DONNERSTAG, 2 4. JULI 1952

Streit wegen Südbadens Schulden

Gegenseitige Vorwürfe / Ernennungsurkunden für zwei Regierungspräsidenten Drahtbericht unserer Stuttgarter Redaktion

STUTTGART. Die Landesversammlung in Stuttgart hat gestern in der letzten Sitzung vor den Ferien eine umfangreiche Tagesord­nung mit 42 Punkten bewältigt. Mehrere In­terpellationen konnten allerdings noch nicht beantwortet werden und die meisten Anträge sind ohne Aussprache an die zuständigen Ausschüsse überwiesen worden.

Zum Gegenstand heftiger Auseinanderset­zungen wurde die angebliche Verschuldung des Landesteils Südbaden gemacht. Die Erör­terung des Themas wurde spruchreif, nach­dem neben der CDU auch die Koalitionspar­teien einen Antrag auf Einsetzung eines Un­tersuchungsausschusses eingebracht und die Sozialdemokraten die Aufnahme dieses Ge­genstandes auf die Tagesordnung beantragt hatten.

Der Abg. M ö 1 le r (SPD) sprach vonmy­steriösen Vorgängen in der badischen Haus­haltswirtschaft. Der Haushaltsvoranschlag des südbadischen Landesteils weise einen Fehlbe­trag von 130 Millionen DM auf.Sie werden noch ihr blaues Wunder erleben, wenn die Regierung aus ihren bisherigen Andeutungen herauskommt. Der Fraktionsvorsitzende der CDU, Gurk, bezweifelte die Richtigkeit die­ser Angaben. Die Diskussion nahm heftige Formen an, als der Abg. H i 1 b e r. (CDU) der Regierung vorwarf, ihr ginge es nur darum, recht viele Kübel Dreck auszugießen. Er teilte mit, der Leiter der Abwicklungsstelle des badischen Finanzministeriums mit seinen Beamten verböten, den Abgeordneten der Op­position irgend welche Auskünfte zu geben. Die vom Ministerpräsidenten angeführten Zahlen über die südbadische Verschuldung stiegenanscheinend auf Grund des Multipli­kators von Stunde zu Stunde an.

Diese Mammutzahlen spuken nur im Kopf des Ministerpräsidenten. Unbestritten seien die sozialen Leistungen Badens und jeder­mann wisse, daß die Besatzungskosten in der französischen Zone übermäßig hoch gewesen seien. Die ganze Südweststaatpropaganda sei mit dem Argument der badischen Armut be­stritten worden. Unfair sei es, jetzt so zu. tun, als habe man von den badischen Schul­den nichts gewußt.Uns scheint, es geht dem Ministerpräsidenten nur darum, sich um die Einlösung der Wechsel zu drücken, die er vor der Volksabstimmung präsentiert hat. Wir lassen aber unser Nest nicht beschmutzen.

Ihm antwortete Dr. Maier, die Erörterung der badischen Schuldenwirtschaft sei durch den von der CDU ausgesprochenen Verdacht

Verwaltungsreform der Ostzone

Neuer Menschenraub in Berlin

BERLIN. Die sowjetisch lizenzierte Presse stand gestern ganz im Zeichen der außeror­dentlichen Sitzung der Volkskammer, auf der das neue Gesetz beraten werden soll, durch das die fünf Länderregierungen mit ihren Parlamenten aufgelöst und durch 14Bezirks­räte undBezirkstage ersetzt werden sol­len. Damit wolle man, wie das SED-Organ Neues Deutschland schreibt, eine .neuere, höhere Form der Demokratie einführen. Die. Staats- und Verwaltungsreform diene der Stärkung der aktiven Rolle des Staates.

Ein neuer Fall von doppeltem Menschen­raub durch die sowjetzonale Volkspolizei wurde gestern bekannt. Der 23jährige West­berliner Gustav Kahl und der 18jährige Horst K u t z k e, die wegen ihrer politischen Tätigkeit von der Volkspolizei gesucht wur­den, sind am II. Juni mit Hilfe eines sowjet­zonalen Agenten an die Zonengrenze gelodet, dort von vier Volkspolizisten und zwei So­wjet-Soldaten festgenommen und in die So­wjetzone verschleppt worden, teilt die West­berliner Polizei mit.

in Fluß gekommen. Er habe es für wünschens­werte gehalten, die Presse über die tatsäch­liche finanzielle Lage des neuen Bundeslan­des zu unterrichten. Im übrigen seien die an­geführten Zahlen keine Erfindungen der Re­gierung, sie stammten vielmehr von einem erprobten Beamten der badischen Finanz­verwaltung, der der Regierung eineDoku­ment zugeleitet habe. Die Parteien einigten sich, die beiden entsprechenden Anträge dem Untersuchungsausschuß zu überweisen.

Innenminister Ulrich sagte in Beantwor­tung einer Großen Anfrage der CDU, die vor­läufige Regierung werde alle Möglichkeiten ausschöpfen, damit die Straßenarbeit an der vorgesehenen Autobahnstrecke von Karlsruhe nach Basel vorangetrieben werden könnten.

Ministerpräsident Mr. Maier beantwortete

zwei Anfragen der CDU, die sich auf Karls­ruhe und Freiburg bezogen. Die Interpellan­ten wollten wissen, was die Regierung zur Entschädigung der beiden Städte tun wolle, nachdem als Sitz der neuen Landesregierung Stuttgart vorgesehen sei. Der Ministerpräsi­dent sicherte den beiden Städten eine Unter­stützung zu, ohne leichtfertige Versprechungen zu machen. Bei der Verteilung der Sitze der Behörden müsse auch Tübingen berücksichtigt werden.

In diesem Zusammenhang gab Dr. Maier bekannt, daß er gestern die Ernennungsur­kunden für zwei Regierungspräsidenten un­terzeichnet habe. Zum Regierungspräsidenten in Nordbaden wurde Dr. Huber (SPD) und zum Regierungspräsidenten von Südbaden der Abgeordnete der FDP, Dr. W a e 1 d i n , er­nannt

Minister Ulrich beantwortete auch zwei Große Anfragen über die Gemeinde- und Kreisord­nung und über das Gemeindewahlrecht. Über dieses Thema werden wir noch ausführlich berichten.

SPD greift Affäre Schmeißer auf

Entweder scharfe Strafe für den Agenten oder Blankenhorn muß gehen Drahtbericht unserer Bonner Redaktion

BONN. Aus Kreisen des SPD-Parteivorstan- des wird erklärt, die Beschuldigungen des früheren Agenten Schmeißer gegen Mini­sterialdirektor Blankenhorn müßten nachgeprüft werden. Sie konzentrierten sich auf die vier Fragen, ob Blankenhorn geheimes Nachrichtenmaterial an den französischen Nachrichtendienst gab, ob er laufend Gelder, Lebensmittel und Genußmittel von französi­schen Agenten erhielt, ob er den französischen Nachrichtendienst um Unterstützung der CDU gebeten habe, und schließlich auch auf die Frage, ob Blankenhorn die Möglichkeit einer Evakuierung von Kabinettsmitgliedem mit französischen Stellen diskutierte.

Das seien Beschuldigungen, so heißt es in einer schriftlichen Erklärung der SPD, wie sie bisher noch niemals gegen einen führenden Kopf der Bundesregierung, der zugleich Ver­

trauensmann des Bundeskanzlers ist, erho­ben wurden. Sollten sich die Beschuldigungen als Verleumdungen herausstellen,dann muß der Verleumder mit der ganzen Schärfe des Gesetzes bestraft werden und Herr Blanken­horn Genugtuung erhalten. Im anderen Fall wäre es selbstverständlich, daß Blankenhorn nicht einen Tag länger im Amt bleiben dürfe.

Es ergäbe sich auch angesichts der engen Verbindung zwischen Blankenhorn und dem Bundeskanzler die Frage, .ob dann der Bun­deskanzler sein Amt noch länger ausüben dürfe. Was das deutsche Volk von Dr. Aden­auer und Blankenhorn erwarte, heißt es in der Erklärung, sei, daß sie durch eine Klage vor einem ordentlichen unabhängigen Gericht ihrerseits alles Notwendige und Mögliche zur Klärungdieser Skandalaffäre hin. Man kön­ne solche Dinge nicht in der Stille erledigen.

Kleine Weltchronik

25. Tagung des Gesamtvorstandes des Gemeinde­tags Württemberg-Hohenzollern. Tübingen. Der Gesamtvorstand des Gemeindetags trat in Aulendorf zu seiner 25- Sitzung zusammen. Unter dem Vorsitz des Präsidenten, Oberbürgermeister Kalbfell, Reutlingen, wurden u. a. Fragen der eigenen Verbandsorganisation beraten.

Dr. Gebhard Müller im Rundfunkrat. Stuttgart. Die Verfassunggebende Landesversammlung von Baden-Württemberg hat gestern den frühe­ren Staatspräsidenten von Württemberg-Hohen- zollern, Dr. Gebhard Müller (CDU) einstimmig in den Rundfunkrat des Südwestfunks gewählt.

Wehrklage: Entscheidung am 30. Juli. Karls­ruhe. Das Bundesverfassungsgericht in Karls­ruhe hat gestern bekannt gegeben, daß sein er­ster Senat am kommenden Mittwoch, 30. Juli, die Entscheidung über die Zulässigkeit der Wehr­klage verkünden wird.

45 Jahre Zuchthaus für amerikanischen Solda­ten. München. Ein amerikanisches Militärge­richt in München verurteilte einen amerikani­schen Soldaten wegen schwerer Körperverletzung und Vergewaltigung zweier deutscher Frauen zu 45 Jahren Zuchthaus. Der Verurteilte wurde außerdem aus der Armee ausgestoßen.

Fast 2,58 Milliarden DM Steuereinnahmen im Juni. Bonn. Bund und Länder haben im Juni nach vorläufigen Berichten zusammen 2,58 Mil­liarden DM Steuern eingenommen.

Deutsch-schweizerisches Abkommen über Schutz- rechte unterzeichnet. Bonn. Das Bundesjustiz­ministerium gab die Unterzeichnung eines deutsch­schweizerischen Abkommens über die Wiederher­stellung gewerblicherfSchutzrechte bekannt.

Gesteigerter Luftverkehr in der Bundesrepublik. Bonn. Die Landungen unp Starts auf den Flughäfen des Bundesgebietes und in Westberlin haben nach einer Mitteilung des Statistischen

Bundesamtes mit Einführung der Sommerflug­pläne im Mai fast 11 Prozent gegenüber dem Vormonat zugenommen.

Margaret Truman besucht Deutschland. Bonn. Die Tochter Präsident Trumans, die sich ge­genwärtig auf einer Europareise befindet, wird sich vom 8. bis 12. August in der Bundesrepu­blik aufhalten und dabei auch Westberlin einen Besuch abstatten.

Deutsche Delegation nach Chile. Frankfurt. Eine deutsche Delegation unter der Leitung von Geheimrat Kundt vom Bundesinnenministerium ist gestern nach Santiago abgeflogen, um mit den chilenischen Behörden über Einwanderungs­möglichkeiten zu verhandeln.

Kultusminister fordern höhere Lehrerbesol­dung. Hannover. In einem offenen Brief an Bundesfinanzminister Schäffer fordert der nie­dersächsische Kultusminister Richard Voigt als Präsident der ständigen Kultusministerkonferenz, daß die Lehrergehälter aufgebessert werden.

Sowjetzone kürzt Zuwendungen an Kirche. Berlin. Die Regierungen der sowjetzonalen Länder Thüringen, Sachsen-Anhalt und Branden­burg haben die staatlichen Zuwendungen an die Evangelische Kirche um 1,4 Millionen Ostmark gekürzt.

Deutscher Arzt für Eva Peron. Kassel. Der Kasseler Leberspezialist und Facharzt für innere Krankheiten, Prof. Dr. Heinrich Kalk, ist in der Nacht zum Mittwoch von Frankfurt nach Argen­tinien geflogen, um Eva Peron, die Gattin des erkrankten argentinischen Staatspräsidenten, zu behandeln.

Größte USA-Granatenfabrik wegen Stahlman­gels geschlossen. Washington. Die größte Gra­natenfabrik der amerikanischen Streitkräfte in St. Louis ist wegen akuten Stahlmangels ge­schlossen worden, gab die USA-Armee am Diens­tag in Washington bekannt.

WIRTSCHAFT

Kein weiteres Absinken der Textilpreise

BONN. Die ansteigende Tendenz in der Be­kleidungsindustrie, die sich 1951 bemerkbar machte, habe sich auch auf das erste Halbjahr 1952 übertragen, wie der Bundesverband der Be­kleidungsindustrie in Bonn mitteilt. Die Mengen­konjunktur stehe im Vordergrund. Gegenwärtig hätten die Preise ihren äußersten Tiefstand er­reicht, betont der Verband; ein weiteres Absin­ken der Preise sei nicht mehr möglich.

Der Umsatz der Bekleidungsindustrie steigerte sich im Bundesgebiet von 2,53 Milliarden DM

1950 auf 3,35> Milliarden DM im Jahre 1951. Dem Umsatzwert nach stand die Bekleidungsindustrie

1951 unter den im Bundesgebiet vorhandenen 68 Industriezweigen an neunter Stelle; nach der Zahl der Betriebe lag sie Ende 1951 auf dem fünften, nach der Zahl der Beschäftigten auf dem sechsten Platz.

Billigere Zigaretten nicht vor 1953

HAMBURG. Mit der Ausgabe von verbilligten Zigaretten ist nicht vor Anfang 1953 zu rechnen, teilte die Zigarettenindustrie in Hamburg gestern mit. Erst müßten die Maschinen auf die neu» Produktion eingestellt und die alten Lagerbe­stände verbraucht werden. Der Bundestag wird sich voraussichtlich erst nach den Parla­mentsferien mit dem Gesetzentwurf beschäftigen.

Neue Aufgaben für die Drogerien

KÖNIGSTEIN. Im Mittelpunkt einer Tagung des Präsidialrates des Verbandes deutscher Dro­gisten in Königstein im Taunus standen die Ar­beiten an einem Arzneimittelgesetz, das Unter anderem eine stärkere Einschaltung der Droge­rie in die vorbeugende Gesundheitspflege regeln wird. Dabei wurde die Notwendigkeit betont, ein Gewerbezulassungsgesetz auf der Grundlage qualifizierter Sachkunde für die Handelsberufe zu schaffen. Ein solches Gesetz werde nach der Ratifizierung des Generalvertrages und nach Aufhebung der unbeschränkten Gewerbefreiheit im amerikanischen Besatzungsgebiet akut. Da der Drogistenberuf ein besonderes Maß an Sach­kunde und eine langjährige Fachausbildung er­fordere. und Fehler durch die Betätigung von Nichtfachleuten gesundheitliche Schädigungen der Bevölkerung zur Folge habe, werde der Drogi­stenberuf einer der ersten sein, die auf neuer Rechtsbasis bundesgesetzlich geregelt werden.

Firmen und Unternehmungen

STUTTGART. 6 Prozent Dividende bei Kamm­garn Bietigheim. Das Unternehmen erzielte im ver­gangenen, zum 31.12.1951 abgeschlossenen Geschäfts­jahr trotz allgemein ungünstiger Lage einen Rein­gewinn von 277 130 (Vorjahr: 309 300) DM, der sich um den Vortrag auf 425 250 DM erhöht. Die HV be­schloß am 22. Juli, daraus wieder 6 Prozent Divi­dende auf das AK. von 3,78 Millionen DM auszu­schütten Für freiwillige soziale Leistungen wur­den 353 800 (288 300) DM aufgewendet. Nach den Ab­satzschwierigkeiten und reduzierten Preisen des Vorjahres hat sich inzwischen die Lage wieder sta­bilisiert. Infolge der anziehenden Rohstoffpreise konnten größere Aufträge hereingenommen wer­den so daß die Gesellschaft schon ab 1. April 1952 wieder voll beschäftigt ist.

BONN. Zwei Chemiewerke aus alliierter Kon­trolle entlassen. Als Ergebnis der Aufspaltung ehe­maliger Vermögensbestandteile der IG-Farbenindu- strie-AG 1. L. hat die Alliierte Hohe Kommission die Titan-Gesellschaft mbH. Leverkusen, und da» Chemiewerk Homburg, Frankfurt a. M., aus ihrer Kontrolle entlassen. Die Bindungen der Titan-Ge­sellschaft an die ehemalige IG-Farbenindustrie AG werden vollkommen gelöst. Das Unternehmen, das Farbprodukte herstellt, ist die erste der Zwölf un­abhängigen Einheitsgesellschaften, die im Zuge der Aufspaltung des IG-Farben-Vermögens gebildet werden sollen.

Börsen: Grundtendenz nicht unfreundlich

STUTTGART. Der Ordereingang an den Börsen in der Bundesrepublik bewegte sich zwar weiter in engen Grenzen, doch war die Grundtendenz nicht unfreundlich Teilweise sah sich der Berufshandei zu kleinen Deckungen veranlaßt, denen ausreichen­des Angebot gegenüberstand. Größere Kursbewe­gungen blieben auf einzelne Werte beschränkt. Am Montanmark, bestand reges Interesse für Hoesch, die sich mehrprozentig verbessern konnten. Von dieser Entwich! ung wurden auch die übrigen Berg­bauwerte günstig beeinflußt IG Farben konnten sich gut behaupten. Großbanken tendierten erneut freundlicher und konnten sich leicht erholen.

Die Absicht, die mengenmäßig unbe­schränkten Wareneinfuhren aus den OEEC-Staaten von bisher 75 auf 80 Prozent zu er­höhen, hat die Bundesregierung dem Europäischen Wirtschaftsrat am Dienstag mitgeteilt. Der Rat der OEEC wird zu diesem Vorschlag Stellung nehmen.

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(Urheberrechtschutz Hermann Berger, Wiesbaden) Nachdrude verboten.

1 .

Abends gegen neun Uhr telefonierte Bert von Bremen aus mit Nell. Wenn er mit Nell sprach, verlor seine Stimme den gewohnten harten Klang.

Höre mal. Nell, es zieht sich hier in die Länge. Alle Achtung vor den Bremern, die sind noch zäher als wir.

Ist doch gar nicht möglich", antwortete Nell mit freundlicher Ironie.

Tatsache, wenn dus auch nicht glauben willst. Die Enkeworths sind wie Leder. Aber das Schiff bekommen wir trotzdem, und zwar für den Preis, den wir wollen. Auch die Bedingungen sollen sie uns nicht vorschreiben. Wir lassen nicht locker. Was machst du, Nell?

Eben hab ich zum Grammophon ge­tanzt. Den Chopin-Walzer, du weißt ja. Wunderbar! Und jetzt lege ich mir eine Patience.

Glaust du, daß sie aufgeht?

Sie muß aufgehen."

Wünschst du dir etwas?

Und ob! Immer das gleiche .. .* , ,

Erlachte...

Sie fragte:Bleibt Ihr die Nacht über ln Bremen?

Ausgeschlossen. Sobald wir hier fertig sind, fahren wir nach Hamburg zurück. Schlaf gut, Kind, ich wecke dich nicht... £i n 8 wieder in das Sitzungszimmer zurück. Der große dunkelgetäfelte Raum war grau von Zigarrenrauch. Über den grünbezogenen Tisch verstreut lagen Zeich­nungen und Tabellen. Rundherum auf den hochlehnigen Stühlen saßen die Schiffs­

makler, Enkeworth, Vater und Sohn; ein Prokurist und eine Stenotypistin der Firma; ferner Bert Heikens Bruder Jörn und die Anwälte und Sachverständigen, die man zugezogen hatte.

Der Kampf begann von neuem.

Endlich, um drei Uhr in der Nacht, wa­ren die Verhandlungen abgeschlossen und die Verträge wurden unterzeichnet. Jörn und Bert hatten ihr Ziel erreicht: dieIlse- Marianne, ein Frachtdampfer von vier­tausend Tonnen, ein tüchtiges Schiff in gutem Zustand, hatte den Besitzer gewech­selt und war von der Hamburgischen Helken-Linie übernommen worden.

Die Anwälte und Sachverständigen ver­abschiedeten sich. Gleich darauf standen die Heikens mit den Enkeworths auf der Straße. Die Frühlingsnacht war mild und dunkel. Brake, der Chauffeur der Brüder Heiken, riß den Schlag des schweren Wagens auf.

Jungs, krähte der alte Inkeworth mit seiner hellen Stimme, die sich leicht über­schlug,wollt Ihr wirklich schon nach Hamburg zurück? Ist doch so schön in un­serem alten Bremen. Darf ich Euch einen Vorschlag machen? Wir fahren zu den Goffs, Ihr kennt sie 1a. Die haben heute ein Gartenfest, vor fünf Uhr wird da nicht Schluß gemacht. Und dann ist es hell, da kommt Ihr besser über die Landstraße.

Machen wir, sagte Jörn.

Bert ergab sich schweigend in Schicksal.

Die Goffs waren Südamerika-Expor­teure, sie besaßen draußen an der Weser ein hübsches Landhaus. In den Bäumen hingen Lampions, jemand spielte leise Ziehharmonika. Die Brüder Heiken wur­den stürmisch begrüßt. Das Instrument setzte kräftiger ein und die Jugend begann auf der Terrasse zu tanzen.

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Bert traf einige Leute, die er kannte. Man sprach über dies und jenes. Indessen tanzte Jörn mit Corsr Enkeworth. Bert, der hin und wieder einen Blick zu den beiden hinüberwarf, stellte mit Genugtuung fest, daß sich die schlanke, große Cora lebhaft für Jöm interessierte und daß der Bruder ihr den Hof machte.

Prächtiges Mädel, dachte Bert, wirklich ein hübscher Kerl, und dabei so frisch und gesund. Und hat sicher den festen Charak­ter vom Vater. Die wäre etwas für . Jörn, die würde ihn schon an die Kandare neh­men. Nell müßte sie einmal nach Hamburg einladen ...

Bald nach vier Uhr war allgemeiner Aufbruch; ein Wagen nach dem anderen setzte sich in Bewegung. Es war schon hell.

Bert verabschiedete sich von Cora: Wenn Sie einmal nach Hamburg kom­men, müssen Sie telefonieren. Meine Frau würde sich sehr freuen.

Cora lächelte und sah Jörn ln die Augen.

Der Wagen der Heikens jagte über die Landstraße. Sie waren schon eine Strecke gefahren, da fragte Bert:Gefällt sie dir?

Jöm antwortete nicht. Er lehnte sich zurück und schloß die Augen. Sein schma­les, blasses Gesicht war ganz ohne Leben.

Um sechs Uhr passierten sie die Ham­burger Elbbrücken. Brake fuhr wie der Teufel. Die beiden Brüder schliefen im Rücksitz. Es war der Morgen des 31 Mai 1939. Uber dem Strom lag dünner Nebel.

Brake durchraste die Stadt und hielt an der Alster vor dem Portal eines der großen Hotels. Jörn stieg aus und reichte dem Bruder die Hand. Er war sichtlich müde.

Bert sah die hohe, etwas vorgeneigte Gestalt des Bruders in der Drehtür ver­schwinden. Jörn wohnte schon seit fast zwei Jahren im Hotel seit Berts Heirat.

Der Wagen durchquerte weiter die Stadt und erreichte schließlich die Elbchaussee. In der Tiefe lag der Strom, er glitzerte in der Frühsonne; der Nebel hatte sich zer­teilt.

Nach kurzer Zeit hielt der Wagen vor einem Gartenportal der Ovelgönne.

Brake stieg aus und öffnete das Tor. Die weite Rasenfläche leuchtete in frischem Grün Im Hintergrund, breit und gewich­tig, stand das Heiken-jlaus mit seinem Säulenvorbau, geiblich-weiß in neuem Öl­anstrich, ein Landsitz der neunziger Jahre. Der alte Mandeus Heiken, Großvater der beiden Brüder, der als Schiffsjunge seine Laufbahn begonnen und als Besitzer einer eigenen Reederei seine Augen geschlossen hatte, war der Erbauer.

Brake fuhr auf dem breiten Kiesweg um den Rasen herum. Als er vor der Säu­len hielt, trat Tiersch, der alte Diener, heraus.

Meine Frau schon auf? fragt Bert.

Tiersch nahm die schwere Aktentasche in EmDfang.Sitzt schon aufm Balkon, Herr Heiken

In zwanzig Minuten anständiges Früh­stück, Tiersch. Hab noch nichts gehabt heute morgen.

Bert lief über die breite weiße Treppe nach oben und verschwand in seinen Räu­men. Er duschte, rasierte sich und kam in einem Leinenanzug wieder zum Vorschein. Sein frisches, gut geschnittenes Gesicht hatte jetzt einen scharfen, angespannten Ausdruck angenommen. Er ging in sein Arbeitszimmer hinüber und kramte aus einem Fach seines Schreibtisches einen Brief hervor. Gestern mittag, kurz vor seiner Abfahrt nach Bremen, hatte er ihn erhalten und nun las er ihn zum zweiten­mal. Und wieder packte ihn ein Angst­gefühl ,.. Fortsetzung folgt