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DER BERICHT TINER MENSCHLICHEN TRAGÖDIE IM EWIGEN £1$,
VON ER L / N G P O U LS E N
Copyright by Hamann-Meyerprea* — durch Verlag v. Oraberg & OOrg, Wiesbaden
(4- Fortsetzung)
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Ich starre ihn an, wie er da ausgestreckt im Schnee hegt, und denke an seine Frau und •eine Kinder daheim in England. Ich denke auch an Mr. Coopers Firma und die großen Zukunftspläne, von denen er uns erzählt hat, *k wir die Gaei Hamkesbucht verließen. Die Tasche mit den vielen Handelsverträgen fällt mir ein, und ich überlege, daß ein Mann, der eine so große Firma leitet, nicht unbegabt sein kann. Aber seine Begabung hat ihm auf diesem Marsch durch die Eiswüste, auf dem es um Leben und Tod geht, nichts genützt Hier hat es sich gezeigt, daß er nur ein Mensch war, ein kleiner, kranker Mensch. Hätten wir ihn nicht trotzdem retten können?
„Immerhin — er hat den ersten Schuß abgefeuert“, murmelt Jackie, während wir zu den anderen zurückgehen. leih nicke und sage mir, daß Robert gehandelt hat, wie er handeln mußte. Die Eiswüste schreibt ihre eigenen Gesetze.
Und trotzdem kann ich das abscheuliche Gefühl nicht loswerden, daß ich dabei war, wie das Schicksal eines Menschen besiegelt wurde. Ich stelle mir vor, daß wir eines Tages gerettet und zu Mr. Coopers Hinterbliebenen sagen werden: „Direktor Cooper starb im ewigen Eis, am elften Tag unserer Wanderung. Er war ein Verräter unserer Kameradschaft und starb den ehrlosen Tod eines Verräters.“
Robert hat unterdessen das Winchester- gewehr auf den Schlitten zurückgelegt und geht auf Ballo zu. Ballo lehnt an einem Eisblock und blickt mit einem fernen, traurigen Ausdruck vor sich hin.
„Er hat es verdient!“ meint Robert
Was bisher geschaht
Ein mit sieben Personen besetztes Verkehrsflugzeug muß kurz nach dem Statt von der grönländischen Küste im ewigen Eis notlanden. Auf dem Funkwege herbeigerufene Hilfsflugzeuge können mit Proviant und Ausrüstungsgegenstände abwerfen, da plötzlich einsetzendes Schneetreiben die Sicht zur Landung verhindert. Die riesige Eisfläche löst sich auf in einzelne Schollen und in einet sich dabei öffnenden Spalte verschwindet das Flugzeug mitsamt dem Funkgerät. Bei dem Versuch, unter Führung des Walfischfängers Ballo das feste Ets zu erreichen, versinkt der Steward mit dem größten Teil des Prooiantes in den gurgelnden Fluten. Endlich hält die Eisscholle am fünften Tag auf zu treiben. Det Marsch zu der etwa 200 km entfernten Küste beginnt. Ein Eisbär wird erlegt und damit dem Hungertode eine Frist abgerungen. Ein vierstündiger Schneesturm und die Erkrankung des Piloten bringen neue Schwierigkeiten. Mr. Bantam stirbt. Direktor Cooper leidet unter Wahnvorstellungen und bedroht schließlich seine Gefährten mH einem Gewehr. Er zwingt die Gruppe, statt weiter in Richtung zur Küste wieder auf das Meer hinaus zu marschieren. Man sinnt darauf, wie man ihm die Waffe wieder entwenden könne. Gegen den Willen der anderen erschießt Robert den Wahnsinnigen.
Ballo antwortet nicht.
„Wir hätten es schon vor mehreren Stunden tun müssen“, sagt Robert Ballo zuckt die Achseln.
„Mr. Cooper hat uns sechs Stunden Marsch gekostet.“
„Ja“, sagt Ballo, „das ist wahr!“
Dann geht Ballo auf Mr. Coopers Leiche zu, durchsucht alle Taschen und entnimmt ihnen, was für die Hinterbliebenen des Toten von Interesse sein könnte. Schließlich ruft er Jackie und trägt mit ihm den toten Mr. Cooper zu seiner letzten Ruhestätte. Eine halbe Stunde später wird der Schlitten weitergezogen. Mr. Cooper ist begraben worden. Wir setzen unseren Marsch wortlos fort. Westwärts.
Wir waren sieben, als wir vor elf Tagen die Gael Hamkesbucht in Nordost-Grönland verlassen haben. Jetzt sind wir vier. Ballo, Jackie, Robert und ich. Schaudernd denke ich an das alte Lied von den zehn kleinen Negerlein. Zehn zogen aus — und einer blieb am Leben.
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Der Wind heult übers Eis, wir marschieren ihm mit steifen, schmerzenden Gliedern ent-
f egen. Obwohl wir immer weniger Proviant, ’etroleum und Oel haben, obwohl uns die Ausrüstung des Stewards, Mr. Bantams und Mr. Coopers fehlt, erscheint uns der Schlitten schwerer als zuvor. Zweimal haben wir und Ballo untersucht, ob der Schlitten ungeschickt beladen sei. Aber alles liegt so, wie es liegen •oll. Es gibt nur eine einzige Erklärung für unsere Schwierigkeiten: unsere Kräfte lassen nach.
Wir wechseln nur wenige Worte während des Marsches, und diese wenigen Worte drehen sich um Mr. Cooper und die traurige Szene •eines Sterbens.
„Er hat sein Schicksal verdient", wiederholt Robert.
„Er hat uns einen halben Tag gekostet, und hätten wir uns nicht von ihm befreit, so wäre •■ uns noch teuer zu stehen gekommen.“
„Ja“, sagt Ballo.
„Ja“, sagt Jackie.
„Ja“, sage ich.
Aber unsere Stimmen sind traurig. Sie klingen ganz anders als vor fünf Tagen, da Robert das Winchestergewehr an die Wange riß, um den Bären zu erlegen und uns vom Hungertod zu retten.
Ich stolpere übers Eis. Mir fällt ein, daß Mr. Cooper uns viel mehr gekostet hat als einen halben Tagesmarsch. Mit ihm haben wir unsere Seelenruhe begraben. Keiner von uns ist mit sich selbst zufrieden, und ich begreife den tiefen Sinn der Worte, die Ballo vor mehreren Stunden ausgesprochen hat: „Icli will uns schonen.“
Uns — ja, uns.
Während wir abends im Zelt rund um den Primusapparat sitzen und unser Bärenfleisch auftauen, sprechen wir wieder über Mr. Cooper. Wir geben alle Robert recht. Aber wir sprechen nicht über die heimliche Tatsache, daß Robert sein Gewehr erst abgeschossen hat, nachdem Mr. Coopers einziger Schuß krachte und er uns nicht länger bedrohen konnte. Nein, darüber sprechen wir nicht Aber wir denken verlegen daran und schämen uns. Auch Robert schämt sich, er beginnt, schlecht zu schlafen. Er weckt uns sogar mehrere Male auf, weil er plötzlich aus dem Schlaf fährt und mit heiserer Stimme schreit, daß Mr. Cooper in einem Flugzeug sitze und ein Maschinengewehr auf ihn richte.
Aber schließlich verschwinden die bösen Träume. Robert schläft wie bisher — ruhig und schwer. Nur ein neuer, sehr seltsamer Ausdruck ist in sein Gesicht getreten. Die Muskeln um «einen Mund und «eine Nase
wirken verkrampft. Die schönen, braunen Augen ruhen niemals lange auf dem gleichen Punkt, sie irren umher und haben ihren warmen Glanz verloren. Ich taste nach seinen Händen. Er streichelt mich, aber sein Lächeln wirkt wie eine Grimasse, seine Hände liegen schwer auf meinen Schultern. Manchmal spreche ich mit ihm über die herrlichen Tage auf Korsika und in New York, die uns nach diesem Polar-Abenteuer erwarten.
Ich schmiege mich an ihn und flüstere ihm zu, wie gemütlich wir unser kleines Heim in Brooklyn einrichten werden. Aber Robert «eufzt nur, streicht mir über die Wangen und murmelt tonlos: „Ja — wenn wir durchkommen, Liebling!“
Da begreife ich, daß Robert das wichtigste, was Menschen in unserer Lage besitzen, verloren hat. Seinen Optimismus! Ich^weiß, er wird für sein und mein Leben bis zum letzten Atemzug kämpfen. Aber freudlos und ohne Hoffnung
Ich bin nicht enttäuscht über ihn, in Wirklichkeit bin ich über nichts mehr enttäuscht. Hier muß man eben einen Mann nehmen, wie er ist. Ueber seine Eigenschaften nachzudenken, ist völlig sinnlos. Robert hat seinen Optimismus verloren. All right — ich muß eben für uns beide optimistisch sein!
Auch Ballo und Jackie haben sich verändert. Ballo am meisten. Seit dem Tag, an dem Mr. Cooper starb, hat er nicht mehr gescherzt. Er stapft schweigend weiter und leidet an einer ernsthaften Erfrierung an einem seiner Füße.
Jackie geht es besser. Erfrierungen sind ihm erspart geblieben, aber jeden Abend ist er völlig ausgepumpt Wenn er sich jedoch aus-
f eschlafen hat, ist er in glänzender Laune, xst gegen Mittag wird sein Gesicht wieder verschlossen. Er setzt scheinbar alles daran, um sich aufrecht zu halten Mir geht es am besten. Aber ich muß gestehen, daß man mich vom ersten Augenblick an sehr geschont hat. Ich muß niemals länger als drei bis vier Stunden auf einmal den Schlitten ziehen, ich habe den besten Schlafsack, die besten Stiefel, die besten Fäustlinge und den besten Pelz Außerdem hat mich die Natur gut gegen die Kälte ausgestattet; während de« Marsches habe ich nur meine Rund- lichkeit mehr und mehr verloren. Ich nehme an, daß ich kaum fünfzig Kilo wiege.
Nacht folgt Tag, Tag folgt Nacht Wir marschieren. Wir schlagen unser Zelt auf, wir marschieren. Wir schlagen unser Zelt auf... Wir haben keine Kraft mehr, zurückzudenken. Der Steward ist vergessen. Mr. Cooper ist vergessen.
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Am 19. Tag erlegen wir wieder einen Bären. Den 20. Tagesmarsch wanken wir hindurch, ziehen unseren Schlitten und bleiben plötzlich mit einem Jubelruf stehen. Durch die Morgennebel ragen am westlichen Horizont braune Felsen aus dem Meer.
Die Küste von Grönland L
Wir sind ganz verrückt vor Freude, umarmen einander und schluchzen vor Glück. Dann setzen wir unseren Marsch in schnellerem Tempo fort. Der Schlitten erscheint uns plötzlich leichter, wir verfügen über ungeahnte Kräfte. Das schwierige Terrain mit den spitzen Eishügeln, den Schneewehen und meterhohen Eiswällen bereitet uns keine •orge mehr. Wir jubeln und trällern, während unsere schmerzenden Augen immerzu die Küste »uchen. Die Küste, die Ballo für den Strand der TraiUsinsel hält, die er letzten Winter besuchte. Damals gab es auf dieser Sasel mehrere Eskimodörfer.
. Die Dunkelheit bricht herein, yrtr sdSageaa
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Und guten Morgen! Ja, diesen Morgen werde ich niemals vergessen! Es war der bitterste meines Lebens. Denn an diesem Morgen lernte ich, wie tief man enttäuscht werden kann.
Bereits in dem Augenblick, in dem ich meinen Kopf aus dem Schlafsack steckte und mich im Zelt umsah, bemerkte ich, daß irgend etwas nicht in Ordnung war. Ich lauschte. Und dann begriff ich, begriff ich das Furchtbare: Wir treiben! Das Eis unter uns treibt!
Ich schreie auf. Im nächsten Augenblick sind alle anderen wach, fahren auf und reiben sich die Augen. Was ist geschehen? Dann spüren auch sie, daß das Eis unter uns treibt.
Wir kriechen aus dem Zelt und stellen fest, was sich im Laufe der Nacht zugetragen hat. Soweit unser Auge reicht, ist das Meer aufgebrochen. In riesigen Schollen schaukelt es dahin, in Schollen, die langsam nach Süden getrieben werden. Das Wetter ist während der letzten Tage milder gewesen. Es hat dieses für uns so fürchterliche Unglück bewirkt.
Zum ersten Male ist eine von Balios Voraussagen nicht eingetroffen. Schon vor vier Tagen haben wir das unterirdische Rollen gehört, aber damals hat uns Ballo damit getröstet, daß es sich nur um ein vorübergehendes Phänomen handeln könne, daß das Eis nicht bersten könne, wenn es nicht geradezu
durch einen Sturm aufgerissen würde. Nim steht Ballo ganz versteinert da, betrachtet die treibenden Schollen um uns, zündet schließlich seine Pfeife an, zuckt die Achseln und erklärt, daß das Polarmeer sich nicht an feste Regeln hält.
Dann macht er uns zwei Vorschläge: wir können uns entweder von einer der Schollen treiben lassen und hoffen, daß uns die Strömung der Küste näher bringt; oder wir müssen uns dazu entschließen, den Marsch fortzusetzen. Dieser Marsch wird jedoch gefährlich sein, da wir von Scholle zu Scholle springen müssen.
Wir versuchen zu marschieren, aber bald sehen wir ein, daß es hoffnungslos ist. Mehrere Male sind wir daran, mit unserem Schlitten und der ganzen Ausrüstung ins Wasser gezogen zu werden. Deshalb beschließen wir, Ballo solle eine geeignete Eisscholle wählen, auf der wir uns treiben lassen wollen. Wir finden eine, — beinahe 150 Meter lang und 100 Meter breit —, hier setzen wir uns auf unseren Schlitten und beginnen zu rauchen und zu beten, daß uns das Schicksal der Traillsinsel zutreiben möge. Während wir dahingetrieben werden und die grönländische Küste betrachten, deren Gipfel in 20 Kilometer Entfernung an uns vorbeigleiten, haben wir Zeit nachzudenken. Robert hat vom ersten Augenblick an eine Einstellung gezeigt, die uns anderen sehr fremd gewesen ist. Er wollte Mr. Bantam zurücklassen, als er einsah, daß nur ein Wunder Mr. Bantam retten könne. Wir haben damals gegen ihn gestimmt und sind dadurch auf gehalten worden — einen halben Tag. Robert wollte auch den wahnsinnigen Mr. Cooper beseitigen, und Bailos Versuch, eine menschliche Lösung zu finden, hat uns sechs Stunden gekostet. Wären wir Robert gefolgt, so wären wir zwei Tagesmärsche weiter gewesen. Und diese zwei Tagesmärsche hätten bedeutet, daß wir die Küste noch erreicht hätten!
Wir sitzen da und denken nach. In Roberts Augen glitzert Triumph. Ballo, Jackie und ich — drei Verlierer im Schatten von Glaube, Hoffnung und Barmherzigkeit—, Ballo, Jackie und ich starren traurig die braunen Felsen an, die wir nicht erreichen konnten, weil wir unserem Herzen gefolgt sind.
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unser Zelt auf, und Ballo und Robert rechnen gemeinsam aus, daß uns höchstens noch zwei Tagesmärsche bevorstehen. Ungefähr 20 Kilometer trennen uns von der erlösenden Küste.
An diesem Tag gehen wir mit unserem Proviant und dem Petroleum verschwenderisch um. Jeden Augenblick beginnen wir zu lachen. Zum erstenmal seit beinahe zehn Tagen erwidert Robert meine Blicke, zieht mich an sich und küßt mich.
„Du bist das tapferste und herrlichste Mädchen der Welt“, sagt er.
Ballo nickt uns väterlich zu, zündet sich seine Pfeife an und kriecht in den Schlafsack. Der Primusapparat strömt Wärme aus, und Jackie pfeift einen Schlagertext.
Ganz zuletzt — wir liegen schon alle wohlverwahrt in unseren Schlafsäcken, löscht Bafio die Oellampe aus. Er murmelt etwas, dag wie „noch zwei anstrengende Tagesmärsche“
ite Nacht!“
Nachdem wir ungefähr drei Stunden von der Strömung getrieben worden sind, bemerken wir etwas Seltsames. Ungefähr zwei Kilometer nördlich von unserer Schölle taucht plötzlich ein Eisberg auf, ein Gigant, zusammengefügt aus dem Eis und Schnee vieler Winter. Ballo meint, daß er sich von der Küste losgelöst habe und von der Strömung südwärts getrieben werde Der Eisberg wirkt wie ein Ozeandampfer. Er zerstampft schwere Eisschollen und altes Treibeis, die sich ihm in den Weg stellen. Auch unsere Scholle liegt in der Richtung, in der er getrieben wird. Es scheint ausgeschlossen, einen Zusammenstoß zu vermeiden. Stumm rücken wir vier auf dem Schlitten zusammen. Kein Wort kommt über unsere Lippen, während wir das Unabänderliche erwarten.
Große, schwere Schneeflocken fallen, und obwohl der Eisberg kaum mehr einen Kilometer von uns entfernt ist, sehen wir ihn nicht mehr so deutlich wie bisher. Wir haben Angst, aber wir sind ganz ruhig, denn wir wissen daß wir nichts machen können, nur hoffen ..
Das Heranbrausen des Eisbergs ist ohrenbetäubend. Er gleicht einem gigantischen Meißel aus blauem Stahl, der sich unbarmherzig durch die Eisschollen bohrt. Vielleicht haben wir eine Chance, ihm zu entgehen. Aber sie ist so klein, daß wir nicht daran glauben. Diese Chance besteht darin, daß der Eisberg uns nicht zermalmt, sondern zur Seite schleudert Ballo erklärt uns den Unterschied
Liegt unsere Scholle dicht zwischen anderen Schollen in dem Augenblick, in dem uns der
Drang nach höheren Welten
Seine Mitschafe hielten es für arrogant, aber das war ohne weiteres ein Irrtum. Lediglich der Drang zum Höheren verursachte den Abstand zwischen ihm und den anderen. Während sich diese, den Kopf nach unten, blind für die übrige Welt, in stumpfer Herde über die Felder schoben, nichts im Sinn, als sich gegenseitig die saftigsten Blätter vor der Nase weg zu schnuipsen, hob jenes, verhaltener einherschreitend, den Schafskopf aus der Sphäre der bloßen niederen Gefräßigkeit empor und schaute voll heiterer Würde'in das leuchtende Abendrot.
Am meisten hingezogen fühlte es sich zu den Menschen. Ging oder fuhr ein solcher vorbei, dann eilte es zum Wege, begierig, einen Schimmer jener höheren Welt aufzufangen, darin diese Wesen lebten.
Da kam eines Tages knallend und stinkend ein seltsames Gefährt den Feldweg entlang geschlenkert. Das Schaf sprang herbei. Die beiden Männer Im Auto stießen sich an und hielten.
Laut blökend stob die Herde davon. Lächelnd stand das Schaf. Der Mensch winkte. „Jetzt, endlich, jetzt holt man mich in die eigentliche Welt!“ dachte das besondere Schaf.
Feierlich schritt es nach vollendeter Fahrt ln den lichtüberströmten Raum. Sehr viele Menschen waren beisammen, mindestens drei. Eben suchte es nach einer schicklichen Anrede, mit welcher es sich sogleich als der höheren Welt zugehörig zu erkennen gäbe — da sauste ein Knüppel.
Man öffnete seinen Hals und zog ihm das Fell «b.
Riesenmeißel trifft, so werden wir zermalmt. Treibt unsere Scholle dagegen in einem offenen Stück See, dann haben wir die Chance geschleudert zu werden. Unsere Scholle wird zwar in zwei, drei, vier, fünf, vielleicht sogar in zwanzig kleinere Schollen zerstückelt werden; aber wenn wir Glück haben, können wir uns festhalten. Wie gesagt, unsere Chance ist winzig klein, und wir rechnen nicht mit ihr. Wir treiben zwar einen Augenblick in einem breiten Streifen Wasser, blauschwarze Wellen umgeben unsere Scholle, aber die treibende Eiswüste verwandelt sich unausgesetzt. Bald stoßen wir mit anderen Schollen zusammen, bald schwimmen wir frei, um gleich wieder vom treibenden Eis umringt zu werden.
Der Eisberg nähert sich. Jetzt ist er nur noch 300 Meter von uns entfernt. Wir können seine gewaltigen Umrisse genau erkennen. Wie ein riesiges Gespenst dröhnt er auf uns zu.
Die Männer haben ihre Pfeifen angezündet, ich finde in einer meiner Taschen einen alten vergessenen Hustenbonbon, den ich in den Mund stopfe und verzweifelt zerkaue. Schweigend vornübergebeugt und abwar.tend. sitzen wir da. Immer näher kommt der Eisberg. Wir betrachten ihn — und warten.
Da nimmt Ballo die Pfeife aus dem Mund und fragt, ob wir etwas dagegen haben, daß er ein Vaterunser betet, für uns alle.
Jackie meint, daß das auf keinen Fall schaden könne. Die Jänner rauchen ihre Pfeife in langen, ruhigen Zügen, und ich lutsche den letzten Saft aus meinem Hustenbonbon.
Eine Hand legt sich auf meine Schulter. Ich glaube, daß es Roberts Hand ist, und wende ihm mein Gesicht zu. Aber Robert betrachtet starr den Eisberg, deT immer näher kommt. Er denkt gar nicht an mich. Da begreife ich, daß die Hand auf meiner Schulter Jackie gehört, und ich drehe mich um. Ich begegne Jackies klaren, blauen Augen und habe das Gefühl, daß er mir etwas sagen möchte. Aber Jackie schweigt und umfaßt mein Gesicht mit einem weichen zärtlichen Blick. Seine Hand gleitet von meiner Schulter, ich taste nach ihr, und unsere Finger umschließen einander. In dieser Sekunde weiß ich, daß Jackie an mich denken wird, wenn die Wellen über uns zusammenschlagen. Wir drücken uns dieHand. Das letzte Lebewohl. Dann wenden wir unsere Gesichter dem Eisberg zu und falten unsere Hände. Ballo beginnt sein Gebet.
„Vater unser —“
Das Brausen des nahenden Eisberges übertönt Balios Stimme. Wir hören nur Bruchstücke des uralten Textes.
„Dein Wille geschehe —“
Der Eisberg ist jetzt ungefähr 60 Meter von uns entfernt. Gnadenlos bohrt er sich zu uns durch.
„Vergib uns unsere Schuld —“
Der weiße Riese glitzert. Zwanzig Meter! Wir sind uns klar darüber, daß der gigantische Meißel unsere Flanke zerreißen wird.
„Sondern erlöse uns von allem Uebel —“
Die letzten Worte des Gebets kann Ballo nicht mehr aussprechen. Denn in dem Augenblick, in dem er und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit —“ beten will, zerschneidet der Eisberg unsere Scholle mit einem donnernden Dröhnen und — lieber Gott — schleudert uns zur Seite. Zwanzig, vielleicht dreißig Meter vom Eisberg entfernt, treiben wir weiter. (Fortsetzung folgt)