SAMSTAG, 31. MAI 1952

Landtag in Bebenhausen ...

Fortsetzung von Seite 1

Gengier das Bodenreformgesetz, das Betriebs­rätegesetz, das Schulgesetz, die Kreis- und die Gemeindeordnung, fünf Gesetze zur Förde­rung des Wiederaufbaus und der Wohnraum- beschaffung, das Beamtengesetz, das Sozialver- sicherungsanpassungsgesetz, das Gesetz über die Erschließung von Bauland und über die Bauordnung, das KB-Leistungsgesetz, die Ge­setze über die Träger der gesetzlichen Kran­kenversicherung, zur Übernahme von Bürg­schaften des Landes zugunsten gewerblicher Unternehmungen und über die Bildung von Personalvertretungen in der öffentlichen Ver­waltung. Die Haushaltspläne seien mit großer Gründlichkeit und ernstem Pflichtbewußtsein bis ins Kleinste beraten und geprüft worden.

Es darf diesem Landtag das Zeugnis aus­gestellt werden, daß er dem parlamentari­schen System Ehre gemacht hat. Unsere Ar­beit ist rein sachlich und frei von persönli­chen Befehdungen der einzelnen Fraktionen vor sich gegangen. Die Zusammenarbeit von Parlament und Staatsregierung zeichnete sich in all den Jahren durch unbedingte Sachlich­keit aus.

Der Landtagspräsident dankte auch noch der Gemeinde Bebenhausen für ihr Entgegen­kommen dem Landtag gegenüber, der durch persönliche Spenden jedes einzelnen Abge­ordneten Bebenhausen eine neue Kirchen­glocke gestiftet habe. Gengier schloß mit dem Wunsch,daß die in jahrelanger gemeinsamer Arbeit über alle Parteidifferenzen hinweg ent­standenen persönlichen Beziehungen auch fer­nerhin von Bestand bleiben mögen.

Staatspräsident Dr. Gebhard Müller dankte im Namen der bisherigen Landesregie­rung für das ihr vom Parlament entgegenge­brachte Vertrauen und hob die Verbunden­heit in gegenseitiger Achtung und Wertschät­zung hervor, die die hier Versammelten auch in Zukunft verbinden möge. Dieser Landtag habe sich nicht durch rroße Brillanz der par­lamentarischen Gefec'xte und Herausstellung einzelner Persönlichkeiten, sondern durch das einmütige Bestreben der Sache des Volkes zu dienen ausgezeichnet.

Mit dem Landtag verschwindet heute auch die letzte Instanz des bisher staatlich selbstän­digen Landes und seine vornehmste. Der Abschied von Württemberg-Hohenzollern falle schwer. Doch:Wir hoffen, daß das Gute, das wir leisten konnten, dem Lande erhalten bleibt und im neuen Gemeinwesen fruchtbar eingesetzt wird. Dr. Müller schloß:Gott schütze unsere Heimat, er möge uns und un­seren Kindern Frieden und Freiheit erhalten, er möge uns mit unseren getrennten Brüdern wieder vereinigen, er möge uns treu sein las­sen im Kleinen, damit das Große gelinge.

Abg. Gog (CDU! sprach von dem schwäbi­schen Geist, der sich in Volksvertretung und Regierung manifestiert habe, und hob die Sachlichkeit der parlamentarischen Arbeit hervor. Das neue Land sei nun geboren. Man brauche keine Sorge um es haben, bei so gu­ten Eltern. Gog beendete seine Rede mit dem Ausspruch:Es lebe das neue Land".

Abg. Frau Dr. Metzger (SPD) dankte der Bevölkerung für das Vertrauen, das sie dem Landtag entgegengebracht habe, und sprach die Hoffnung aus, daß im Parlament von Ba­den-Württemberg der Geist von Bebenhausen fortwirken möge.

Abg. Dr. Le uze (FDP) wies darauf hin, daß seine Partei sich von der Regierungspar­tei zur Opposition entwickelt hätte, der aller­dings das konstruktive Ja näher gelegen hätte als das ablehnende Nein.

Landtagspräsident G e n g 1 e r schloß die Sitzung mit seinem Dank an die Regierung und die Abgeordneten.

Proteststreiks gehen weiter. Düsseldorf. In Köln wurden gestern die Warn- und Protest­streiks des Deutschen Gewerkschaftsbundes ge­gen den Bonner Entwurf des Betriebsverfas­sungsgesetzes fortgesetzt. In fünf Kölner Groß­betrieben legten etwa 10 000 Arbeiter für eine Stunde die Arbeit nieder.

Kommunistische Aktionswelle Bemerkungen zum Tage

Ubergreifen auf den Fernen Osten / Schwere Zusammenstöße auf Koje

Zum Abschied

TOKIO. Die kommunistische Aktionswelle, die mit den drastischen Maßnahmen der So­wjetzonenregierung in Berlin und an der Zo­nengrenze und den Massendemonstrationen in Frankreich begonnen hat, greift jetzt immer stärker auch auf den Fernen Osten über. Ober 25 000 japanische Polizisten mußten gestern allein in Tokio zusammengezogen werden, um die für den Abend erwarteten neun großen kommunistischen Massendemonstrationen zu unterbinden. Die Polizisten wurden mit bren­nenden Fackeln, Steinen und Säureflaschen angegriffen und eröffneten schließlich an ein­zelnen Stellen das Feuer. Drei Demonstranten sollen nach den letzten Berichten getötet wor­den sein, die Zahl der Verletzten läßt sich noch nicht übersehen.

Die offensichtlich auf geheime höhere Wei­sung arbeitenden kommunistischen Lagerfüh­rer in den alliierten Kriegsgefangenen- und Intemiertenlagem in Südkorea haben unter­dessen neue Unruhen provoziert, bei denen al­lein gestern sieben Gefangene getötet und 15 verletzt wurden.

Auf Koje meuterte ein Kriegsgefangen-Ar- beitskommando und griff seine Bewacher mit

Verdunkelung Ausgehverbot

Ausbau des Sperrgürtels geht weiter

HANNOVER. Nach Meldungen, die von der Zonengrenze eingingen, sind an allen Ab­schnitten die Geländearbeiten zur Anlage eines Sperrgürtels ln vollem Gange. Aus dem Abschnittskommando Nord des Bundesgrenz­schutzes wird mitgeteilt, daß die sowjetzona­len Behörden in Ortschaften, die sich inner­halb des 500-Meter-Streifens längs der nie­dersächsischen Grenze auf ostzonalem Boden befinden, ein Ausgehverbot verhängt haben, das in einzelnen Ortschaften um 20 Uhr, in anderen um 22 Uhr in Kraft tritt. In ver­schiedenen Ortschaften habe die ostzonale Volkspolizei mit sofortiger Wirkung Verdun­kelung angeordnet.

Picken und Schaufeln an. Die Wachen mach­ten von ihren Schußwaffen Gebrauch und tö­teten zwei Gefangene. Zwei weitere starben im Lazarett.

Der zweite Zwischenfall ereignete sich ge­gen Mitternacht im Intemiertenlager Yong- chon zu der Zelt, in der gewöhnlich die kommunistischenFemegerichte ihre Urteile gegen nichtlinientreue Mitgefangene ver­hängen. Zwei gegnerische Gefangenengrup­pen lieferten sich ein blutiges Gefecht, bei dem drei Gefangene getötet und 13 verwundet wur­den.

Zur gleichen Zeit sind in Südkorea elf Per­sonen unter der Beschuldigung verhaftet wor­den, die Ermordung von Staatspräsident R h e e und anderen südkoreanischen Politikern ge­plant zu haben. Sie sollen die Absicht gehabt haben, den ehemaligen südkoreanischen Mi­nisterpräsidenten John Chang zum Präsi­denten auszurufen und dann eine Koalitions­regierung mit den Nordkoreanern einzugehen. Der über den Süden des Landes wegen kom­munistischer Guerillatätigkeit verhängte Aus- nahemzustand dauert an,_ obwohl er auch im Parlament scharf kritisiert wurde.

An drei Punkten der Grenzen zwischen den Berliner Westsektoren und der Sowjetzone wurden in der Nacht zum Freitag von den sowjetzonalen Behörden wieder Straßensper­ren errichtet. Den alliierten Autobahnpatrouil­len ist gestern erneut das Befahren der Auto­bahn zwischen Berlin und Helmstedt in bei­den Richtungen von den Sowjets verwehrt worden.

Der stellvertretende amerikanische Hohe Kommissar, Samuel Reber, hat gestern bei der sowjetischen Kontrollkommission gegen die Maßnahmen der Sowjetzonenregierung zur Absperrung der Ostzone gegen den Westen protestiert und darum ersucht, die Aufhebung dieser Maßnahmen zu verfügen und die al­liierte Militärpolizei wieder auf der Autobahn fahren zu lassen.

Kleine Weltchronik

Vertriebene Volksdeutsche haben Staatsange­hörigkeit. Karlsruhe. Der erste Sengt des Bun­desverfassungsgerichts hat in einem Beschluß die Frage bejaht, daß einVertriebener deutscher Volkszugehörigkeit, der im Gebiet des Deutschen Reiches nach dem Stand vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden hat, als deutscher Staats­angehöriger anzusehen ist. Dadurch ist eine an­derslautende Entscheidung des Oberlandesgerichts München aufgehoben worden.

Schlußsitzung auch in Freiburg. Freiburg. Der südbadische Landtag traf im altehrwürdigen Freiburger Kaufhaus, einem der wenigen Ge­bäude am Münsterplatz, die vom Bombenkrieg verschont geblieben sind, gestern zu seiner feier­lichen Schlussitzung zusammen, bei der der stell­vertretende Landtagspräsident, Philipp Marz- luff (SPD), einen Rückblick über die politische und parlamentarische Unterrichtung des Landes Baden seit 1945 gab.

Stuttgarter Regierung ernste Gefahr. Mainz. Die Auffassung, daß die Stuttgarter Regie­rung zurzeit dieernsteste Gefahr für die Fort­setzung der Politik der Bundesregierung dar­stelle, beginne sich allgemein durchzusetzen, er­klärte der Justizminister von Rheinland-Pfalz, Bruno Becher (FDP), in einer Betrachtung über das Verhältnis des neuen Stuttgarter Kabinetts zum Bundesrat.

Deutschland, Israel und die Araber. Koblenz. Die WochenzeitungRheinischer Merkur bringt in ihrer letzten Nummer ein Interview ihres Ver­treters in Damaskus mit einer Persönlichkeit aus dem Kreis der Arabischen Liga, bei dem der Araber den Standpunkt vertrat, daß Deutsiland einen Teil seiner eventuellen Leistungen an Israel für die arabischen Flüchtlinge aus Palästina ab- zweigen sollte, denn so argumentierte der Ge­sprächspartner was nützen Deutschland die wenigen Juden in Israel, mit denen keine Wirt­schaftsbeziehungen bestehen gegenüber den 400

Muselmanen, die willens sind, mit Deutschland ln ausgedehnte Geschäftsverbindungen zu t.eten.

Evangelische Arbeiterbewegung neu gegründet, Essen. Die Neugründung des Gesamtverban­des evangelischer Arbeitervereine Deutschlands wurde von den in Essen versammelten Vertre­tern der Landesverbände und Vereine der evan­gelischen Arbeiterbewegung beschlossen. Die feierliche Proklamation der wiedererstandenen Evangelischen Arbeiterbewegung (EAB) wird am 8. Juni im Hans-Sachs-Haus in Gelsenkirchen stattfinden.

Baarfuß stellt wieder ein. Wilhelmshaven. Nach mehrtägigen Verhandlungen zwischen dem DGB und der Textilmaschinenfabrik Baarfuß GmbH, in Wilhelmshaven hat sich der Geschäfts­führer der Firma bereit erklärt, die 71 wegen Teilnahme an einer Protestkundgebung des DGB gegen den Entwurf des Betriebsverfassungsge­setzes fristlos entlassenen Arbeiter wieder einzu­stellen.

MAN-Gelände zurück an Hamburg. Hamburg. Mit der in der nächsten Zeit erwarteten Frei­gabe der MAN-Hallen im Hamburger Hafen wird der MAN-Schiffsmotorenbau, der zurzeit in Augsburg mit großen Fracht- und Montage­kosten betrieben wird, wieder nach Hamburg zurückkehren.

Anna Pauker abgesetzt. Wien. Der rümänl- sche Außenminister, Frau Anna Pauker, ist, wie die Wiener Zeitungen gestern übereinstimmend meldeten, aller Posten m Staat und Partei ent­hoben worden. Frau Pauker, die mit Stalin eng befreundet war, hatte neben dem Posten des Außenministers auch das Amt des stellvertreten­den Ministerpräsidenten in ne und war Mitglied Nr. 2 des Politbüros der rumänischen kommuni­stischen Partei. Man sieht in der Absetzung Anna Paukers einen weiteren Beweis für den immer stärker werdenden Antisemitismus in Otseuropa.

c*. Es sind gestern in Bebenhausen viel« gute Worte für den Landtag von Württem­berg-Hohenzollern gefunden worden, ln der Stunde, da seine Tätigkeit zu Ende ging, Worte, die echte Verdienste würdigten. Wir von der Presse, die Werden und Vergehen dieses Hohen Hauses Station für Station, von der Verfassunggebenden Landesversammlung bis zum gesetzgebenden Landtag, miterlebt

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wünschen wir allen unseren Lesern,

Geschäfcsfreunden und Mitarbeitern

VERLAG UND REDAKTION

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haben, glauben berechtigt zu sein, auch un­sererseits festzustellen: Der Landtag von Würt- temberg-Hohenzollem hat gute Arbeit gelei­stet, im ehrlichen Bemühen um die beste Lö­sung der gestellten Aufgaben. Die Unmittel­barkeit der Begegnung, die nirgends sonstwo in diesem Ausmaß gegeben ist, werden wir vermissen, und wir danken auch unsererseits den Abgeordneten und der Regierung für ihr« Bereitwilligkeit, der Öffentlichkeit zu sachge­mäßer Unterrichtung verholten zu haben. Nach der Verlegung des politischen Schwergewicht« nach Stuttgart wird in unserem Landesteil Bebenhausen als Ort, an dem ein Landtag sich ehrlich mühte, seine Pflicht untadelig zu erfüllen, lebendig bleiben.

Wer bezahlt das?

STUTTGART. (Eig. Bericht). Die CDU be­anstandet in einer Verlautbarung, daß die Re­gierungserklärung des Ministerpräsidenten, in der das Regierungsprogramm verkündet wurde, in etwa zwei Millionen Exemplaren an alle Haushaltungen des Landes versandt wor­den ist. Die CDU-Fraktion beabsichtigt in einer Interpellation in der Landesversamm­lung, die Regierung um Auskunft darüber zu ersuchen, ob für diese Postwurfsendungen, di« angeblich 50 000 DM gekostet haben sollen, Staatsgelder verwendet worden seien. Mini­sterpräsident Dr. Maier hat eine Stellung­nahme dazu abgelehnt.

Fackelzug für scheidende Regierung

TÜBINGEN. 700 Studenten der Universität Tübingen veranstalteten am Donnerstagabend zu Ehren der bisherigen Regierung von Würt- temberg-Hohenzollem einen Fackelzug. Staats­präsident Dr. Gebhard Müller, die Minister Viktor Renner, Dr. Albert Sauer und Eu­gen Wirschlng fuhren in einer Kutsch« im Zuge mit. Auf dem Marktplatz von Tübin­gen hatten sich rund 3000 Bürger zu einer Ab­schiedskundgebung eingefunden, auf der di« Mitglieder der einstigen Regierung mit star­kem Beifall begrüßt wurden. Ein Sprecher der Studenten erklärte, ein Fackelzug sei kein« politische Demonstration, sondern das höchste Zeichen der Verehrung, Dankbarkeit und Zu­neigung. Der Dank gelte vor allem dem bis­herigen Staatspräsidenten Dr. Gebhard Mül­ler als dem unermüdlichen Vorkämpfer des Südweststaats und uneigennützigen Politiker. Dr. Gebhard Müller ermahnte in seiner kur­zen Antwort die Studenten, in Verantwor­tungsbewußtsein und Bescheidenheit Vorbil­der zu sein.

Auflösung der neofaschistisehen Partei? Rom. Politische Kreise in Rom halten es für möglich, daß die als neofaschistisch geltende italienisch« Sozialbewegung (MSI), die bei den Gemeinde­wahlen ln Italien einen unerwartet großen Er­folg erzielt hat, in Kürze verboten und aufgelöst wird.

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34. Fortsetzung Nachdruck verboten.

Was ist das? Ein Koffergrammophon... seltsam, daß ein so unmusikalischer Mensch das hier heraufschleppt... ein unmusikali­scher Mensch? So nennt er sich wohl nur selbst... aber ein Mensch, der Musik haßt und sie nicht hören will.

Es reizt die Neugier, zu wissen, wa9 dieser Mensch sich für Platten ln seine Einsamkeit mitnimmt... und überdies hat sie selbst das Bedürfnis, Musik zu hören. Sie hat ja wohl ein Anrecht darauf! Das denkt sie zornig, als Antwort auf einen Vorwurf, den jemand ihr machen könnte Wenn mar sie allein läßt ln dieser Hütte, von der sie den Heimweg nicht findet, dann ist sie zum mindesten berechtigt, sich auf die ihr genehme Weise die Zeit zu vertreiben.

Als sie den Deckel aufschlägt, zuckt sie zu­sammen ... ihr Blick fällt auf ihren eigenen Namen... es liegt eine Platte in dem Appa­rat... wahrhaftig, es ist kein Irrtum! Duett ausRosenkavalier, gesungen von Dagmar Jensen und Donate Mihaly... Ob es wenig­stens eine anständige Aufnahme ist? Sie kann sich gar nicht mehr darauf besin­nen ... Sie dreht die Kurbel und stellt die Nadel auf .. sonderbar, in dieser Berghütte hier die eigene Stimme zu hören.

Sie lauscht sehr aufmerksam und sehr kri­tisch ... die Brauen zusammengezogen und mit den Zähnen an der Lippe nagend. Sonder­bar, zu denken, daß sie vielleicht sehr oft in dieser Hütte gesungen hat, ohne eine Ahnung davon zu haben... ihre Stimme ist hier oben gewesen und hat zu diesem Mann gesun­gen ... noch nie hat sie das Wunder der Tech­nik so erschüttert.

Ob er sieh nur aus Neugier diese Platte an- eschafft hat? Wirklich nur aus Neugier? Sie olt zitternd Atem und schließt lächelnd die Augen... Ach, warum grade diese... es gibt ander« hundertmal schönere,.. Liedei von

Hugo Wolf... sie kramt in den Platten... da sind sie ja, alle ihre Lieblinge:Laß, oh Welt, oh laß mich sein..Ach, du weißt es, liebe Seele, wie ich fern von dir mich quä­le ... Sie summt die Worte vor sich hin, wäh­rend sie eine Platte nach der andern aus den Umschlägen ni-nnru ..Die freundliche Vi- siun voii Richard Strauß, dieHeimliche Auf­forderung" .. Dieser unmusikalische Mensch scheint genau denselb n Geschmack zu haben wie sie seit it! denkt sie mit einem warmen Glücksgefühl... aber ihren Namen ... nein, den findet sie auf keiner von diesen Plat­ten... Dagmar Jensen... Dagmar Jensen..; Dagmar Jensen ...

Ihr Herz, das eben noch warm und leicht war, wird kalt und schwer... So also ist es ... Dagmar Jensen... sie versucht, sich das Ge­sicht in die Erinnerung zurückzurufen ... ein zartes, weißes, lebendiges Gesicht unter röt­lich-blondem Haar... und eine herrliche Stimme... fast zu schwer für den kleinen schlanken Körper. Sie kennt sie nur flüch­tig... ein paarmal haben sie zusammen auf der Bühne gestanden und einmal diese Platte da besungen ... t«t sie nicht verheiratet mit Peter Volkarts? Ja. natürlich... sie hat ein­mal davon sprechen hören.

Nein, das ist nicht mehr Musikliebhaberei und Begeisterung für eine schöne Stimme... das hat einen anderen Grund. wenn dieser Mann, der angeblich nur dem Kummer um seine Frau lebt, ein paar Dutzend Platten von Dagmar Jensen und nur von ,hr hier in seiner wütentlegenen Jagdhütte aufbe­wahrt, um sie sich da vorzuspieten, wo nie­mand es hört.. das ist eine heimliche Lei­denschaft ... Ein heißer schmerzlicher Zorn kocht in Donate auf .. unwillkürlich pressen sich ihre Finger um die Platte... nun kracht sie gegen den Tisch und zerbricht... und dann die zweite... die dritte ..

Im nächsten Augenblick kommt Donate wie­der zur Besinnung. Sie lacht, während ihr die Tränen über das Gesicht rinnen Reizend, wie sie sich benimmt! Es hat noch gerade gefehlt, daß sie hier die ganze Einrichtung demo­

liert ... um einen angenehmen Eindruck zu hinterlassen! Ach, darauf kommt es nun auch nicht mehr an ...

Aber sie fügt trotzdem die Bruchstücke wie­der aneinander, steckt sie in die Umschläge zurück und räumt alles weg. So, nun sieht 6« aus, als ob der Keffer darauf umgefallen Ist und sie zerschlagen hat... und Im übrigen ist sie bereit, sie zu ersetzen.

Sie kann sich schriftlich dazu erbieten, wenn sie fort ist... oder wird sie nicht fortgehen? Weshalb soll sie sich veriagen lassen? Sie ist auf Bucheck zu Haust;... und vielleicht wird sie den Franzi heiraten. Eine Verlobungs­anzeige zu verschicken, das wäre doch ein kleines Pflaster auf die Wunde.

In diesem Augenblick hört sie draußen ein helles Rufen und Jodeln Es ist noch nicht nah, es klingt aus der Tiefe des Waldes hoch. Do­nate läuft vor die Tür, antwortet, horcht, späht hinunter... Es Ist viel heller geworden, die Sonne steht wie ein matter Vollmond hinter der Wolkendecke... auf allen Halmen und Blättern ist ein blasses silbriges Glitzern in den Wassertropfen. Vor den Bergen ziehen die Nebel wie Rauchschwaden, und die dunklen Kuppen gegenüber sind schon frei.

Hallo!Jubuu! Jetzt sind die Rufe schon viel näher. . es sind zwei Stimmen, eine dunkle und eine hebe... Der Franzi sicher ... da taucht er schon auf und schwenkt den Hut... aber ninter ihm ... das ist nicht die Lux... nicht die Blne . das ist Inneke!

Schöne Geschichten machst du ja! ruft der Franzi schon von weitem... aber es klingt durchaus nicht vorwurfsvoll, er ist strahlend guter LauneGestern abend schon kommt die Botschaft von Heysingk daß er dich patschnaß in seiner Jagdhütte einquartiert hat und daß wir uns nicht ängstigen sollten nun, das hätten wir ohnehin nicht getan! Puh, ist das warm beim Steifen! Er fächelt sich mit dem Hut Luft in das rotbraun glühende Gesicht. Und heut in aller Herrgottsfrüh erscheint die Inneke, um mich bei der Rettungsexpedition zu führen Ich hätt auch wahrscheinlich nicht hergefunden... ich hab natürlich auch alles

stehn und liegen lassen, um erst einmal das verstiegene Kalb vom Berg zu holen!

Hat Herr Heysingk dich in dieser Form beauftragt? Das sähe ihm ähnlich!

Aber nein! wehrt Inneke im Näherkom­men.Guten Tag, Frau Donate... haben Sie hier ganz allein die Nacht zugebracht? Da« ist ja schrecklich! Aber gestern abend war e» wirklich zu spät., im Dunkeln hätt ich den Weg auch nicht gefunden.

Es war gar nicht so schrecklich!" versi­cherte Donate tröstlich.Es tut mir nur leid, daß ich Ihren hohen Chef verjagt habe... aber ich wußte mir wirklich keinen Rat. Seine Scheid! Franzi zuckte die Achseln. Oder hast du ihn ausdrücklich hinausgewor­fen? Das fänd - ich höchst überflüssig... Nimm mirs nicht übel, Donerl, daß ich da« sag*... aber am Berg nimmt mans nicht so genau... Wenn man im Unwetter oder Schneetreiben auf irgendeiner Hütte einen Unterschlupf sucht... da kann die zimperlichste ... ver­zeih, die korrekteste Dame nicht ein Manns­bild an die frische Luft befördern.

Hab ich auch nicht getan, sagt Donat« kurz.Im Gegenteil. Ich hab Ihn nur gebeten, mir den Weg zu zeigen

Dann hat ers wohl so aufgefaßt... na, mir kanns gleich sein... jetzt wollen wir uns aber erst einmal ein bissei verschnau­fen ... gelt, Inneke? Wir sind vier Stunden unterwegs...

Ist es doch so weit?" fragt Donate er­schrocken ... sie spürt jetzt die Müdigkeit in ihren Beinern

Wir... wir snd schrecklich langsam ge­gangen ... Inneke lacht und wird rot.

Ja... wir hatten uns nämlich furchtbar viel zu erzählen. Der Franzi wirft Innek« einen vielsagenden Blick zu. ..Es war halt da* erstemal, daß wir allein miteinander waren; Ach, der Donerl können wirs doch ruhig sa­gen! Wir haben nämlich beschlossen, uns zu heiraten, die Inneke und ich..."

Fortsetzung folgt