HEIMATBLATT FÜR STADT UND LAND
CALWER ZEITUNG
DONNERSTAG, 24. JULI 1952
ÜBERPARTEILICHE TAGESZEITUNG
8. JAHRGANG / NR. 128
Oberste Gewalt In Aegypten von der Armee übernommen
Unblutiger Staatsstreich / Hilali Pascha zurückgetreten / Nicht übersehbare Lage
Carl Severing t
Dr. h. c. Carl Wilhelm Severing, Reichs- und Preußischer Staatsminister a. D., ist gestern in Bielefeld im Alter von 77 Jahren gestorben
KAIRO. Das ägyptische Heer führte gestern einen unblutigen Staatsstreich durch und besetzte die Hauptstadt Ägyptens, Kairo. Generalmajor N a g u i b, dessen Ernennung zum Kriegsminister im zurückgetretenen Kabinett Sirri Pascha König Faruk ablehnte, soll den Staatsstreich geführt haben. Das ägyptische Heer hat nach der Besetzung Kairos sofort eine Säuberung des Heeresoberkommandos und des politischen Lebens in Ägypten gefordert.
Generalmajor Naguib sprach über den Kairoer Rundfunk. Iri seiner Erklärung warnte er vor Gewaltanwendung und sicherte den in Ägypten lebenden Ausländern den Schutz Ihres Eigentums zu. Nach einer anderen Meldung des Senders Kairo soll General Naguib Oberbefehlshaber des -gesamten ägyptischen Heeres geworden sein. Der General habe insbesondere unter den jüngeren Offizieren einen starken Anhang.
Der ägyptische Ministerpräsident Hilali Pascha hat König Faruk wenige Stunden nach
Wende der französischen Saarpolitik?
Schuman schlägt Saarbrücken als endgültigen Sitz der Montanbehörden vor
PARIS. Die Pariser Außenministerkonferenz der sechs Schumanplanstaaten begann gestern mit einer Sensation, als der französische Außenminister Robert Schuman zur Überraschung der anderen Teilnehmer Straßburg als vorläufigen und Saarbrücken als späteren endgültigen Sitz der europäischen Montanunion vorschlug. Die fünf anderen Delegationen beantragten daraufhin die sofortige Vertagung der Konferenz, um den Vorschlag prüfen zu können. Sie wird erst heute fortgesetzt.
Schumans Vorschlag schlug wie eine Bombe ein, denn es war erwartet worden, daß Frankreich für Straßburg eintreten werde, da es sich bisher gegen die Wahl Saarbrückens als Sitz der Hohen Behörde und eine — vom Bundeskanzler befürwortete — „Europäisie- rung“ der Saar als Voraussetzung dafür ge
sträubt hatte. Die Saarfrage, eines der Hauptanliegen des Bundeskanzlers auf der Pariser Konferenz, ist dadurch von Frankreich selbst aufgegriSen worden.
Die Erörterung der Saarfrage in Paris steht nicht nur im Zusammenhang mit der Frage der Schumanplanorganisation, sondern auch im direkten Zusammenhang mit dem schon vorher eingebrachten Vorschlag Frankreichs, daß die Konferenz einen politischen Zusammenschluß Europas vorbereiten solle.
Die deutsche Bundesregierung hat gleichzeitig die Ratifikationsurkunde über den-Schu- manplan-Vertrag im französischen Außenministerium hinterlegt. Die Urkunde ist vom Bundespräsidenten unterzeichnet. Damit hat die Bundesrepublik die letzte Formalität vor dem Inkrafttreten des Vertrages über die Montanunion erledigt.
In Persien herrscht wieder Ruhe
Ghavam verhaftet / Britische Hoffnungen auf dem Nullpunkt
TEHERAN. Der in der vergangenen Woche mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragte und wenige Tage später unter dem Druck von blutigen Massendemonstrationen der Anhänger Mossadeqs wieder zurückgetretene liberale persische Politiker Ghavam Suitaneh ist gestern in Gom, 80 km südlich von Teheran, verhaftet worden. Er hatte dort im Hause eines Freundes Zuflucht gesucht.
Ministerpräsident Mossadec^ hatte verschärfte Grenzkontrollen befohlen, um eine Flucht Ghavams in das Ausland zu verhindern., Die Nationale Front Mossadeqs will das Millionenvermögen Ghavams beschlagnahmen und für die Familien derer verwenden lassen, die bei den Unruhen in Teheran ums Leben gekommen sind. Mit der Wiedereinsetzung Mossadeqs als Ministerpräsident ist wieder Ruhe in Teheran eingekehrt. Gelegentlich sieht man noch Gruppen von Demonstranten, die jedoch
Keine Spa tun» der Demokraten
Stevensons Chancen ständig im Wachsen
CHIKAGO. Die Einheit der demokratischen Partei und die Annahme des Wahlprogramms (Plattform) scheint nach der zweiten Sitzung des Parteikonvents in Chikago gesichert. Die von den Südstaaten drohende Spaltung des Konvents konnte durch einen noch geheimen Kompromiß über die von Truman geforderte Sicherung der Bürgerrechte der farbigen Bevölkerung verhindert werden.
Auch in der Frage der sogenannten „Treueverpflichtung“ bahnt sich eine Einigung an. Diese Verpflichtung würde jeden Staat binden, bei den Wahlen im November den offiziellen Kandidaten der Partei auf die Listen zu setzen.
Unterdessen läßt der Verlauf des Konvents immer stärker darauf schließen, daß die 1230 Delegierten den „unfreiwilligen Bewerber“, Gouverneur Adlai Stevenson (Illinois) zum demokratischen Präsidentschaftskandidaten und Gegner Eisenhowers nominieren werden. Mit Spannung wird eine Erklärung Präsident Trumans erwartet, in der er den Mann nennen will, den er wünscht. Die Ab- *timmung über den Präsidentschaftskandidaten findet voraussichtlich heute statt.
der Machtergreifung durch die Armee den Rücktritt seines Kabinetts eingereicht, teilte der königliche Kabinettschef A f i f i Pascha mit. Hilali Pascha war erst einen Tag im Amt. König Faruk hat den Rücktritt angenommen und Ali Mäher Pascha mit der Bildung eines neuen Kabinetts betraut. Zwischen der Sommerresidenz des Königs in Alexandria und Kairo gehen ständig Kuriere hin und her.
Nach Berichten aus Kairo ist der Umsturz fast ohne Blutvergießen vonstatten gegangen. Nur im königlichen Palast soll es zu einem kurzen Gefecht mit der königlichen Garde gekommen sein. Vor allen Regierungsgebäuden, Banken und großen Geschäftshäusern sind Panzer und Mannschaftswagen aufgefahren. An den strategischen Punkten der Stadt sind Maschinengewehmester verteilt.
Nach unbestätigten Berichten aus den Nahost-Staaten soll der private Hubschrauber König Faruks bei dem Versuch, auf eigene Faust vom Kairoer Flugplatz zu starten, abgeschossen worden sein. Auch ein zweites Privatflugzeug König Faruks sei am Start gehindert worden, doch habe sich Faruk in keiner der Maschinen befunden.
Beamte des Londoner Foreign Office erklären zu dem Putsch in Ägypten, Naguib wolle Faruk offenbar demonstrieren, daß die gesamte ägyptische Armee der ständigen Kabinettskrisen, der Unterschlagung öffentlicher Mittel und der Palastintrigen müde sei Naguib ist als Mann von untadeligem Charakter bekannt. Die weitere Entwicklung ist bis zur Stunde noch nicht übersehbar.
BIELEFELD. Der frühere preußische Innenminister Dr. h. c. Carl Severing ist in den frühen Morgenstunden des gestrigen Tages nach längerer Krankheit gestorben. Er stand im 78. Lebensjahr. Der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Karl Arnold, hat zum Ableben Severings sein herzlichstes Beileid ausgesprochen. Die Landesregierung hat für den Bezirk Detmold die Be- flaggung der staatlichen Gebäude auf halbmast angeordnet
Severings Name ist verknüpft mit über 50 Jahren deutscher Politik. Bis 1918 stand er im Ringen um die Gleichberechtigung der Arbeiterklasse. Nach 1918 wurde es seine Aufgabe, als einer ihrer führenden Köpfe höchste Verantwortung im Staatsleben der Weimarer Republik mitzutragen. Es gab auf seinem Lebensweg manche Entscheidung, die umstritten ist. Dazu gehört seine Haltung an jenem 20. Juli 1932, als er dem Gewaltstreich v. P a - p e n s wich, ohne zum Volksaufstand aufzurufen. Unbestritten, auch von seinen politischen Gegnern, aber ist seine persönliche Integrität, seine Nüchternheit und sein Gemeingeist.
Trauerfeier für Frau Heuß
BONN. Unter der Teilnahme von Vertretern der Bundesregierung, des Bundestages, der Länder, des Diplomatischen Korps und der Bonner Bevölkerung nahm die Bundeshauptstadt am Mittwoch Abschied von der verstorbenen Gattin des Bundespräsidenten, Frau Elly Heuß-Knapp. In feierlichem Geleit wurde die sterbliche Hülle der Verschiedenen nach einer Trauerfeier in der Bonner Lutherkirche am Mittwochabend zum Hauptbahnhof gebracht, wo der Sonderzug des Bundespräsidenten nach Stuttgart wartete. Ein mit vier Pferden bespannter Wagen fuhr den Sarg, hinter dem der Bundespräsident folgte.
Bemerkungen zum Tage
„Mit reinen Händen"
hr. Dem langjährigen Gewerkschaftler und sozialdemokratischen Politiker Carl Severing wurde nach seinem Rücktritt im Jahre 1926, dem schwerste innenpolitische Kämpfe
Weltbund der Hilfsbereitschaft
wn. Die Lutherischen der Welt blicken in diesen Tagen auf Hannover, wo die Vertreter von 80 Millionen evangelischer Christen aus der ganzen Ökumene zu der vom 25. Juli bis
nicht mehr protestieren, sondern Freudenkundgebungen über die Entscheidung des Haager Gerichtshofes abhalten, der sich am Dienstag für den britisch-persischen ölstreit als nicht zuständig erklärt hatte.
Die Entscheidung des internationalen Gerichtshofes im Haag hat in der britischen Öffentlichkeit die vor wenigen Tagen wieder aufgelebten Hoffnungen auf eine Beilegung des Konfliktes mit Persien auf den Nullpunkt sinken lassen. Nach britischer Auffassung sind nunmehr zunächst alle Wege zu einer auch nur begrenzten Lösung verschlossen.
Mossadeqs doppelter Sieg, im Haag und in Teheran, wird in London durch Berichte unterstrichen, daß sofort ein Wettlauf von Tankern um das persische Öl eingesetzt habe. Sieben Tankschiffe sollen von Italienischen Häfen aus nach Abadan ausgelaufen sein. .
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Nach letzten Meldungen Soll es dem verhafteten Ex-Ministerpräsidenten Gahvam doch gelungen sein, wieder zu entkommen. Eine Bestätigung steht allerdings aus.
vorausgegangen waren, von dem im gegne- ,stattöndende^Ta|^g^M^Luthe-
rischen Lager stehenden Berliner Lokalanzei- ~~ ~
ger das Zeugnis ausgestellt, „daß er mit reinen Händen den Staatsdienst wieder verläßt, zu dem er sich nicht gedrängt hat“. Das kann für sein ganzes Leben stehen. Niemals schob sich Severing nach vorn, nie ging er, vom Ehrgeiz getrieben, krumme Pfade, und doch trug ihn das Schicksal Stufe um Stufe empor bis zum Sessel des preußischen Innenministers.
So wurde der Sohn eines Zigarrensortierers, ein gelernter Schlosser, der Reorganisator der preußischen Polizei, mit der sich dieser größte Staat der Weimarer Republik bis zum letzten Tage erfolgreich des Terrors von links und rechts erwehren konnte. Aber das ist es noch nicht eigentlich, was uns heute mit einer Art neidvoller Verehrung dieses Mannes gedenken läßt. Severing behauptet in seinen Lebenserinnerungen zu Recht von sich: „Ich habe das Gute auch dann gutgeheißen, wenn es einen anderen als den mir erwünschten Stempel trug.“ Und an anderer Stelle: „Wenn ich zu wählen hatte zwischen parteipolitischer Zweckmäßigkeit und menschlicher Anständigkeit, dann habe ich mich ohne Wanken stets für die menschliche Anständigkeit entschieden.“ Kurzum, in einer Zeit, in der nicht nur auf den Bühnen des Theaters die „Schmutzigen Hände“ eine große Rolle spielen, gewin-' nen die reinen Hände Severings, die er bis zum Tode behielt, schon beinahe die Bedeutung eines Stückes guter alter Zeit. Einer Zeit, von der man nur hoffen kann, daß sie nicht für immer tot sein möge.
ÖiyMPiSCHE^SÖMMERS FIEL E 1952
tine Silbermedaille im Rudern
Deutscher Achter nur Fünfter / Vier Goldmedaillen für USA
HELSINKI. Obwohl auch gestern wieder ein umfangreiches leichtathletisches Programm abgewickelt wurde, standen am Mittwoch die Entscheidungen der Ruderer im Mittelpunkt der Olympischen Spiele. Auffallend bei den insgesamt sieben Entscheidungen war das gute Abschneiden kleinerer Nationen wie Argentinien, Jugoslawien nnd die Tschechoslowakei, die je eine Goldmedaille gewannen. Rußland erhielt eine und die USA zwei. Von den beiden deutschen Booten erkämpfte sich der Zweier mit Steuermann eine Silbermedaille, während der Achter auf den fünften Platz kam.
Im Speerwerfen und im 200-m-Lauf gab es wiederum zwei Goldmedaillen für Amerika. Über 200 m holten sich die Amerikaner sogar
alle drei Medaillen. Der Brasilianer Silva stellte im Dreisprung mit 16,22 m einen neuen Welt- und Olympischen Rekord auf.
Speerwerfen: Gold: Young, • USA, 73,78; Silber: Miller, USA, 72,46; Bronze: Hyy- tiainen, Finnland, 71,89.
Dreisprung: Gold: da Silva, Brasilien, 16,22; (Olympischer und Weltrekord); Silber: Scherbakow, Rußland, 15,98; Bronze: Devonish, Venezuela, 15,52.
200 Meter: Gold: Stanfield, USA, 20,7 (Olympischer Rekord eingestellt); Silber: Baker,USA,20,3; Bronze: Gathers USA, 20,8.
Weitsprung Frauen: Gold: Yvette Williams, Neuseeland, 6,24; (Olympischer Rekord); Silber: Tschudina, Rußland, 6,14; Bronze: Cawly, England, 9,92.
rischen Weltbundes zusammengekommen sind. Die Anfänge des Bundes gehen auf den Ruf um Unterstützung zurück, der um 1840 aus deutschen Auswandererkreisen an ihre Heimatkirchen ergangen ist. Heute wie früher ist die Hilfsbereitschaft und weltweite Liebestätigkeit die treibende Kraft des Bundes. Nicht umsonst ist für die hannoversche Tagung die Gründung eines „Lutherischen Weltdienstes“ vorgesehen, der in der Lage sein soll, in Notstandsgebieten die Hilfe aller Kirchen einzusetzen. Die Luther-Renaissance, aus theologischen Überlegungen des skandinavischen und deutschen Luthertums hervorgegangen, wurde besonders in den englischsprechenden Ländern zu einem Faktor von ökumenischer Bedeutung. Sie erweist, daß die seelsorgerischen Kräfte der Reformation auch unserer Zeit zu helfen vermögen. In doppeltem Sinne ist daher der Lutherische Weltbund weit über seine zahlenmäßige oder lokale Stärke hinaus bedeutsam. Die Auseinandersetzung zwischen Kirche und Welt ist jedoch kein Gegenstand für intellektualisti- sche Diskussionen. Wenn es in der Welt brennt, dann muß die Kirche so handeln, wie es die Männer im Feuerofen einstmals taten. Sie haben nicht diskutiert, sondern Gott angerufen.
Kritik der „Keite’er Wadit“
Zur Auswahl der Aufsichtsratsmitglieder
KÖLN. Das Organ der katholischen Arbeiterbewegung „Ketteler-Wacht“ kritisierte gestern die Auswahl der DGB-Vertreter für die Aufsichtsratsposten in der Kohle- und Stahlindustrie. Das Blatt wendet sich dagegen, daß eine große Zahl von Aufsichtsratsposten an einzelne hohe Gewerkschaftsfunktionäre übertragen wird. Der Deutsche Gewerkschaftsbund müsse bei öVs Millionen Mitgliedern und einigen Tausend Funktionären genügend sachkundige und tüchtige Leute haben, um zu vermeiden, daß einer mehr als einem Aufsichtsrat angehört. Es müsse vermieden werden, daß Aufsichtsratsmitglieder die halbe Zeit entschuldigt oder unentschuldigt fehlten und wegen Überlastung nur ab und zu abgehetzt an einer Sitzung teilnehmen könnten. Das liege nicht im Sinne der Mitbestimmung, die eine echte Mitverantwortung voraussetze.
Das Blatt kritisiert ferner,'daß bei der Auswahl der Aufsichtsratsmitglieder durch den DGB „keinesfalls allein fachliches Können und charakterliche Eignung“ entschieden hätten. Für die Posten der Unparteiischen hätten die Gewerkschaften vielfach Männer vorgeschlagen, die niemals Gewerkschaftsmitglieder waren, aber fast ausschließlich der SPD angehörten oder ihr naheständen.