Wiederherstellung...
Fortsetzung von Seite 1
auch gegenüber dem westlichen Vertragssystem. Es ginge der SPD um die Befreiung der Sowjetzone. Wörtlich sagte er dann: „In der Stunde, in der Gefahr ist, daß eine Tür zugeschlagen wird, machen wir eine erneute Anstrengung zu Lösungen, die im deutschen Interesse liegen.“
Bundeskanzler Dr. Adenauer erklärte, die Tatsache, daß die Sowjetunion eine Note an die drei Westmächte gerichtet habe, sei nicht zuletzt auf die bisherige Politik des Westens und der Bundesregierung zurückzuführen. Die Note sei durchaus bemerkenswert, aber wenn sich die Westmächte nach dieser Note mit Sowjetrußland an einen Tisch gesetzt hätten, wären die deutschen Interessen schwer gefährdet worden. Die sowjetische Note würde auf eine Neutralisierung Deutschlands hinauslaufen und dazu noch ein Deutschland minderen Rechts schaffen. Die zugesagten nationalen Streitkräfte dürften bestimmt nicht so groß sein, daß sie Deutschland ausreichend schützen könnten. Der Auffassung der Westmächte ln ihren Antworten an die Sowjets, daß es keine deutsche Nationalarmee geben solle, stimmte er zu. Es müsse jede Gelegenheit ergriffen werden, um zu vernünftigen Verhandlungen zu kommen. Die Möglichkeiten, die Voraussetzungen für solche Verhandlungen zu schaffen, teilte Adenauer ein in: 1. könne aus eigener Kraft dieses Ziel angestrebt werden, was aber kaum über Bemühungen hinauskomme; 2. bestünde die Möglichkeit, von Rußland die Zusage für eine deutsche Einheit, so, wie wir sie uns vorstellen, zu erreichen, doch sei das eine rein theoretische Möglichkeit; bleibe also als 3. Möglichkeit nur der Weg, „daß wir versuchen, die Einheit mit Hilfe der Westalliierten zu erreichen“. Dann sagte der Bundeskanzler entgegen seinen Ausführungen in der Wehrdebatte, er glaube, daß nicht nur die Westmächte, sondern auch die sowjetrussischen Generale keinen Krieg wollten, einmal, weil der Westen zu stark sei und zum anderen, weil die inneren Aufgaben der Sowjetunion sie außerstande setzten, auf die Dauer zu rüsten.
Die deutsche Regierung — und darin bestehe eine Alternative der SPD gegenüber der Regierungspolitik — würde die Aufgabe haben, die Unabhängigkeit nicht nur gegenüber drei, sondern gegenüber allen vier Besatzungsmächten zu erringen. Der Standpunkt, wir müßten um jeden Preis mit deutschen Soldaten den Westen stärker machen, um zu einer Lösung zu kommen, sei bedenklich. In der gegebenen Situation dürfe kein Tatbestand geschaffen, keine Unterschrift gegeben werden, die die Wiedervereinigung erschweren könnten. Adenauer erklärte in seiner Erwiderung, ein vernünftiges Gespräch sei mit der Sowjetunion erst dann möglich, „wenn wir stark sind“. Dann brachte der Bundeskanzler eine scharfe Note in die Debatte. Er nahm zu einem Satz Ollenhauers Stellung, in dem gesagt worden
Sichetheitsrat behandelt Tunis
NEW YORK. Der Präsident des Sicherheitsrates, Achmed Bokhari (Pakistan), hat den Sicherheitsrat für gestern nachmittag zur Prüfung der Aufnahme der Tunesien-Frage in die Tagesordnung einberufen. Ein entsprechender Antrag war am Mittwoch von zwölf asiatischen und afrikanischen Staaten beim Sicherheitsrat eingebracht worden. Frankreich hat sich der Behandlung bis jetzt widersetzt.
Der politische Ausschuß der Neo-Destour- Partei, die für eine volle Autonomie Tunesiens eintritt, bezeichnete in einem gestern veröffentlichten Kommunique den französischen Reformplan für Tunesien als „unannehmbar“. Frankreich hatte am Mittwoch einen Reformplan veröffentlicht, der eine starke Mitwirkung von Franzosen in der tunesischen Verwaltung vorsieht und dem französischen Generalresidenten große Vollmachten beläßt.
sei, daß die vier Besatzungsmächte als Kräfte in der Frage der Wiedervereinigung gleich zu werten seien. Eine solche Glelchsetzung müsse er ablehnen.
Im Mittelpunkt der anschließenden Rede des stellvertretenden 3PD-Vorsitzenden Ollen- hauer stand der Appell, die deutsch-alliierten Verträge und den Vertrag über die Verteidigungsgemeinschaft vorerst nicht zu unterschreiben. Ollenhauer betonte, daß sich keiner der Partner des Notenwechsels bisher definitiv festgelegt habe. Man solle sich darum nicht an die einzelnen Details zu sehr klammern. Wörtlich fuhr er fort: „Wenn wir über die Möglichkeit der Wiedervereinigung sprechen, müssen wir akzeptieren, daß es nur einen einzigen Weg gibt, und der liegt in einem Übereinkommen mit allen vier Besatzungsmächten.“ Die Frage der deutschen Einheit dürfe nicht als Frage des Verhältnisses der Bundesrepublik zu den Westmächten allein gesehen werden. Ollenhauer wies darauf hin, daß zwischen der Erklärung Adenauers in der Bundesrepublik und einzelnen seiner letzten Reden ein gewisser Widerspruch bestehe, denn er habe in diesen Reden u. a. erklärt, daß 1. die Integration, also auch der Verteidigungsbeitrag, beschleunigt werden solle und daß 2. die Teilnahme der Bundesrepublik an dem westlichen Vertragssystem feststünde. „Werden dadurch“, so fragte der Sprecher, „nicht die Bemühungen um die Wiedervereinigung gehemmt? Dürfen wir aber im gegenwärtigen Stadium Entscheidungen fällen, die die Bundesrepublik allein in das westliche System einglledem und die Wie
dervereinigung auf sehr lange Zeit zu einem unabsehbaren Problem machen?“
Anschließend sprachen für die Regierungskoalition Euler (FDP) und v. Brentano (CDU). Sie betonten, daß auf der einen Seite die Aktion der Sowjetunion eine wichtige Angelegenheit sei, aber nicht dazu führen dürfe, die Regierung in der Führung der Politik einzuengen. Auch dürfe nicht vergessen werden, daß die Entscheidung über freie Wahlen in ganz Deutschland nicht bei uns, sondern bei den Besatzungsmächten liege. Abg. S c h m i d (SPD) betonte, daß auch die Saarfrage zur deutschen Einheit gehöre. Er glaube auch nicht, daß Frankreich an der Wiedervereinigung Deutschlands erhebliches Interesse habe und zitierte entsprechende französische Äußerungen. Abg. von Meerkatz (Deutsche Partei) unterstrich im wesentlichen den Standpunkt des Bundeskanzlers und der anderen Sprecher der Regierungsparteien.
Völlig im Hintergrund der Debatte standen die beiden anderen Anträge, von dem der eine die Empfehlung des außenpolitischen Ausschusses vertrat, daß die Bundesregierung ersucht werden solle, erst dann den Verteidigungsbeitrag zu paraphieren, wenn die deutschalliierten Verträge ratifiziert sind, während der andere Antrag einen Zwischenbericht de* Ausschusses verlangt, der für die Untersuchung der Personalpolitik des Auswärtigen Amtes eingesetzt wurde. Ein Antrag der SPD auf Mißbilligung der Washingtoner Ural-Äußerung und auf Entlassung Staatssekretär Hallsteins wurde vom Bundeskanzler Adenauer zurückgewiesen. Er habe Hallstein wohl für dessen erste Äußerung zur sowjetischen Note zurechtgewiesen, jedoch beruhe die angebliche Ural-Meldung auf einer entstellenden Berichterstattung.
Oesterreich wendet sich an UN
Protest gegen fortdauernde Besetzung
WIEN. Das österreichische Parlament stimmte der Absicht der Regierung zu, die Vereinten Nationen anzurufen, um einen Abschluß des Staatsvertrages mit Österreich herbeizuführen. In der vom Nationalrat angenommenen Entschließungwird nachdrücklich gegen die „Fortsetzung der völkerrechtswidrigen Besetzung“ Österreichs, die Beibehaltung der Militärgerichtsbarkeit in allen Zonen, die „Ausbeutung der wirtschaftlichen Hilfsquellen Österreich* durch die Besatzungsmächte“ und das „Unwesen“ der sowjetischen U3ia-Betriebe protestiert. Außenminister G r u b e r erklärte, di« sowjetischen Unterhändler bei den Staatsvertragsverhandlungen hätten es bisher meisterhaft verstanden, einer Verständigung auszuweichen.
Abstimnmngserfo g Pinays
Frankreich ratifiziert Schumanplan
PARIS. Die französische Regierung hat bei den Einzelabstimmungen über den Haushaltsplan des Ministerpräsidenten P i n a y zwei Siege errungen, die vor allem auf die von Pinay veranlaßen Preissenkungen zurückgeführt werden. Pinay ist es nach den neuesten Statistiken gelungen, die seit Juni 1950 zu beobachtende ständige Steigerung der Lebenshaltungskosten zum ersten Male aufzuhalten. Der Index lag im März ein knappes Prozent unter der Februarziflfer. Im Pariser Straßenbild mehren sich nach und nach die blauweiß-roten Plakate an den Geschäften mit Pinays Devise „Rettet den Franc 1“
Der Rat der französischen Republik hat am Mittwochmorgen den Schumanplanvertrag mit 182:32 Stimmen angenommen. Frankreich ist damit nach der Bundesrepublik der zweit« Partnerstaat, der die Ratifizierung vollzogen hat. Das Gesetz muß nun noch von Staatspräsident A u r i o 1 unterzeichnet werden. In einer Saarresolution macht es der Rat jedoch der Regierung zur Pflicht, keiner Änderung de» jetzigen Status der Saar zuzustimmen. Die französisch-saarländische Wirtschaftsunion und die politische Autonomie des Saarlandes müßten beibehalten werden.
Unter sdi’editen Vorzeidien
Triest-Besprechungen angelaufen
LONDON. Während in London gestern im britischen Außenministerium die Drei-Mächte- Besprechungen über die Frage, ob die Italiener an der Verwaltung der Zone A in Triest beteiligt werden sollen, begonnen haben, liefen in Triest über die Terrorherrschaft Jugoslawiens und eine Einschüchterungswelle in der jugoslawisch-kontrollierten Zone B diese* Territoriums zahlreiche Gerüchte um. Römische Zeitungen sprachen von „Tausenden“ von Flüchtlingen, die in der internationalen Zone A von Triest eingetroffen seien. Laut Radio Belgrad protestierten am Mittwochabend über 50 000 Personen in der jugoslawisch-mazedonischen Landeshauptstadt Skolpje gegen di« Dreier-Konferenz in London. Auf mitgeführten Transparenten stand „Ohne uns kein« gültige Lösung in Triest" und „Triest und Istrien sind unser“.
Auf der ersten zweistündigen Sitzung in London kamen die Partner überein, die Gespräche auf Verwaltungsfragen der Zone A zu beschränken und keine Beschlüsse zu fassen, die einer Lösung über die Zukunft de* gesamten Territoriums vorgreifen könnten.
Schwere Kämpfe gegen eingesehlossene VieW minh-Aufständische. Saigon. — Nach siebentägigen schweren Kämpfen ist es den französischen Truppen in Indochina gelungen, die im Delta de* Roten Flusses, etwa 80 km südöstlich von Hanoi, eingeschlossenen fünf Elitebataillone der Viet- minh-Aufständischen auf eine Linie wenige Kilometer von der Meeresküste abzudrängen. Di* französischen Verbände gewinnen immer mehr an Boden.
Kleine Weltchronik
Arbeitsminister treffen sich in Bebenhausen. Tübingen. — Die Arbeitsminister der Bundesländer werden heute und morgen in Bebenhausen und Tübingen arbeitsrechtliche und sozialpolitische Fragen besprechen. An dem Treffen nimmt voraussichtlich auch Bundesarbeitsminister Storch teil.
Kultminister Dr. Schenkel als Pfarrer pensioniert. Stuttgart. — Der württemberg-badische Kultminister, Dr. Gotthilf Schenkel, wurde auf seinen eigenen Wunsch mit Wirkung vom 1. April als Pfarrer ln den Ruhestand versetzt. Wie der Evangelische Pressedienst mittellt, entspricht dieser Schritt einem Beschluß der Hamburger Kirchenkonferenz, wonach Geistliche nicht neben dem Pfarramt noch ein politisches Amt begleiten sollen.
Schumacher wieder „daheim“. Bonn. - Dr. Kurt Schumacher, der Vorsitzende der SPD, ist wieder in Bonn eingetroffen, wird sich jedoch erst nach einer längeren Rekonvalenszenzzeit wieder aktiv an der Arbeit seiner Partei beteiligen. Immerhin nahm Schumacher am Mittwoch bereits an einer Besprechung des Parteivorstandes der SPD teil.
Produktivitätsrat begründet. Bonn. — Unter dem Vorsitz des Bundeswirtschaftsministers Erhard wurde in Bonn der „Deutsche Produktivitätsrat“ gegründet, durch dessen Maßnahmen eine beträchtliche Steigerung der deutschen Industrieerzeugung erreicht werden soll. Die Gründung gewinnt im Zusammenhang mit dem Beschluß des europäischen Ministerrats der OEEC, nach dem jedes Land seine Produktion im Laufe der nächsten fünf Jahre um 25 Prozent steigern soll, besondere Bedeutung.
Bonn darf Kroupas Auslieferung beantragen. Bonn. — Das amerikanische Hohe Kommissariat hat nach Mitteilung des Bundesjustizministe- rlums zugesagt, daß gegen einen deutschen Auslieferungsantrag gegen den „Henker von Joachimsthal“, den Tschechen Kroupa, keine Einwände erhoben werden. Kroupa hält sich zurzeit in Frankreich auf. Das beabsichtigte deutsche Auslieferungsbegehren wird Kroupa 13 Morde und drei schwere Erpressungen zur Last legen.
Nordrhein-westfälisches Schulgesetz angenommen. Düsseldorf. — Der Landtag von Nordrhein- Westfalen nahm in namentlicher Abstimmung das Landesschulgesetz mit 110:95 Stimmen bei einer Stimmenthaltung an. Das Gesetz legt das Recht der Eltern zum Bestimmen der Schulform fest.
Holländische Stewardeß reist nach Haus«. Frankfurt. — Die holländische Stewardeß au* dem am 22. März im Frankfurter Stadtwald abgestürzten Flugzeug, Anne Gautier, ist nach Holland zurückgeflogen, nachdem sich ihr Gesundheitszustand soweit gebessert hat, daß sie in ein Amsterdamer Krankenhaus übergeführt werden konnte. Anne Gautier und Frau Ruth Horn sind die einzigen Überlebenden der Flugzeugkatastrophe, die 45 Todesopfer forderte.
Neues Berliner Regierungsprogramm fertiggestellt. Berlin. — Der Berliner Senat hat seine vorläufigen Beratungen über das neue Regierungsprogramm, das eine Basis für die weitere Zusammenarbeit von SPD, CDU und FDP bilden soll, abgeschlossen. Die Senatmitglieder der drei Parteien haben sich soweit geeinigt, daß der vorliegende Entwurf als eine ausreichende Grundlage für die künftige Zusammenarbeit gelten soll.
„Freies Europa“. Paris. — Der frühere französische Ministerpräsident, Paul Reynaud, hat die Bildung eines „französischen Komitees für ein freies Europa“ bekanntgegeben, das die Grundsätze der Demokratie der freien Welt ln Rundfunksendungen den Ländern Osteuropa* vermitteln soll.
Verfassungsentwurf für den Sudan. London. — Die britischen Behörden Im Sudan haben der Gesetzgebenden Versammlung einen Entwurf für eine „Verfassung der Selbstregierung“ vorgelegt, die den britischen Generalgouverneur zum Staatsoberhaupt machen und Ihm umfangreiche Vollmachten auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens geben soll.
Nato-Generalsekretär übernimmt sein Amt, London. — Der neue Generalsekretär der Nato, Lord Ismay, übernimmt heute in einer Sitzung des bisherigen Exekutivausschusses des Nordatlantikpaktes in London sein Amt,
Finnische Regierungskrise beendet. Helsinki. — Der finnische Ministerpräsident, Dr. Kekkonen, hat seinen Rücktritt widerrufen, nachdem ihm der Vorstand der Agrarpartei, der Kekkonen angehört, einstimmig das Vertrauen ausgesprochen hatte.
Königin Jullana in USA. Washington. — Königin Juliana und Prinz Bernhard der Niederlande trafen zu ihrem Staatsbesuch in den USA auf dem Flugplatz in Washington ein. Sie wurden von Präsident Truman und seiner Gattin auf dem Flugplatz empfangen.
ROMAN VON ANNA 6USAK7 WSRAUCH
ROMAN VON ANNA 6USAK7 WSRAUCH
3 Fortsetzung Nachdruck verboten.
„Das ist ja auch die Hauptsadle!“ lächelt Donate. „Und den Heuwender werde ich kaufen“, sagt sie dann ruhig entschlossen.
„Du?!“ Der Franzi lächelt belustigt. „Willst du ihn In deinem Gepäck mitschleppen und im Hotelzimmer als „Nippes“ auf die Kommode stellen? Oder als Bühnendekoration verwenden 9 “
„Nein Aber ich werde ihn Bacheck stiften!“
„Ach geh, du bist wohl nicht gescheit!“ Der Franzi lacht sie aus und wehrt beinah zornig ab Donate besteht eigensinnig auf ihrem Willen und verlegt sich aufs Bitten.
Es geht gegen Mittag, das Zelt füllt sich, ringsum schwirren Stimmen. Ge.-rhirr klappert, eifrige Kellnerinnen laufen mn und her, die schweren vollbesetzten Servier bretter über der Schulter balancierend Vom Lärm überdröhnt, dringt aus einer Feke Zithermusik
Mit einer eigenartigen Rührung hört Donate die halbverschluckten Töne eines altvertrauten Liedes während des Gesprächs läßt sie die Augen umhergehen und n mmt alles mit liebevollen Blicken in sich auf. Diese braungegerbten Gesichter scheinen ihr alle bekannt was für herrliche verwitterte Köpfe mit weißem Haar was für kräftige Gestalten mit breiten Fäusten .. wie kleidsam die Tracht, die vielen blütenweißen Hemden und weißen Kniestrümpfe, die keck aufs Ohr oder in den Nacken geschobenen Hüte mH Gamsbart und Adlerflaum, die faltigen Röcke der Frauen, di« bunten Tücher, die glänzenden Seidenschürzen .. alles fügt sich zu einem farbigen Bild .. so bekannt und doch wieder neu und fremd geworden und darum doppelt beglük- kend
„Was schaust du denn, Donerl?" fragt der
Franzi.
Donate deutet auf eine umfangreiche alte Bäuerin, die sich bedächtig zwischen den Tischen hindurchschiebt. „Die Alte gefällt mir so!“ sagte sie „Ja, die Dicke... was hat sie für ein liebes Gesicht!“
„Und einen fundamentalen Kropfl“ lacht der FranzL
„Auch das!“ bestätigt Donate „Lach mich nur aus! Aber ich hab so lange keinen Kropf gesehen! Selbst das berührt mich beimathch “ „Süß bist du'“ Während er ihren Blicken folgt, grüßt er plötzlich... kurz, höflich, ein wenig zurückhaltend
Donate betrachtet den Mann, der den Gruß erwidert — ebenso kurz, ecenso höfi.ch und vielleicht noch zurückhaltender Nur eine Sekunde sieht sie das Gesicht, das über d e Köpfe der Menge hinwegragt ein sehr giad- limg und streng geschn.ttenes Gesicht mit tiefliegenden Augen und schmalen festgeschlossenen Lippen . daneben winkt piöiz- lich eine Hand und helle Augen lachen aus einem jungen, bräunlich-rosigen Frauangesicht
„Wen hast du eben gegrüßt?" fragte Donate
„Das ist unser Nachbar“, erklärt Franzi. „Ein Herr Heysingk richtig, du kannst ihn Ja noch nicht kennen“
„Ist er kein Hiesiger?“
„Aber nein 1 Das siehst du doch' Er stammt irgendwo her aus der Nordp''g* gend - da wo Großmama auch herstammt, d e ihn wohl deshalb ganz besonders schätzt. Er sitzt erst seit ein paar Jahren da.“
„Wo denn 9 “
„Auf Sankt Aegid Der alte Wallern ist gestorben, und die Erben hauen verkauft“ „Schade. Den alten Wallern sehe ich also auch nicht mehr Er war e:n angenehmer Nachbar. Und wie Ist der Neue?“
„Geht. Wir sind nicht verfeindet — aber auch nicht gerade befreundet. Ist er nebenbei mit keinem in der Gegend Er soii ein b'ßl' sonderbar sein Ich weiß nicht, ob‘3 stimmt. Ido weiß nur, daß er ekelhaft viel
Geld hat Er wird wohl nicht* ungekauft lassen, was es hier zu kaufen gibt! Kunststück, daß Sankt Aegid Jetzt eine Art Musterbetrieb wird! Es war arg verwahrlost die letzten Jahre .. der alte Wallern hat nicht viel hineingesteckt... hat‘s auch nicht dazu gehabt“
„Komm!“ sagte Donate, aufstehend. „Jetzt kaufen wir erst einmal das Heuwunder : Das allerschönste! Und wenn es nur Ist um diesen Heysingk zu ärgern!“
„Warum soll er sich denn darüber ärgern?" fragt der Franzi mit einem erstaunten Lachen. „Und warum willst du ihn ärgern?“ „Warum?“ Donate denkt einen Augenblick nach Ja eigentlich wohl, weil er sie übersehen hat Es geschieht ihr nicht oft, daß man sie übersieht. Aoer eine so lächerliche Eitelkeit kann man nicht eingestehen Es ist beschämend genug, wenn sie einem selbst bewußt wird. „Ich weiß es nicht“, sagt sie achselzuckend „ich habe das Gefühl, daß ihr euch auch schon über ihn geärgert habt “
„Ja vielleicht“, gibt Franzi gleichmütig zu, „aber wenn man gerecht sein will, ist es nicht seine Schuld man ärgert sich halt leicht, wenn man nix hat, und einer daneben recht viel “
„Und er protzt dann auch noch mit allem, was er hat'“
„Protzen? ich weiß nicht. “
„Wir werden jedenfalls jetzt protzen, soweit es uns nur möglich Ist “
„Du hast ja allerhand vor! Geh, laß mich jetzt die Packerin tragen “
„Was denkst du, die geb‘ Ich nicht her... Ich muß immerzu nachsehen können, was es alies gibt!“ Donate ist mit ihren Gedanken noch immer bei dem hochgewachsenen Mann und seinem kurzen, wenig verbindlichen Gruß .. die junge Frau hat nicht so über sie hinweggesehen, sie hat sich nachher noch einmal umgedreht mit einem verstohlen musternden Blick. „Schad“ um die Frau!“ sagt sie aus ihrem Gedanken heraus.
„Um welche Frau?“ Der Franzi sucht in der Menge nach irgendeiner Frau, um die es
schade sein könnte. Aber er vergißt e» schnell, da er keine Antwort bekommt. E* ist ja auch nicht so wichtig ...
*
Donate ist sehr enttäuscht, daß sie ihren Heuwender nur bestellen darf.
„Hast du gedacht, du kannst Ihn mitnehmen?“ neckt der Franzi. „In Seidenpapier eingepackt und ein rosa Bä.löchen drum? Und ihn der Mammina mit einem Knick* überreichen?“
„Wenn auch das nicht gerade ...“ lacht Donate „Ich hab' mir doch eingebildet, daß er gleich abgeschickt wird und noch ankommt, solange ich da bin!“
„Du mußt eben dableiben, bis er kommt — je länger, je lieber! Und außerdem kannst du ihn immer noch abbeste!.er,, wenn er nicht rasch genug geliefert wird — das ist der Vorteil “
„Warum? Sag mal, hältst du mich eigentlich für launenhaft?“
Er hebt stumm und zweifelnd die Achseln. Aber als er schon wieder am Steuer sitzt, fragt er plötzlich aus einem Nachdenken heraus:
„Wie ist das mit dir, Donerl... kannst du rechnen?“
„Ich?“ Donate wird durch diese Frage au» einer Versunkenheit aufgerissen „Wie meinst du? Das kleine Einmaleins schon... aber Bruch und so .. kaum “
„Das müßtest du bei uns schon können“, lacht er „Bei uns ist alles Bruch... metu: oder weniger! Und ich bin ein bissei bang, daß du dich zu Ausgaben hinreißen läßt, di* du nachher bereust ..“
„Nein, Franzi!“ Sie schüttelt beruhigend den Kopf. „Soweit rechnen kann ich schont Da brauchst du dir wirklich ke'ne Sorgen zu machen Reich bin Ich nicht.. aber leichtsinnig auch nicht. Ich kann mir so ein Ver* gnügen erlauben, ohne mir weh zu tun.
Fortsetzung folgt