SAMSTAG, 31. MAI 1952
Landtag in Bebenhausen ...
Fortsetzung von Seite 1
Gengier das Bodenreformgesetz, das Betriebsrätegesetz, das Schulgesetz, die Kreis- und die Gemeindeordnung, fünf Gesetze zur Förderung des Wiederaufbaus und der Wohnraum- beschaffung, das Beamtengesetz, das Sozialver- sicherungsanpassungsgesetz, das Gesetz über die Erschließung von Bauland und über die Bauordnung, das KB-Leistungsgesetz, die Gesetze über die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung, zur Übernahme von Bürgschaften des Landes zugunsten gewerblicher Unternehmungen und über die Bildung von Personalvertretungen in der öffentlichen Verwaltung. Die Haushaltspläne seien mit großer Gründlichkeit und ernstem Pflichtbewußtsein bis ins Kleinste beraten und geprüft worden.
„Es darf diesem Landtag das Zeugnis ausgestellt werden, daß er dem parlamentarischen System Ehre gemacht hat. Unsere Arbeit ist rein sachlich und frei von persönlichen Befehdungen der einzelnen Fraktionen vor sich gegangen. Die Zusammenarbeit von Parlament und Staatsregierung zeichnete sich in all den Jahren durch unbedingte Sachlichkeit aus. ‘
Der Landtagspräsident dankte auch noch der Gemeinde Bebenhausen für ihr Entgegenkommen dem Landtag gegenüber, der durch persönliche Spenden jedes einzelnen Abgeordneten Bebenhausen eine neue Kirchenglocke gestiftet habe. Gengier schloß mit dem Wunsch, „daß die in jahrelanger gemeinsamer Arbeit über alle Parteidifferenzen hinweg entstandenen persönlichen Beziehungen auch fernerhin von Bestand bleiben mögen“.
Staatspräsident Dr. Gebhard Müller dankte im Namen der bisherigen Landesregierung für das ihr vom Parlament entgegengebrachte Vertrauen und hob die Verbundenheit in gegenseitiger Achtung und Wertschätzung hervor, die die hier Versammelten auch in Zukunft verbinden möge. Dieser Landtag habe sich nicht durch rroße Brillanz der parlamentarischen Gefec'xte und Herausstellung einzelner Persönlichkeiten, sondern durch das „einmütige Bestreben der Sache des Volkes zu dienen“ ausgezeichnet.
„Mit dem Landtag verschwindet heute auch die letzte Instanz des bisher staatlich selbständigen Landes und seine vornehmste“. Der Abschied von Württemberg-Hohenzollern falle schwer. Doch: „Wir hoffen, daß das Gute, das wir leisten konnten, dem Lande erhalten bleibt und im neuen Gemeinwesen fruchtbar eingesetzt wird.“ Dr. Müller schloß: „Gott schütze unsere Heimat, er möge uns und unseren Kindern Frieden und Freiheit erhalten, er möge uns mit unseren getrennten Brüdern wieder vereinigen, er möge uns treu sein lassen im Kleinen, damit das Große gelinge.“
Abg. Gog (CDU! sprach von dem schwäbischen Geist, der sich in Volksvertretung und Regierung manifestiert habe, und hob die Sachlichkeit der parlamentarischen Arbeit hervor. Das neue Land sei nun geboren. Man brauche keine Sorge um es haben, bei so guten Eltern. Gog beendete seine Rede mit dem Ausspruch: „Es lebe das neue Land".
Abg. Frau Dr. Metzger (SPD) dankte der Bevölkerung für das Vertrauen, das sie dem Landtag entgegengebracht habe, und sprach die Hoffnung aus, daß im Parlament von Baden-Württemberg der Geist von Bebenhausen fortwirken möge.
Abg. Dr. Le uze (FDP) wies darauf hin, daß seine Partei sich von der Regierungspartei zur Opposition entwickelt hätte, der allerdings das konstruktive Ja näher gelegen hätte als das ablehnende Nein.
Landtagspräsident G e n g 1 e r schloß die Sitzung mit seinem Dank an die Regierung und die Abgeordneten.
Proteststreiks gehen weiter. Düsseldorf. — In Köln wurden gestern die Warn- und Proteststreiks des Deutschen Gewerkschaftsbundes gegen den Bonner Entwurf des Betriebsverfassungsgesetzes fortgesetzt. In fünf Kölner Großbetrieben legten etwa 10 000 Arbeiter für eine Stunde die Arbeit nieder.
Kommunistische Aktionswelle Bemerkungen zum Tage
Ubergreifen auf den Fernen Osten / Schwere Zusammenstöße auf Koje
Zum Abschied
TOKIO. Die kommunistische Aktionswelle, die mit den drastischen Maßnahmen der Sowjetzonenregierung in Berlin und an der Zonengrenze und den Massendemonstrationen in Frankreich begonnen hat, greift jetzt immer stärker auch auf den Fernen Osten über. Ober 25 000 japanische Polizisten mußten gestern allein in Tokio zusammengezogen werden, um die für den Abend erwarteten neun großen kommunistischen Massendemonstrationen zu unterbinden. Die Polizisten wurden mit brennenden Fackeln, Steinen und Säureflaschen angegriffen und eröffneten schließlich an einzelnen Stellen das Feuer. Drei Demonstranten sollen nach den letzten Berichten getötet worden sein, die Zahl der Verletzten läßt sich noch nicht übersehen.
Die offensichtlich auf geheime höhere Weisung arbeitenden kommunistischen Lagerführer in den alliierten Kriegsgefangenen- und Intemiertenlagem in Südkorea haben unterdessen neue Unruhen provoziert, bei denen allein gestern sieben Gefangene getötet und 15 verletzt wurden.
Auf Koje meuterte ein Kriegsgefangen-Ar- beitskommando und griff seine Bewacher mit
Verdunkelung — Ausgehverbot
Ausbau des Sperrgürtels geht weiter
HANNOVER. Nach Meldungen, die von der Zonengrenze eingingen, sind an allen Abschnitten die Geländearbeiten zur Anlage eines Sperrgürtels ln vollem Gange. Aus dem Abschnittskommando Nord des Bundesgrenzschutzes wird mitgeteilt, daß die sowjetzonalen Behörden in Ortschaften, die sich innerhalb des 500-Meter-Streifens längs der niedersächsischen Grenze auf ostzonalem Boden befinden, ein Ausgehverbot verhängt haben, das in einzelnen Ortschaften um 20 Uhr, in anderen um 22 Uhr in Kraft tritt. In verschiedenen Ortschaften habe die ostzonale Volkspolizei mit sofortiger Wirkung Verdunkelung angeordnet.
Picken und Schaufeln an. Die Wachen machten von ihren Schußwaffen Gebrauch und töteten zwei Gefangene. Zwei weitere starben im Lazarett.
Der zweite Zwischenfall ereignete sich gegen Mitternacht im Intemiertenlager Yong- chon — zu der Zelt, in der gewöhnlich die kommunistischen „Femegerichte“ ihre Urteile gegen nicht „linientreue“ Mitgefangene verhängen. Zwei gegnerische Gefangenengruppen lieferten sich ein blutiges Gefecht, bei dem drei Gefangene getötet und 13 verwundet wurden.
Zur gleichen Zeit sind in Südkorea elf Personen unter der Beschuldigung verhaftet worden, die Ermordung von Staatspräsident R h e e und anderen südkoreanischen Politikern geplant zu haben. Sie sollen die Absicht gehabt haben, den ehemaligen südkoreanischen Ministerpräsidenten John Chang zum Präsidenten auszurufen und dann eine Koalitionsregierung mit den Nordkoreanern einzugehen. Der über den Süden des Landes wegen kommunistischer Guerillatätigkeit verhängte Aus- nahemzustand dauert an,_ obwohl er auch im Parlament scharf kritisiert wurde.
An drei Punkten der Grenzen zwischen den Berliner Westsektoren und der Sowjetzone wurden in der Nacht zum Freitag von den sowjetzonalen Behörden wieder Straßensperren errichtet. Den alliierten Autobahnpatrouillen ist gestern erneut das Befahren der Autobahn zwischen Berlin und Helmstedt in beiden Richtungen von den Sowjets verwehrt worden.
Der stellvertretende amerikanische Hohe Kommissar, Samuel Reber, hat gestern bei der sowjetischen Kontrollkommission gegen die Maßnahmen der Sowjetzonenregierung zur Absperrung der Ostzone gegen den Westen protestiert und darum ersucht, die Aufhebung dieser Maßnahmen zu verfügen und die alliierte Militärpolizei wieder auf der Autobahn fahren zu lassen.
Kleine Weltchronik
Vertriebene Volksdeutsche haben Staatsangehörigkeit. Karlsruhe. — Der erste Sengt des Bundesverfassungsgerichts hat in einem Beschluß die Frage bejaht, daß ein „Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit, der im Gebiet des Deutschen Reiches nach dem Stand vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden hat“, als deutscher Staatsangehöriger anzusehen ist. Dadurch ist eine anderslautende Entscheidung des Oberlandesgerichts München aufgehoben worden.
Schlußsitzung auch in Freiburg. Freiburg. — Der südbadische Landtag traf im altehrwürdigen Freiburger Kaufhaus, einem der wenigen Gebäude am Münsterplatz, die vom Bombenkrieg verschont geblieben sind, gestern zu seiner feierlichen Schlussitzung zusammen, bei der der stellvertretende Landtagspräsident, Philipp Marz- luff (SPD), einen Rückblick über die politische und parlamentarische Unterrichtung des Landes Baden seit 1945 gab.
„Stuttgarter Regierung ernste Gefahr.“ Mainz. — Die Auffassung, daß die Stuttgarter Regierung zurzeit die „ernsteste Gefahr für die Fortsetzung der Politik der Bundesregierung“ darstelle, beginne sich allgemein durchzusetzen, erklärte der Justizminister von Rheinland-Pfalz, Bruno Becher (FDP), in einer Betrachtung über das Verhältnis des neuen Stuttgarter Kabinetts zum Bundesrat.
Deutschland, Israel und die Araber. Koblenz. — Die Wochenzeitung „Rheinischer Merkur“ bringt in ihrer letzten Nummer ein Interview ihres Vertreters in Damaskus mit einer Persönlichkeit aus dem Kreis der Arabischen Liga, bei dem der Araber den Standpunkt vertrat, daß Deuts ’iland einen Teil seiner eventuellen Leistungen an Israel für die arabischen Flüchtlinge aus Palästina ab- zweigen sollte, denn — so argumentierte der Gesprächspartner — was nützen Deutschland die wenigen Juden in Israel, mit denen keine Wirtschaftsbeziehungen bestehen gegenüber den 400
Muselmanen, die willens sind, mit Deutschland ln ausgedehnte Geschäftsverbindungen zu t.eten.
Evangelische Arbeiterbewegung neu gegründet, Essen. — Die Neugründung des Gesamtverbandes evangelischer Arbeitervereine Deutschlands wurde von den in Essen versammelten Vertretern der Landesverbände und Vereine der evangelischen Arbeiterbewegung beschlossen. Die feierliche Proklamation der wiedererstandenen Evangelischen Arbeiterbewegung (EAB) wird am 8. Juni im Hans-Sachs-Haus in Gelsenkirchen stattfinden.
Baarfuß stellt wieder ein. Wilhelmshaven. — Nach mehrtägigen Verhandlungen zwischen dem DGB und der Textilmaschinenfabrik Baarfuß GmbH, in Wilhelmshaven hat sich der Geschäftsführer der Firma bereit erklärt, die 71 wegen Teilnahme an einer Protestkundgebung des DGB gegen den Entwurf des Betriebsverfassungsgesetzes fristlos entlassenen Arbeiter wieder einzustellen.
MAN-Gelände zurück an Hamburg. Hamburg. — Mit der in der nächsten Zeit erwarteten Freigabe der MAN-Hallen im Hamburger Hafen wird der MAN-Schiffsmotorenbau, der zurzeit in Augsburg mit großen Fracht- und Montagekosten betrieben wird, wieder nach Hamburg zurückkehren.
Anna Pauker abgesetzt. Wien. — Der rümänl- sche Außenminister, Frau Anna Pauker, ist, wie die Wiener Zeitungen gestern übereinstimmend meldeten, aller Posten m Staat und Partei enthoben worden. Frau Pauker, die mit Stalin eng befreundet war, hatte neben dem Posten des Außenministers auch das Amt des stellvertretenden Ministerpräsidenten in ne und war Mitglied Nr. 2 des Politbüros der rumänischen kommunistischen Partei. Man sieht in der Absetzung Anna Paukers einen weiteren Beweis für den immer stärker werdenden Antisemitismus in Otseuropa.
c*. Es sind gestern in Bebenhausen viel« gute Worte für den Landtag von Württemberg-Hohenzollern gefunden worden, ln der Stunde, da seine Tätigkeit zu Ende ging, Worte, die echte Verdienste würdigten. Wir von der Presse, die Werden und Vergehen dieses Hohen Hauses Station für Station, von der Verfassunggebenden Landesversammlung bis zum gesetzgebenden Landtag, miterlebt
&Ln (f.cahe<s
wünschen wir allen unseren Lesern,
Geschäfcsfreunden und Mitarbeitern
VERLAG UND REDAKTION
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haben, glauben berechtigt zu sein, auch unsererseits festzustellen: Der Landtag von Würt- temberg-Hohenzollem hat gute Arbeit geleistet, im ehrlichen Bemühen um die beste Lösung der gestellten Aufgaben. Die Unmittelbarkeit der Begegnung, die nirgends sonstwo in diesem Ausmaß gegeben ist, werden wir vermissen, und wir danken auch unsererseits den Abgeordneten und der Regierung für ihr« Bereitwilligkeit, der Öffentlichkeit zu sachgemäßer Unterrichtung verholten zu haben. Nach der Verlegung des politischen Schwergewicht« nach Stuttgart wird in unserem Landesteil Bebenhausen als Ort, an dem ein Landtag sich ehrlich mühte, seine Pflicht untadelig zu erfüllen, lebendig bleiben.
Wer bezahlt das?
STUTTGART. (Eig. Bericht). Die CDU beanstandet in einer Verlautbarung, daß die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten, in der das Regierungsprogramm verkündet wurde, in etwa zwei Millionen Exemplaren an alle Haushaltungen des Landes versandt worden ist. Die CDU-Fraktion beabsichtigt in einer Interpellation in der Landesversammlung, die Regierung um Auskunft darüber zu ersuchen, ob für diese Postwurfsendungen, di« angeblich 50 000 DM gekostet haben sollen, Staatsgelder verwendet worden seien. Ministerpräsident Dr. Maier hat eine Stellungnahme dazu abgelehnt.
Fackelzug für scheidende Regierung
TÜBINGEN. 700 Studenten der Universität Tübingen veranstalteten am Donnerstagabend zu Ehren der bisherigen Regierung von Würt- temberg-Hohenzollem einen Fackelzug. Staatspräsident Dr. Gebhard Müller, die Minister Viktor Renner, Dr. Albert Sauer und Eugen Wirschlng fuhren in einer Kutsch« im Zuge mit. Auf dem Marktplatz von Tübingen hatten sich rund 3000 Bürger zu einer Abschiedskundgebung eingefunden, auf der di« Mitglieder der einstigen Regierung mit starkem Beifall begrüßt wurden. Ein Sprecher der Studenten erklärte, ein Fackelzug sei kein« politische Demonstration, sondern das höchste Zeichen der Verehrung, Dankbarkeit und Zuneigung. Der Dank gelte vor allem dem bisherigen Staatspräsidenten Dr. Gebhard Müller als dem unermüdlichen Vorkämpfer des Südweststaats und uneigennützigen Politiker. Dr. Gebhard Müller ermahnte in seiner kurzen Antwort die Studenten, in Verantwortungsbewußtsein und Bescheidenheit Vorbilder zu sein.
Auflösung der neofaschistisehen Partei? Rom. — Politische Kreise in Rom halten es für möglich, daß die als neofaschistisch geltende italienisch« Sozialbewegung (MSI), die bei den Gemeindewahlen ln Italien einen unerwartet großen Erfolg erzielt hat, in Kürze verboten und aufgelöst wird.
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34. Fortsetzung Nachdruck verboten.
Was ist das? Ein Koffergrammophon... seltsam, daß ein so unmusikalischer Mensch das hier heraufschleppt... ein unmusikalischer Mensch? So nennt er sich wohl nur selbst... aber ein Mensch, der Musik haßt und sie nicht hören will.
Es reizt die Neugier, zu wissen, wa9 dieser Mensch sich für Platten ln seine Einsamkeit mitnimmt... und überdies hat sie selbst das Bedürfnis, Musik zu hören. Sie hat ja wohl ein Anrecht darauf! Das denkt sie zornig, als Antwort auf einen Vorwurf, den jemand ihr machen könnte Wenn mar sie allein läßt ln dieser Hütte, von der sie den Heimweg nicht findet, dann ist sie zum mindesten berechtigt, sich auf die ihr genehme Weise die Zeit zu vertreiben.
Als sie den Deckel aufschlägt, zuckt sie zusammen ... ihr Blick fällt auf ihren eigenen Namen... es liegt eine Platte in dem Apparat... wahrhaftig, es ist kein Irrtum! Duett aus „Rosenkavalier“, gesungen von Dagmar Jensen und Donate Mihaly... Ob es wenigstens eine anständige Aufnahme ist? Sie kann sich gar nicht mehr darauf besinnen ... Sie dreht die Kurbel und stellt die Nadel auf .. sonderbar, in dieser Berghütte hier die eigene Stimme zu hören.
Sie lauscht sehr aufmerksam und sehr kritisch ... die Brauen zusammengezogen und mit den Zähnen an der Lippe nagend. Sonderbar, zu denken, daß sie vielleicht sehr oft in dieser Hütte gesungen hat, ohne eine Ahnung davon zu haben... ihre Stimme ist hier oben gewesen und hat zu diesem Mann gesungen ... noch nie hat sie das Wunder der Technik so erschüttert.
Ob er sieh nur aus Neugier diese Platte an- eschafft hat? Wirklich nur aus Neugier? Sie olt zitternd Atem und schließt lächelnd die Augen... Ach, warum grade diese... es gibt ander« hundertmal schönere,.. Liedei von
Hugo Wolf... sie kramt in den Platten... da sind sie ja, alle ihre Lieblinge: „Laß, oh Welt, oh laß mich sein..— „Ach, du weißt es, liebe Seele, wie ich fern von dir mich quäle ...“ Sie summt die Worte vor sich hin, während sie eine Platte nach der andern aus den Umschlägen ni-nnru .. „Die freundliche Vi- siun“ voii Richard Strauß, die „Heimliche Aufforderung" .. Dieser unmusikalische Mensch scheint genau denselb n Geschmack zu haben wie sie seit it! denkt sie mit einem warmen Glücksgefühl... aber ihren Namen ... nein, den findet sie auf keiner von diesen Platten... Dagmar Jensen... Dagmar Jensen..; Dagmar Jensen ...
Ihr Herz, das eben noch warm und leicht war, wird kalt und schwer... So also ist es ... Dagmar Jensen... sie versucht, sich das Gesicht in die Erinnerung zurückzurufen ... ein zartes, weißes, lebendiges Gesicht unter rötlich-blondem Haar... und eine herrliche Stimme... fast zu schwer für den kleinen schlanken Körper. Sie kennt sie nur flüchtig... ein paarmal haben sie zusammen auf der Bühne gestanden und einmal diese Platte da besungen ... t«t sie nicht verheiratet mit Peter Volkarts? Ja. natürlich... sie hat einmal davon sprechen hören.
Nein, das ist nicht mehr Musikliebhaberei und Begeisterung für eine schöne Stimme... das hat einen anderen Grund. wenn dieser Mann, der angeblich nur dem Kummer um seine Frau lebt, ein paar Dutzend Platten von Dagmar Jensen — und nur von ,hr — hier in seiner wütentlegenen Jagdhütte aufbewahrt, um sie sich da vorzuspieten, wo niemand es hört.. das ist eine heimliche Leidenschaft ... Ein heißer schmerzlicher Zorn kocht in Donate auf .. unwillkürlich pressen sich ihre Finger um die Platte... nun kracht sie gegen den Tisch und zerbricht... und dann die zweite... die dritte ..
Im nächsten Augenblick kommt Donate wieder zur Besinnung. Sie lacht, während ihr die Tränen über das Gesicht rinnen Reizend, wie sie sich benimmt! Es hat noch gerade gefehlt, daß sie hier die ganze Einrichtung demo
liert ... um einen angenehmen Eindruck zu hinterlassen! Ach, darauf kommt es nun auch nicht mehr an ...
Aber sie fügt trotzdem die Bruchstücke wieder aneinander, steckt sie in die Umschläge zurück und räumt alles weg. So, nun sieht 6« aus, als ob der Keffer darauf umgefallen Ist und sie zerschlagen hat... und Im übrigen ist sie bereit, sie zu ersetzen.
Sie kann sich schriftlich dazu erbieten, wenn sie fort ist... oder wird sie nicht fortgehen? Weshalb soll sie sich veriagen lassen? Sie ist auf Bucheck zu Haust;... und vielleicht wird sie den Franzi heiraten. Eine Verlobungsanzeige zu verschicken, das wäre doch ein kleines Pflaster auf die Wunde.
In diesem Augenblick hört sie draußen ein helles Rufen und Jodeln Es ist noch nicht nah, es klingt aus der Tiefe des Waldes hoch. Donate läuft vor die Tür, antwortet, horcht, späht hinunter... Es Ist viel heller geworden, die Sonne steht wie ein matter Vollmond hinter der Wolkendecke... auf allen Halmen und Blättern ist ein blasses silbriges Glitzern in den Wassertropfen. Vor den Bergen ziehen die Nebel wie Rauchschwaden, und die dunklen Kuppen gegenüber sind schon frei.
„Hallo!“ „Jubuu!“ Jetzt sind die Rufe schon viel näher. . es sind zwei Stimmen, eine dunkle und eine hebe... Der Franzi sicher ... da taucht er schon auf und schwenkt den Hut... aber ninter ihm ... das ist nicht die Lux... nicht die Blne . das ist Inneke!
„Schöne Geschichten machst du ja!“ ruft der Franzi schon von weitem... aber es klingt durchaus nicht vorwurfsvoll, er ist strahlend guter Laune „Gestern abend schon kommt die Botschaft von Heysingk daß er dich patschnaß in seiner Jagdhütte einquartiert hat und daß wir uns nicht ängstigen sollten — nun, das hätten wir ohnehin nicht getan! Puh, ist das warm beim Steifen!“ Er fächelt sich mit dem Hut Luft in das rotbraun glühende Gesicht. „Und heut’ in aller Herrgottsfrüh erscheint die Inneke, um mich bei der Rettungsexpedition zu führen Ich hätt’ auch wahrscheinlich nicht hergefunden... ich hab‘ natürlich auch alles
steh’n und liegen lassen, um erst einmal das verstiegene Kalb vom Berg zu holen!“
„Hat Herr Heysingk dich in dieser Form beauftragt? Das sähe ihm ähnlich!“
„Aber nein!“ wehrt Inneke im Näherkommen. „Guten Tag, Frau Donate... haben Sie hier ganz allein die Nacht zugebracht? Da« ist ja schrecklich! Aber gestern abend war e» wirklich zu spät., im Dunkeln hätt’ ich den Weg auch nicht gefunden.“
„Es war gar nicht so schrecklich!" versicherte Donate tröstlich. „Es tut mir nur leid, daß ich Ihren hohen Chef verjagt habe... aber ich wußte mir wirklich keinen Rat.“ „Seine Scheid!“ Franzi zuckte die Achseln. „Oder hast du ihn ausdrücklich hinausgeworfen? Das fänd - ich höchst überflüssig... Nimm mir’s nicht übel, Donerl, daß ich da« sag*... aber am Berg nimmt man’s nicht so genau... Wenn man im Unwetter oder Schneetreiben auf irgendeiner Hütte einen Unterschlupf sucht... da kann die zimperlichste ... verzeih, die korrekteste Dame nicht ein Mannsbild an die frische Luft befördern.“
„Hab’ ich auch nicht getan“, sagt Donat« kurz. „Im Gegenteil. Ich hab’ Ihn nur gebeten, mir den Weg zu zeigen “
„Dann hat er’s wohl so aufgefaßt... na, mir kann’s gleich sein... jetzt wollen wir uns aber erst einmal ein bissei verschnaufen ... gelt, Inneke? Wir sind vier Stunden unterwegs...“
„Ist es doch so weit?" fragt Donate erschrocken ... sie spürt jetzt die Müdigkeit in ihren Beinern
„Wir... wir s’nd schrecklich langsam gegangen ...“ Inneke lacht und wird rot.
„Ja... wir hatten uns nämlich furchtbar viel zu erzählen.“ Der Franzi wirft Innek« einen vielsagenden Blick zu. ..Es war halt da* erstemal, daß wir allein miteinander waren; Ach, der Donerl können wir’s doch ruhig sagen! Wir haben nämlich beschlossen, uns zu heiraten, die Inneke und ich..."
Fortsetzung folgt