Die Scfeffunöe
Weiße Frauen mit grünen Schleiern"
Die Zweige der Birke schmücken zu Pfingsten Türen und Altäre
Zwischen Ostern und Pfingsten erleben wir das Wunder der Birke. „Reizend bist du, o Birke des Hains, im Schmucke des Frühlings, wenn dein geschmeidiger Leib schimmert durch zierliches Laub!“ Was die Linde im Mittelalter einst dem deutschen Volke gewesen, das ist die Birke für die Bewohner des Hördens noch heute. Sie ist ein großer Freuden- und Segenspender. Sie ist mit ihrem duftenden Laub der eigentliche Künder des lang ersehnten Frühlingsfestes.
Gegen Ungehorsam und Trotz, gegen Leichtsinn und Übermut hat die Birke schon immer die Rute geliefert Die Zeit ist gar nicht einmal soweit zurück, wo einst in fast jedem Bause die Rute warnend hinter dem Spiegel steckte und gleichsam als ein Schutzgeist über Sitte und Ordnung im Hause wachte. Darum heißt es auch ln einem Liede aus dem 18. Jahrhundert:
Grüß dich, du edles Reise,
Dein Frucht ist Goldes wert,
Der jungen Kinder Weise,
Du machst sie fromm und gelehrt, Beugst ihren stolzen, wilden Mut Hlcht besser Holz wird gefunden, Erfahrung bringen thut.
In unserer heutigen Zeit hat die liebliche Birke die ernste Tanne als Maibaum vollständig verdrängt. Sie führt deshalb auch den Hamen „Maie.“ Ihre maigrünen Zweige schmücken in vielen Wohnhäusern und Kirchen zu Pfingsten Türen und Altäre.
Mit dem Aberglauben im Volke hat die Birke seltsamerweise nur wenig zu tun. In Vielen Gegenden legt man Malenzweige auf
den Flachs, damit dieser fein rösten soll. War der Kohl voll Raupen, so nahm man einige Birkenzweige, ging dreimal um den Kohlgarten herum und rief: „Raupen, packt euch! Der Mond geht weg, die Sonne kommt!“ Dann sollten die Raupen von dem Kohl verschwinden. Wenn in Niederbayem die Kühe im Frühjahr zum ersten Mal ausgetrieben werden, bindet man Birkenzweige mit Eichenlaub und Holunder zu einem Busch und treibt die Tiere damit an, denn die Birke deutet auf Fruchtbarkeit und Gesundheit.
Man findet bei uns die Birke meistens einsam und vereinzelt stehen. Im Scherz hat man sie wohl einen „kecken und vorwitzigen“ Baum genannt, da sie sich auf die höchsten und steilsten Berge hinaufwagt und selbst oben auf dem Gemäuer von alten Burgen und Warttürmen sich einnistet. Mitunter bildet sie auf der sandigen Heide oder an lichten Waldrändern kleine Bestände. Es gewährt einen eigentümlichen Reiz, in mondheller Nacht durch einen Birkenhain zu schreiten. Die Kronen nicht dicht und undurchdringlich wie die der Linden, lassen das sanfte Silberlicht des Mondes hindurch. Dann schimmert und flimmert es rings umher wie in einem Zauberschloß. Der Dichter Fouquä verglich die Birken mit Frauengestalten. Sie stehen da wie „weiße Frauen mit grünen Schleiern“ und wiegen und biegen sich, rauschen und raunen zu uns hernieder. Auch Nikolaus Lenau hat die Birke dichterisch verklärt:
„Ich sah in bleicher Silbertracht Der Birken Stämme prangen,
Als wäre dran aus heller Nacht Das Mondlicht blieben hangen.“'
Das eigroße Roggenkorn
Eine nachdenkliche Geschichte von Leo Tolstoi
Kinder fänden eines Tages in einer Schlucht •in Ding, so groß wie ein Hühnerei. In der M'.!e hatte es eine Spalte und sab aus wie •in Korn. Ein Wanderer, der des Weges kam, sah das Ding, kaufte es ihnen ab, brachte es nach der Stadt und verkaufte es dem Zaren als Rarität
Der Zar ließ die Weisen-kommen, sie sollten feststellen, was das für ein Ding sei, ein Ei oder ein Korn? Die Weisen sannen und sannen, sie konnten’s nicht sagen.
Eines Tages lag das Ding auf dem Fenster, da kam eine Henne hereingeflogen, begann daran zu picken und pickte ein Loch hinein. Da sahen alle, daß es ein Korn war.
Der Zar war sehr verwundert Nun hieß er «He Weisen festzustellen, wo und wann das Korn gewachsen war. Die Weisen sannen und sannen, fanden aber nichts.
Der Zar schickte Leute aus und befahl, daß man ihm einen alten Bauern bringe. Man suchte einen alten Bauern und brachte ihn zu dem Zaren. Der Alte trat ein. Es war ein grauer, zahnloser Mann.
Der Zar zeigte ihm das Korn, aber der Alte kann nicht mehr sehen, nur so ungefähr, halb sieht er, halb tastet er mit den Händen.
Der Zar begann ihn auszufragen; aber der Alte konnte kaum hören. Er sagte: Nein, auf meinem eigenen Feld hab ich solches Getreide nie gesät und nie geerntet Mußt meinen Vater fragen, vielleicht weiß der, wo solches Korn gewachsen ist.
Der Zar ließ den Vater des Alten holen. Der Alte kann noch gut sehen mit seinen alten Augen und betrachtet das Ding. Der Zar begann ihn auszufragen. Schwerhörig war der Alte auch; aber er hörte doch besser als sein Bohn. Nein, sagte er, solch ein Korn habe ich auf meinem Felde nie gesät, und solch ein Korn habe ich niemals geerntet. Auch gekauft habe ich niemals welches, denn zu mei
ner Zeit war das Geld noch gar nicht im Gebrauch. Die Menschen lebten alle von ihrem eigenen Getreide und teilten miteinander, wenn einer was brauchte. Unser Korn war größer, als das von heute, aber solch ein Korn hab’ ich nie gesehen. Du mußt meinen Vater fragen.
Und der Zar schickte nach dem Vater des Alten. Der Alte kam. Sein Schritt war noch leicht, seine Augen hell und sein Gehör war gut. Es ist lange her, sagte er, daß ich so ein altertümliches Körnchen gesehen habe. Solches Getreide ist zu meiner Zeit überall gewachsen.
Da fragte der Zar: Hast du solch ein Korn Je gekauft oder selbst auf deinem Felde gesät?
Da lächelte der Greis. — Zu meiner Zeit, sagte er, dachte kein Mensch an eine solche Sünde, daß er Getreide verkaufen oder kaufen sollte. Geld kannte man gar nicht, und Getreide hatten alle ihr eigenes in Hülle und Fülle..
Und der Zar fragte: So sag mir doch, wo hast du solches Getreide gesät, und wo war dein Feld?
Da sagte der Alte: Mein Feld war Gottes Erde. Die Erde war frei. Eigene Erde kannte niemand. Eigen nannte nur jeder seine Arbeit.
So sag mir doch, spricht der Zar, wie kommt es. daß dein Enkel fast blind und taub ist, dein Sohn schon besser sehen und hören kann, du aber helle Augen hast?
Der Alte sagte: Das kommt davon, daß die Menschen aufgehört haben, von der eigenen Arbeit zu leben. In alter Zeit war das Leben anders: da lebten die Menschen nach Gottes Willen. Sie hielten haus mit dem, was sie hatten, und schauten nicht aus nach anderer Leute Gut.
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Pfingsten — zwei Festtage, nur zwei Tage — aber so angefüllt mit Sonne und Wind u. d Bläue, daß sie wie zwei Wochen sein können, wenn man dieses hellste Fest Pfingsten co feiert, wie es einzig gefeiert werden soll: In der neuerwachten, von Frische und Grün
leuchtenden Natur
Drei Jungen, ein Mädel und ein Boot
Eine heitere Pfingstgeschichte mit Liebe, Sonnenschein und Wasser
Am Samstag vor Pfingsten rief Evelyn ihren Freund Peter an: „Du, mein Vater hat mir ein süßes Segelboot geschenkt, hast Du morgen Zeit?“
Natürlich hatte Peter Zeit, denn erstens war Evelyn jung, bildhübsch und temperamentvoll, und außerdem war sie die Tochter des bekannten Automobilfabrikanten — aber das spielte selbstverständlich nur eine ganz nebensächliche Rolle.
„Also um 10 Uhr am Bootshaus“, sagte Evelyn, „sei pünktlich!“
Evelyn telefonierte mit Horst: „Wag machst Du morgen?“
Horst machte — natürlich — nichts, denn die Verabredung mit der blonden Tänzerin vergaß er sofort.
„Also um 10 Uhr am Boot“, sagte Evelyn, „sei aber pünktlich, mein Lieber!“
Evelyn klingelte Ottokar an.
Er mußte erst an den Apparat geholt werden. „Um diese Zeit füttert er nämlich die
@Mtz laisa öffnet sieh das Qartantor
Eidechsen in seinem Terrarium", sagte die Wirtin zur Entschuldigung.
„Ottokar? Hier ist Evelyn! — Hast Djumorgen Zeit?“
„Warum?“ fragte er brummig.
„Mein Vater hat mir ein süßes Segelboot geschenkt. Ich wollte Dich zu einer Pfingst- partie einladen . . .“
„Ich geh’ nicht aufs Wasser. Ich kann gar- nieht schwimmen!“
' „Wir werden ja nicht gleich kentern, Ottokar! Weißt Du, das Boot ist noch nicht getauft und Du hast immer so ulkige Namen für Deine Tiere. Kannst Du wirklich nicht kommen? Um 10 Uhr am Bootssteg?!“
„Mal sehen“, brummte Ottokar.
Evelyn machte „Ph . . .“, aber so gleichgültig, wie das klang, war es ihr wiederum nicht.
Fünf Minuten vor zehn kam Peter den Bootssteg entlang. Da war Horst schon da.
Gegen halb Elf kam Evelyn.
„Ahoi“, rief Horst und sprang ins Boot.
„Wir wollen lieber noch etwas warten“, sagte Evelyn, „ich habe Ottokar auch eingeladen! — Geh’, sei lieb, Horst, ruf’ ihn mal an!“ Horst war lieb und rief an.
„Ach Gott ja, die Segelpartie! Die habe ich
Ein Märchen vom selbstsüchtigen Riesen für große und -kleine Menschen von Orcar Wilde
Nachmittags, wenn die Schule aus war, liefen die Kinder in den Garten des Riesen zum Spielen. Wie herrlich war es dort im weichen Grase, wo die Blumen wie Sterne leuchteten!
„Wie glücklich sind wir hier!“ sagten di« Kinder froh.
Eines Tages kam der Riese nach Hause; er war sieben Jahre lang bei seinem Freunde, dem Menschenfresser, auf Besuch gewesen.
„Fort mit euch!“, so verjagte er die Kinderschar, „in meinem Garten hat niemand das Recht zu spielen, als nur ich selber!“
Ja, er war sehr egoistisch, der Riese. Die armen Kinder hatten nun keinen Spielplatz mehr. Nach Schulschluß standen sie dann immer an der großen Mauer und sprachen von nichts anderem als dem herrlichen Garten
Nun kam der Frühling ins Land mit Blütenpracht und Vogelsang. Nur in des Riesen Garten blieb es Winter. Kein Vogel wollte singen, weil die Kinder fort waren, und die Bäume vergaßen zu blühen. Als einmal ein Blümchen behutsam aus dem Gras lugte und die dicke Mauer mit dem verschlossenen Tor sah, kroch es vor Mitleid mit den Kindern gleich wieder unter den Boden.
Eines Morgens aber, als der Riese aufwachte, erklang süße Musik. So lieblich klang sie ihm ins Ohr, als zögen des Königs Musikanten vorbei. Und dabei war es nur ein kleiner Hänfling, der vor seinem Fenster sang.
Ob der Frühling nun endlich da war?
Wundersames erblickte der Riese: Auf Jedem Baum hockte ein Kind: sie hatten sich durch ein Mauerloch in den Garten gedrängt. Und die Bäume schienen voll Freude, die Kinder wieder bei sich zu haben: alle Aste hatten sie mit Blüten bedeckt, die Vögel zwitscherten voll Lust, die Blumen blickten lachend aus dem grünen Rasen — es war entzückend anzuschauen.
Nur in der einen Ecke war noch Winter. Dort stand nämlich ein Junge, der konnte nicht an die Äste reichen.
„Klettre doch rauf“, rief der Baum und senkte die Äste, so weit er konnte. Aber der Junge war zu klein.
Bei solchem Anblick wurde des Riesen Herz weich. Daß ich so selbstsüchtig bin! dachte er bei sich; nun weiß ich auch, warum der Frühling nicht einziehen konnte!
Ganz leise öffnete er das Gartentor. Di« Kinder ahn'.en natürlich nicht seine guten Absichten und liefen erschreckt weg. Im Garten aber wurde es sofort wieder Winter.
Nur der kleine Junge blieb stehen, denn seine Augen waren so verweint, daß er den Riesen nicht kommen sah Leise, ganz leise trat der Riese auf ihn zu, nahm ihn behutsam auf seinen mächtigen Arm und setzte ihn auf einen Zweig.
Und sogleich fing der Baum zu blühen an, die Vögel waren wieder da mit ihren Liedern, und der Junge reckte die Ärmchen eus, schlang sie um des Riesen Hals und küßte ihn mitten auf den Mund!
Als die anderen Kinder das sahen, da kehr-' ten sie alle zurück und mit ihnen kam der Frühling wieder.
„Von nun an soll der Garten euch gehören", sagte der Riese, und dann nahm er die Axt und haute die Mauer um. Die Leute, die vorübergingen sahen ihn mit den Kindern spielen — im allerschönsten Garten, den sie je geschaut hatten.
Erst beim Dunkelwerden verabschiedeten sich die Kleinen.
„Aber wo ist denn unser I reundehen?“, fragte der Riese; er liebt.; Jenen Kleinen, dem er auf den Baum geholfen hatte, ganz besonders.
„Wahrscheir UHi fo’-tgegaru.en“, meinten sie.
Aber niemand kannte ihn und wußte, wo er wohnte.
Immer nach der Schule spielten die Kinder nun mit dem Riesen. Aber der kleine Junge zeigte sich nie mehr. „Wie gern sähe ich ihn wieuer!“ sagte der Riese betrübt.
Viele Jahre vergingen. Er wurde alt und besaß nicht mehr die Kräfte wie früher. Mit den Kindern konnte er nicht mehr umhertollen; aber von seinem Armstuhl aus freute er sich an ihren Spielen. „So viele Blumen habe ich“, pflegte er zu sagen, „aber die schönsten sind doch die Kinder!“
Als er eines Wintermorgens aus dem Fenster blickte, rieb er sich plötzlich verwundert die Augen. Was war das für ein wundersamer Anblick: Dort hinten in der Gartenecke stand ein Baum ganz wie beschneit mit lieblichen Blüten! Die Äste waren Gold, silberne Früchte hingen daran, und unter dem Baum stand jener Knabe von einst.
Voll Freude lief der Riese über den Rasen auf ihn zu. Da sah er Wundmale wie von Nägeln in seinen Händen und ebenso in den Füßen. „Wer hat es gewagt, dich so zu verletzen?“ rief er zornig, „sag es mir sogleich. Mit meinem Schwert werde ich ihn erschlagen!“
Aber das Kind lächelte: „Nein, nein, das sind Wunden der Liebe.“
„Wer bist du denn, du seltsames Wesen“, stammelte der Riese, und ungekannte Scheu überkam ihn, vor dem Kinde niederzuknien.
Und es lächelte wieder: „Du ließest mich einst in deinem Garten spielen; heute sollst du mit mir in meinen Garten kommen: in das Paradies.“
Als die Kinder am Nachmittag wieder zum Spielen kamen, da fanden sie den Riesen tot unter dem Baume liegen; er war über und über bedeckt mit weißen Blüten.
wahrhaftig ganz vergessen.
Evelyn machte „Ph . . .“, als Horst ihr diese Antwort brachte; aber es war ihr garnichtso sehr nach „Ph . . .“
Immerhin segelten sie jetzt los.
Evelyn nahm schweigend das Steuer. Die Männer machten sich ebenso stumm an die Segel. Es war alles entsetzlich langweilig.
Peter gähnte ungeniert; nicht mal die Hand hielt er vor den Mund: Uah, woll’n wir nicht da drüben Margarethen-Eiland mal anlaufen? Die Faltbootfahrerpärchen sagen ,Liebesinsel‘ dazu.“
„Wie geschmacklos!“, meinte Evelyn nur und nahm das Steuer scharf herum. Die Insel verschwand hinter ihnen.
„Ein herrlicher Tag! Wirklich und so unterhaltsam", sagte Peter.
„Seid mir nicht böse“, damit wendete schließlich Evelyn das Boot, „aber ich möchte nach Hause. Ich habe Kopfschmerzen. Vielleicht gibt es ein Gewitter.“
Sie liefen an und stiegen aus.
„Also dann bis zum nächsten Sonntag, Jungens, pünktlich um 10 Uhr am Boot. Dann wird’s bestimmt netter!“, sagte sie.
Aber als Horst und Peter am nächsten Sonntag am Steg waren, sahen sie weder Evelyn noch das Boot.
Sie riefen den Bootswart. Der zog umständlich sein Fernrohr auseinander und suchte den
„Bitte“, sagte er und zeigte auf das Wasser, „dort ganz link. Wenn sie mal durchsehen wollen.“
Das Glas war ausgezeichnet. Groß und klar konnte man das rote Boot auf den Wellen erkennen.
Es hatte zwei Menschen an Bord. Einer davon war Evelyn. Der andere war ein Mann, der einen breiten Schwimmgürtel aus Korken um den Leib trug. Am Bug des Bootes aber war in großen, weißen Buchstaben der Name geschrieben. Er hieß: „Ottokar.“
HÜFFE E