FREITAO, SA MAI 1052

Bundestag billigt Haushaltsgesetz

Einmütigkeit für Steigerung des Mildikonsums . Drahtbericht unserer Bonner Redaktion

Regierung bestätigt...

Fortsetzung von Seite 1

dige Beobachter der Einflußmöglichkeiten sol­len die erhöhten Chancen, welche das Land Jetzt unzweifelhaft hat, systematisch ausge- xrntzt werden. Die Regierung werde jedoch ln sämtlichen Bundesratsangelegenheiten ihre Entscheidungen ausschließlich nach den sach­lichen Landesinteressen treffen.

Die Aussprache

In der Aussprache wurde die Regierungs­erklärung von der Opposition heftig kritisiert. Der Abg. Simpfendörfer (CDU) meinte, die Regierungseiklärungmöchte durch eine Fülle von Versprechungen für die Zukunft vergessen machen, daß man In der Vergan­genheit über gegebene Versprechungen zur Tagesordnung übergegangen sei. Abg. Dr. "Werber (CDU) nannte die Regierungser­klärung denProgrammzettel eines politischen Wunschkonzerts. Die Opposition hätte sich gewünscht, daß die Regierungserklärung kla­rer und präziser formuliert worden wäreund nicht so verschwommen, um nachher machen zu können, was man will. Die CDU wünsche das Elternrecht.

Als Sprecher der DVP sagte der Fraktions­vorsitzende Haußmann, seine Partei wün­sche einenAusgleich herzustellen. Es ginge nicht um Sieg oder Niederlage, sondern um die Verständigung. Als Sprecher der SPD sagte der südbadische Abg. J ä c k 1 e, die SPD habe nicht vergessen, wie sie als Oppositions­partei in Südbaden von der CDU behandelt worden sei. In keinem anderen Lande sei die Diktatur so skruppellos ausgeübt worden wie In Südbaden.

Abg. Köhler (DVP) rief bei seiner eige­nen Fraktion große Bestürzung hervor, weil er deren Zusammengehen mit der SPD kriti- alerte und eine Regierung aufbreiterer Ba­ds" wünschte. Der ehemalige Staatspräsident Dr. Müller erklärte, dieArgumente Woh- fcbs seien durch das Verhalten der Regierung bestätigt worden. Die Regierung habeviel Porzellan zerschlagen. Sie könne das nur wieder gutmachen, wenn sie ihren Weg bald revidiere.

Zum Abschluß der Debatte sagte der stell­vertretende Ministerpräsident Dr. Veit, es sei bedauerlich, daß die Südweststaatanhän­ger der CDU nicht in der Regierung vertreten seien, aber man könne nicht wissen,ob nicht hinter Gebhard Müller eine trojanische Schwa­dron Altbadener in die Regierung einzieht. Die Politik Dr. Adenauers werdefrontal ab­gestoppt werden und nicht durch irgend­welche Winkelzüge der südwestdeutschen Re­gierung im Bundesrat. Zum Elternrecht meinte Veit, daß hinter ihm das Kirchenrecht stehe. Veit schloß:Wir glauben, daß Gott diesem Werk der Regierung seinen Segen geben wird, und wenn er das tut, so können wir auf den Segen der CDU verzichten.

Rektoren zur Hochschule für Politik

TÜBINGEN. Die westdeutsche Rektoren-Kon- ferenz hat sich, wie jetzt von ihrem Vorsitzen­den, Prof. D. Dr. Helmut Thlelicke, be­kanntgegeben wurde, auf ihrer letzten Sitzung in Marburg auch mit dem Problem der Hoch­schule für Arbeit, Politik und Wirtschaft in Wil­helmshaven eingehend befaßt. Sie kam dabei zu folgenden Empfehlungen: Das Verfahren einer Ersatzreifeprüfung ist abzulehnen. Die Rektoren- Konferenz erklärt sich bereit, die Hochschule in Wilhelmshaven durch ständige Fühlungnahme zu unterstützen; da zur Zeit die Prüfungsordnung von Wilhelmshaven noch nicht beurteilt werden kann, wird die Rektoren-Konferenz zunächst eine abwartende Haltung einnehmen; die Rek­toren-Konferenz schlägt den Hochschulen vor, die Immaturen von Wilhelmshäven vorläufig nicht zu immatrikulieren. Inwieweit Semester eines in Wilhelmshaven verbrachten Vollstudi­ums mit ordnungsgemäßem Reifezeugnis an an­deren Hochschulen Westdeutschlands angerechnet werden, bleibt der Beratung durch einen ein­schlägigen Fakultätentag überlassen. Es ist Wunsch der Rektoren-Konferenz, daß der Aus­bau der Hochschule für Arbeit, Politik und Wirt­schaft in Wilhelmshaven die anderen Hochschulen ln Niedersachsen nicht schädigen soll.

BONN. Der Bundestag billigte ln seiner Donnerstagsitzung mit 169:116 Stimmen bei sechs Enthaltungen in dritter Lesung das Ge­setz über die Feststellung des Bundeshaus­haltsplanes für das Rechnungsjahr 1952. SPD und Föderalistische Union lehnten den Ent­wurf mit der Begründung ab, daß er eine echte Kontrolle der Haushaltspolitik der Regierung durch das Parlament weiterhin verhindere. Schüttle (SPD) erklärte, daß der Haus­haltsausschuß seit dem September 1950 6,1 Milliarden DM an Ausgaben unter Ausschluß der Öffentlichkeit und der Plenarversamm­lung des Bundestags genehmigen mußte. Da­mit würde die ganze Haushaltskontrolle zu einer reinen Farce.

Zuvor war es zu einer längeren Debatte über die Steigerung des Milchkonsums gekom­men, für die sich ein CDU-Antrag eingesetzt hatte. Emährungs- und Landwirtschaftsmini­ster Niklas erklärte, daß die Regierung durch Verbesserung der hygienischen Verhält­nisse und der Qualität der Milch die Voraus­setzungen für eine Steigerung des Konsums geschaffen habe. Während jetzt der Milch ver­brauch pro Tag und Kopf der Bevölkerung 0,3 Liter beträgt, müsse und könne er durch eine Großwerbung erheblich gesteigert wer­den. Kriedemann (SPD) vertrat die Auf­fassung, daß die Werbung nicht genüge, son­dern das Milchverbrauchssystem neu geordnet werden müsse. Sprecher anderer Parteien schlossen sich dieser Auffassung an. Es ist an­zunehmen, daß bei der Beratung der Novellen zum Milch- und Fettgesetz das Problem des

Auerbach aus der Haft entlassen. München. Die erste Strafkammer des Münchener Landge­richts hat den am 9. März 1951 gegen den ehe­maligen Präsidenten des bayerischen Landes­entschädigungsamtes, Philipp Auerbach, ausge­stellten Haftbefehl aufgehoben. Als Grund wurde angegeben, daßdie Voraussetzungen für eine weitere Inhaftierung weggefallen sind.

Ohrenstein ist Haupttäter. München. Im Münchener Auerbach-Prozeß sagte der ehemalige Fürsorgereferent im bayerischen Hilfswerk, Karl Hefter, als ZeugeIch glaube, daß der Haupt­täter, der immer noch spazieren geht, der Lan­desrabbiner Ohrenstein ist. Hefter erklärte un­ter Eid, 1949 seiin allen Kreisen bekannt ge­wesen, daß Ohrenstein gute Geschäfte machte und Gelder aus zweifelhaften Quellen erhielt.

Entlassungen endgültig. Wilhelmshaven. Eine Wiedereinstellung derwegen Arbeitsver­weigerung entlassenen 68 Arbeiter, die an der DGB-Protestaktion gegen den Betriebsverfas­sungsgesetzentwurf teilgenommen hatten, werde auf keinen Fall erfolgen, erklärte die Betriebs­leitung der Textilmaschinenfabrik Baarfuß in Wilhelmshaven. Der Deutsche Gewerkschafts­bund, der befürchtet, daß damit ein Präzedenzfall geschaffen wird, bezeichnet die Anordnung als widerrechtlich und will dagegen vorgehen.

Eden sprach ln Berlin. Berlin. Der britische Außenminister Anthony Eden hat gestern bei seinem Besuch in Berlin erneut versichert, daß die britische Regierung und ihre Alliierten einen Angriff auf Berlin als einen Angriff auf sich selbst betrachten würden.

Figl in Paris. Paris. Der österreichische Bun­deskanzler Dr. Leopold Figl traf gestern aus den USA in Paris ein. Er wird mit Staatspräsident Auriol, Ministerpräsident Pinay und Außenmini­ster Schuman Besprechungen führen.

Frankreich begnadigt Kriegsgefangene. Paris. Aus Anlaß der Unterzeichnung de3 Vertrages über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft hat die französische Regierung zehn in Haft be­findliche deutsche Soldaten entlassen.

Guter Start von Pinays Anleihe. Paris. Die goldgesicherte französische Anleihe, die die Re­gierung Pinay Anfang der Woche auflegte, hat einen guten Start gehabt. Schon in den ersten Tagen erfolgten Millionenkäufe und erheb­liche Goldabgaben.

Milchkonsums vom Bundestag konkret ange­faßt werden wird.

Der Vorschlag des Vermittlungsausschusses hinsichtlich des Gesetzes über das landwirt­schaftliche Pachtwesen wurde mit den Stim­men der Regierungsparteien abgelehnt. Ange­nommen wurde der Vermittlungsvorschlag über das Gesetz zur Aufhebung einiger Po­lizeiverordnungen auf dem Gebiet des Ver­kehrs mit Arzneimitteln. In dritter Lesung verabschiedet wurde das Gesetz über die vor­läufige Regelung der Errichtung von Apothe­ken und das Gesetz zur Aufhebung der Mann­schaftsrolle und Bordliste auf Binnenschiffen.

Am Mittwoch hat Finanzminister S c h ä f - f e r in der Fragestunde bestätigt, daß die Re­gierung den Teuerungszuschlag an Beamte in Form eines halben Monatsgehalts zahlen will, nachdem eine große Besoldungsreform in die­sem Jahr nicht mehr durchführbar sei. Die vorgesehenen Zuwendungen würden jedoch Pensionäre und die 131er nicht einbeziehen. Auf eine Frage nach dem weiblichen Anteil an den Erwerbspersonen teilte das Bundes­arbeitsministerium mit, daß gegenwärtig 8,82 Millionen Frauen in der Bundesrepublik er­werbstätig sind. Heftige Kritik wurde von der Opposition an dem Regierungsentwurf eines Gesetzes über die politische Treuepflicht der Angehörigen des öffentlichen Dienstes ge­übt. Der Gesetzentwurf, den die SPD als überflüssig bezeichnete, wurde zur weiteren Beratung an den zuständigen Ausschuß über­wiesen.

Rundfunk-Konferenz. Stockholm. Die euro­päische Rundfunk-Konferenz, die gegenwärtig in Stockholm tagt, wird einen Wellenverteilungs­plan für Fernsehsendungen und Rundfunksen­dungen mit sehr hohen Frequenzen ausarbeiten. Als Vertreter Deutschlands nehmen der Inten­dant des Hessischen Rundfunks und der Techni­sche Leiter des Nordwestdeutschen Rundfunks teil.

Verlobt sich Baudouin? Rom. Ein streng ge­heimgehaltener Besuch von Mitgliedern des bel­gischen und des italienischen Königshauses in Rom hat zu Gerüchten Anlaß gegeben, daß die Verlobung König Baudouins von Belgien mit der noch minderjährigen Prinzessin Margeritha di Savoia Aosta unmittelbar bevorstehe.

Verkehrskatastrophe. Madrid. Ein überfüll­ter Straßenbahnwagen sprang in Madrid aus den Schienen, durchbrach das Geländer der Toledo- Brücke und stürzte 25 m tief in den Manzana- res. Mindestens 30 Personen fanden den Tod, 60 weitere wurden verletzt. Im Innern des Wa-

BONN. Der stellvertretende DGB-Vorsitzen- de Matthias Föcher und die Vorstandsmit­glieder Bührig und vom Hoff verhandel­ten Anfang dieser Woche in Bonn mit Vertre­tern der CDU/CSU-, der FDP- und der FU (Föderalistische Union)-Fraktion über die ge­werkschaftlichen Wünsche zum Betriebsver­fassungsgesetz. Die Gewerkschaftler hatten sich bereits in der Vorwoche mit Vertretern der SPD getroffen. Die zuständigen Ausschüsse des Parlaments haben am Mittwoch mit den Beratungen der entscheidenden Paragraphen des Gesetzes, in denen vor allem das wirt­schaftliche Mitbestimmungsrecht geregelt wird, begonnen.

In einer nach der Sitzung veröffentlichten Erklärung der CDU-Fraktion kam zum Aus­druck, die Abgeordneten hätten den Gewerk-

Die goldenen Sessel

er. Im Zusammenhang mit dem Streik im Zeitungsgewerbe ist interessant, wasDer Spiegel in seiner Ausgabe vom 21. Mai d. J. über das Mitbestimmungsrecht und seine bis jetzt überschaubaren Auswirkungen veröffent­licht:Bereits jetzt haben führende westdeut­sche Gewerkschaftler bis zu mehr als einem halben Dutzend Aufsichtsratsposten inne. So ist das DGB-Mitglied Hans vom Hoff Auf­sichtsrat der Gemeinwirtschaftsbank, der Al­ten Volksfürsorge, der Eigenhilfe-Sachversi­cherung, der Gemeinwirtschaftlichen Hochsee­fischerei, des Hüttenwerks Union Dortmund und des Stahlwerks Osnabrück.

Viktor Agartz, Leiter des Wirtschaftswissen­schaftlichen DGB-Institutes ist Aufsichtsrat der Gemeinwirtschaftsbanken in Hessen, Nie­dersachsen, Württemberg-Baden, weiter bei der Automobil Duisburg, der Eigenhilfe-Sach­versicherung, der Firma Burgber & Co. (Mett­mann), der H. B. Seißenschmidt AG, der Viag und der Kreditanstalt für Wiederaufbau.

Walter Freitag, Leiter der Industriegewerk­schaft Metall, ist Aufsichtsratsmitglied der Gemeinwirtschaftsbank, des Hüttenwerks Geis­weid AG. und der AG für Versicherungsun ternehmen.

August Schmidt, Leiter der Industriege­werkschaft Bergbau, ist Aufsichtsrat der Ge­meinwirtschaftsbank, der Alten Volksfürsorge, der Hibernia und weiterer Großunternehmen der Montan-Industrie.

In Bonn erklärte unlängst das Vorstands- mitmitglied des DGB, Hans Böhm, hinsicht­lich seiner Kollegen von den Regierungspar­teien und von den Unternehmern:Die wer­den erst einsichtig, wenn die Arbeiter kom­men und ihnen Knüppel zwischen die Augen schlagen. Also von seiten der Gewerkschaften der Eichenknüppel und bei den Unternehmern zur Abwehr vielleicht der Holzhammer?

In der ersten Runde haben fraglos die Ge­werkschaften gesiegt, aber der Ausgang des ganzen Kampfes ist noch ungewiß. Gewiß ist nur das eine, daß nämlich unsere junge, sehr gebrechliche und mit vielen Mangelkrankhei­ten behaftete Demokratie unter den wuchtigen Schlägen von Knüppel und Hammer sehr bald ihr bißchen kümmerliches Leben vollends aufgeben wird.

gens, der für 48 Fahrgäste berechnet ist, befan­den sich über 100 Menschen.

Spanisches Konkordat, Barcelona. Spaniens Staatschef General Franco will im Verlauf des Eucharistischen Kongresses in Barcelona mit dem Vatikan ein neues Konkordat abschließen. Das letzte Konkordat erlosch im Jahre 1931 mit der Ausrufung der spanischen Republik.

Riesenbomber explodiert. Fort Worth/Texas. Ein zehnmotoriger Riesenbomber vom Typ B 36 Ist kurz vor dem Aufsetzen auf die Rollbahn eines Flugplatzes in Texas explodiert. Sieben Mann der Besatzung werden vermißt, zehn wei­tere befinden sich im Lazarett. Die Ursachen der Katastrophe sind ungeklärt.

schaftlem gegenüber betont, daß eine Lösung des Konflikts, der durch die neuen gewerk­schaftlichen Maßnahmen im Zeitungsgewerbe noch verschärft worden sei, vor allem die Freiheit der demokratischen und parlamenta­rischen Entscheidung wahren müsse.

Das Bundeskabinett erörterte unter Vorsitz von Vizekanzler Blücher seine Stellung­nahme zu dem von der Industriegewerkschaft Druck und Papier aufgerufenen Streik in den Zeitungsdruckereien, wobei die Auffassung vertreten wurde, daß die Arbeitsniederlegung keine rechtliche Grundlage habe, da die Be­gründung für den Streikaufruf zeige, daß es sich nicht um einen Streik zur Durchsetzung von Arbeitnehmerinteressen handle. Der DGB« Bundesvorstand verneinte, daß der Zeitungs­streik sich gegen den Generalvertrag richtete.

Kleine Weltchronik

Verbandlungen DGB Parteien

Bundestagsausschüsse haben Beratung des Betriebsverfassungsgesetzes begonnen

83. Fortsetzung

Nachdruck verboten.

Donate kniet auf der harten Bank und preßt

die Stirn gegen die Scheibe.Kehr doch

um ..., flüstert sie.... Kehr um...

Aber dies leise Flehen erreicht sein Ohr nicht, und noch weniger sein Herz... er zö­gert nicht, er dreht sich nicht um.

Ich hasse ihn! sagt Donate laut und schlägt mit der geballten Faust gegen eine Holzkante. Ich hasse, hasse, hasse ihn!

Wie sie so aus dem Fenster gegen den Wald­rand starrt, durchzuckt es sie mit einem hei­ßen Erschrecken, warum er wohl so brüsk da­vongegangen ist. Was denkt er von ihr? ... Wofür hält er sie?... Glaubt er, daß sie ihn überrumpeln hat wollen? ...

In der Einsamkeit des halbdunklen Raums schießt ihr das Blut glühend ins Gesicht... noch nie in ihrem LeL en hat sie sich so gede- mütigt gefühlt... und das ist vielleicht das Schlimmste, das einem stolzen Menschen überhaupt widerfahren kann schlimmer als körperlicher Schmerz und seelisches Leid.

Es ist eine halb unbewußte Reaktion, daß sie die hölzernen Läden vor den Fenstern schließt und die Tür verriegelt. Es gibt hier keine Augen, die neugierig und schadenfroh auf sie starren, aber sie hat das Bedürfnis, sich von der Welt abzusperren, sich im Dun­keln zu verkriechen.

Sie reißt mit ungeduldigen Bewegungen die nassen Sachen vom Leibe und schleudert sie auf die Bank, auf den Fußboden, wo sie ge­rade hinfallen... im Dunkeln tastet sie sich nach dem Lager... Es ist ein Heusack auf harten Planken ein paar grobe Wolldecken liegen darüber. Sehr elastisch ist diese Ma­tratze nicht, und die Wolle kratzt an ihrer empfindlichen Haut .. aber zum mindesten hört sie bald auf, vor Kälte zu zittern. Es wird Ihr sogar so glühend heiß, daß sie die Arme aus den Decken befreit und sie über den Kopf (treckt.

Sie ist müde genug, aber die erregten Ge­danken lassen sie nicht schlafen... Es muß etwas geschehen, um diese Schmach von ihr zu nehmen...

Ach, es wird gar nichts geschehen. Sie wird abreisen... sie wird dieseh Mann nie wieder sehen... und sie wird ihn vergessen.

Nein, vergessen wird sie ihn nie .. und sie muß sehr viel Erfolg haben, um über diese Kränkung hinwegzukommen. Arbeiten... Ruhm und Reichtum erstreben... das hat ihr schon einmal geholfen... aber doch war es anders. Denn Erik Foster hat sie geliebt... viel mehr als sie ihn. Er war ein Schwächling, ein verwöhntes Muttersöhnchen... Der Kampf, den sie damals geführt hat, galt mehr seiner Familie als <hm.

Ach, wieviel denkt man nicht an einem lan­gen einsamen Abend, in einer schlaflosen Nacht... ein ganzes Leben zurück bis in die früheste Kindheit ein ganzes Leben voraus bis ins hohe Alter.

Aber daß dieser Mann in diesem Leben ein­mal keine Rolle mehr spielen nein, das ist etwas, das man sich einfach nicht vorstellen kann ... auch nicht, wenn man alle Vernunft und alle Erfahrung zu Hilfe ruft...

Sie weiß nur einen Weg... einen törichten, phantastischen Einfall... aber im Augenblick ist es der einzige, der ihr etwas Ruhe gibt: sie könnte den Franzi heiraten. Sie würde ihm kein Unrecht damit antun... sie würde ihm die Wahrheit sagen.., nicht die volle natür­lich ... vielleicht wäre er sehr zufrieden, wenn sie ihm eine gute Kameradin würde... und er würde sie nicht hindern, weiter zu arbeiten ... und alles, 'was sie verdient, würde Bucheck zugute kommen ... es sollte in einem Glanze wieder erstehen, wie es ihn kaum je gekannt ... und sie würde alles Land zurückkaufen, das man unbarmherzig aus ihm herausgefetzt ... und wenn sie darum prozessieren müßte... prozessieren mit diesem Herrn Heysingk ...

Sie würde in die Welt gehen, um Ruhm und Geld zu erwerben, und sie würde das Recht haben, immer wieder hierher zurückzukom­men, immer wieder diesem Mann zu begeg­

nen und ihn fühlen zu lassen, wie gleichgültig er ihr ist.

. Das ist die einzige Möglichkeit einer Rache ... Sie glaubt zwar selbst nicht recht daran, aber sie malt es sich doch so lebhaft aus, daß sie darüber endlich einschläft.

Donate weiß nicht, ob es früh oder spät ist, als sie aufwacht... der Raum ist dunkel, und Ihre Uhr ist stehengeblieben, da sie vergessen hat, sie aufzuziehen... durch die Ritzen der Fensterläden dringt eine matte graue Hellig­keit. Als Donate die Läden öffnet, sieht sie nichts. Feuchte weißgraue Nebelwände ballen sich rings um das Haus... die hohen Baum­stämme sind nur noch wie Schattenstreifen sichtbar... Donate sitzt mitten in einer Wol­ke hoch über der Welt.

Und sonderbarerweise findet sie das schön und unendlich beruhigend ... keine strahlen­de Morgensonne hätte so wohltuend wirken können wie diese feuchte Wolke, die das Haus in Watte wickelt.

Es müßte gut sein, eine Weile als Einsiedler zu leben... jeder Mensch sollte das tun, und wenn es nur ein paar Tage im Jahre wäre. Nein, sie fürchtet sich nicht... nicht vor Räu­bern und Einbrechern, nicht vor wilden Tie­ren ... nicht einmal vor der Größe und Stille der Natur.

Sie nimmt sogar tapfer den Kampf mit dem Herd auf, der qualmt und nicht ziehen will... sie hustet mit träneiden Augen und summt vergnügt vor sich hin, als die Scheite endlich knistern und prasseln.

Ihre Sachen sind leidlich trocken, besonders wenn man sie gegen die Herdglut hält und sie so erwärmt überstreift Nur die Schuhe sind naß, natürlich hat sie kein Heu hineingestopft. Aber es ist ganz behaglich, auf nackten Soh­len über die Holzdielen zu laufen.

Sie findet allerlei Eßbares in dem Schrank und macht einen Überschlag: wenn man sie nicht abholt, sie denkt nicht daran, sich den Weg durch diesen Nebel zu suchen: sie kann sehr gut eine Woche und länger von diesen Vorräten leben! und sonderbares Leben, fast ein bißchen märchenhaft.

Es gibt Beeren und Pilze im Wald, es lehnt sogar ein Gewehr an der Wand... sie hofft allerdings, daß es nicht geladen ist, denn sie versteht nicht damit umzugehen ... Alle ihre Gedanken sind plötzlich wieder bei dem Mann, der hier einen Teil seines Lebens ver­bringt... den größten Teil, wie Inneke sagt.

Es ist zu verstehen ... man kann hier viel­leicht nicht ganz glücklich sein aber jeden­falls auch nicht ganz unglücklich.

Sie ist es schon jetzt nicht mehr, als sie auf ihren nackten Füßen nach dem Brunnen drau­ßen läuft, dessen eiskaltes Wasser in einen ausgehöhlten, mit glitschigem Moos überwach­senen Baumstamm rinnt... Ein wenig hat di« Wolke sich gelichtet, von dieser Seite des Hauses hat man einen weiten Blick über Hö­henzüge, die sich nur als dunkle Schatten ln dem weißgrauen Dunst abzeichnen.

Hier also steht er, wenn im Herbst der Ne­bel braut, und denkt, er stünde am Meer.., Sie steht so lange da. bis der nasse Boden unter ihren Füßen sie mit Kälte durchdringt.

Als sie gegessen hat all die kämpfenden Gedanken der Nacht haben ihrem gesunden Hunger keinen Abbruch getan, spült sie das Geschirr und setzt es wieder fort... zum mindesten will sie hier keine Unordnung hin­terlassen, die an den unliebsamen Besuch er­innert.

Wo hat dieser Napf seinen Platz gehabt? In dem untersten Fach vielleicht... nein, doch nicht, da sind Bücher... also wenn man sie eine Woche lang hier oben vergißt, würde sie sogar etwas zu lesen haben... Sie kniet vor dem Schrank und berührt leise, fast liebko­send, die Bücherrücken mit den Fingerspitzen ... Es sind Lieblinge von ihr darunter, Bücher, die man immer wieder lesen kann, darin blät­tern, sie aufschlagen, um einen Satz einzufan­gen, ihn zu überdenken, darauf zu antwor­ten... ach, auch dies i-,t dabei. . und das... sie muß Heysingk doch einmal fragen.

Nein, sie wird ihn gar nichts mehr fragen. Sie wird ihn nicht Wiedersehen. Bestimmt nicht in den nächsten Tagen... oder Mona­ten ... oder Jahren.