HEIMATBLATT FÜR STADT UND LAND

CALWER ZEITUNG

MONTAG, 29. SEPTEMBER 1952

ÜBERPARTEILICHE TAGESZEITUNG

8. JAHRGANG / NR. 185

Adenauer erhofft Ratifizierung der Verträge vor 1. November

Bundeskanzler vor der CDU-Presse /Gegen Verzögerungstaktik der SPD

Drahtbericht unserer Bonner Redaktion

BONN. Bundeskanzler Dr. Adenauer erklärte am Samstag vor der CDTJ-Presse, es sei sein dringender Wunsch, daß das deutsch-alliierte Vertragswerk spätestens bis zum 1. No­vember vom Bundestag ratifiziert werde. Trotz gründlicher Durchberatung dürften die Aus­schüsse ihre Arbeit nicht in die Länge ziehen und die Regierungsparteien sollten sich jeder Verzögerungstaktik der Sozialdemokraten widersetzen. In Anbetracht der internationalen Lage sei es die Pflicht der Bundesregierung, die Ratifizierung zu beschleunigen, nachdem die USA und England vorangegangen seien.

Am Samstag wählte der Dortmunder SPD-Partei- tag zum Nachfolger Dr Schumachers den bis­herigen zweiten Vorsitzenden der SPD. Erich Ollenhauer (links). Zum zweiten Vorsitzen­den der SPD wurde Wilhelm Mellies (rechts) gewählt. Foto: dpa

Adenauer sagte weiter, erst durch diese Ra­tifizierung werde die Bundesregierung in die Lage versetzt, auf die strategischen Pläne zur Verteidigung Europas Einfluß zu nehmen, die in diesen Wochen in den Führungsgremien des Atlantikpakts beraten würden, denn nur auf diese Weise könnten Tatsachen geschaffen wer­den, die die Sowjetunion zu einem konkreten Gespräch über die deutsche Einheit zwingen könnten.

Erneut beschäftigte sich Dr. Adenauer in seinem Referat mit den Dortmunder Ausfüh­rungen des SPD-Abgeordneten W e h n e r zu dessen Antwort auf den Brief des Bundes­

Attentäter aus Israel?

Terroristen sollen für Sprengstoffanschlag auf Adenauer verantwortlich sein

BONN. Unterrichtete Kreise in Bonn vertre­ten die Auffassung, es stehe bereits seit eini­ger Zeit fest, daß das mißglückte Münchener Bombenattentat auf Bundeskanzler Dr. Korrad Adenauer von israelischen Terroristen geplant und ausgeführt worden sei.

In Bonn nimmt man an, daß die Informatio­nen über die Hintermänner des Anschlagsver­suches, bei dem der Münchener Sprengmeister Karl Reichert ums Leben gekommen war, zu­rückgehalten wurden, um die erst kürzlich ab­geschlossenen Wiedergutmacfcungsverhandlun- gen zwischen der Bundesrepublik und dem Staate Israel nicht zu stören. Bereits am letz­

ten Sonntag hatte die amerikanische Zeitung New York Times" aus Luxemburg gemeldet, daß israelische Terroristen für den Attentats­versuch verantwortlich seien.

Nach dem Bericht derNew York Times sollen die gleichen Personen oder Giftppen auch die mißglückten Sprengstoffanschläge auf den Leiter der deutschen Kommission bei den Wiedergutmachungsverhandlungen mit Israel, Professor Böhm, verübt haben. Die Arbeit an der Aufklärung der Anschläge auf Dr. Adenauer und Professor Böhm wird von Bonn aus fortgesetzt. Bis jetzt konnten bestimmte Personen noch nicht ermittelt werden.

kanzlers. Daß das Material über ein angeb­liches Ost-West-Komplott gegen die deutsche Wiedervereinigung erst in den Parteiausschüs­sen der SPD diskutiert würde, müsse er als Brunnenvergiftung übelster Art bezeichnen.

Von sozialdemokratischer Seite wird diese Äußerung scharf zurückgewiesen und erklärt, daß die SPD dem Bundeskanzler das diesbe­zügliche Material in Bonn zugehen lassen werde. Wehner habe entgegen der Behauptung des Bundeskanzlers es nicht abgelehnt, der Re­gierung die Unterlagen zur Verfügung zu stel­len, sondern er habe lediglich gesagt, daß er vor der Übergabe dieses Materials keine Er­klärungen mehr zu dieser Frage abgeben wolle.

Erhöhung der Sonderausgaben

Änderung des Einkommensteuergesetzes

BONN. In seiner letzten Sitzung hat der Bundesrat den Entwurf eines ersten Ände­rungsgesetzes für die Einkommensteuer gebil­ligt. Danach soll der absetzbare Pauschbetrag für Sonderausgaben von 468 DM auf 624 DM im Jahr erhöht werden. Die neuen Sätze sol­len erstmals bei der Einkommensteuerveran-

tttühlburg geschlagen

Die Mühlburger verloren am sechs­ten Spielsonntag gegen Waldhof-Mann­heim ihr erstes Spiel, bleiben jedoch durch das bessere Torverhältnis vor Eintracht Frankfurt, die den FSV mit 1:3 besiegte, an der Tabellenspitze. Die Offenbacher Kickers liegen durch ihren 2:5-Sieg über den BC Augsburg an drit­ter Stelle vor den um einen Punkt zu­rückliegenden Vereinen VfB Stuttgart, Schweinfurt 05 und VfR Mannheim. Am Tabellenende gab es keine großen Ver­schiebungen. Lediglich die Ulmer konn­ten zum BC Augsburg aufschließen.

Avusrennen

Auf dem Avusrennen, der traditio­nellen Berliner Rennstrecke, siegte in der Hauptprüfung, dem Rennen der For­mel II, der Schweizer Rolf Fischer auf Ferrari mit Rundenvorsprung vor Klenk auf Veritas und Rieß, der ebenfalls eine Veritas fuhr. In der Sportwagenklasse der Zweiliter-Maschinen siegte Rieß auf Veritas vor Toni Ulmen, ebenfalls auf Veritas. Das Rennen der Sportwagen bis 1100 ccm gewann Brendel mit einem Porsche-Wagen.

West-Süd-Block: 211021110022

lagung für 1953 oder bei Lohnzahlungen nach dem 31. Dezember 1952 Anwendung finden. Der Entwurf geht jetzt dem Bundestag zu Die Änderung bezweckt in erster Linie eine Verwaltungsvereinfachung bei den Lohnsteu­erstellen der Finanzämter. Ein großer Teil der Anträge auf Erhöhung der So-^-iuseaben wird damit hinfällig.

Ollenhauer an der Spitze der SPD

Abschluß des Parteitages / Hauptaufgabe: Wiedervereinigung Deutschlands

Kein Kurzvertrag für Oesterreidi

Sowjetunion antwortet auf West-Note / Viermächtekontrolle verlangt

LONDON. Die Sowjetunion hat das in der letzten westlichen Note wiederholte Ersuchen einer Viermächtekonferenz über einen Staats­vertrag für Österreich kategorisch zurückge­wiesen. Die westlichen Zugeständnisse blieben unbeachtet.

In gleichlautenden Noten an die Moskauer Botschaften der drei Westmächte lehnte es der Kreml ab, sich an dem am 5. September vor­geschlagenen Treffen der Außenminister-Stell­vertreter zu beteiligen, auf der einabgekürz­ter Staatsvertrag für Österreich paraphiert werden sollte.

Die Sowjetunion will erst dann wieder über eine Friedensregelung für Österreich verhan­deln, wenn die Westmächte ihren Vorschlag eines Kurzvertrages zurückziehen. Sie verlangt eine Viermächtekontrolle über die Einhaltung der im Staatsvertrag vorgesehenen Klausel über die Entmilitarisierung und Entnazifizie­rung Österreichs und beschuldigt zugleich die österreichische Regierung, den im wesentlichen

schon vorbereiteten Staatsvertrag nicht aner­kennen zu wollen.

DerKurzvertrag" für Österreich war vom Westen vorgeschlagen worden, nachdem in jahrelangen Verhandlungen keine Einigung über denlangen Staatsvertrag erzielt wor­den ist.

Die Österreich-Experten Amerikas, Englands und Frankreichs werden sich heute in London mit der neuen Lage auseinandersetzen. Wie verlautet, sollen auch andere Möglichkeiten einer Überwindung des toten Punktes in der österreichischen Frage geprüft werden.

Labourparteitag

LONDON. 1200 Delegierte sind zu dem Par­teitag der Labourpartei, der heute eröffnet wird, in Morecambe eingetroffen. Am Sams­tagvormittag hatten bereits Sitzungen des Parteivorstandes stattgefunden.

DORTMUND. Mit einer Großkundgebung auf dem Dortmunder Hansaplatz, an der 45 000 Anhänger der SPD teilnahmen, wurde am Sonntag der 5, Nachkriegsparteitag der Sozial­demokratischen Partei Deutschlands abge­schlossen. Der neue Vorsitzende der SPD, Erich Ollenhauer, faßte noch einmal die Ziele der SPD zusammen.

Mit der einstimmigen Annahme des neuge­faßten Aktionsprogramms wurde die Arbeit der 400 Delegierten am Sonntagvormittag be­endet. Ein bedingtesJa zu einem Beitrag für die kollektive Sicherheit der freien Welt ist das wesentlichste Merkmal der Neufassung des Programms, das der Partei bei den kommen­den Wahlkämpfen als Richtschnur und einer etwaigen sozialdemokratischen Bundesregie­rung als Grundlage ihrer politischen Arbeit dienen soll.

Die SPD strebt ein wirksames System kol­lektiver Sicherheit an, an dem Deutschland ohne Gefährdung seiner Wiedervereinigung beteiligt ist, heißt es in dem Aktionspro­gramm. Die gegenwärtig zur Diskussion ste­henden Integrationsverträge werden jedoch abgelehnt, da sie nach Ansicht der SPD keine Gleichberechtigung bringen und Westdeutsch­land über Gebühr militärisch an den Westen binden.

Das großeNein Dr. Schumachers stand über dieser Tagung, aber nach Ansicht aller Beobachter hat die SPD auf diesem Konvent

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präzise formuliert, welche konstruktiven Ge­genvorschläge sie zu machen hat. Danach ist die Wiedervereinigung Deutschlands die vor­dringlichste Aufgabe. Der einzige Weg für eine Wiedervereinigung führe über eine Vier­mächtekonferenz. Deshalb erwartet die SPD von den Westmächten konkrete Vorschläge für eine solche Konferenz und die Beendigung des fruchtlosen Notenwechsels zwischen Ost und West. Solange die Westmächte nicht von der Vorstellung abgehen, Westdeutschland müsse militärisch in den Westen integriert werden, solange sei der Kreml am positiven Resultat einer Viermächtekonferenz nicht interessiert, da für ihn ein Deutschland, das. eindeutig im Lager des Westens stehe, nicht annehmbar sei.

Das Programm, das den Sozialdemokraten jetzt als Richtschnur dienen soll, sieht weiter­hin in seinen wesentlichsten Punkten die Ver­staatlichung der Grundstoffindustrien und der Energiewirtschaft, Vollbeschäftigung, Gesund­heitsdienst für alle, einen gerechten Lasten­ausgleich, Erweiterung des sozialen Wohnungs­baues, gelenkte Wirtschaft im Gegensatz zur gegenwärtigen freien Marktwirtschaft und Kürzung der Arbeitsstunden bei gleichem Lohn vor.

Der neue Parteivorst and

DORTMUND. Der SPD-Parteitag wählte am Samstag den neuen Parteivorstand, der drei­ßig Mitglieder hat. Er setzt sich wie folgt zu­sammen :

Vorsitzender: Erich Ollenhauer; stellvertreten­der Vorsitzender: Wilhelm Mellies; besoldete Mit­glieder des Parteivorstandes: Willi Eichler, Herta Gotthelf, Fritz Heine, Max Kukil, Alfred Nau. Als imbesoldete Mitglieder des Partei Vorstandes wurden gewählt: Heinrich Albertz, Luise Albertz, Lisa Albrecht, Franz Bögler, Andreas Gayk, Emil Groß Franz Haas, Fritz Henßler, Wenzel Jaksch, Waldemar von Knoeringen, Anna Gränstöver, Kan Meitmann, Walter Menzel, Franz Neumann, Ernst Reuter, Karl Schmid, Erwin Schöttle, Luise Schröder, Elisabeth Selbert, Fritz Steinhoff, Her­mann Veit Herbert Wehner und Georg August Zinn.

Als er nach der Wahl zum 1. Vorsitzenden die Glückwünsche seiner politischen Freunde entgegennahm, waren die erste Worte Ollen- hauers:Wir werden siegen.

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Der erste deutsche Spionageprozeß wurde am Samstag vor dem Oberlandesgerieht Frankfurt geführt. Angeklagt war der 26 Jahre alte kauf­männische Angestellte Rexroth aus Wanfried, Kreis Eschwege, weil er Im Auftrag des sowjet­zonalen Sicherheitsdienstes (SSD) beim Bundes­grenzschutz Spionage getrieben hatte. Rexroth (rechts) erhielt vier Monate Gefängnis.

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Beim Training für das gestrige Avusrennen erlitt der bekannte Rennfahrer Paul Pietsch auf sei­nem Veritas-Rennwagen einen schweren Unfall. Nach den bisherigen Ermittlungen sollen die Rä­derndes Wagens bei 190 km/st plötzlich blockiert haben. Obwohl der Wagen, wie unser Bild zeigt, völlig zertrümmert wurde, kam Pietsch mit Prellungen und Schnittwunden davon. Foto: AP

Saardebatte soll abgesetzt werden

DORTMUND. Die SPD-Bundestagsfraktion habe sich entschlossen, einen Antrag der Koali­tionsparteien auf Absetzung der Saarfrage von der Tagesordnung des Bundestages Mitte der kommenden Woche zu entsprechen, teilte der stellvertretende SPD-Vorsitzende_ Wilhelm Mellies am Sonntag in Dortmund -mit

Besoldungsreform kommt

PASSAU. Bundesflnanzminister Fritz Schaf­fer kündigte am Sonntag in Passau an, daß der Entwurf der großen Besoldungsreform der Öffentlichkeit im Sommer 1953 vorgelegt wer­de. Die Bundesregierung halte die Forderun­gen der Berufsbeamten für berechtigt.