MITTWOCH, 23. JULI1952

Dr. Maiei zur F>nanza«e

Rigorose Sparsamkeit angekündigt

STUTTGART. Der Mv ; terpräsident von Baden-Württemberg, Dreinhold Maier, hat gestern auf einer Tressekonferenz eine rigorose Sparsamkeit in: neuen Bundesland angekündigt, weil es vom alten Lande Süd­baden eine Schuld von insgesamt 130 Millio­nen DM übernehmen mußte.

Von dieser Summe seien allein 70 Millionen DM kurzfristige Forderungen. Unter diesen Umständen werde das Land in einebedrängte Situation kommen, und man werde wichtige Vorhaben nicht in der beabsichtigten Weise verwirklichen können. Dagegen hätten die al­ten Länder Württemberg-Hohenzoüern und Württemberg-Baden keine effektiven Schul­den in «das neue Bundesland mitgebracht.

Die CDU-Fraktion der Verfassungsgebenden Versammlung hat am Dienstag beschlossen, die Einsetzung eines Parlamentarischen Un­tersuchungsausschusses zu beantragen, der die Verdächtigungen der Mitglieder der vorläu­figen Regierung bezüglich des Finanzgebah- rens der südbadischen Regierung auf ihren Wahrheitsgehalt prüfen soll. Ministerialdirek­tor Vowinkel vom Finanzministerium ist nicht bereit, Einzelheiten über die angebliche Verschuldung Südbadens, insbesondere über die Gläubiger, die Art der Schulden, die Zins­verpflichtungen usw. bekanntzugeben. Dar­über wünsche der Finanzminister in seiner Etatrede zu sprechen.

Im Gegensatz zu den Ausführungen des Ab­geordneten Möller, daß die Regierung von der Verschuldung Südbadens völlig überrascht sei, erklärte der ehemalige Staatspräsident von Württemberg-Hohenzollem, Dr.Gebhard Mül­ler, daß Südbaden verschuldet sei, wisse man seit Jahr und Tag. Müller sagte:Man soll sich hüten, aus der finanziellen Situation Süd­badens politische Geschäfte zu machen. Die badische Finanzpolitik ist ja letzten Endes von allen Parteien des Freiburger Landtags getragen worden. Ministerpräsident Dr. Maier erklärte dazu, es handle sich bei dieser Angelegenheit nicht um einen Propa­gandaschlager der Regierung.

Noch ke*ne Entscheidung

Lehnt Stuttgart Betriebsverfassung ab?

STUTTGART. Die Regierung von Baden- Württemberg hat noch keinen Beschluß dar­über gefaßt, wie sich die Vertreter des Lan­des im Bundesrat bei der Abstimmung über das Betriebsverfassungsgesetz verhalten sol­len. Wie Ministerpräsident Maier mitteilte, wird die Regierung zunächst überprüfen, in­wieweit das Betriebsverfassungsgesetz von den entsprechenden Bestimmungen der Ver­fassungen der drei bisherigen südwestdeut­schen Länder abweicht Erst dann könne eine Instruktion der Vertreter des Landes Baden- Württemberg im Bundesrat erfolgen.

Enttäuschte Häftlinge

hf. BONN. In der Partei-Korrespondenz der FDP wird die Enttäuschung der Häftlinge in Werl, Wittlich und Landsberg betont. Sie ist, wie der Bundestagsabgeordnete Dr. M e n d e erklärt, auf die unerfüllten Hoffnungen nach der Unterzeichnung der Bonner Verträge zu­rückzuführen. Mende bestreitet, daß die spür­bare Enttäuschung in der von ihm vorgeschla­genenVorschlagsliste zu suchen sei. Diese Liste, so sagte Mende weiter, biete immerhin die Möglichkeit eines ersten Schritts zur Lö­sung des Kriegsverbrecherproblems.

In parlamentarischen Kreisen wird bei der Erörterung dieser Frage auch auf die Erklä­rung McCloys verwiesen, der einige Tage vor seiner Abreise erklärt hat, daß die Freilassung aller oder der meisten Kriegsverbrecher als Preis für die Unterzeichnung der Verträge durch die Bundesrepublik nicht in Frage komme.

Zeitpläne für die Gesetzesarbeit

Stuttgarter Regierung legt Dringlichkeit der einzelnen Entwürfe fest

STUTTGART. Die vorläufige Regierung von Baden-Württemberg hat ein Verzeichnis an­gelegt, das die Reihenfolge festsetzt, in der die Gesetzentwürfe von den einzelnen Mini­sterien ausgearbeitet und der verfassung­gebenden Landesversammlung vorgelegt wer­den sollen. Das Verzeichnis enthält drei Grup­pen von Gesetzentwürfen, und zwar: 1. solche, die beschleunigt ausgearbeitet und von der Landesversammlung beraten werden sollen, 2. solche, die so dringend sind, daß sie noch vor Verabschiedung der Verfassung bei der Landesversammlung eingebracht werden sol­len und 3. Gesetzentwürfe, die ebenfalls vor­dringlich sind, deren Ausgestaltung aber von der Verfassung des Landes Baden-Württem­berg abhängig ist.

Unter Gruppe 1 fallen aus dem Ressort des Innenministeriums u. a.: Landtags-, Kreis- und Gemeindewahlrecht. Wohnbauförderungs­gesetz und Gesetz über die Angleichung der beamtenrechtlichen Bestimmungen: aus dem Finanzministerium das Gesetz über die Er­

hebung eines Zuschlags zur Grunderwerbs­steuer. Zu Gruppe 2 zählen u. a. aus dem Justizministerium: Angleichung der Entschä­digungsgesetze auf dem Gebiet der Wieder­gutmachung; aus dem Innenministerium: Ge­meinde- und Kreisordnung sowie der Finanz­ausgleich zwischen Land und Gemeinden; aus dem Wirtschaftsministerium: das Gesetz über die Landeszentralbank, und aus dem Arbeits­ministerium: Ausdehnung des württember- gisch-badischen Flüchtlingsrentengesetzes auf das ganze Land. Die Gruppe 3 umfaßt ein Ge­setz über die Organisation der Landesverwal­tung und über die Schulgeld- und Lernmittel­freiheit.

In einer von der Regierung erlassenen Ver­ordnung wird bestimmt, welche Aufgaben die neuen Ministerien von den Abwicklungsstel­len übernehmen. Danach übernehmen die Mi­nisterien alle Aufgaben, die ihnen als ober­sten Dienstbehörden auf dem Gebiet des Be­amten-, Besoldungs-, Versorgungs- und Ta- rifrechls obliegen.

DIE MEINUNG DER ANDERN

Regierung drängt Fette zur SPD

Die BaslerNational-Zeitung" be­schäftigt sich gestern mit den möglichen Aus­wirkungen der Annahme des Betriebsver­fassungsgesetzes auf die politische Haltung des DGB:

Die Äußerung Christian Fettes, der DGB werde dafür sorgen, daß alle Wahlberechtigten wissen, welche Abgeordneten sich im Parlament für die Forderungen der Gewerkschaften einge­setzt haben, ist nicht unbedingt die Ankündi­gung eines Wandels in der .Gewerkschaftspolitik. Der DGB fühlt sich jedoch überfahren und Fette ist durch die Regierung selbst an die Seite jener SPD gedrängt worden, deren Mitglied er zwar ist, mit der er sich in der letzten Zeit aber nicht allzu gut verstanden hat. Falls Fette nun aber das Steuer allzu brüsk herumwirft und der Ge­werkschaftsbund im kommenden Wahlkampf all­zu deutlich die SPD unterstützt und die heuti­gen Regierungsparteien bekämpft, würden die Gewerkschaften dadurch nur denjenigen in die Hände arbeiten, die seit langem alles mögliche versuchen, um die Einheitsgewerkschaft aufzu­spalten."

Zusammenarbeit statt Föderation

In ihrem Leitartikel über die Konferenz der Außenminister der sechs Staaten der Montanunion in Paris erörtert die englische Time s die Haltung Großbritanniens ge- gegenüber den europäischen Föderationsplä­nen:

Die britische Politik muß die Zusammenarbeit einer Föderation vorziehen... Großbritannien muß Zusammenarbeit in einem größeren Rahmen anstreben, als ihn die sechs kontinentalen Mächte darstellen. Es ist eigentlich kein Grund dafür zu sehen, daß die beiden Ziele europäische Fö­deration und umfassendere britische Zusammen­arbeit nicht innerhalb der atlantischen Ge­meinschaft zueinander passen sollen, vorausge­setzt, daß das europäische System nicht eine starre und explosive Form annimmt, und daß da* weitere Feld der Zusammenarbeit nicht um de* kleineren willen aufgeteilt wird.

CDU-VerJassungsentwurl

Staatspräsidentenwahl durch das Volk th. STUTTGART. Der Entwurf der CDU für die Verfassung des Südweststaates, dessen Be­ratung gestern von der Fraktion abgeschlos­sen wurde, sieht die Einrichtung eines Senats und die Wahl des Staatspräsidenten direkt durch das Volk vor. Im Senat sollen verschie­dene Organisationen durch insgesamt 45 Mit­glieder vertreten sein, die auf sechs Jahre ge­wählt werden. Seine hauptsächliche Aufgabe soll die Mitwirkung an der Gesetzgebung sein. Meinungsverschiedenheiten mit dem Landtag über eiq Gesetz soll ein hiezu berufener Ver­mittlungsausschuß bereinigen.

Bei der direkten Wahl des Staatspräsiden­ten soll die Mehrheit der abgegebenen Stim­men entscheiden. Als Amtsdauer sind , sech* Jahre vorgesehen. Ihm obläge es, die Ernen­nung und Entlassung der Minister und Staatssekretäre vorzunehmen, doch bedürfen diese Handlungen der Bestätigung durch den Landtag mit einfacher Mehrheit. Eine Volks­abstimmung über die Abberufung des Staats­präsidenten soll der Landtag mit Zweidrittel- Mehrheit herbeiführen können. Die Ableh­nung seiner Abberufung soll die Auflösung des Landtags automatisch zur Folge haben,

Müller iordert Volksabstimmung

BALINGEN. Der frühere Staatspräsident von Württemberg-Hohenzollern. Dr. Gebhard Müller, forderte am Montag auf einer öf­fentlichen Versammlung in Balingen erneut eine Volksabstimmung über c}ie künftige Ver­fassung des Landes Baden-Württemberg und nach Verabschiedung der Verfassung Land­tagsneuwahlen.

Dr. Müller erklärte wörtlich:Noch sind alle Möglichkeiten für eine Änderung der unhalt­baren Verhältnisse im neuen Bundesland vor­handen.

Es bleibt bei Dr. Lukasdiek

Keine Veränderungen im Kabinett / Außenminister erst nach Ratifizierung Drahtbericht unse

BONN. Bundeskanzler Dr. Adenauer empfing am Dienstagvormittag vor seiner Ab­reise nach Paris Vertriebenenminister Dr. L u- kaschek, um dessen möglichen Rücktritt es in den letzten Tagen in Bonn zahlreiche Spekulationen gegeben hatte. In einer offi­ziellen Erklärung der Regierung heißt es nach der Unterredung, daß über die Frage, ob und welche Änderungen in der Zusammensetzung des Kabinetts eintreten werden, erst nach den Parlamentsferien entschieden würde.

Bekanntlich war es vor einigen Wochen aus den Kreisen um Dr. Kather zu Schritten wegen des Rücktrittes Dr. Lukascheks gekom­men und der Kanzler schien einige Zeit be­reit, diesen Forderungen nachzukommen. Ei-

KSeine Weltchronik *

Abschiedsfeier der Rektoren-Konferenz für Mc- Cloy. Tübingen. In Gegenwart der Rektoren aller deutschen Länder überreichte der Präses der westdeutschen Rektorenkonferenz bei der Abschiedsfeier für den scheidenden Hohen Kom­missar McCioy in Bonn, Prof. D. Dr. Thielicke, eine Dankadresse der deutschen Hochschulen. McCioy ist am Montag von Bremen aus nach Amerika abgereist.

ÖTV erhebt Feststellungsklage wegen Perso­nalvertretungsgesetz. Stuttgart Der geschäfts­führende Hauptvorstand der Gewerkschaft ÖTV und die Bezirks- und Fachabteilungsleiter der Gewerkschaften haben gestern beschlossen, im Zusammenhang mit dem Betriebsverfassungsge­setz die Feststellungsklage beim Bundesverfas­sungsgerichtshof zu erheben, ob der Bundestag berechtigt sei, für den öffentlichen Dienst ein gesondertes Personalvertretungsgesetz zu schaffen.

Ausgleichszahlung auch für Warte- und Ruhe­standsbeamte. Stuttgart. Die vorläufige Regie­rung von Baden-Württemberg hat auf einer Mi­nisterratssitzung beschlossen, daß die Empfänger sogenannter beamtenrechtlicher Versorgungsbe­züge am 1. September dieses Jahres eine Aus­gleichszahlung in Höhe des halben Juni-Gehaltes erhalten sollen. Damit ist dieser Personenkreis den anderen Beamten gleichgesetzt worden.

Bundesverfassungsgericht berät Wehrbeitrags­klage. Karlsruhe. Der erste Senat des Bun­desverfassungsgerichtes hat gestern unter dem Vorsitz von Präsident Dr. Höpker-Aschoff mit der Beratung über die Zulässigkeit der Feststel­lungsklage der 144 Bundestagsabgeordneten zum Wehrbeitrag begonnen. Ob das Gericht, wie ur­sprünglich angenommen, schon am Freitag über die Zulässigkeit des Antrages entscheiden kann, ist fraglich.

er Bonner Redaktion

ner der Gründe dafür sei die Überlegung, daß sich mit Dr. Kather, dem Vorsitzenden des Zentralverbands der vertriebenen Deutschen, möglicherweise gegenüber den Heimatvertrie­benen eine stärkere Position gewinnen ließe als mit Dr. Lukaschek.

Die wiederholt diskutierte Ernennung eines Außenministers im Hinblick auf die Wahl­vorbereitungen für das nächste Jahr, in die sich der Bundeskanzler aktiv einsehalten will, wird, wie wir erfahren, in keinem Falle vor der dritten Lesung der Ratifikationsgesetze über die Verträge aktuell sein. Als aussichts­reichster Kandidat für diesen Posten wird im­mer noch der Präsident der Wiederaufbau­bank, Abs, genannt.

Telegramm Adenauers an Severing. Bonn. Bundeskanzler Dr. Adenauer hat ein Telegramm an den erkrankten Staatsminister a. D. Karl Severing in Bielefeld gerichtet, in dem er dem der SPD angehörenden langjährigen preußischen Innenminister die besten Wünsche für eine bal­dige Genesung ausspricht.

18 Vopos nach Westberlin geflüchtet. Berlin. Im Laufe des Montags stellten sich 18 Volkspoli­zisten unter den Schutz der Westberliner Be­hörden, teilte die Polizei mit. Seit dem 1. Juli flüchteten damit 115 Vopos nach Westberlin.

Volkholz ausgeliefert. Innsbruck. Der im Januar nach Österreich geflüchtete Bundestags­abgeordnete Ludwig Volkholz wurde gestern den bayerischen Grenzbehörden in Kufstein über­geben.

Außenminister Gruber besucht Brasilien. Wien.

Der österreichische Außenminister Dr. Karl Gruber wird auf Einladung der brasilianischen Regierung in der ersten Hälfte des August Bra­silien einen Besuch abstatten.

Minderjährige Fremdenlegionäre können ent­lassen werden. Paris. Wenn die Familie eines Fremdenlegionärs den Beweis erbringt, daß der junge Legionär bei seiner Verpflichtung minder­jährig war, so wird er entlassen. Dies teilte die französische Nachrichtenagentur am Montag mit.

Drees gab seinen Auftrag zurück. Den Haag.

Der mit der Neubildung des holländischen Kabinetts beauftragte Ministerpräsident Dr. Wil­lem Drees hat gestern nachmittag Königin Juli- ana seinen Auftrag zurückgegeben, nachdem sich die antirevolutionäre Partei außer Stande er­klärt hatte, an der Regierungauf breiter Basis teilzunehmen.

Kaiser von Japan kondoliert Heuß. Tokio. Kaiser Hirohito von Japan hat Bundespräsident Heuß zum Tode seiner Gemahlin ein Beileids­telegramm gesandt.

VON ANITA HUNTER.

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durch Verlag v. Graberg & Görg, Wiesbaden

, (Schluß)

Man applaudierte, man schrie vor Freude. Auch die holländischen Mitglieder des Ge­richtshofes strahlten.

Der Vorsitzende trat auf May zu. Er öffnete selbst das Türchen zur Anklagebank:

Bitte, Miss Beckström ich freue mich so sehr, bitte, diesen Weg hier-

Der Rechtsanwalt tat so, als habe man ihm den Freispruch zu verdanken, er drückte immer wieder May die Hand. Sie beachtete ihn nicht. Sie wehrte die schwedischen Freunde ab, die sie umdrängten. Sie reichte nur Jobi und Bertil die Hand.

Später ich muß erst zur Ruhe kommen."

Sie suchte Herbert Carew. Sie lief auf ihn zu, sie streckte ihm beide Arme entgegen. Ihre Blicke begegneten sich, brannten wie eine helle Flamme.

Sie konnte nichts sagen, ihre Lippen zitter­ten. Er ergriff ihre Hände, er beugte sich zu ihr herab:

Sie wußten, May, daß ich immer für Sie da bin-

Ja, sagte sie,ja, ich wußte es-

Dann riß man sie fort. Die ausländischen Reporter umringten sie. Sie wollte sich weh­ren, aber es ging nicht Als sis sich wieder frei machen konnte, war Herbert Carew gegangen.

Mein Wagen wartet draußen, 'May! Bertil reichte ihr von der einen Seite den Arm Jobi von der anderen. Willenlos ließ sie sich wee- führen.

Eine Woche später auf dem Flugfeld von Batavia: Die silberglänzende KLM-Maschine

war zum Start bereit. Eine kleine Gruppe von Menschen stand beieinander.

May es ist heller Wahnsinn, daß du hier bleiben willst! Du hast nicht einen Funken Verstand im Kopf! Jobi fuhr mit einer ver­zweifelten Miene durch seine blonde Haar­mähne.Was ich dir im übrigen sagen wollte: noch einmal komme ich nicht hierher! Ich habe mich vollkommen ruiniert mit dieser Reise! Und ich hole dich nicht noch einmal aus dem Gefängnis!

May lächelte:Das brauchst du auch nicht, Jobi!

Also, du willst wirklich in diesem verzau­berten Tropenland bleiben?

Ja, Jobi ich bin ja dazu gezwungen.

Mrs. Carew, Mrs. Carew!

Du bist gemeint, Liebling, sagte Herbert Carew und beugte sich zu May herab. Gestern vormittag waren sie auf dem englischen Kon­sulat Mann und Frau geworden'.

Ja, Schwester Lien? Wie lieb von Ihnen!

Schwester Lien brachte ihr einen Arm voll Blumen, holländische Tulpen in allen Farben, die sie mit unendlicher Mühe selbst in Blu­menkästen zog.

Ich konnte gestern nicht frei bekommen, sagte sie errötend. May lächelte:

Mein Halbbruder freut sich sicher auch, Sie noch einmal vor seiner Abreise zu sehen! Sie brauchen nicht rot zu werden, Lien.

Bertil hatte sich entschlossen, mit Jobi zu­sammen nach Stockholm zu reisen, er wollte seine Mutter und die alte Heimat Wiedersehen.

In drei Monaten bin ich zurück! sagte er, als er in die Maschine stieg,paß mir gut auf May auf, Herbert!

Die Propeller der viermotorigen Maschine begannen zu surren, ein letztes Winken, dann nahm der perlmutterfarbene Himmel die Ma­schine in seine Weiten aut

*

Mondschein über der Terrasse eines kleinen Bungalows. Wie leuchtende silberne Kugeln hängen die fremden Sterne am grünblauen Himmel. Lautlos schweben große Nachtschmet­terlinge über schlummernde Blüten.

Ein Nashornvogel gibt einen hellen Schrei von sich, ein anderer antwortet. In der Feme

rauscht das Meer und legt den Spitzenschleier seiner Brandung auf den weißen Korallenrand.

Ein Boot mit einem malaiischen Fischer fährt hinaus. Der Mann steht hochaufgerichtet, still wie eine Statue, in der Hand trägt er einen Speer.

Vom Kampong her hört man das Zirpen der javanischen Musikinstrumente.

Ein Boy schleicht sich davon, kurz darauf hört man eine lachende Mädchenstimme.

Wie goldene Pünktchen tanzen die Glüh­würmchen im Dunkel. In der Feme reckt sich der riesige, kahle Leib des erloschenen Vul­kans Dempo in den Himmel.

May steht auf der Terrasse und starrt in diese verzauberte Tropennacht Das ist Java so wie sie es sich erträumt hatte. Das fremde, lockende Land das nun für ein paar Jahre ihre Heimat sein soll.

Ein Gecko huscht über die Terrasse, ein kleiner Affe streckt im Schlaf seinen langen haarigen Arm aus. Eine große weiße Orchidee

schwebt, wie von Geisterhand berührt, lang­sam hin und her.

Wirst du es hier aushalten, Liebling?

Herbert Carew ist neben seine junge Frau getreten, er legt seinen Arm um ihre zarten Schultern.

Sie blickt ihn an in ihren Augen spiegelt sich das Silberlicht des Mondes. Ihre Lippen öffnen sich, und er beugt sich herab, um sie zu küssen.

Lautlos fliegt ein silbergrauer Reiher vorüber, dem fernen See zu.

Der Boy und das Malaienmädchen sind verschwunden. Irgendwo in der Ferne leuch­tet der Himmel in schwachem Rot. Flammen flackern Flammen der Liebe. Flammen der Leidenschaft.

Und wie eine Decke aus weichem, dunklem Samt schlägt die Tropennacht mit all ihren Wundern und Geheimnissen über ihnen zu­sammen.

ENDE

So wurde dem Recht Genüge getan

Richter, die sich selbst verurteilten

In tiefen Gedanken überschritt ein würdiger Herr in der kleinen Stadt Monticello im nord­amerikanischen Staate Indiana die Straße. Mitten auf dem Fahrdamm blickte er er­schrocken auf. Verkehr umwogte ihn, Auto­lenker schrien ihm zu. Er sah auf die Ver­kehrsampel, die stand auf Grün in der von ihm gekreuzten Richtung.Das ist unerhört! mur­melte der Mann und rettete sich auf die andere Straßenseite. Dort zog er ein Notizbuch heraus und schrieb seinen Namen auf:William B. Howard, Richter. Dann setzte er seinen Weg ins Amt fort, wo er in Gegenwart seiner Kol­legen sich selber vor die Schranken rief, sein Verkehrsvergehen schilderte, ein Geständnis ablegte, seiner Reue Ausdruck gab und sich zu einem Dollar Strafe verurteilte, die er sofort in die Gerichtskasse einzahlte.

Noch weiter ging im rechtlichen Denken aber der Richter Frank Courtright, der in Winni­peg sich selbst anklagte, verteidigte, verur­

teilte und begnadigte. Bei Beginn uer Sitzung rief der wackere Richter:Frank Courtright, stehe auf! Er befolgte dieses Selbstgebot und verhandelte in aller Foito gegen sich, indem er sich anklagte, am vor­hergehenden Abend betrunken gewesen zu seih und durch öffentliche Vorführung eine* indischen Schlangentanzes' Aergernis erregt zu haben. Voll Würde und Entrüstung verurteilte er sich wegen dieses ungebührlichen Beneh­mens zu zwanzig Dollar Strafe. Dann aber fuhr der weise Richter fort:Aber, Frank Courtright, du bist zwanzig Jahre lang ein nüchterner Mann gewesen und ein geachtete* Mitglied deiner Gemeinde. In Anbetracht die­ser zwanzigjährigen guten Führung werde ich dir diesmal die Strafe noch erlassen.

Im Gerichtssaal brach dröhnender Beifall los, dem der Richter durch eine ernste Ver­mahnung ein Ende setzte, worauf er würde­voll zum nächsten Fall überging.