Rechtsausschusses hatte die Versammlung vorher empfohlen, einen einzigen europäischen Gerichtshof zur Schlichtung aller Streitfragen zwischen Mitgliedstaaten des Europarates zu bilden.
Die beratende Versammlung des Europarates wird heute vormittag erneut Zusammentreffen, um Berichte des politischen Ausschusses zur Frage der Organisation Europas entgegenzunehmen und zu erörtern.
Politische Teilnahmslosigkeit
Dr. Müller zur geistigen Situation
GAMMERTINGEN (Hohenzollern). Die Teilnahmslosigkeit weiter Kreise des deutschen Volkes am politischen Geschehen sei eine akute Gefahr, erklärte der ehemalige südwürttem- bergische Staatspräsident Dr. Gebhard Müller gestern vor dem Katholischen Männerwerk Hohenzollerns in Gammertingen. Diese Gefahr werde aber noch in ihren Auswirkungen übertroffen von der Hartherzigkeit, die auch durch furchtbare Kriegsgeschehnisse nicht beseitigt worden sei. Gleichzeitig werde der deutsche Mensch von der Furcht vor einer kommenden Katastrophe beherrscht. Zudem zeige sich ein unersättlicher Drang zum Sich- ausleben. Dr. Müller unterstrich in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit der Bekämpfung von Schmutz und Schund. Es sei auch bedauerlich, daß man im Sportbetrieb zum Teil eine seelische Verrohung feststellen müsse.
Dr. Müller betonte, in dieser Lage seien die Katholiken verpflichtet, mit dem evangelischen Volksteil zusammenzugehen. In Ehe und Familie lägen heute mehr denn je die wahren Werte des Volkes.
Zu der Äußerung des Ministerpräsidenten Dr. Reinhold Maier, man könne mit den christlichen Kräften keinen gesunden Staat aufbauen, sagte Dr. Müller, dies sei die schlimmste Diffamierung eines großen Teiles
der Bevölkerung, die sich Dr. Maier bisher geleistet habe.
„Gewisse Kreise“
Scharfe Worte des Kultusministers
REUTLINGEN. Kultusminister Dr. Gotthilf Schenkel rechtfertigte am Samstag in Reutlingen vor 1500 Eltern, Schülern, Vertretern der Lehrerschaft, der Kirchen und des öffentlichen Lebens die Schulpolitik der vorläufigen badisch-württembergischen Regierung. Gleichzeitig wandte sich Dr. Schenkel mit scharfen Worten gegen die Angriffe „gewisser Kreise“ Baden-Württembergs gegen diese Politik.
„Wir verbitten uns, daß gewisse Leute so tun, als hätten sie das Christentum für sich gepachtet“, sagte der Minister nach dem Bericht der Deutschen Presseagentur. Christen gäbe es nicht nur im bischöflichen Ordinariat und in den katholischen Synoden Oberschwabens. Die Diskussion über Schul- und Erziehungsfragen sei in eine völlig falsche Richtung geleitet worden. „Wir wollen in der Christlichen Gemeinschaftsschule Kinder aller christlichen Glaubensgemeinschaften zu Demut und Ehrfurcht vor dem gemeinsamen Vater aller Christen erziehen“, rief Dr. Schenkel aus. Im übrigen sei auch in der Bibel nirgends ein Hinweis darauf zu finden, daß die Christen sich streiten sollten, vielmehr würden sie immer zu Liebe, Einigkeit und Frieden angehalten.
Kleine Weltchronik
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Copyright by Dr. Paul Herzog, Tübingen durch Verlag v. Graberg & Görg, Wiesbaden
(3. Fortsetzung)
Er schließt die Tür auf. Der Parkweg liegt in hellem Mondschein.
Auf dem Wege kommt ein Mann schnell auf das Haus zu. Dr. Burgdorf sieht ihn kommen, auch Luzie sieht ihn. Aber es ist zu spät, ins Haus zurückzukehren. Die Begegnung ist unvermeidlich geworden. Der Mann kommt schon die wenigen Stufen zum Hause herauf. Es ist Dr. Aiwa, der im ersten Stock der Villa seit einigen Monaten zwei Zimmer bewohnt, während der übrige Teil des ersten Stockwerkes dem Besitzer der Villa reserviert ist.
Dr. Aiwa zieht höflich den Hut, grüßt und verneigt sich etwas nach der Seite der jungen Dame.
„Ach, Herr Dr. Burgdorf“, sagt er, als er schon fast in der Haustür steht, „kann ich Sie wohl noch einen Augenblick sprechen?“ „Wenn Sie eine Minute warten wollen ...?“ Dr. Aiwa verschwindet hinter der offenen Haustür.
„.Keine Unbesonnenheiten, Luzie . . .“
Sie schüttelt wortlos den Kopf. Er sieht sie eilig den mondbeschienenen Weg zum Parktor hinabgehen, sie wendet sich nicht mehr um. Ein gutes Gefühl bewegt sein Herz. Arme Frau! Seltsam, daß man in einer kleinen Stadt so unglücklich sein kann. Vielleicht gerade in einer kleinen Stadt, denkt er. Dann hört er-das Parktor zufallen.
• "Ernüchtert wendet er sich dem Hause zu, verschließt sorgfältig die Tür und sieht im hellen Flur Dr. Aiwa stehen. Wieder wie im- }aer, wenn er diesem Manne gegenübersteht, beschleicht ihn ein unbehagliches Gefühl. Der nicht große, schmale Mann mit dem eckigen Gesicht, den stark vortretenden Backenknochen und den immer etwas glitzernden, feuchten Augen hat etwas Hinterhältiges, Hin
Professor Borchardt begnadigt. Göttingen. — Im Lager Friedland bei Göttingen traf in diesen Tagen der wehrwissenschaftliche Geograph Professor Paul Borchardt ein, der Deutschland 1938 verlassen hatte und im März 1942 wegen Spionage in den Vereinigten* Staaten zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt worden war. Borchardt war auf Grund von Interventionen der Bundesregierung begnadigt worden.
Schacht aus Kairo zurück. Frankfurt. — Reichsbankpräsident a. D. Dr. Hjalmar Schacht ist von seiner Reise nach Kairo auf dem Frankfurter Flughafen eingetroffen.
Westwallbunker Landeseigentum. Trier. — Das Landgericht Trier hat am Samstag entschieden, daß die Bunkeranlagen des früheren Westwalles nicht in das Eigentum der Grundstücksbesitzer übergegangen, sondern Landesbesitz sind. Die ehemaligen Besitzer hatten den Erlös aus der Entschrottung der Bunkeranlagen gefordert, da sie bisher für die Inanspruchnahme ihres Grund und Bodens keine Entschädigung erhalten hätten.
Physiker gedenken van’t Hoffs. Berlin. — Zahlreiche deutsche und ausländische Chemiker und Physiker gedachten gestern, am Vortag des Deutschen Physikertages Berlin 1952, des 100. Geburtstages des bedeutenden holländischen Physi- ko-Chemikers Jacobus Henricus van’t Hoffs.
Älteste Berlinerin. Berlin. — Frau Luise Rißmann erhielt zu ihrem 103. Geburtstag am Samstag die herzlichsten Glückwünsche des Bundespräsidenten und des Westberliner regierenden Bürgermeisters übermittelt.
tergründiges an sich, das ihn ebenso anzieht, wie abstößt.
Die beiden Männer geben sich jetzt die Hand, und Dr. Burgdorf macht eine einladende Bewegung zu seinem Arbeitszimmer und läßt den späten Gast vorangehen.
„Bitte, setzen Sie sich, Doktor, machen Sie es sich bequem.“
Dr. Aiwa setzt sich in den Sessel, in dem noch vor wenigen Minuten Frau Luzie gesessen hat. Dr. Burgdorf stellt zwei Gläser auf den runden Tisch und gießt Portwein ein,
„Auf Ihr Wohl, Herr Doktor...“
Dr. Aiwa hebt das Glas, die Flügel seiner schmalen Nase zittern, als er es an die Uppen führt und trinkt.
Als er das Glas abgesetzt hat, fragt Dr. Burgdorf: „Und was führt Sie so spät noch zu mir, Doktor?“
Dr. Aiwa sitzt, als sei ihm nicht sehr behaglich, in seinem Sessel. Seine Kiefer bewegen sich nervös, so daß die starken Backenknochen noch mehr hervortreten.
„Ja“, antwortet er nach einer Pause, „es ist mir sehr unangenehm, Doktor Burgdorf, und ich möchte nicht den Eindruck erwecken, daß ich Ihr Vertrauen enttäusche: Sie müssen den Termin noch einmal verlängern “
Seine Augen sind jetzt starr auf Burgdorf gerichtet. Der schüttelt entschieden den Kopf: „Ausgeschlossen, Doktor, ausgeschlossen. So gern ich Ihnen geholfen habe, aber es geht nicht länger.“ Unruhig greift Dr. Aiwa zu seinem Portweinglas und leert es. Burgdorf füllt sofort nach. Er wartet auf eine Antwort. Als der andere immer noch schweigt, fährt er fort:
„Sie wissen, Dr. Aiwa, unter welchen Voraussetzungen ich Ihnen seinerzeit das Darlehen gegeben habe. Ich hatte volles Mitempfinden für Ihre tragische Lage. Ich habe nicht nach Schuld oder Unschuld gefragt, obwohl für mich diese Frage hätte entscheidend sein können. Das Urteil war über Sie gesprochen. Schön, es war vielleicht Künstlerpech. Kann jeder haben Aber ich habe Ihnen die zehntausend Mark nur geliehen, weil Sie mir ehrenwörtlich versicherten, daß Sie mir
Neun Tote durch Verkehrsunfall. Stavenhagen. — Neun Tote und neun Schwerverletzte forderte ein schwerer Verkehrsunfall in Stavenhagen (Mecklenburg, Sowjetzone). Der Fahrer eines Postautos, ein 18jähriger Jungaktivist, hatte die Gewalt über sein Fahrzeug verloren v das daraufhin mit großer Geschwindigkeit gegen eine Mauer raste. Die Sowjetzonenbehörden meldeten, daß der schwere Unfall „auf einen Sabotageakt westlicher Kriegshetzer zurückzuführen ist“.
Dänische Königinmutter in Glücksburg. Flensburg. — Die dänische Königinmutter Alexandrine traf am Sonntag zu einem dreitägigen Besuch der früheren Großherzogin Alexandra von Mecklenburg auf Schloß Glücksburg bei Flensburg ein.
Mangelhafte Rollbahnen. Paris. — Amerikanische Düsenjägereinheiten haben drei unter dem Nato-Abkommen von Franzosen erbaute Rollbahnen in Frankreich wegen ihrer mangelhaften Bauweise nicht in Betrieb nehmen können. Die Düsenjägereinheiten wurden daher nach Deutschland und Nordafrika verlegt.
Königlicher Besuch. Athen. — Königin Friederike von Griechenland ist gestern aus Athen zu einem dreiwöchigen Besuch der Bundesrepublik, Österreichs und der Schweiz abgereist.
Wahlen in Albanien. Tirana. — Wie Radio Tirana gestern meldete, haben die Parlamentswahlen in Albanien eine überwältigende Mehrheit für die kommunistische „demokratische Front“ ergeben.
„Bund hat Wehrhoheit“
Karlsruher Verhandlung öffentlich.?
BONN. Die Bundesregierung hat dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe acht Gutachten von Rechtswissenschaftlern und eine eigene Stellungnahme zu dem von Bundespräsident Heuß angeforderten Rechtsgutachten über die Verfassungsmäßigkeit des EVG- Verträges zugeleitet.
In den Gutachten wird übereinstimmend bejaht, daß der Bund ohne Verfassungsänderung die Wehrhoheit ausüben darf. Die Auffassung, daß die Bundesrepublik durch Ergreifen der Wehrhoheit ihr Wesen ändere, weil eine Verfassungslücke vorliege, könne nicht anerkannt werden.
Es wird erwartet, daß der Bundesverfassungsgerichtshof im November unter Zuhilfenahme dieser Gutachen und Stellungnahmen sowie von 4 gutachtlichen Äußerungen von Juristen zu einer Stellungnahme des niedersächsischen Ministerpräsidenten und der inzwischen als „zur Zeit unzulässig“ abgewiesenen Wehrklage von 144 Bundestagsabgeordneten über den Antrag des Bundespräsidenten öffentlich verhandeln wird.
65000 DIV1 für Orden
BONN. Dem Bundespräsidenten stehen in diesem Haushaltjahr für Ehrenpatenschaften, Ehrengaben bei Jubiläen und für die Verdienstorden insgesamt 255 000 DM zur Verfügung, davon 65 000 DM für Orden. Für diesen Betrag werden die Orden nebst Zubehör hergestellt.
Bundespräsident Heuß übernimmt jeweils die Ehrenpatenschaft für das siebente lebende Kind einer Familie. Im letzten Rechnungsjahr waren es 3700 Ehrenpatenschaften. Die Eltern erhielten eine Ehrengabe von je 30 DM.
Kongreß der Liberalen
STRASSBURG. Die fünfte Jahreskonferenz der liberalen Internationale (Liberale Weltunion), die am Freitag unter Teilnahme von über 100 Politikern der liberalen Parteien von 16 Nationen in Straßburg eröffnet worden war, billigte einstimmig die Forderung des belgischen Senators Motz, den Nationalismus als ein Unglück und eine „psychologische und moralische Krankheit“ zu verdammen.
Gestern setzten sich die Liberalen für einen intensiven „Aufklärungsfeldzug gegen die Gefahren der Überbevölkerung“ ein. Auf ein Ge- burtenkontrollprogramm der überbevölkerten Staaten wurde aber verzichtet.
, Am Samstag hatte der Kongreß die Bildung einer gemeinsamen liberalen Front beschlossen, deren Aufgabe es sein soll, ein vereintes Europa auf der Grundlage der liberalen Ideen zu schaffen.
Schwere Kämpfe ln Korea
SEOUL. Schwere Kämpfe tobten gestern um die „Big Nori“-Höhe, die den Imyin-Fluß in Westkorea überblickt.
Die Höhe war vor drei Tagen von chinesischen Kommunisten erobert worden. Im Morgengrauen des Sonntags wurde sie von griechischen Truppön gestürmt. Heftige Gegenangriffe der kommunistischen Truppen blieben lange Zeit erfolglos. Doch wurden die Griechen nach mehreren Stunden wieder von der Höhe vertrieben.
Bei den Waffenstillstandsverhandlungen in Pan Mun Jon haben die Delegierten der Vereinten Nationen am Sonntag neue Vorschläge zur umstrittenen Frage der Rückführung von Kriegsgefangenen vorgelegt, um den Abschluß eines Waffenstillstandsabkommens zu ermöglichen. Die Vorschläge sehen vor, daß alle Kriegsgefangenen, die in ihre Heimat zurückkehren wollen, schnell repatriiert werden. Die Gefangenen, die die Rückkehr ablehnen, sollen vor internationalen Gremien in der entmilitarisierten Zone in Korea ihre Wünsche äußern und dann dorthin gehen können, wohin sie wollen.
das Geld in drei Monaten zurückzahlen würden. Sie beriefen sich auf Ihren Bruder, der als Wissenschaftler einen angesehenen Namen hat. Inzwischen sind sechs Monate vergangen. Ihr Bruder scheint sich nicht gerührt zu haben. Denn Sie verlangen bereits wieder eine Fristverlängerung. Leider, sage ich, kann ich sie diesmal nicht gewähren. Ich plane selbst eine Auslandsreise. Das Erscheinen meines neuen Buches verzögert sich auch, ich brauche jetzt das Geld selber dringend."
Dr. Aiwa hat schweigend zugehört. Sein Gesicht hat einen bestürzten Ausdruck.
„Ich halte Sie immer noch für einen Ehrenmann, Dr. Aiwa“, sagt Burgdorf ruhig und gießt sich ein neues Glas Wein ein.
Dr. Aiwa scheint nachzudenken. Allmählich weicht der bestürzte Ausdruck aus seinem Gesicht und macht einem verschlagenen Platz, seine Augen sind halb und lauernd geöffnet.
„Bei Ihren Beziehungen zu hiesigen Banken, Dr. Burgdorf“, sagt er langsam, „sollte es Ihnen doch nicht schwerfallen, einen Ueberbrückungskredit aufzunehmen und mir die Frist zu verlängern. Das Geld ist Ihnen sicher.“
Burgdorfs Gesicht verfinstert sich. Senkrecht über seiner schmalen Nase steht eine gefährliche Falte in der hohen Stirn.
„Wie meinen Sie das, Doktor?“ fragt er brüsk. Beziehungen zu hiesigen Banken? Davon ist mir nichts bekannt. Wollen Sie sich nicht etwas deutlicher ausdrücken?“
Dr. Aiwa zögert mit der Antwort. Aber er ist in einer Lage, in der er alles auf eine Karte setzen muß. \
So lächelt er jetzt. „Wa das nicht eben die Gattin des Bankiers Arnold Berger, die Sie zu so später Stunde verlassen hat?“
Dr. Burgdorfs Hand schließt sich plötzlich um den schmalen Stiel seines Weinglases.
„Ich sehe noch nicht ein, was dieser Besuch, wenn es wirklich die Gattin des Bankiers gewesen ist, mit Ihren Schulden zu tim hat“ sagt er kalt.
„In meiner Lage“ — Dr. Aiwa spricht leise wie zu sich selbst — „schreckt man vor nichts mehr zurück, Doktor, Der Mensch kann in
eine Lage kommen, wo ihm alles gleichgültig wird, was unter sogenannten bürgerlichen Menschen als ehrenhaft und anständig gilt, wo er ein Lump wird oder ein — Mörder. Vielleicht bin ich so weit. Wenn Sie auf Ihrem Willen bestehen, kann i.eh mir eine Kugel durch den Kopf schießen. Aber ich denke nicht daran, nicht eher wenigstens, als bis alle anderen Mittel erschöpft sind. Ich habe Pläne, große Pläne. Ich arbeite Tag und Nacht, während Sie — während Sie Ilven Vergnügungen nachgehen. Für Sie bedeu.en die zehntausend Mark wahrscheinlich in Wirklichkeit gar nichts. Für mich bedeuten sie Leben und Zukunft.“
Er machte wie erschöpft eine Pause.
„Ich verstehe immer noch nicht, worauf Sie hinauswollen“, wirft Dr Burgdorf ein.
„Ich werde es Ihnen ganz deutlich sagen, Doktor“, schreit Aiwa plötzlich. „Ich glaube, daß sich der Bankier Arnold Berger sehr dafür interssieren wird, wo sich seine Gattin bis zum Anbruch der Nacht, und ich nehme an, öfter auch noch länger aufhält, und daß ihm diese Kenntnis vielleicht ebensoviel wert ist, wie die paar Mark, die Sie mir angeblich aus Menschenfreundlichkeit liehen ...“
Er hört auf zu sprechen, denn Dr. Burgdorf ist aufgestanden. Er nimmt die beiden Weingläser, auch das noch nicht leergetrunkene Dr. Alwas, und die Flasche und setzt alles auf seinen Schreibtisch. Er tut das ruhig und gelassen, als wäre er allein. Nur sein scharfes Gesicht ist maßlos gespannt, als erwarte er jeden Augenblick einen Angriff.
Aber Dr. Aiwa hockt plötzlich zusammengesunken in seinem Sessel, ein zerbrochener Mensch, ein Mensch, der sich bis aufs letzte entblößt hat und der Scham noch nicht ganz entbehrt.
Dr. Burgdorf wirft einen verächtlichen Blick auf ihn, dann schickt er sich an, das Zimmer zu verlassen.
Halbwegs wendet er sich noch einmal um und sagt ohne jede Betonung:
„Sie werden morgen eine Mitteilung meine» Anwaltes erhalten, Dr. Aiwa. Sie werden verstehen, daß ich mit Erpressern nicht verkehre.“ (Forts, folgt)