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HEIMATBLATT FÜR
STADT UND LAND
FREITAG. 4 APRIL 1952
Überparteiliche Tageszeitung
8. JAHRGANG / NR. 53
Wiederherstellung der deutschen Einheit oberstes Ziel
Koalition stimmt Verhandlungen mit Westmächten zu / SPD: Nichts versäumen Drahtbericht unserer Bonner Redaktion
BONN. Schon die Stimmen der Regierungs- eines deutschen Verteidigungsbeitrags nicht Parteien sicherten in der außenpolitischen unterschrieben werden dürften, bevor alle Bundestagsdebatte die Annahme der Ent- Möglichkeiten der Verhandlung zwischen den Schließung zur deutschen Wiedervereinigung, vier Besatzungsmächten ausgenutzt seien. Abg. in der es u. a. heißt: „Der Bundestag gibt der Wehner (SPD) erklärte zur Begründung des Erwartung Ausdruck, daß die Verhandlungen Antrags seiner Partei u. a., die Bundesrepu- mit den westlichen Besatzungsmächten über b lik dürfe nichts versäumen, was zur Wieder- » Besatzungsstatuts und den Vereinigung führen könne, und darum setze sich militärischen Beitrag fortgesetzt werden und seine Partei auch für e ’ rneute und formale
die Ergebnisse dem Bundestag zugeleitet werden. Der Bundestag erklärt erneut in Obereinstimmung mit der Erklärung der Bundesregierung vom September 1951 die Wiederherstellung der deutschen Einheit in einem freien und geeinten Europa als das oberste Ziel der deutschen Politik.“ Der Notenwechsel zwischen der Sowjetunion und den West- mächten wird in der Entschließung als ein wichtiger Beitrag zur Klärung der Voraussetzungen bezeichnet. Ober einen Antrag der Sozialdemokraten, die die Regierung nm konkretere und weitgehendere Schritte ersucht, war bei Redaktionsschluß noch nicht entschieden.
Entgegen der Regierungsentschließung hat
ten die Sprecher der Sozialdemokraten in der eben. Eine gesamtdeutsche Regierung müsse Debatte gefordert, daß die deutsch-alliierten darüber frei entscheiden können und das gelte Verträge und der Vertrag über die Leistung Fortsetzung auf Sette l
Fahndung schwieriger als im Fall Haiacz
Sprengstoffattentäter legte mehrere Spuren an
MÜNCHEN. Die Aufklärgn^ £es Münchener mit, ,d.aß 4§r jJrockhausbjtnd L bis Z, dessen Attentatsversuchs sei weitaus“ schwieriger als sich der TäteF bediente^ zwischen dem 9. Sep-
die Ermittlung des Attentäters Erich von Haiacz, weil sich der Täter sehr geschickt getarnt und van Anfang an „mehrere Spuren angelegt“ habe, erklärte Kriminalrat Dr. Ochs, der die Ermittlungen leitet, am Donnerstagabend. Es sei „übereilt“, den in Hamburg verhafteten 28jährigen kaufmännischen Angestellten Reiter als Urheber des Münchener Sprengstoffattentats anzusehen.
Der Verhaftete entspricht, wie bisher be
tember und 9. Oktober 1950 zum Verkauf gelangt sei. Auf Grund dieser Feststellung scheide eine in Murnau (Oberbayern) verfolgte Spur nunmehr aus. Das Buch hatte einen vom Verlag gelieferten gelben Schutzumschlag. Die Pappkassette war mit kobaltblauem Buchbinderleinen überzogen und offenbar handwerklich gefertigt.
Der an den Leiter der deutschen Delegation bei den deutsch-israelischen Wiedergutma-
burger Polizei festgestellt, daß der Verdächtige zur Zeit der Explosion sich in München aufgehalten hat. Seine Behauptung, er sei im Januar dieses Jahres aus sowjetischer Gefangenschaft geflüchtet, konnte durch Nachforschungen in verschiedenen Heimkehrer-Durchgangslagern widerlegt werden. Die Hamburger Polizei bestätigte, daß sich der Verhaf
tete noch in Hamburg befindet. Er soll erst abend bat er die Fraktionsführer des Bundes- auf besondere Anforderung der in München tags einschließlich der SPD zu einer Geheimarbeitenden Sonderkommission und nach er- besprechung in das Bundeskanzleramt, wo er neuter Überprüfung der Verdachtsmomente ihnen die Gründe seines Verdachtes mitteilte, nach dort gebracht werden, um gegebenenfalls Von allen Beteiligten wird absolutes Still— den beiden einzigen Zeugen der Übergabe des schweigen über die Ausführungen des Kanz- Pakets, den Schuljungen, gegenübergestellt lers gewahrt. Es wird angenommen, daß der zu werden. Bundeskanzler auch von alliierten Sicherheits-
Die Kriminalpolizei hat nunmehr das Ge- diensten Hinweise erhalten hat. schäft ermittelt, in dem „Mirelli" den braunen Vulkanfiberkoffer gekauft hat, den er in seiner Münchener Pension hinterließ. Auch der Diebstahl eines Brockhaus-Lexikons von L—Z in einer Buchhandlung in Murnau (Oberbayern) konnte geklärt werden. Zwei der wichtigsten Stücke, auf die sich die Fahndung konzentriert, sind eine Taschenlampenbatterie ausländischer Herkunft und •ine Buchkassette.
Die Polizei in München teilte ergänzend
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Schritte bei allen vier Besatzungsmächten ein. Die deutsche Einheit dürfe nicht das letzte und oberste, sondern sie müsse das vordringlichste Ziel der deutschen Politik sein. Sie gehöre auch zeitlich an die erste Stelle aller möglichen Schritte. Die Antwort der Westmächte an die Sowjetunion, so erklärte Wehner weiter, erwecke den Eindruck, als solle die UN-Kommission eine unabdingbare Voraussetzung gesamtdeutscher Wahlen sein. Es sei klar, daß nur dieWiedervereinigungDeutschlands die akuten Spannungen in Europa verringern könne. Wehner lehnte es ab, die Beteiligung Deutschlands an einer Mächtegruppierung zur Vorbedingung einer Wiedervereinigung zu ma-
Die beiden Münchener Volksschüler, die das geplante Attentat auf Dr. Adenauer durch Ablieferung des Sprengstoffpakets bei der Polizei verhinderten, beim Bundeskanzler. Links: Der 1 tjährige Werner Breitschopp, der gerade die goldene Armbanduhr betrachtet, die beide Beschenkt bekamen. Rechts: Der 13jährige Bruno Beyersdorf, sich beim Bundeskanzler für das schöne Geschenk bedankend Foto: AP
Rückgang des Hochwassers
Ungewöhnliches Wetter in ganz Europa
FRANKFURT. Nach der drohenden Überschwemmungsgefahr während der letzten Tage ist jetzt eine stellenweise Beruhigung der Hochwasserstände der westdeutschen Flüsse und Ströme festzusteilen, wie wir von den deutschen Wasserstraßendirektionen erfahren. Die Lage ist aber bei der wechselnden Witterung noch unberechenbar.
Vom Rhein wird gemeldet, daß der Niederrhein langsam abfällt, während am Oberlauf das Wasser langsam ansteigt. Die Strecke Andernach—Koblenz könnt« für die Schiffahrt wieder freigegeben werden, gleichzeitig aber mußte die Strecke Bingen—Koblenz gesperrt werden.. Die beiden Ufer des Rheins von Worms bis Koblenz sind überschwemmt. Von sämtlichen Nebenflüssen des Rheins, außer dem Main, werden seit gestern sinkende Pegelstände gemeldet.
Ein scharfer Kälteeinbruch brachte dem Hochrheingebiet bei Basel den stärksten
Schneefall in diesem Winter. In Skandinavien herrscht für diese Jahreszeit immer noch ein außergewöhnlich starker Frost, während man im Süden Europas teilweise sommerliche Hitze verzeichnet. Auf Malta herrschte gestern, zwei Monate vor Beginn der eigentlichen Badesaison, reges Strandleben. Eine Hitzewelle hat der Insel Temperaturen bis zu 38 Grad gebracht. Auch in der Türkei und in Italien wurden bereits sommerliche Temperaturen gemessen.
Spanien und Nordafrika wurden gestern von Stürmen heimgesucht. Uber Marokko rasen seit drei Tagen fast ununterbrochen Sandstürme. In Frankreich haben die starken Regenfälle der vergangenen Tage Hochwassergefahr heraufbeschworen.
Ein über 100 km/st über Ostpakistan rasender Wirbelsturm hat in den letzten Tagen mehrere hundert Personen getötet und eine größere Anzahl von Häusern zerstört.
kannt wurde, dem Steckbrief des Münchener chungsverhandlungen Prof Böhm gerichtete Täters. Er macht widersprechende Angaben, Sprengstoffbrief enthielt nach der Feststel- die er erst nach eindeutigen Gegenbeweisen * u ng des Universitäts-Laboratoriums Delft 30 g zurückzieht oder ändert. Bei den Vernehmun- des hochexplosiven Sprengstoffs Plotyl. Auch in gen hat er vier verschiedene Namen angege- jüdischen Kreisen, in denen sich Prof. Böhm ben. Am Zeigefinger der linken Hand ist eine ®ls entschiedener Gegner des Antisemitismus Quetschung zu sehen. Die beiden Münchener eines ausgezeichneten Rufs erfreut, wird der Jungen, denen der Täter das Sprengstoffpaket Attentatsversuch allgemein bedauert und übergeben hatte, sagten aus, dieser Mann schärfstens verurteilt. Mitglieder der Jüdischen habe einen verkrüppelten Mittelfinger an der Delegation im Haag äußerten sich mit Empörechten Hand Nach den bisher veröffentlich- rung über den Anschlag. Die deutsche Delegaten Untersuchungsergebnissen hat die Ham- tion hat der holländischen Polizei für ihre Be-
Bemerkungen zum Tage
Keine Klärung
mühungen gedankt.
Eine Warnung Adenauers
BONN. Bundeskanzler Dr. Adenauer hat sämtlichen Bundesministem und Bundestagsabgeordneten über weitere Attentatsversuche eine Warnung zugehen lassen. Bereits am Dienstag-
hf . Im Mittelpunkt der Debatte des Bundestags stand die Bestätigung, daß der Bundeskanzler der Überzeugung ist, nur über die Beteiligung der Bundesrepublik an dem westlichen Vertragssystem können die Voraussetzungen für die deutsche Wiedervereinigung geschaffen werden, während die Sozialdemokraten konkreter als bisher feststellten, daß nach Ihrer Auffassung diese Beteiligung die deutsche Wiedervereinigung auf lange Zeit verschieben würde und darum vor der Unterzeichnung der Verträge die Bundesregierung alles tun müsse, um die Westmächte zu einer Vierer-Konferenz mit den Sowjets zu veranlassen. So wenig der Bundeskanzler mit ausreichender Sicherheit weiß, ob seine Konzeption überhaupt zu einer friedlichen Wiedervereinigung führen wird, so wenig können natürlich die Sozialdemokraten im voraus beweisen, daß es die Sowjets mit der Äußerung ihres Willens zur Herstellung der deutschen Einheit ernst meinen. Uns will aber scheinen, daß ln dieser Frage die Sozialdemokraten den realistischen Standpunkt vertreten. denn schließlich würde die Erbringung des Bewe'ses, daß es Moskau nicht ernst ist, die Durchführung der bisherigen Regierungspolitik eher erleichtern als erschweren.
Entscheidende Frage an d J e DVP
Memorandum und Aufforderung zur Erklärung überreicht
Saar appeiüert an Bonn
Warnstreik der Bergarbeiter
FRANKFURT. Bevollmächtigte der Opposition gegen das Saarregime haben in Telegrammen an Bundeskanzler Dr. Adenauer
*md die Rundestagsfraktionen der CDU/CSU, stärkste _ _
SPD, FDP, DP und der Föderalistischen Union stelle. Von der SPD war der Führungsan gebeten, die Forderung der Saarbevölkerung spruch der CDU in einer Regierungskoalitlon nach sofortiger uneingeschränkter Gewährlei- schon nach den ersten Koalitionsgesprächen **hhg aller politischen Freiheiten zu unter*- bejaht worden.
» STUTTGART. (Eig. Bericht). Nach Abschluß einer Fraktionssitzung der CDU, ln der die endgültige Fassung des von der DVP gewünschten Memorandums beraten wurde, erklärte Staatspräsident Dr. Gebärd Müller am Mittwochnachmittag, gleichzeitig mit der Übergabe dieses Memorandums «ei die DVP in einem Schreiben aufgefordert worden, bald auf die bereits am 24. März 1952 an die DVP gestellte Frage zu antworten, ob sie bei einer Beteiligung an einer Koalitionsregierung damit einverstanden sei. daß die CDU als die Fraktion den Ministerpräsidenten
«tfltzeh. Entscheiden über das künftige Schick «al der Saar dürfe niir die Bevölkerung, nicht •ber ein Saarlandtag.
Dlb Bergleute des Saarreviers haben gestern Vormittag überraschend die Arbeit niederge- legt. Nach Mitteilung der Gewerkschaften wo!
Im Memorandum der CDU-Fraktion werde lediglich das dargestellt was in den vertraulich geführten Koalitionsverhandlungen mit ■der SPD und der DVP bereits besprochen worden sei, heißt es in einem kurzen, der Presse
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leb die Kutnpels mit diesem Warnstreik ihren na ch Schluß der Fraktionssitzung ubergebe- Lohbforderüngen im Hinblick auf die gleich- nen Kommunique. „Da das Memorandum — xeitig beginnenden Pariser Lohnverhandlun- so wird abschließend festgestellt —- „eine zu- gen Nachdrück verleihen. - sammenfassende Darstellung der bisher ver
traulichen Verhandlungen enthält, die noch im Gange sind, ist eine Veröffentlichung vorläufig noch nicht beabsichtigt. Die CDU-Fraktion hat bisher nichts unversucht gelassen, um die Verhandlungen bald abzuschließen.“
Heute tritt unter Vorsitz von Dr. Gebhard Müller der Verfassunggebende Ausschuß zu seiner ersten Sitzung zusammen Er wird sich mit den drei Entwürfen der Parteien für das Uberleitungsgesetz befassen Unter Ausscheidung jener Punkte, über die bei allen drei Parteien Einigkeit besteht, sollen vorwiegend die in den einzelnen Entwürfen zum Ausdruck kommenden unterschiedlichen Auffassungen erörtert werden.
Die zweite Sitzung des Verfassungs-Ausschusses wird, da die Verfassunggebende Landesversammlung in der Osterwoche jede Parlamentsarbeit ruhen läßt, am 16 April stattfinden. Das Plenum wird voraussichtlich erst zum 24. April wieder einberufen werden. Auch mit der Wiederaufnahme der Koalitionsgespräche ist erst nach den Osterfeiertagen zu rechnen, weil mehrere den Verhandlungskommissionen angehörende Abgeordnete in der kommenden Woche verhindert sind.
Im übrigen hat der Verlauf der Bonner Debatte gezeigt, daß die Position der Regierung gegenüber dem Parlament so stark ist, daß es kaum zu einer grundlegenden und richtunggebenden Diskussion kommen kann.
Im Gedränge
Jk. Nach einer ersten Arbeitssitzung, die mit einer Dauer von knapp 15 M'nuten Rekordkürze zeigte, hat sich zur Wochenmitte die Verfassunggebende Landes Versammlung vertagt. Nicht nur bis unmittelbar nach den Osterfeiertagen, sondern weit darüber hinaus: wahrscheinlich bis zum 24. April. Das ist arbeitstechnisch nur natürlich, so überraschend es auch dem schlichten Bürger zunächst erscheinen mag. Denn zunächst einmal müssen die Ausschüsse gebildet sein, müssen diese Ausschüsse ihre Arbeit aufgenommen haben, ehe das Plenum aktiv werden kann. Das langsame Anlaufen der Parlamentsmaschinerie hat also ganz natürliche Gründe. Nun soll aber nach § 14 des Neugliederungsgesetzes vom 4. Mai 1951 die Verfassunggebende Landesversammlung spätestens einen Monat nach ihrem Zusammentritt den Ministerpräsidenten wählen. Was bedeutet, daß die Wahl des Mim-ter- präsidenten am 25. April zu vollziehen ist.
Wie man hört, soll sich der Ältestenrat dafür ausgesprochen haben, den Ministerpräsidenten mit einfacher Mehrheit durch das Plenum wählen zu lassen. Am Mittwoch ist der SPD, der DVP und dem BHE aber erst das CDU-Memorandum überreicht worden Die Fraktionen dieser Parteien werden ihrerseits dieses Memorandum beraten, und die Koalitionsgespräche können, da die Osterwoche dafür ausfällt, erst nach den Osterfeiertagen wieder aufgenommen werden. Das heißt: Frühestens am 15. April; es bleiben also nur noch zehn Tage Zeit für die Koalitionsgespräche. Damit wird man also zeitlich recht ins Gedränge geraten
Einstweilen gibt es noch wenig Anzeichen dafür, daß die vor der Wahl des M'nisterprä- sidenten abzuschließenden Koalitionsgespräche so glatt verlaufen, wie man sich dies im Interesse der Sache wünschen sollte. In DVP- Kreisen scheinen die Vorbehalte fortzubestehen. Sie konzentrieren sich vor allem auf zwei Punkte. Da ist zunächst der Verwaltungsaufbau, bei dem die DVP auf ihren im sogenannten „Gönnewein-Plan“ niedergelegten, von der CDU-Konzeption stark abweichenden Leitsätzen beharren möchte. Da ist nicht zuletzt aber auch die Schulfrage — eine ernste Klippe für die Verständigung; für die Dauer des Überleitungsgesetzes würde sich die DVP allenfalls noch mit dem Status quo abfinden, verlangt aber in der endgültigen Verfassung die Verankerung der Christlichen Gemeinschaftsschule.
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